Erfordernis der Bestimmtheit des Klageantrags (§ 253 II Nr. 2 ZPO); Voraussetzungen der Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 ZPO bei Anspruch aus § 283 BGB

BGH, Urt. v. 14. 12. 1998 - II ZR 330/97


Fundstellen:

NJW 1999, 954 f
LM H. 5/1999 § 283 BGB Nr. 7 (Anm. Becker-Eberhard)



Amtl. Leitsätze:

1. Ein Klageantrag auf Zahlung monatlicher Nutzungsentschädigung bis zur Herausgabe einer Sache ist i. S. des § 253 II Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
2. Eine auf § 283 BGB gestützte bedingte Schadensersatzklage kann unter den Voraussetzungen des § 259 ZPO bereits mit der Herausgabeklage verbunden werden.
3. Zur Besorgnis der Nichterfüllung i. S. des § 259 ZPO.



Zum Sachverhalt:

Die Kl. ist Eigentümerin zweier Gabelstapler FD 25 und FD 40 (künftig: FD 25 und FD 40), die sie unter Eigentumsvorbehalt an die D-GmbH i.G. geliefert hatte und die nicht vollständig bezahlt worden sind. Von der Käuferin gelangten beide Fahrzeuge zu Reparaturarbeiten in den Besitz der Bekl. Mit der Klage hat die Kl. Herausgabe und Schadensersatz von 49 850 DM nach fruchtlosem Ablauf einer für die Herausgabe gerichtlich zu bestimmenden Frist, ferner eine monatliche Nutzungsentschädigung von 2415 DM (FD 25) und 3047,50 DM (FD 40) ab dem 18. 9. 1996 bis zur Herausgabe oder einer Schadensersatzleistung gefordert. Das LG hat, soweit es den Gabelstapler FD 40 betraf, den Klageanträgen mit Ausnahme der begehrten Nutzungsentschädigung stattgegeben und wegen des Gabelstaplers FD 25 die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das OLG die Bekl. auch zur Herausgabe des Gabelstaplers FD 25 verurteilt und dieser hierfür eine Frist von vier Wochen nach Rechtskraft des Urteils gesetzt. Die weitergehende Klage auf Leistung von Schadensersatz für diesen Gabelstap1er bei fruchtlosem Fristablauf (18 500 DM) hat es ebenso als unzulässig abgewiesen wie beide Anträge auf Zahlung monatlicher Nutzungsentschädigungen; die von der Kl. zur Nutzungsentschädigung im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge auf Zahlung von 28336DM (FD 25) und 35757,29 DM (FD 40) für die Zeit bis zum 10. 9. 1997 sowie auf Feststellung künftiger monatlicher Zahlungsverpflichtungen hat das BerGer. als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich die Revision der Kl., soweit sie beschwert ist. In der mündlichen Revisionsverhandlung haben die Parteien - nach zwischenzeitlicher Herausgabe beider Gabelstapler - den Antrag auf Schadensersatz bei nicht rechtzeitiger Herausgabe des Geräts FD 25 (Berufungsantrag zu 3) übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Revision führte zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an das BerGer.

Aus den Gründen:

