Kondiktionsausschluß nach
§ 815 BGB bei Lossagung von einem formnichtigen, aber heilbaren Grundstückskaufvertrag BGH, Urt. v. 2. 7. 1999 V ZR 167/98 (Frankfurt
a. M.)
Fundstelle:
NJW 1999, 2892
Besprechungsaufsatz von Keim JuS 2001, 636 ff
Amtl. Leitsatz:
Die Rückforderung des Grundstückskaufpreises
ist nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil die fehlgeschlagene Erwartung
hinsichtlich einer bestimmten Bebaubarkeit des Grundstücks und der
damit einhergehenden Finanzierungsmöglichkeit zum Anlaß genommen
wurde, sich von dem formungültigen Vertrag loszusagen.
Zentralproblem:
Leistet jemand auf einen nach §§ 313
S. 1, 125 BGB formnichtigen, aber gem. § 313 S. 2 BGB heilbaren Vertrag
und kommt es mangels Vollzug nicht zur Heilung, so liegt trotz des bewußten
Leistens auf nichtbestehende Forderung kein Kondiktionsausschluß
nach § 814 BGB vor. Diese Vorschrift gilt nur für die Leistungskondiktion,
hier liegt aber eine Kondiktion wegen Zweckverfehlung (condictio causa
data, causa non secuta) nach § 812 I S. 2 Alt. 2 BGB vor. Hier
kommt ein Kondiktionsausschluß nur nach § 815 BGB dar. Die vorliegende
Entscheidung befaßt sich mit der Frage, wann in der Verhinderung
des Erfolges (hier: der Heilung des Formmangels) ein Verstoß gegen
Treu und Glauben i.S.v. § 815 BGB vorliegt.
Zu den Voraussetzungen der Zweckverfehlungskondiktion s. auch
BGH, Urteil vom 10. November 2003 - II ZR 250/01 -
Zum Sachverhalt:
Die Kl. und eine weitere GmbH waren am Kauf eines
dem Bekl. und dessen Bruder gehörenden Grundstücks interessiert.
Die Beteiligten einigten sich auf den Erwerb. Notariell beurkundet wurde
ein Kaufpreis von fünf Mio. DM. Der Bekl. erhielt vor der Beurkundung
von beiden Käufern über den ehemaligen Bekl. zu 2 im Ergebnis
150 000 DM in bar und ohne Quittung. Die Erwartungen der Käufer über
die Bebaubarkeit des Grundstücks erfüllten sich nicht. Zu einer
Durchführung des Kaufvertrags kam es nicht. Die Kl. verlangt vom Bekl.
die Rückzahlung der von ihr geleisteten 150 000 DM sowie den Ersatz
von Rechtsverfolgungskosten.
Das LG hat der Klage bis auf die Rechtsverfolgungskosten
stattgegeben. Auf die Berufung des Bekl. hat das OLG diese Entscheidung
abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision war erfolgreich
und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. nimmt an, ausgehend vom Vortrag
der Kl. bestehe im Grundsatz ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung,
weil der beurkundete Kaufpreis nur zum Schein vereinbart und der tatsächlich
vereinbarte Preis nicht beurkundet worden sei. Einem Zahlungsanspruch der
Kl. stehe aber § 815 BGB entgegen, weil das Scheitern des Erfolgseintritts
objektiv als in ihrer Sphäre begründet und ihr zurechenbar sei.
So habe sie die Zahlung des Kaufpreises unterlassen, weil ihr dessen Finanzierung
wegen der Schwierigkeiten hinsichtlich der geplanten Bebauung nicht möglich
gewesen sei. Sowohl die Zahlung des Kaufpreises als auch die Bebaubarkeit
des Grundstücks falle allein in die Risikosphäre der Kl. Sie
verhalte sich treuwidrig, wenn sie nunmehr unter dem Vorwand der Formnichtigkeit
die gemeinsame Abrede zunichte machen wolle. Die Berufung des Bekl. auf
diese Umstände sei dagegen nicht treuwidrig, da die Beweisaufnahme
ergeben habe, daß die Kl. durch ihn bei Abschluß des Kaufvertrags
über die Bebaubarkeit des Grundstücks nicht arglistig getäuscht
worden sei. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II. 1. Das BerGer. unterstellt den Vortrag der
Kl., nach dem die Käufer an den Bekl. über den protokollierten
Kaufpreis hinaus einen Betrag von insgesamt 300 000 DM zu zahlen hatten.
Mangels anderweiter Feststellungen ist davon revisionsrechtlich auszugehen.
Im Ausgangspunkt zutreffend prüft das BerGer. Zahlungsansprüche
der Kl. auf der Grundlage einer ungerechtfertigten Bereicherung. Dabei
kann offen bleiben, ob, wie das BerGer. meint, § 812 I 2 Alt. 2 BGB
als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt (vgl. dazu Staudinger/Lorenz,
BGB, 13. Bearb. [1994], § 815 Rdnrn. 2, 110, jew. m.w. Nachw.). In
jedem Fall steht § 815 BGB dem Klageanspruch nicht entgegen.
a) Zu Recht geht das BerGer. davon aus, daß
die Kl. nicht nach § 242 BGB gehindert ist, sich auf die Nichtigkeit
des Vertrags zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist ein an sich
formnichtiger Grundstückskaufvertrag nur in besonderen Ausnahmefällen
als wirksam zu behandeln, wenn die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben
unvereinbar wäre. An einen solchen Ausnahmefall sind strenge Anforderungen
zu stellen; daß die Nichtigkeit den einen Vertragsteil hart trifft,
reicht nicht aus, das Ergebnis muß vielmehr schlechthin untragbar
sein (BGH, NJW 1987, 1069 [1070] = LM § 313 BGB Nr. 113 m. w. Nachw.).
