RGZ 135, 75
Zentralproblem:
Vgl. Anmerkung zu RGZ
138, 265 ff
Amtl. Leitsatz:
Zur Anwendung des § 934 BGB
Sachverhalt:
Die verklagte Gesellschaft stand in Geschäftsverbindung
mit der Firma G. K. in Hamburg, welche ihr ständig größere
Mengen Zucker abnahm. Die Verkäufe wurden regelmäßig mit
der Klausel vorgenommen, daß siech die Beklagte das Eigentum an der
Ware bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehielt, daß
jedoch der Käuferin gestattet war, die Ware weiter zu veräußern
oder zu verarbeiten (Näheres in § 24 der Verkaufs-Bedingungen
der Beklagten).
Unter diesen Bedingungen hatte die Beklagte der
Firma K u. a. 890 Sack gemahlenen Zucker Marke I. P. X. verkauft, welche
von der Zweigniederlassung der Beklagten in Itzehoe geliefert und auf dem
Steuerlager der Firma H. P. & Co. GmbH in Hamburg eingelagert worden
waren. An dieser Ware will die klagende Bank das Eigentum erworben haben
auf Grund folgender Vorgänge: Die W.-C.-A. AG, die im ersten Rechtsgang
auf Grund vorangegangener Streitverkündung der Klägerin als Nebenintervenientin
beigetreten ist, habe der Firma K. gegen Übertragung des Eigentums
an den 890 Sack und an noch weiteren Zuckervorräten ein Darlehen gewährt.
Die Eigentumsübertragung sei durch Abtretung des Herausgabeanspruchs
gegen die Firma P. erfolgt, die in einem Schreiben der Firma K. an die
Nebenintervenientin vom 27. Januar 1930 verlautbart worden sei. Auch habe
die Firma P. der Nebenintervenientin unter dem 25. Januar 1930 einen "Namenslagerschein"
Nr. 2293 über jene 890 Sack Zucker ausgestellt. Sodann habe die Klägerin
ihrerseits der Nebenintervenientin ein entsprechendes Darlehen gewährt
und von ihr das Eigentum an der Ware dadurch übertragen erhalten,
daß sie durch Schreiben vom 28. Januar 1930 der Klägerin ihre
Ansprüche auf deren Herausgabe abgetreten und daß die Firma
P. durch Schreiben an die Klägerin vom 29. Desselben Monats bestätigt
habe, sie halte die Ware auf ihrem Lager für die Klägerin unter
Verschluß und zu deren alleiniger Verfügung und verpflichte
sich, "dieselbe ganz oder teilweise nur gegen von Ihnen ausgestellten Lieferschein
bzw. unsere Lagerscheine herauszugeben".
Nachdem am 27. Februar 1930 die Firma K. ihre
Zahlungen eingestellt hatte - nach Behauptung der Beklagten ohne ihr zuvor
die 890 Sack bezahlt zu haben -, entstand unter den Prozeßparteien
Streit wegen des Eigentums an dem Zucker. Die Klägerin erhob im März
1930 zunächst Klage auf Feststellung ihres Eigentums und Einwilligung
in die Auslieferung der Ware an sie. Die Beklagte bestritt den Eigentumserwerb
der Klägerin, weil es an einer wirksamen Besitzübertragung fehle
und weil auch weder die Nebenintervenientin noch die Klägerin in gutem
Glauben gewesen seien. Auf Grund eines Zwischenvergleichs vom Juli 1930
wurde der streitige Zucker veräußert und der Reinerlös
(34.487,50 RM) auf ein Gemeinschaftskonto bei der Klägerin einbezahlt.
Demgemäß beantragte diese nunmehr, festzustellen, daß
der angebliche Anspruch der Beklagten an die Klägerin auf Auszahlung
jenes Depots nebst den bis zur Rechtskraft des Urteils angewachsenen Zinsen
nicht zu Recht bestehe, sondern daß die Klägerin berechtigt
sei, diese Beträge für sich zu behalten. Ferner verlangte die
Klägerin Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.852,59 RM mit
Zinsen; dieser Betrag setzt sich zusammen aus 465,30 RM anteiligen Kosten
einer vorangegangenen einstweiligen Verfügung, 474,40 RM Lagerkosten
und 912,89 RM entgangenen Zinsen auf den Kaufpreis.