I. 1. Die Hauptanträge auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung bis zur Herausgabe der Gabelstapler wertet das BerGer. wegen des unsicheren Endzeitpunkts als zu unbestimmt (§ 253 II Nr. 2 ZPO). Ein solcher Zahlungstitel habe keinen vollstreckbaren Inhalt; für diesen Zeitraum bestehe nur die Möglichkeit einer Feststellungsklage. Die solchen Bedenken Rechnung tragenden Hilfsanträge der Kl. seien hingegen unbegründet. Die Kl. habe nicht schlüssig dargetan, daß ihr tatsächlich ein Gewinn in der beanspruchten Höhe durch die Vorenthaltung der Gabelstapler entgangen sei. Als gewerbsmäßige Vermieterin derartiger Geräte könne die Kl. zwar ihren Schaden abstrakt berechnen. Gleichwohl fehle es hier an den notwendigen näheren Angaben.
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in entscheidenden Punkten nicht stand. Die Klage auf Zahlung laufender monatlicher Nutzungsentschädigungen bis zur Herausgabe der Gabelstapler (oder ersatzweise der Zahlung von Schadensersatz nach § 283 BGB) ist zulässig. Die vom BerGer. hiergegen geäußerten verfahrensrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht.
a) Nach § 253 II Nr. 2 ZPO muß die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und zugleich eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Daran gemessen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen läßt, das Risiko eines Unterliegens des Kl. nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Bekl. abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten läßt (vgl. etwa BGH, NJW 1991, 1114 = LM § 253 ZPO Nr. 94 = MDR 1991, 505; BGH, NJWE-WettbR 1998,169 [170]; Zöller/Greger, ZPO, 20. Aufl., § 253 Rdnr. 13). Unter all diesen Gesichtspunkten ist gegen einen an die Herausgabe der primär geschuldeten Sache geknüpften Endzeitpunkt für die beantragte laufende Zahlung im Grundsatz nichts einzuwenden. Anders als in dem vom BerGer. für seine Rechtsauffassung angeführten Urteil des RG (DR 1944,290 [292] statt DR 1944,36 [38]), in der es um eine in der Tat zu unklare Rentenzahlung "bis zur Wiedererlangung der vollen Arbeitskraft" ging, wird das Streitverhältnis hier auch nicht etwa in die Zwangsvollstreckung verlagert. Ob die Sache an den Gläubiger herausgegeben worden ist, läßt sich vielmehr in aller Regel leicht und sicher feststellen. Richtig ist allein, daß beim Streit eine solche Klärung durch die Vollstreckungsorgane (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht) kaum jemals erfolgen kann. Handelte es sich dabei um eine aufschiebende Bedingung der Zahlungspflicht, so müßte eine solche Prüfung vor Beginn der Zwangsvollstreckung im Klauselerteilungsverfahren erfolgen (§§ 726,731 ZPO). Bei auflösenden Bedingungen - wie hier - fehlt es an einem derartigen, die Zwangsvollstreckung entlastenden und den Schuldner schützenden besonderen Verfahren. Das bedeutet jedoch nicht, daß deswegen eine auflösende Bedingung im Klageantrag und Urteilstenor schlechthin unzulässig wäre. Unter solchen Umständen bleibt es vielmehr Sache des Schuldners, Einwendungen dieser Art gegen den titulierten Anspruch nach § 767 ZPO durch Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen, falls der Gläubiger trotzdem weiter vollstrecken sollte. Darin liegt es nicht anders als in den sonstigen zahlreichen Fällen der Titulierung laufender Leistungen (Unterhalt, Renten, Mietzins usw.), die, auch wenn es so nicht in den Tenor aufgenommen wird, materiell-rechtlich unter dem Vorbehalt wesentlich gleichbleibender Verhältnisse stehen und bei deren Änderung die Initiative zur Korrektur des Titels - in der Regel durch Abänderungs- oder Vollstreckungsgegenklage nach §§ 323, 767 ZPO - dem Vollstreckungsschuldner überlassen bleibt. Die hiermit verbundene Gefahr unberechtigter weiterer Zwangsvollstreckung nimmt das Gesetz zugunsten eines effektiven Rechtsschutzes für den Gläubiger in Kauf. Das stattdessen vom BerGer. befürwortete Ausweichen auf eine Feststellungsklage provoziert hingegen bei mangelnder Leistungsbereitschaft des Schuldners ohne Not eine Vielzahl von Prozessen, im Extremfall ein eigenes Verfahren für jeden fälligen Einzelbetrag.
