IZPR/Völkerrecht: Internationale Zuständigkeit für arbeitsrechtliche Streitigkeiten; ausländische Botschaft als "Niederlassung" i.S.v. Art. 18 II EuGVO ("Brüssel I-VO"); deutsche Gerichtsbarkeit bei "acta iure gestionis" (§ 20 GVG); völkergewohnheitsrechtlicher Grundsatz der Staatenimmunität; Gerichtsstandvereinbarung nach Art. 21 Nr. 2 EuGVO bei der Vereinbarung der Zuständigkeit drittstaatlicher Gerichte.


EuGH, Urteil vom 19.7.2012, Rs. C-154/11 (Ahmed Mahamdia)


Fundstelle:

noch nicht bekannt


Tenor:

1. Art. 18 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass es sich bei einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelegenen Botschaft eines Drittstaats in einem Rechtsstreit über einen Arbeitsvertrag, den die Botschaft im Namen des Entsendestaats geschlossen hat, um eine „Niederlassung“ im Sinne dieser Bestimmung handelt, wenn die vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen. Es ist Sache des angerufenen nationalen Gerichts, zu bestimmen, welche Art von Aufgaben der Arbeitnehmer genau verrichtet.
2. Art. 21 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass eine vor Entstehen einer Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung unter diese Bestimmung fällt, sofern sie dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet, außer den nach den Sonderbestimmungen der Art. 18 und 19 dieser Verordnung normalerweise zuständigen Gerichten andere Gerichte, und zwar gegebenenfalls auch Gerichte außerhalb der Union, anzurufen.


Zentrale Probleme:

Es geht um die internationale Zuständigkeit für arbeitsrechtrechtliche Verfahren. Die Besonderheit lag daran, dass es sich um einen bei einer Botschaft angestellten Fahrer handelte. Da dieser keine hoheitlichen Aufgaben (acta iure imperii) wahrnahm, sondern nichthoheitlich handelte (acta iure gestionis) bestand für das Lohnzahlungs- und Kündigungsschutzverfahren keine Immunität nach § 20 II GVG. Auch der völkergewohnheitsrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität besagt hiert nichts anderes. Damit stellte sich die Frage, ob eine Botschaft "Niederlassung" i.S.v. Art. 18 II EuGVO ist. Dies bejaht der EuGH. Weiter stellt er klar, dass zwar nach Art. 21 Nr. 2 EuGVO die Zuständigkeit eines drittstaatlichen Gerichts (d.h. das Gericht eines nicht EU-Staates) gewählt werden kann, diese Rechtswahl aber den Arbeitnehmer nicht hindern kann, an  einem nach Art. 18, 19 euGVO zuständigen Gericht zu klagen.

©sl 2012


Urteil:

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18 Abs. 2 und 21 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Mahamdia, der bei der Botschaft der Volksrepublik Algerien in Berlin (Deutschland) beschäftigt war, und seinem Arbeitgeber.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Das Wiener Übereinkommen

3        Art. 3 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen lautet:

„Aufgabe einer diplomatischen Mission ist  es unter anderem,
a)      den Entsendestaat im Empfangsstaat zu vertreten,
b)      die Interessen des Entsendestaats und seiner Angehörigen im Empfangsstaat innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu schützen,
c)       mit der Regierung des Empfangsstaats zu verhandeln,
d)       sich mit allen rechtmäßigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten und darüber an die Regierung des Entsendestaats zu berichten,
e)       freundschaftliche Beziehungen zwischen Entsendestaat und Empfangsstaat zu fördern und ihre wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen auszubauen.“

Unionsrecht

Verordnung Nr. 44/2001

4        Im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

„Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen …“

5        Die Erwägungsgründe 8 und 9 dieser Verordnung, die Bestimmungen über Beklagte mit Wohnsitz in einem Drittstaat betreffen, sind wie folgt abgefasst:

„(8)      Rechtsstreitigkeiten, die unter diese Verordnung fallen, müssen einen Anknüpfungspunkt an das Hoheitsgebiet eines der Mitgliedstaaten aufweisen, die durch diese Verordnung gebunden sind. Gemeinsame Zuständigkeitsvorschriften sollten demnach grundsätzlich dann Anwendung finden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem dieser Mitgliedstaaten hat.
(9)      Beklagte ohne Wohnsitz in einem Mitgliedstaat unterliegen im Allgemeinen den nationalen Zuständigkeitsvorschriften, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gelten, in dem sich das angerufene Gericht befindet, während Beklagte mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, der durch diese Verordnung nicht gebunden ist, weiterhin dem [Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die nachfolgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen)] unterliegen.“  