Die Vorinstanzen haben die Beklagte nach diesem Antrage verurteilt. Ihre Revision wurde zurückgewiesen.
Gründe:
Die Auffassung des Berufungsrichters, die Nebenintervenientin
habe gemäß §§ 934, 931 BGB das Eigentum an der streitigen
menge Zucker erworben und dieses dann nach § 931 BGB auf die Klägerin
übertragen, ist im Ergebnis zu billigen.
Der Vorderrichter legt zunächst dar, die
Firma K. sei, da sie der Beklagten die Ware noch nicht bezahlt gehabt habe,
weder Eigentümerin noch mittelbare Besitzerin des bei der Firma P.
von der Beklagten eingelagerten Zuckervorrats geworden. Daraus wird
zutreffend gefolgert, daß für den Eigentumserwerb der Nebenintervenientin
nicht der erste Halbsatz des § 934, sondern nur dessen zweiter Halbsatz
in Betracht kommen könne. Nach der daselbst getroffenen Regelung wird
derjenige, dem das Eigentum an seiner beweglichen Sache durch Abtretung
des Anspruchs auf deren Herausgabe verschafft werden soll (§ 931 BGB),
falls der Veräußerer weder Eigentümer noch mittelbarer
Besitzer der Sache ist, "dann Eigentümer, wenn er den Besitz der Sache
von dem Dritten erlangt, es sei denn, daß er zur Zeit der Abtretung
oder des Besitzerwerbes nicht in gutem Glauben ist".
Da der Besitzerwerb der Nebenintervenientin nur in der Erlangung des mittelbaren Besitzes an dem im Gewahrsam und unmittelbaren Besitz der Lagerfirma P. verbliebenen Zuckervorrat bestehen konnte, so ist vorweg zu fragen, ob die Begründung mittelbaren Besitzes ausreicht zur Erfüllung des gesetzlichen Erfordernisses, daß der Erwerber den Besitz der Sache von dem Dritten erlangt habe. Der Vorderrichter hat die Frage mit Recht bejaht. Der erkennende Senat hat schon wiederholt in diesem Sinne Stellung genommen (Urteile vom 30. Oktober 1908 VII 301/08, abgedr. Bei Gruch. Bd. 53 S. 602 und JW. 1908 S. 717 Nr. 14, vom 23. Januar 1917 VII 268/16 in RGZ Bd. 89 S. 348 [349], vom 8. Dezember 1925 (VII) VI 330/25, abgedr. JW. 1926 S. 800 Nr. 9). Das vom Berufungsgericht herangezogene Schrifttum teilt diese Meinung, sodaß sie als allgemein herrschend bezeichnet werden darf. Auch Martin Wolff erhebt in seinem von der Revision verwerteten Rechtsgutachten vom 7. Mai 1931 hiergegen keinen Widerspruch.
Die ferner zu stellende Frage, ob die Nebenintervenientin
und nach ihr die Klägerin durch die von der Firma P. ihnen gegenüber
abgegebenen und von ihnen widerspruchslos entgegengenommenen Erklärungen
den mittelbaren Besitz an dem - bis dahin im mittelbaren Besitze der Beklagten
befindlichen - Zuckervorrat haben erlangen können, entscheidet das
Oberlandesgericht gleichfalls zugunsten der Klage. Auch diese Stellungnahme
wird von der Revision nicht beanstandet, ebensowenig von dem Wolffschen
Gutachten. In der Tat sich auch keine rechtlichen Bedenken dagegen zu erheben.
Der erkennende Senat hat schon in RGZ Bd. 89 S. 349/350 angenommen, daß
der Besitzmittler durch Begründung eines neuen, dem § 868 BGB
entsprechenden Verhältnisses dem daran Beteiligten den mittelbaren
Besitz zu verschaffen vermag, ohne Rücksicht darauf, ob derjenige,
der vorher den mittelbaren Besitz an der Sache erlangt hatte, davon erfährt
und dem zustimmt. Nach dem damals zu beurteilenden Sachverhalt hatte bei
der Schaffung des neuen Besitzmittlungsverhältnisses ebenfalls eine
Person mitgewirkt, die sich - wie im vorliegenden Fall die Firma K. - als
mittelbarer Besitzer benahm, ohne es in Wirklichkeit zu sein. Dieselbe
Rechtsauffassung liegt den Urteilen des Senats vom 8. Dezember 1925 (JW
1926 S 800 Nr. 9) und vom 29. November 1927 (RGZ Bd. 119 S. 152, auch JW
1928 S. 398 Nr. 3) zugrunde. Der Reichsfinanzhof hat freilich in seinem
Urteil vom 24. März 1920 (Entsch. Bd. 2 S. 243, besonders S. 245/246)
ausdrücklich ausgesprochen, der mittelbare Besitz könne ohne
Mitwirkung des mittelbaren Besitzes nicht auf einen anderen übertragen
werden. Die Erwägungen dieser Entscheidung fassen aber lediglich den
- hier nicht gegebenen - Fall ins Auge, daß der bisherige mittelbare
Besitzer diese seine Rechtsstellung auf einen anderen übertragen will.