b) Die Abweisung beider Klageanträge auf Zahlung monatlicher Nutzungsentschädigungen erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 563 ZPO). Das BerGer. überspannt die Anforderungen an die Schlüssigkeit der Berechnung eines entgangenen Gewinns. Im Ausgangspunkt zutreffend billigt das BerGer. der Kl. als gewerblicher Vermieterin gem. § 252 5. 2 BGB das Recht zu einer abstrakten Schadensberechnung zu. Eine solche Berechnung erfordert die Darlegung von Anknüpfungstatsachen, die geeignet sind, dem gerichtlichen Ermessen bei der Wahrscheinlichkeitsprüfung nach § 252 S. 2 BGB eine Grundlage zu geben. Reichen diese nicht aus, um den gesamten Schaden durch Schätzung (§ 287 ZPO) zu ermitteln, so ist jedenfalls zu prüfen, in welchem Umfang die vorgetragenen Tatsachen eine hinreichende Basis für die Ermittlung eines Mindestschadens bieten (St. Rspr.; vgl. BGHZ 91, 243 [256 f.] = NJW 1984, 2216 = LM Art. 14 [Ba] GrundG Nr. 68; BGH, NJW-RR 1996, 1077f. m.w. Nachw.). Im Streitfall bieten die Angaben der Kl. genügend Anhalt für eine derartige Schadensermittlung. Die Kl. hat nicht nur ihre Preisliste vorgelegt und einen Gewinnanteil von 80% behauptet, sondern auch eine nahezu vollständige Auslastung ihres Fahrzeugparks mit der regelmäßigen Anmietung weiterer Fremdfahrzeuge belegt. Daß weitere Einzelheiten fehlen, etwa zur exakten Auslastungsrate, zu reparaturbedingten Ausfällen und zur Vorhaltung von Ersatzfahrzeugen, mag einer konkreten Schadensberechnung entgegenstehen, hindert eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO aber nicht. Dasselbe gilt für Zweifel des BerGer. an der Richtigkeit des behaupteten Gewinnanteils, falls es hierzu nicht ohnehin der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte. Daß schließlich das BerGer. es in diesem Zusammenhang für denkbar hält, die Beträge der von der Kl. überreichten Preisliste könnten im Geschäftsverkehr auch unterschritten worden sein, beruht ersichtlich auf bloßer Mutmaßung ohne hinreichenden Anhalt im Parteivorbringen. Auf dieser Grundlage wird das BerGer. nunmehr den von der Kl. behaupteten monatlichen Mietausfall bis zur erfolgten Herausgabe der beiden Gabelstapler zu ermitteln haben. Hierfür ist der Rechtsstreit an das BerGer. zurückzuverweisen (§ 565 I ZPO).
II. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gem. § 91 a ZPO nur noch über die Kosten dieses Teils zu befinden. Diese Entscheidung muß ebenfalls dem BerGer. überlassen bleiben, weil über die Kosten des Rechtsstreits nur einheitlich entschieden werden kann. Für die dabei erforderliche Prüfung, welche der Parteien in dem erledigten Punkt voraussichtlich unterlegen wäre, weist der Senat jedoch darauf hin, daß an der Zulässigkeit des bedingten Antrags auf Leistung von Schadensersatz entgegen der Ansicht des BerGer. nicht zu zweifeln ist.
1. Keine Bedenken bestehen zunächst gegen die auch vom BerGer. für zulässig gehaltene Klagenhäufung. Sie entspricht dem Gläubigerbedürfnis, eine doppelte Prozeßführung zu vermeiden, und damit zugleich dem Gebot der Prozeßwirtschaftlichkeit. Soweit die auf das amtsgerichtliche Verfahren und die Verurteilung zur Vornahme einer Handlung beschränkte Sondervorschrift des § 510 b ZPO nicht eingreift, folgt die Zulässigkeit einer auf § 283 I BGB gestützten bedingten Schadensersatzklage aus § 259 ZPO. Das ist heute zu Recht ganz überwiegende Meinung (vgl. OLG Schleswig, NJW 1966, 1929 [1930]; OLG Köln, MDR 1997, 1059; OLG Köln, NJW-RR 1998, 1682; Emmerich, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 283 Rdnr. 35; Palandt/Hejnrjchs, BGB, 57. Aufl., § 283 Rdnr. 