6        Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung, der sich u. a. auf die Zuständigkeitsvorschriften für individuelle Arbeitsverträge bezieht, lautet:

„Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.“

7        Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 definiert ihren sachlichen Anwendungsbereich wie folgt:

„Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.“

8        In Bezug auf Klagen gegen eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Drittstaat hat, sieht Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung vor:

„Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so bestimmt sich vorbehaltlich der Artikel 22 und 23 die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenen Gesetzen.“

9        Nach Art. 5 Nr. 5 der Verordnung kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, „wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befindet“.

10      Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung Nr. 44/2001, der die Art. 18 bis 21 umfasst, enthält die Zuständigkeitsvorschriften für Rechtsstreitigkeiten, die individuelle Arbeitsverträge zum Gegenstand haben.

11      Art. 18 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„(1)      Bilden ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt. .
(2)      Hat der Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen individuellen Arbeitsvertrag geschlossen hat, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keinen Wohnsitz, besitzt er aber in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung, so wird er für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats hätte.“

12      Art. 19 dieser Verordnung sieht vor:

„Ein Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:
1.      vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, oder  
2.      in einem anderen Mitgliedstaat
a)      vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, oder 
b)      wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand.“

13      Art. 21 der Verordnung bestimmt:

„Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden,
1.      wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird oder
2.      wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere als die in diesem Abschnitt angeführten Gerichte anzurufen.“

Deutsches Recht

14      Art. 25 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) bestimmt:

„Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.“

15      § 18 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 sieht vor:

„Die Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten sind nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 … von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. …“

16      § 20 GVG lautet:

„(1)      Die deutsche Gerichtsbarkeit erstreckt sich auch nicht auf Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung, die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten.
(2)      Im Übrigen erstreckt sich die deutsche Gerichtsbarkeit auch nicht auf andere als die in Absatz 1 und in den §§ 18 und 19 genannten Personen, soweit sie nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften von ihr befreit sind.“

17      § 38 („Zugelassene Gerichtsstandsvereinbarung“) Abs. 2 der deutschen Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 bestimmt:

„Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges kann ferner vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. …“
 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18      Herr Mahamdia, der die algerische und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und in Deutschland wohnt, schloss am 1. September 2002 mit dem Außenministerium der Demokratischen Volksrepublik Algerien einen – verlängerbaren – Vertrag über die Beschäftigung als Zeitbediensteter für die Dauer von einem Jahr für die Tätigkeit als Kraftfahrer bei der algerischen Botschaft in Berlin.

19      Der auf Französisch abgefasste Vertrag enthielt folgende Gerichtsstandsvereinbarung:

„VI.  Beilegung von Streitigkeiten
Im Falle von Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten, die sich durch den vorliegenden Vertrag ergeben, sind ausschließlich die algerischen Gerichte zuständig.“

20      Dem Vorlagebeschluss ist zu entnehmen, dass es Herrn Mahamdia in Ausübung seiner Tätigkeiten oblag, Gäste, Mitarbeiter und vertretungsweise auch den Botschafter zu fahren. Ferner hatte er die Korrespondenz der Botschaft zu deutschen Stellen und zur Post zu befördern. Diplomatenpost wurde von einem weiteren Mitarbeiter der Botschaft entgegengenommen bzw. weitergeleitet, der seinerseits von Herrn Mahamdia gefahren wurde. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich außerdem, dass zwischen den Parteien jedoch streitig ist, ob Herr Mahamdia auch Dolmetscherdienste leistete.

21      Am 9. August 2007 erhob Herr Mahamdia gegen die Demokratische Volksrepublik Algerien Klage beim Arbeitsgericht Berlin auf Vergütung der Überstunden, die er in den Jahren 2005–2007 geleistet habe.

22      Mit Schreiben des Geschäftsträgers der Botschaft vom 29. August 2007 wurde das Arbeitsverhältnis von Herrn Mahamdia zum 30. September 2007 gekündigt.