Hierfür ist allerdings im 870 BGB, den der Reichsfinanzhof heranzieht,
der Weg der Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe der Sache gewesen. Unabhängig
davon besteht aber kraft der allgemein anzuerkennenden Vertragsfreiheit
für den Besitzmittler stets die rechtliche Möglichkeit, ein neues
Besitzmittlungsverhältnis mit einem anderen einzugehen. Soweit der
Reichsfinanzhof (a.a.O. S. 246) dies unter Hinweis auf § 868 BGB verneint,
vermag seine Darlegung nicht zu überzeugen. Wie Planck-Brodmann (Komm.
Z. BGB 5. Aufl., Anm. 4 g ß zu § 868, Bd. 3 S. 93) zutreffend
ausführt, liegt die Voraussetzung, von welcher § 868 den mittelbaren
Besitz abhängig macht, gerade darin, daß der unmittelbare Besitzer
die Sache als Nießbraucher, Mieter usw. besitzt; durch diese Wortfassung
wird ein subjektives Erfordernis aufgestellt, und es hängt mithin
lediglich von der Willensentschließung des unmittelbaren Besitzers
ab, ob und wie lange er diesem Erfordernis genügen will.
In enger Verbindung hiermit steht sodann die für
die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutungsvollste und deshalb von den
Parteien scharf umstrittene Frage, ob durch die Begründung des neuen
Besitzmittlungsverhältnisses derjenige mittelbare
Besitz zerstört wird, der bis zu diesem Zeitpunkt bestand. Würde
die Frage dahin beantwortet, daß die Entstehung des neuen mittelbaren
Besitzes den Untergang des bisherigen stets und unter allen Umständen
nach sich zieht, so wäre klar, daß das Erfordernis des §
934 BGB (2. Halbsatz), der Erwerber müsse den - mittelbaren - Besitz
der Sache von dem Dritten (Besitzmittler) erlangt haben, für die Nebenintervenientin
erfüllt wäre; denn es käme dann überhaupt kein anderes
Besitzverhältnis mehr in Betracht, insbesondere kein mittelbarer Besitz
der Beklagten. Diesen Standpunkt nimmt hilfsweise auch der Berufungsrichter
ein. Wäre aber der Zweifel im Sinne eines Fortbestandes des mittelbaren
Besitzes der Beklagten an dem streitigen Zuckervorrat zu lösen, dann
würde sich die weitere Frage erheben, ob ein "gleichstufiger" mittelbarer
Besitz der Nebenintervenientin zur Besitzerlangung, wie sie der zweite
Halbsatz des § 934 fordert, ausreicht - eine Frage, die der Vorderrichter
mit seinen in erste Reihe gestellten Ausführungen, freilich ohne Heraushebung
gerade dieser Fragestellung, bejaht, während sie von der Revision
und dem Gutachten von M. Wolff verneint wird.
Der erkennende Senat hat in dem schon erwähnten Urteil vom 29. November 1927 (RGZ Bd. 119 S. 153/154) ausgesprochen:
Zur Erlangung des mittelbaren Besitzes einer Sache genügt die Begründung eines Rechtsverhältnisses der in § 868 BGB bezeichneten Art. Hat der unmittelbare Besitzer, obwohl er einem anderen gegenüber zum Besitz einer Sache gemäß § 868 berechtigt oder verpflichtet war, wegen dieser Sache mit einem Dritten ein ebensolches Rechtsverhältnis begründet, demzufolge er nunmehr den Besitz für diesen ausüben will, so ist dadurch der Besitzstand des früheren mittelbaren Besitzers beseitigt worden (RGRKomm. Anm. 6 zu § 868). Ob dies mit Recht oder Unrecht geschah, ist für den tatsächlichen Besitzerwerb des Dritten ohne Bedeutung.
