RGZ 66, 289 ff
Wen trifft, wenn der Käufer einer nur der
Gattung nach bestimmten, nach seiner Behauptung seitens des Verkäufers
schuldhaft mangelhaft gelieferten Ware Ersatz des ihm infolge des Mangels
entstandenen Schadens verlangt, bezüglich der Frage des Verschuldens
die Beweislast?
Der Kläger hatte von der Beklagten Pferdefutter
- indischen Mais - gekauft, das er weiter an K. und W. verkaufte. Die Abkäufer
haben demnächst gegen den Kläger Klage erhoben mit der Behauptung,
daß ihre Pferde infolge des Genusses dieses Futters verendet seien,
und Ersatz des ihnen dadurch erwachsenen Schadens begehrt. Infolge dieser
Prozesse, in denen festgestellt wurde, daß in dem Mais sich giftige
Rizinussamenkörner befunden haben, deren Genuß das Verenden
der Pferde zur Folge hatte, bezahlte Kläger an K. im ganzen 3472,33
M und an W. 136,71 M. Die vom Kläger an K. auf Erstattung dieser Beträge
gegen die Beklagte als Verkäuferin erhobene Klage wurde vom Landgericht
abgewiesen, da der Schaden vorwiegend durch ein grobes Verschulden der
Leute des Klägers entstanden sei, das dieser zu vertreten habe. Dagegen
hat das Kammergericht auf die von dem Kläger eingelegte Berufung die
Beklagte zur Zahlung von 3609.04 M nebst 4 Prozent Zinsen seit dem 1. April
1906 verurteilt.
Letzteres Urteil wurde aufgehoben, un die Sache
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Aus den Gründen:
"Das Berufungsgericht geht rechtlich zutreffend
davon aus, daß der Verkäufer einer nur der Gattung nach bestimmten
Sache bei schuldhafter Lieferung einer mangelhaften Sache dem Käufer
zum Ersatze des demselben durch den Mangel verursachten Schadens aus diesem
Verschulden verpflichtet ist. Daß dem Kläger durch die Lieferung
von indischem Mais, in welchem sich giftige Rizinuskörner befanden,
seitens der Beklagten der eingeklagte Schaden entstanden ist, indem mehrere
Pferde der Abnehmer desselben infolge der Fütterung mit diesem Mais
verendeten, und er diesen den dadurch entstandenen Verlust nach Durchführung
des Vorprozesses mit K. hat bezahlen müssen, ist nicht streitig. Auch
über die objektive Mangelhaftigkeit der zu Futterzwecken bestimmten
Ware gemäß § 243 BGB kann ein Zweifel nicht bestehen. Die
Beklagte hat dagegen bestritten, daß ihr bei Lieferung der einen
Teil einer größeren Sendung bildenden Ware ein Verschulden zur
Last falle. Das Berufungsgericht hat demgegenüber angenommen, die
Beklagte hätte hinsichtlich der in Frage stehenden Lieferung die Beobachtung
der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu
vertreten gehabt; angesichts der Vertragswidrigkeit der Lieferung treffe
sie hierfür die Beweislast; dieser Beweispflicht hätte sie, wie
näher dargelegt wird, nicht genügt; daher sei der Klaganspruch
begründet.
Dieser rechtlichen Annahme kann indessen für
das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht beigepflichtet werden.
Richtig ist, daß von der früheren Rechtsprechung sowohl des
preußischen Obertribunals, als des Reichsoberhandelsgerichts und
des Reichsgerichts angenommen wurde, daß bei mangelhafter Vertragserfüllung,
insbesondere der vertragswidrigen Lieferung von Waren, der Verkäufer,
um sich von der Verpflichtung zur Leistung des Erfüllungsinteresses
frei zu machen, sich zu entlasten habe, daß er nachzuweisen habe,
er sei ungeachtet gehöriger Sorgfalt nicht in der Lage gewesen, vertragsmäßig
zu erfüllen.
Vgl. Entsch. des Obertribunals
Bd. 74, S.153; Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 14, S. 15, Bd. 15, S. 293; Entsch.
des R.G.'s in Zivils. Bd. 21 S. 205, Bd. 22 S. 172, Bd. 25 S. 113, 114;
Bolze, Bd. 1 Nr. 477; Staub, 6./7. Aufl. zu § 347 Anm. 16.
Diese Rechtsprechung, die auf der dem Standpunkte
des preußischen Allgemeinen Landrechts entnommenen Auffassung beruhte,
daß schon die vertragswidrige und mangelhafte Erfüllung an sich
der Regel nach als eine von dem Verpflichteten verschuldete anzusehen sei.,
kann für das Bürgerliche Gesetzbuch als rechtlich zutreffend
nicht erachtet werden. Dasselbe hat die Gewährleitungsfolgen wegen
Mängel der Sache in den §§ 459 flg. lediglich an die Tatsache
der objektiven Mangelhaftigkeit ohne Rücksicht auf die Frage der subjektiven
Verschuldung geknüpft. Die bereits oben erwähnte Rechtsprechung,
welche neben den Gewährleitungsansprüchen im Falle der schuldhaften
Lieferung einer nur der Gattung nach bestimmten mangelhaften Sache dem
Käufer auch einen Anspruch auf Ersatz des ihm infolge der Mangelhaftigkeit
entstandenen Schadens zuerkennt, gründet sich im wesentlichen auf
den im § 276 BGB ausgesprochenen Grundsatz, daß der Schuldner
mangels anderweiter Bestimmung Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten
habe, indem angenommen wird, daß diese Vertretungspflicht "nicht
anders verwirklicht werden könne, als das der Schuldner dem anderen
Teile den Schaden ersetze, der demselben durch sein vorsätzliches
oder fahrlässiges Handeln entstanden sei".
Vgl. Entsch. des RG's in Zivils.
Bd. 52 S. 19, Bd. 53 S. 202.
Nach dieser rechtlichen Konstruktion bildet aber
dieses vorsätzliche oder fahrlässige Handeln einen besonderen
und selbständigen Grund den Schadensersatzanspruch, den derjenige,
der ihn erhebt, zu beweisen hat (vgl. Staub-Könige, 8. Aufl. zu §
377 Anm. 130). Daß in vielen Fällen das Verschulden schon in
der bei der Lieferung selbst nicht beobachteten Sorgfalt tatsächlich
gefunden werden mag, kann an dieser nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch
sich ergebenden rechtlichen Sachlage bezüglich der Frage der Beweislast
nichts ändern.
Das Berufungsgericht ist daher bei der Beurteilung
der für den Klaganspruch auf Schadensersatz entscheidenden Schuldfrage
von einer rechtlich nicht zutreffenden Verteilung der Beweislast ausgegangen,
und auch soweit die Ausführungen desselben für die positive Annahme
eines Verschuldens der Beklagten bei Lieferung des mit giftigen Rizinuskörnern
durchsetzten Maises an den Kläger zu sprechen scheinen, bleibt es
zweifelhaft, ob diese Annahme nicht durch jene rechtlich unzutreffende
Auffassung beeinflußt wurde. Das angefochtene Urteil mußte
daher aufgehoben, die Sache selbst aber zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
über diesen Punkt, wobei davon ausgegangen sein wird, daß die
Beweislast für das Verschulden der Beklagten den Kläger trifft,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden."...