23      Der Kläger erweiterte daraufhin seine Klage vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, dass die Kündigung seines Arbeitsvertrags rechtswidrig sei, und beantragte die Verurteilung der Demokratischen Volksrepublik Algerien zur Zahlung einer Annahmeverzugsvergütung und zur Weiterbeschäftigung bis zum Ende des Rechtsstreits.

24      Im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens rügte die Demokratische Volksrepublik Algerien die Unzuständigkeit der deutschen Gerichte und berief sich hierzu sowohl auf die Regeln des Völkerrechts über die Befreiung von der Gerichtsbarkeit als auch auf die Gerichtsstandsvereinbarung im Arbeitsvertrag.

25      Mit Urteil vom 2. Juli 2008 gab das Arbeitsgericht Berlin dieser Einrede statt und wies folglich die Klage von Herrn Mahamdia ab. Das Gericht stellte fest, dass die Staaten nach den Regeln des Völkerrechts bei der Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse Immunität genössen und dass die Tätigkeiten des Klägers, die in einem funktionalen Zusammenhang mit den diplomatischen Tätigkeiten der Botschaft stünden, der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen seien.

26      Der Kläger des Ausgangsverfahrens legte gegen dieses Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht Berlin‑Brandenburg ein, das mit Urteil vom 14. Januar 2009 das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise aufhob.

27      Es stellte fest, dass die Tätigkeiten des Klägers als Kraftfahrer der Botschaft nicht zur Ausübung der Hoheitsgewalt des beklagten Staates gehörten, sondern eine Hilfstätigkeit in Bezug auf die Ausübung der hoheitlichen Befugnisse dieses Staates seien. Daher genieße die Demokratische Volksrepublik Algerien in diesem Rechtsstreit keine Immunität. Außerdem seien die deutschen Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, da es sich bei der Botschaft um eine „Niederlassung“ im Sinne von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 handele. Daher seien die Regeln des Art. 19 dieser Verordnung anwendbar. Zwar sei eine „Niederlassung“ normalerweise ein Ort, an dem geschäftliche Tätigkeiten erledigt würden, doch gelte Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 auch für eine Botschaft, da zum einen diese Verordnung keine Bestimmung enthalte, nach der die diplomatischen Vertretungen der Staaten von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen seien, und zum anderen eine Botschaft über eine eigene Leitung verfüge, die unabhängig Verträge schließe, darunter auch zivilrechtliche, wie z. B. Arbeitsverträge.

28      Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ließ auch die im fraglichen Arbeitsvertrag vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung nicht gelten. Sie erfülle nicht die in Art. 21 der Verordnung Nr. 44/2001 festgelegten Bedingungen, da sie vor Entstehung des Rechtsstreits getroffen worden sei und den Arbeitnehmer ausschließlich auf die algerischen Gerichte verweise.

29      Die Demokratische Volksrepublik Algerien legte Revision beim Bundesarbeitsgericht ein und stützte sich dabei sowohl auf die ihr zu gewährende Befreiung von der Gerichtsbarkeit als auch auf die genannte Gerichtsstandsvereinbarung.

30      Mit Urteil vom 1. Juli 2010 hob das Bundesarbeitsgericht das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zurück. Das Bundesarbeitsgericht wies das vorlegende Gericht u. a. an, auf der Grundlage einer Beweisaufnahme die Tätigkeit des Klägers des Ausgangsverfahrens, insbesondere diejenige in Bezug auf die Dolmetscherdienste, zu würdigen, um festzustellen, ob sie als hoheitliche Tätigkeiten des im Ausgangsverfahren beklagten Staates angesehen werden könnten. Für den Fall, dass die Untersuchung ergeben sollte, dass dieser Staat nicht von der Gerichtsbarkeit ausgenommen sei, gab es dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ferner auf, unter Berücksichtigung insbesondere von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 sowie von Art. 7 des im Rahmen des Europarats ausgearbeiteten und in Basel am 16. Mai 1972 für die Staaten zur Unterzeichnung aufgelegten Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität zu ermitteln, welches Gericht für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zuständig ist.

31      Zu dem Recht, das auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag anwendbar ist, entschied das Bundesarbeitsgericht, dass das Berufungsgericht prüfen müsse, ob die Parteien mangels ausdrücklicher Wahl stillschweigend das algerische Recht als auf den Vertrag anwendbares Recht gewählt hätten. Insoweit könnten Elemente wie die Sprache des Vertrags, die Herkunft des Klägers oder die Art seiner Tätigkeiten Anhaltspunkte darstellen.