Damit hat der Senat bereits deutlich kundgegeben,
daß er die erstere Ansicht teilt. Ein Grund, von dieser Meinung abzugehen,
ist nicht anzuerkennen.
Die Anschauung entspricht durchaus dem Gesetz.
Vorangeschickt sei hier, daß im Besitzrecht des Bürgerlichen
Gesetzbuchs keine Vorschrift des Inhalts enthalten ist, die Beendigung
des mittelbaren Besitzes an einer in der tatsächlichen Gewalt des
Besitzmittlers verbleibenden Sache setze voraus, daß der letztere
seine Willensänderung gegenüber dem mittelbaren Besitzer erkläre.
Im I. Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 813 Abs. 2) war
eine solche Bestimmung vorgesehen, sie ist jedoch nicht Gesetz geworden
(vgl. Prot. II. 3. S. 227 flg.). Ein solches Erfordernis hätte aber
ausdrücklicher Festsetzung im Gesetze bedurft; aus allgemeinen Gesichtspunkten
läßt es sich nicht herleiten. Demnach genügt eine Handlung,
die der unmittelbare Besitzer demjenigen gegenüber vornimmt, für
den er das neue Besitzmittlungsverhältnis begründen will. Freilich
ist dazu eine bestimmte, äußerlich feststellbare Handlung oder
Erklärung erforderlich (vgl. Planck-Brodmann a.a.O.; RGRKomm. 6. Aufl.
Anm. 6 zu § 868 BGB). In dieser Hinsicht bestehen jedoch angesichts
des hier gegebenen Sachverhalts keinerlei Bedenken. Im übrigen ist
grundsätzlich folgendes zu sagen. Überall wo im Bürgerlichen
Gesetzbuch namentlich im 1. Abschnitt und im 3. Titel des 3. Abschnitts
des Sachenrechts, vom Besitz die Rede ist, wird mit bestimmtem Artikel
von "dem Besitz" gesprochen, nicht etwa von "einem Besitzverhältnis".
Schon dadurch wird deutlich bezeugt, daß sich das Gesetz den Besitz
als eine ausschließliche Gewalt über die Sache vorstellt, nicht
anders als es beim Eigentum der Fall ist (§ 903 BGB). Gibt es an einer
Sache nur den Besitz, also einen Besitz, so kann es auch nur einen Besitzer
geben; dieser Satz würde als Ausfluß des § 854 BGB allgemein
gelten, wenn nicht in dem durch diesen Paragraphen eingeleiteten Abschnitt
gewisse Sondervorschriften getroffen wären. So sieht § 866 BGB
den Fall des gemeinschaftlichen Mitbesitzes mehrerer Personen vor. Im §
868 wird dann bestimmt, daß bei Bestehen eines Rechtsverhältnisses
der dort angegebenen Art auch der andere (mittelbarer) Besitzer sein soll;
wäre dies nicht besonders verordnet, so hätte nach der Grundregel
des § 854 allein der unmittelbare Besitzer als Besitzer zu gelten.
Endlich wird im § 871 BGB die Möglichkeit eröffnet, daß
in weiterer, auf dieselbe Wurzel zurückgehender Staffelung auch noch
Andere mittelbare Besitzer sein können. Damit ist aber der Kreis derjenigen
Personen geschlossen, die am Besitz einer einheitlichen Sache beteiligt
sein können; denn die Schaffung anderer rechtlicher Gestaltungen im
Wege der Vereinbarung ist nach allgemeinen Grundsätzen des Sachenrechts
unstatthaft. Die mehreren Besitzer müssen entweder durch das Band
einer gemeinschaftlichen rechtlichen Beziehung aneinander gekettet sein
(Mitbesitz) oder ihrer Beteiligung muß - sei es nur in einer Verbindung,
sei es in mehreren aufeinanderfolgenden Stufen von Verbindungen - auf einem
Verhältnis der im § 868 BGB gedachten Art aufgebaut sein (mittelbarer
Besitz). Dagegen ist der Gedanke, daß durch mehrere, voneinander
unabhängige Besitzmittlungsverhältnisse mehrere Personen nebeneinander
durch Verbindung mit demselben Besitzmittler einen "gleichstufigen" mittelbaren
Besitz an einer Sache erlangen und gleichzeitig behaupten könnten,
dem Gesetze offenbar fremd. Es kennt auch nur einen mittelbaren Besitz
und drückt sich auch hier dementsprechend aus (§ 869 und §
871: der mittelbare Besitzer, § 870: Der mittelbare Besitz"). Namentlich
die Wortfassung des § 870 ist bezeichnend: hätte man die Möglichkeit
mehrerer Besitzverhältnisse aus gesonderten Beziehungen zu demselben
Besitzmittler berücksichtigen wollen, so wäre an Stelle von "Der
mittelbare Besitz" der Ausdruck: "Ein mittelbares Besitzverhältnis"
am Platze gewesen.