Als Ausnahmen sind insbesondere anerkannt worden: Die Fälle der Existenzgefährdung
des einen Teils und die Fälle einer besonders schweren Treuepflichtverletzung
des anderen Teils (BGH, NJW 1987, 1069 [1070] = LM § 313 BGB Nr. 113
m. w. Nachw.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
b) Zutreffend hat das BerGer. ferner ausgeführt,
daß ein Rückzahlungsanspruch der Kl. nicht an § 814 BGB
scheitert. Die Vorschrift greift dann nicht ein, wenn die Leistung zwar
in Kenntnis der Formungültigkeit, aber in der beiderseitigen Erwartung
erbracht wird, das Rechtsgeschäft werde vollzogen und der Formmangel
damit geheilt (BGH, NJW l980, 451 = LM § 815 BGB Nr. 5 m. w. Nachw.).
Bei Zahlung des zusätzlichen Betrags wollten die Parteien den formungültigen
Vertrag nach übereinstimmender Absicht verwirklichen.
2. Mit Erfolg macht die Revision jedoch geltend,
daß auch § 815 Alt. 2 BGB einem Rückzahlungsanspruch der
Kl. nicht entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Rückforderung
wegen Nichteintritts des mit einer Leistung bezweckten Erfolges ausgeschlossen,
wenn der Leistende den Eintritt des Erfolges wider Treu und Glauben verhindert
hat. Grundsätzlich können sich die Parteien eines formnichtigen
Kaufvertrags auf dessen Nichtigkeit berufen und den gezahlten Kaufpreis
zurückfordern, ohne sich dadurch dem Vorwurf des treuwidrigen Handelns
auszusetzen (BGH, WM 1983, 1340 [1342]; Lieb, in: MünchKomm, 3. Aufl.,
§ 815 Rdnr. 6; HeimannTrosien, in: RGRK, 12. Aufl., § 815 Rdnr.
6; Erman/Westermann, BGB, 9. Aufl., § 815 Rdnr. 3). Im Hinblick auf
die in § 313 S. 2 BGB enthaltene Regelung sind an das Vorliegen eines
Verstoßes gegen Treu und Glauben i. S. von § 815 Alt. 2 BGB
strenge Anforderungen zu stellen (Kanzleiter, DNotZ 1986, 258 [263]; Singer,
WM 1983, 254 [260]; ähnl. Lieb, in: MünchKomm, § 815 Rdnr.
6; Staudinger/Lorenz, § 815 Rdnr. 2). Denn die in § 313 S. 2
BGB angeordnete Voraussetzung einer Heilung des Formmangels darf nicht
auf dem Umweg über § 815 BGB einseitig zu Lasten des leistenden
Vertragsteils herabgesetzt werden (Kanzleiter, DNotZ 1986, 258 [263]).
Die Berufung der Kl. auf die Formnichtigkeit ist
daher nicht bereits deswegen treuwidrig, weil sie ihre fehlgeschlagene
Erwartung hinsichtlich einer bestimmten Bebaubarkeit des Grundstücks
und die damit einhergehende Finanzierungsmöglichkeit zum Anlaß
genommen hat, sich von dem formungültigen Vertrag loszusagen. Diese
Gründe sind zwar der Sphäre der Kl. zuzuordnen. Das Berufen auf
einen in eigener Sphäre liegenden Umstand rechtfertigt aber für
sich allein nicht die Annahme der Treuwidrigkeit. Diese kann sich nur aus
besonderen zusätzlichen Umständen ergeben (OLG Düsseldorf,
NJW-RR 1986, 692; Heimann-Trosien, in: RGRK, § 815 Rdnr. 6; Kanzleiter,
DNotZ 1986, 258 [263]; Singer, WM 1983, 254 [260]).
In dem vom BerGer. herangezogenen Urteil des Senats
vom 26. 10. 1979 (NJW 1980, 451 = LM § 815 BGB Nr. 5) waren solche
besonderen Umstände gegeben. Dort hatte die Käuferin die Nichtigkeit
des Vertrags erst geltend gemacht, nachdem durch die von ihr veranlaßten
Umbauarbeiten erhebliche Schäden am Haus entstanden waren und sie
den Vertrag deshalb unter dem Vorwand der Formnichtigkeit zum
Scheitern brachte, weil ihr das Grundstück nunmehr wertlos erschien.
Vergleichbare Umstände hat das BerGer. im vorliegenden Fall nicht
festgestellt. Sie sind dem Vorbringen des Bekl. auch nicht zu entnehmen.
Die Kl. hatte das Grundstück zu keinem Zeitpunkt in Besitz. Einwirkungsmöglichkeiten,
die etwa zu einer Wertminderung des Grundstücks hätten führen
können, bestanden für sie, nicht. Auch hat die Kl. die Herbeiführung
der Bebaubarkeit des Grundstücks nicht treuwidrig vereitelt, sondern
sich darum nach Vertragsschluß, wenn auch vergeblich, bemüht.
Ob die Kl. sich im Vorfeld der Vertrags-vereinbarungen um die Bebaubarkeit
nicht ausreichend gekümmert hat, ist für die Frage einer treuwidrigen
Lossagung von der gemeinsamen Zweckerwartung der Parteien ohne Bedeutung.
III. Der Rechtsstreit ist an das BerGer. zurückzuverweisen
(§ 565 1 S. 1 ZPO), weil dieses bisher lediglich den Vortrag der Kl.
zu den Umständen des Vertragsschlusses unterstellt, eigene Feststellungen
hierzu aber nicht getroffen hat.