32      In seiner Vorlageentscheidung führt das Landesarbeitsgericht Berlin‑Brandenburg aus, dass nach Art. 25 GG Staaten die Befreiung von der Gerichtsbarkeit nur in Rechtsstreitigkeiten einwenden könnten, die die Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse beträfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unterlägen arbeitsrechtliche Streitigkeiten zwischen Botschaftsangestellten und dem betreffenden Staat jedoch der deutschen Gerichtsbarkeit, wenn der Arbeitnehmer für den anderen Staat, bei dem er beschäftigt sei, nicht hoheitlich tätig gewesen sei.

33      Im vorliegenden Fall „nimmt“ das vorlegende Gericht „an“, dass Herr Mahamdia nicht hoheitlich tätig gewesen sei, da die Demokratische Volksrepublik Algerien seine Mitwirkung an hoheitlichen Tätigkeiten nicht bewiesen habe.

34      Das vorlegende Gericht ist ferner der Ansicht, dass sich die deutsche Gerichtsbarkeit aus den Art. 18 und 19 der Verordnung Nr. 44/2001 ergebe, dass aber für die Anwendung dieser Artikel festgestellt werden müsse, ob eine Botschaft „eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung“ im Sinne von Art. 18 Abs. 2 dieser Verordnung darstelle. Denn nur dann könne die Demokratische Volksrepublik Algerien als ein Arbeitgeber mit Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats betrachtet werden.

35      Ferner dürfe in diesem Fall die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gemäß Art. 21 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung in dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrag grundsätzlich ausgeschlossen worden sein.

36      Unter diesen Umständen hat das Landesarbeitsgericht Berlin‑Brandenburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Handelt es sich bei der in einem Mitgliedstaat gelegenen Botschaft eines Staates, der außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung Nr. 44/2001 gelegen ist, um eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung im Sinne von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001?
2.      Falls der Gerichtshof die erste Frage bejaht: Kann eine vor dem Entstehen der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit eines Gerichts außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung Nr. 44/2001 begründen, wenn durch die Gerichtsstandsvereinbarung die nach den Art. 18 und 19 der Verordnung Nr. 44/2001 begründete Zuständigkeit entfallen würde?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

37      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass es sich bei einer Botschaft um eine „Niederlassung“ im Sinne dieser Bestimmung handelt, und ob sich folglich nach dieser Verordnung richtet, welches Gericht für die Entscheidung über eine Klage zuständig ist, die ein Beschäftigter einer in einem Mitgliedstaat gelegenen Botschaft eines Drittstaats gegen diesen Staat erhebt.

38      Zunächst ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 44/2001, die die Vorschriften für die Bestimmung der Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten aufstellt, mit Ausnahme einiger ausdrücklich in dieser Verordnung angegebenen Rechtsbereiche auf alle Rechtsstreitigkeiten in Zivil‑ und Handelssachen anwendbar ist. Wie aus Randnr. 10 des vorliegenden Urteils hervorgeht, enthält Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung Nr. 44/2001, der die Art. 18 bis 21 umfasst, die Zuständigkeitsvorschriften für Rechtsstreitigkeiten, die individuelle Arbeitsverträge zum Gegenstand haben.

39      Was den räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 angeht, ergibt sich aus ihrem zweiten Erwägungsgrund und dem Gutachten 1/03 vom 7. Februar 2006 (Slg. 2006, I‑1145, Randnr. 143), dass diese Verordnung die Vorschriften der Mitgliedstaaten über die Zuständigkeit vereinheitlichen soll, und zwar nicht nur für Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Union, sondern auch für solche mit einem über die Union hinausweisenden Bezug, damit die Hemmnisse für das Funktionieren des Binnenmarktes, die sich aus den bestehenden Unterschieden der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften ergeben können, beseitigt werden.

40      Die Verordnung Nr. 44/2001, insbesondere Kapitel II mit seinem Art. 18, enthält nämlich ein Regelwerk, das ein umfassendes System bildet und dessen Vorschriften nicht nur für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten gelten, sondern auch für die Beziehungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat (vgl. Gutachten 1/03, Randnr. 144).