Aber auch innere Gründe sprechen dafür, daß Einheitlichkeit und Ausschließlichkeit in dem dargelegten Sinne für den mittelbaren Besitz gefordert werden müssen. Wennschon es dem unmittelbaren Besitzer freisteht, seinerseits ein neues Besitzmittlungsverhältnis zu schaffen, so kann ihm doch nicht die Befugnis zuerkannt werden, die dadurch eintretenden Rechtsfolgen von sich aus zu bestimmen und dabei in die grundsätzliche Ausschließlichkeit des Besitzes einzugreifen. Stände es in seinem Belieben, mehrere nebeneinander - vielleicht während längerer Zeit - herlaufende mittelbare Besitzberechtigungen zu begründen, so würde dadurch unzweifelhaft große Rechtsunsicherheit erzeugt. Es wäre z.B. ganz unklar, welchem der mittelbaren Besitzer die im § 1006 BGB geordnete Eigentumsvermutung zugute kommen sollte. Deshalb muß § 868 BGB dahin ausgelegt werden, daß der unmittelbare Besitzer die Besitzvermittlung nur in der Richtung auf einen anderen, d.h. auf eine bestimmte Person oder Personengemeinschaft betätigen und nur diese zum mittelbaren Besitzer machen darf; zum mindesten dürfen diejenigen, für die er den Besitz vermitteln will, nicht in unvereinbarem Gegensatz zueinander stehen. Ein solcher Gegensatz wäre aber stets dann vorhanden, wenn - wie hier - jeder Beteiligte den alleinigen mittelbaren Besitz beansprucht. Räumt also der unmittelbare Besitzer durch eine bestimmte, äußerlich hinreichend feststellbare Handlung den mittelbaren Besitz, der vorher für A. begründet worden war, nunmehr dem B. ein, so muß er in allen Fällen des gekennzeichneten unvereinbaren Gegensatzes die Rechtsfolge in Kauf nehmen, daß damit der mittelbare Besitz des A. erlischt, einerlei ob der unmittelbare Besitzer des beabsichtigt hat oder nicht. Auf dessen Willensentschließung kann es insoweit in keiner Weise ankommen; es ist wiederum darauf hinzuweisen, daß im Sachenrecht, im Gegensatz zum Recht der Schuldverhältnisse, für eine den Gesetzesrahmen überschreitende freie Ausgestaltung der rechtlichen Verhältnisse kein Raum ist. Die Verschiedenheit dieser Rechtsgebiete tritt hier auch darin hervor, daß zwar die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem ursprünglichen mittelbaren Besitzer und dem Besitzmittler - im vorliegenden Falle die Rechte und Pflichten aus dem zwischen der Beklagten und der Firma P. abgeschlossenen Verwahrungsvertrage - weiterhin unverändert fortbestehen, daß aber sachenrechtliche Wirkungen dieses schuldrechtlichen Verhältnisses nicht mehr stattfinden können (vgl. Planck-Brodmann a.a.O. S. 94/94).
Der zur Entscheidung stehende Rechtsstreit zeigt zudem, daß eine rechtliche Anerkennung nebeneinander bestehender und sich entgegenstehender Besitzverhältnisse mit verschiedener Wurzel (im Sinne des § 868 BGB) sehr zweifelhafte Fragen mit sich brächte, deren Lösung zu unannehmbaren Gestaltungen führen würde. Denn nach dem Gutachten von M. Wolff, auf welches sich die Revision stützt, soll solchenfalls der dem zweiten mittelbaren Besitzer verschaffte Besitz nicht ausreichen, um der Anforderung der Besitzerlangung zu genügen, wie sie der zweite Halbsatz des § 934 BGB aufstellt. Damit würde dieser Besitz zu einem Besitze zweiten Ranges gestempelt, der an Kraft dem Besitz ersten Ranges nachstände - Unterscheidungen, die offensichtlich dem Besitzrecht der §§ 854 flg. BGB völlig fremd sind.