7; Staudinger/Löwisch, 13. Bearb., § 283 Rdnr. 34; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 255 Rdnr. 8; Lüke, in: MünchKomm-ZPO, § 255 Rdnr. 14; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZivilprozeßR, 15. Aufl., § 65 IV 3 a, § 92 II 2c; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 260 Rdnr. 25; Zöller/Greger, § 255 Rdnr. 3; vgl. auch RGZ 137, 98 [101] zu § 1003 II BGB; einschränkend OLG Koblenz, AnwBl 1990, 107 [108]; a.A. OLG München, OLGZ 1965, 10 [11]) und gilt unabhängig davon, ob die Schadensersatzklage bei der Verurteilung des Bekl. zur Herausgabe bereits entscheidungsreif ist (anders einschränkend OLG Koblenz, AnwBl 1990, 107 [108]). Schutzwürdige Interessen des Schuldners werden durch eine derartige Verbindung der Schadensersatzklage mit dem Herausgabeanspruch nicht verletzt. Soweit dieser geltend machen will, die Herausgabe sei ihm nachträglich wegen eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes unmöglich geworden (vgl. hierzu OLG München, OLGZ 1965, 10 [11]), und er dadurch trotz § 287 S. 2 BGB ausnahmsweise gem. § 283 I S. 3 BGB von seiner Schadensersatzpflicht befreit wird, steht ihm mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) hinreichender Rechtsschutz zur Verfügung.
2. Das BerGer. will hier allerdings Besorgnis der Nichterfüllung (§ 259 ZPO) verneinen, weil die Bekl. das Eigentum der Kl. nicht bestritten und lediglich ein Besitzrecht für sich in Anspruch genommen habe, zudem noch im Berufungsverfahren ausdrücklich erklärt habe, bei rechtskräftiger Verurteilung den Herausgabeanspruch zu erfüllen. Daß die Bekl. bis dahin trotz erstinstanzlicher Verurteilung auch den Gabelstapler FD 40 nicht an die Kl. herausgegeben habe, stehe nicht entgegen, da sie hierzu erst nach Rechtskraft des Urteils verpflichtet sei. Dem folgt der Senat nicht. Eine Besorgnis der Nichterfüllung i. S. des § 259 ZPO ist regelmäßig schon dann begründet, wenn der Schuldner den Anspruch ernstlich bestreitet (BGHZ 5, 342 [344] = NJW 1952, 817 = LM § 400 BGB Nr. 2;BGHZ 43, 28 [31] = NJW 1965, 440 = LM § 33 ZPO Nr. 7; BGH, NVwZ 1997, 99 = LM H. 1/1997 § 257 ZPO Nr. 3 = MDR 1996, 1232; Stein/Jonas/Schumann, § 259 Rdnr. 21). An dieser Voraussetzung läßt sich im Streitfall selbst bei Anlegung strenger Maßstäbe mindestens deswegen nicht zweifeln, weil die Bekl. im Prozeß nicht nur ihre Herausgabepflicht, sondern auch die Höhe des geltend gemachten Schadens in Abrede gestellt hat. Daß sie gleichzeitig ihre Bereitschaft zur Herausgabe der Gabelstapler im Falle rechtskräftiger Verurteilung angezeigt hatte und bei ordnungsgemäßer Erfüllung ein Schadensersatzanspruch der Kl. aus § 283 BGB nicht entstanden wäre, kann diese Besorgnis nicht entkräften. Abgesehen davon, daß hierdurch eine rechtzeitige Herausgabe keineswegs gewährleistet war, spricht entscheidend gegen die Bekl. ihre am Beispiel des Gabelstaplers FD 40 tatsächlich gezeigte mangelnde Leistungsbereitschaft. Nicht richtig ist die Ansicht des BerGer., daß sie zu dieser Herausgabe erst bei Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils verpflichtet gewesen wäre. Wenn die Bekl. demnach ihre erstinstanzliche Verurteilung schon nicht an-fechten wollte, wäre um so eher zu erwarten gewesen, daß sie ihrer titulierten Herausgabepflicht alsbald freiwillig nachkam. Statt dessen hat sie es - nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem BerGer. - auf eine Zwangsvollstreckung seitens der Kl. ankommen lassen. All dies entwertet entscheidend ihre verbale Zusicherung.
3. War mithin die bedingte Schadensersatzklage auch insoweit zulässig, als es um den Gabelstapler FD 25 geht, so kann es bei einer Beurteilung ihrer Erfolgsaussichten nur noch darum geben, ob die Kl. insoweit ihren Schaden zutreffend ermittelt hat. Darüber muß der Tatrichter noch entscheiden. 



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