41      Insbesondere wird nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 der Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, wenn er seinen Wohnsitz außerhalb der Europäischen Union hat, aber in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung besitzt, für die Bestimmung des zuständigen Gerichts so behandelt, wie wenn er seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Staates hätte.

42      Um die volle Wirksamkeit dieser Verordnung und insbesondere ihres Art. 18 zu gewährleisten, ist eine autonome und damit allen Staaten gemeinsame Auslegung der in ihr enthaltenen Rechtsbegriffe geboten (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens u. a. Urteil vom 22. November 1978, Somafer, 33/78, Slg. 1978, 2183, Randnr. 8).

43      Um festzustellen, welche Elemente für die Begriffe „Zweigniederlassung“, „Agentur“ und „sonstige Niederlassung“ in Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 kennzeichnend sind, ist in Ermangelung von Anhaltspunkten im Wortlaut der Verordnung der Zweck dieser Bestimmung zu berücksichtigen.

44      Für Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsverträge enthält Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung Nr. 44/2001 eine Reihe von Vorschriften, die, wie aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung hervorgeht, die schwächere Vertragspartei durch Zuständigkeitsvorschriften schützen sollen, die für sie günstiger sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Mai 2008, Glaxosmithkline und Laboratoires Glaxosmithkline, C‑462/06, Slg. 2008, I‑3965, Randnr. 17).

45      Sie ermöglichen es dem Arbeitnehmer insbesondere, seinen Arbeitgeber vor dem Gericht zu verklagen, das ihm seiner Ansicht nach am nächsten steht, indem sie ihm die Befugnis einräumen, vor einem Gericht des Staates zu klagen, in dem er seinen Wohnsitz hat, oder des Staates, in dem er gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, oder auch des Staates, in dem sich die Niederlassung des Arbeitgebers befindet. Die Bestimmungen des genannten Abschnitts beschränken außerdem die Möglichkeit für den Arbeitgeber, der gegen den Arbeitnehmer klagt, den Gerichtsstand zu wählen, sowie die Möglichkeit, von den Zuständigkeitsvorschriften der Verordnung abzuweichen.

46      Wie der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den im Brüsseler Übereinkommen enthaltenen Vorschriften über die Zuständigkeit für Arbeitsverträge zu entnehmen ist (vgl. Urteile vom 26. Mai 1982, Ivenel, 133/81, Slg. 1982, 1891, Randnr. 14, vom 13. Juli 1993, Mulox IBC, C‑125/92, Slg. 1993, I‑4075, Randnr. 18, vom 9. Januar 1997, Rutten, C‑383/95, Slg. 1997, I‑57, Randnr. 22, und vom 10. April 2003, Pugliese, C‑437/00, Slg. 2003, I‑3573, Randnr. 18), sind die Bestimmungen des Kapitels II Abschnitt 5 der Verordnung Nr. 44/2001 unter Berücksichtigung der Zielsetzung auszulegen, dem Arbeitnehmer als der schwächeren Vertragspartei einen angemessenen Schutz zu gewährleisten.

47      Ferner müssen, um die Kontinuität zwischen dieser Verordnung und dem Brüsseler Übereinkommen zu gewährleisten, die darin enthaltenen Begriffe „Zweigniederlassung“, „Agentur“ und „sonstige Niederlassung“ anhand der Kriterien ausgelegt werden, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 5 des Brüsseler Übereinkommens angegeben hat, der dieselben Begriffe enthält und die besondere Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten aus dem Betrieb eines Zweitsitzes eines Unternehmens regelt. Diese Bestimmung wird zudem in Art. 5 Nr. 5 der Verordnung Nr. 44/2001 wörtlich wiedergegeben.

48      Bei der Auslegung der genannten Begriffe „Zweigniederlassung“, „Agentur“ und „sonstige Niederlassung“ hat der Gerichtshof zwei Kriterien herausgearbeitet, nach denen sich richtet, ob eine Klage aus dem Betrieb einer dieser Kategorien von Niederlassungen einen Anknüpfungspunkt zu einem Mitgliedstaat aufweist. Erstens setzt der Begriff „Zweigniederlassung“, „Agentur“ oder „sonstige Niederlassung“ voraus, dass es einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gibt, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt. Dieser Mittelpunkt muss eine Geschäftsführung haben und sachlich so ausgestattet sein, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese sich nicht unmittelbar an das Stammhaus zu wenden brauchen (vgl. Urteil vom 18. März 1981, Blanckaert & Willems, 139/80, Slg. 1981, 819, Randnr. 11). Zweitens muss der Rechtsstreit entweder Handlungen betreffen, die sich auf den Betrieb dieser Einheiten beziehen, oder Verpflichtungen, die diese im Namen des Stammhauses eingegangen sind, wenn die Verpflichtungen in dem Staat zu erfüllen sind, in dem sich die Einheiten befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil Somafer, Randnr. 13).