Die vom erkennenden Senat im RGZ Bd. 119 S. 153/154 ausgesprochenen, vorher mitgeteilten Sätze sind hiernach aufrechtzuerhalten. Sie stehen auch mit der sonstigen reichsgerichtlichen Rechtsprechung durchaus im Einklang. In RGZ Bd. 68 S. 386 (389) hat der V. Zivilsenat unter Hinweis auf die §§ 861, 869 BGB und auf Planck Anm. 1 a zu § 869 dargelegt, daß der mittelbare Besitzer nur dann den Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes habe, wenn der unmittelbare Besitzer den Besitz gegen seinen - des unmittelbaren Besitzers - Willen verloren habe; dem liegt offenbar die Anschauung zugrunde, daß dem mittelbaren Besitzer seine Rechtsbehelfe verloren gehen, wenn der unmittelbare Besitzer Willensentschließungen faßt, die auf Änderung der Besitzverhältnisse abzielen. Die schon erwähnte Entscheidung des erkennenden Senats in RGZ Bd. 89 S. 348 beruht durchaus auf der Meinung, daß mit der Begründung des mittelbaren Besitzes für die damaligen Beklagten derjenige mittelbare Besitz an den streitigen Klavieren, der - wie das Urteil (S. 349) feststellt - bis dahin der Klägerin zugestanden hatte, erloschen war und keinerlei rechtliche Befugnisse mehr gewähren konnte. Namentlich kommt ferner das Urteil des erkennenden Senats vom 5. Dezember 1922 (RGZ Bd. 105 S. 413) in Betracht. Dort wurde zunächst entschieden, daß der mittelbare Besitz dann endet, wenn der unmittelbare Besitzer seinen Besitz freiwillig aufgibt; außerdem wurde aber auch der Fall erörtert, daß durch denselben Besitzmittler neuer mittelbarer Besitz für einen anderen - den pfändenden Gerichtsvollzieher - begründet wurde. Dazu ist S. 415 ausgeführt:
Schl. & U. waren allerdings vor wie nach der Pfändung unmittelbare Besitzer der 500 kg Bromkali, aber vor der Pfändung besaßen sie diese für den Kläger, nach der Pfändung für den Gerichtsvollzieher und nur für diesen. Die Möglichkeit, daß Schl. & U. nach der Pfändung etwa zugleich für den Kläger und für den Gerichtsvollzieher den Besitz ausgeübt hätten, ist nicht gegeben. Sie wird durch das Rechtsverhältnis, in welchem Schl. & U. zu dem Gerichtsvollzieher standen, schlechthin ausgeschlossen. Dem Gerichtsvollzieher gegenüber waren Schl. & U. verpflichtet, die Ware jederzeit zur Veräußerung herauszugeben. Damit ließ sich die Pflicht, die Ware für den Kläger zu verwahren, nicht vereinigen.
Diese Schlußfolgerungen sind nicht auf den Fall der Pfändung der in mittelbarem Besitz befindlichen Sachen zu beschränken. Schließlich geht auch das erwähnte Urteil des erkennenden Senats vom 8. Dezember 1925 (JW 1926 S. 800 Nr. 9) von der Anschauung aus, daß der für die Klägerin jenes Rechtsstreits neu begründete mittelbare Besitz denjenigen mittelbaren Besitz beseitigte, der vordem für die Beklagte bestanden hatte.