49      Im Ausgangsverfahren ist zunächst zu beachten, dass die Aufgaben einer Botschaft, wie aus Art. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen hervorgeht, im Wesentlichen darin bestehen, den Entsendestaat zu vertreten, dessen Interessen zu schützen und die Beziehungen zum Empfangsstaat zu fördern. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben kann die Botschaft wie jede andere öffentliche Einrichtung iure gestionis handeln und zivilrechtliche Rechte und Pflichten erwerben bzw. übernehmen, namentlich aufgrund privatrechtlicher Verträge. Das ist der Fall, wenn sie Arbeitsverträge mit Personen schließt, die keine hoheitlichen Aufgaben verrichten.

50      Zum ersten in Randnr. 48 des vorliegenden Urteils angeführten Kriterium ist festzustellen, dass eine Botschaft einem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gleichgestellt werden kann, der auf Dauer nach außen hervortritt und zur Identifikation und Repräsentation des Staates beiträgt, der sie eingerichtet hat.

51      Was das zweite in dieser Randnummer des vorliegenden Urteils genannte Kriterium angeht, liegt auf der Hand, dass der Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, nämlich eine Streitigkeit im Bereich der Arbeitsverhältnisse, einen hinreichenden Zusammenhang mit der Tätigkeit der betreffenden Botschaft in Bezug auf ihr Personalwesen aufweist.

52      Daher ist eine Botschaft, soweit es um Arbeitsverträge geht, die sie im Namen des Staates geschlossen hat, eine „Niederlassung“ im Sinne von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001, wenn die Aufgaben der Arbeitnehmer, mit denen sie diese Verträge geschlossen hat, zur wirtschaftlichen Betätigung der Botschaft im Empfangsstaat gehören.

53      Vor den deutschen Gerichten und in ihren im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren abgegebenen Erklärungen hat die Demokratische Volksrepublik Algerien vorgetragen, die Bejahung der Zuständigkeit eines Gerichts des Empfangsstaats einer Botschaft liefe auf einen Verstoß gegen die Regeln des Völkergewohnheitsrechts über die Befreiung von der Gerichtsbarkeit hinaus; in Anbetracht dieser Regeln seien die Verordnung Nr. 44/2001 und insbesondere ihr Art. 18 auf einen Rechtsstreit wie den, um den es im Ausgangsverfahren gehe, nicht anwendbar.

54      Hierzu ist festzustellen, dass die allgemein anerkannten Grundsätze des Völkerrechts auf dem Gebiet der Befreiung von der Gerichtsbarkeit es ausschließen, dass ein Staat in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens vor dem Gericht eines anderen Staates verklagt wird. Eine solche Staatenimmunität ist völkerrechtlich verankert und stützt sich auf den Grundsatz par in parem non habet imperium, wonach ein Staat nicht der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates unterworfen werden kann.

55      Wie jedoch der Generalanwalt in den Nrn. 17 bis 23 seiner Schlussanträge ausführt, gilt diese Immunität beim gegenwärtigen Stand der internationalen Praxis nicht absolut, sie ist dann allgemein anerkannt, wenn der Rechtsstreit acta iure imperii betrifft. Sie kann hingegen ausgeschlossen sein, wenn sich der gerichtliche Rechtsbehelf auf acta iure gestionis bezieht, die nicht unter die hoheitlichen Befugnisse fallen.

56      In Anbetracht des Inhalts dieses völkergewohnheitsrechtlichen Grundsatzes der Staatenimmunität ist daher festzustellen, dass er der Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 auf einen Rechtsstreit wie den des Ausgangsverfahrens, in dem ein Arbeitnehmer eine Vergütung begehrt und sich gegen die Kündigung seines mit einem Staat geschlossenen Arbeitsvertrags wehrt, nicht entgegensteht, wenn das angerufene Gericht feststellt, dass die von diesem Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen, oder wenn die Klage nicht mit den Sicherheitsinteressen des Staates kollidieren kann. Auf der Grundlage dieser Feststellung kann das mit einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens befasste Gericht auch davon ausgehen, dass dieser Rechtsstreit in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fällt.
 