Der Berufungsrichter erhebt Bedenken gegen die im Urteil des Senats vom 29. November 1927 ausgesprochene Ansicht im Anschluß an die Anmerkung von Manigk zu dem Urteil (JW. 1928 S. 398 Nr. 3) und die dort verwertete Meinungsäußerung von M. Wolff in seinem Sachenrecht (1927) § 8 S. 26 (letzter Absatz). Diese Bedenken, die auch in den Wolffschen Gutachten vom 7. Mai und vom 14. Juni 1931 wiederkehren, können nicht als stichhaltig anerkannt werden. Die Heranziehung des Gesamtgläubigerverhältnisses trägt in die sachenrechtliche Erörterung unzulässigerweise schuldrechtliche Gesichtspunkte hinein. Zu Unrecht wird auch darauf Wert gelegt, ob die mehreren mittelbaren Besitzer voneinander wissen oder nicht. Dieser Punkt ermangelt jeder Bedeutung. Wenn nach § 857 BGB der mittelbare Besitz auf mehrere Personen als Miterben übergeht, so liegt ein einheitlicher, auf demselben Rechtsverhältnis (§ 868 BGB) beruhender mittelbarer Besitz vor, auch dann, wenn jeder der Erben glaubt, er sei Alleinerbe und Alleinbesitzer, und vom Vorhandensein der Mitbeteiligten nichts weiß. Denn hier besteht dennoch das die Miterben vereinigende rechtliche Band, und dies allein ist das Entscheidende. In jedem Falle solcher Art handelt es sich um Mitbesitz im Sinne des Gesetzes, der mit der von Wolff und Manigk versuchten rechtlichen Konstruktion, die der letztere als "Besitzspaltung" bezeichnet, nichts zu tun hat.
Nach alledem erweist sich, soweit die Besitzerlangung im Sinne des § 934 BGB (zweiter Halbsatz) zu prüfen ist, die Hilfserwägung als zutreffend, die das Berufungsgericht für den Fall der Richtigkeit der in RGZ Bd. 119 S. 153 flg. Vertretenen Meinung angestellt hat.
Wenn sodann die Revision noch geltend macht, auch im Falle des zweiten Halbsatzes des § 934 müsse der abzutretende Herausgabeanspruch dem Veräußerer wirklich zustehen, der gute Glaube des Erwerbers reiche insoweit nicht aus, so genügt zur Ablehnung dieses Angriffs der Hinweis auf die entgegenstehende Rechtsprechung (RGZ Bd. 89 S. 349/350; JW. S. 800, Nr. 9, besonders S. 801), 1. Spalte), an welcher der Senat festhält.
Die Revision wendet sich weiter gegen die Annahme des Vorderrichters, die Nebenintervenientin und die Klägerin seien zur Zeit der Abtretung des Herausgabeanspruchs und des - im gegebenen Falle zeitlich nahezu damit zusammenfallenden - Besitzerwerbs in gutem Glauben gewesen. In sehr eingehenden Ausführungen, die ganz überwiegend auf tatsächlichem Gebiete liegen, legt der Berufungsrichter dar, der der Beklagten obliegende Beweis, daß die Nebenintervenientin damals nicht in gutem Glauben gewesen, sei nicht geführt und mit den angebotenen Beweisen auch nicht zu führen. In diesen Erörterungen tritt kein Rechtsirrtum zutage, insbesondere keine Verkennung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit. Die Revision weist darauf hin, daß der Berufungsrichter die Behauptungen der Beklagten über die allgemeine Üblichkeit des Eigentumsvorbehalts der Zuckerfabriken und über die Kenntnis der Nebenintervenientin und der Klägerin davon als wahr unterstellt habe, und meint, dann hätten sich diese angesichts der besonderen Umstände des Falles nicht mit der Erklärung der Firma K., der Zucker sei bezahlt und ihr Eigentum, zufrieden geben dürfen, sondern sie hätten ihrerseits Feststellungen darüber treffen müssen. Das Oberlandesgericht hat aber alle diese Punkte in den Bereich seiner tatsächlichen Würdigung gezogen und nichts Wesentliches außer acht gelassen. Von ausschlaggebender Bedeutung in seine Feststellung, daß der alleinige Inhaber der Firma K. damals als zuverlässiger Zuckerhändler galt. War dies der Fall, dann hatte weder die Nebenintervenientin noch die Klägerin Veranlassung, seinen Erklärungen zu mißtrauen, und es war ihnen auch nicht anzusinnen, sich noch anderwärts zu erkundigen.
Hiernach ist der Eigentumserwerb der Nebenintervenientin
an dem streitigen Zuckervorrat vom Berufungsrichter in gerechtfertigter
Anwendung des § 934 BGB festgestellt worden. Der Eigentumserwerb der
Klägerin folgt dann, wie er ferner zutreffend annimmt, ohne weiteres
aus § 931 BGB.
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