57      Demzufolge ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass es sich bei einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelegenen Botschaft eines Drittstaats in einem Rechtsstreit über einen Arbeitsvertrag, den die Botschaft im Namen des Entsendestaats geschlossen hat, um eine „Niederlassung“ im Sinne dieser Bestimmung handelt, wenn die vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen. Es ist Sache des angerufenen nationalen Gerichts, zu bestimmen, welche Art von Aufgaben der Arbeitnehmer genau verrichtet.

Zur zweiten Frage

58      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 21 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass eine vor Entstehen einer Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung unter diese Bestimmung fällt, wenn die betreffende Vereinbarung einem Gericht außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Verordnung die ausschließliche Zuständigkeit einräumt, wodurch die nach den Sonderbestimmungen der Art. 18 und 19 der Verordnung begründete Zuständigkeit entfällt.

59      Nach Ansicht der Demokratischen Volksrepublik Algerien sind die Parteien durch Art. 21 der Verordnung nicht daran gehindert, mit einer Klausel in einem Arbeitsvertrag die Zuständigkeit eines drittstaatlichen Gerichts für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über diesen Vertrag zu begründen. Im vorliegenden Fall bringe diese Wahl keinen Nachteil für den Arbeitnehmer mit sich und entspreche dem Willen der Vertragsparteien, den Vertrag dem Recht eben dieses Staates zu unterwerfen.

60      Wie aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 hervorgeht, sollen die Sonderbestimmungen des Kapitels II Abschnitt 5 dem Arbeitnehmer einen angemessenen Schutz gewährleisten. Nach der in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist diese Zielsetzung bei der Auslegung dieser Bestimmungen zu berücksichtigen.

61      Art. 21 der Verordnung Nr. 44/2001 beschränkt die Möglichkeit für die Parteien eines Arbeitsvertrags, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen. So muss eine solche Vereinbarung nach Entstehung des Rechtsstreits getroffen werden oder, wenn sie vorher getroffen wird, dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumen, andere Gerichte anzurufen als diejenigen, die nach den genannten Bestimmungen zuständig sind.

62      Unter Berücksichtigung des Regelungszwecks des Art. 21 der Verordnung Nr. 44/2001 ist die zuletzt genannte Bedingung, wie der Generalanwalt in den Nrn. 58 und 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dahin zu verstehen, dass eine solche vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Vereinbarung für die Entscheidung über Klagen des Arbeitnehmers Gerichtsstände begründen muss, die zu den in den Art. 18 und 19 der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehenen Gerichtsständen hinzukommen. Diese Vereinbarung bewirkt somit nicht den Ausschluss der zuletzt genannten Gerichtsstände, sondern erweitert die Befugnis des Arbeitnehmers, unter mehreren zuständigen Gerichten zu wählen.
 
63      Außerdem geht aus dem Wortlaut von Art. 21 der Verordnung Nr. 44/2001 hervor, dass Gerichtsstandsvereinbarungen dem Arbeitnehmer „die Befugnis einräumen“ können, andere als die in den Art. 18 und 19 angeführten Gerichte anzurufen. Folglich kann diese Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlich gilt und somit dem Arbeitnehmer verbietet, die Gerichte anzurufen, die nach den Art. 18 und 19 zuständig sind.

64      Das Ziel, den Arbeitnehmer als schwächere Vertragspartei zu schützen, auf das in den Randnrn. 44 und 46 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, würde nämlich verfehlt, wenn die Gerichtsstände, die zur Gewährleistung dieses Schutzes in den Art. 18 und 19 vorgesehen sind, durch eine vor Entstehung der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen werden könnten.

65      Außerdem ergibt sich weder aus dem Inhalt noch aus dem Regelungszweck von Art. 21 der Verordnung Nr. 44/2001, dass eine solche Vereinbarung nicht die Zuständigkeit der Gerichte eines Drittstaats begründen könnte, vorausgesetzt, dass sie nicht die Zuständigkeit ausschließt, die nach den Artikeln der Verordnung besteht.

66      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 21 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass eine vor Entstehen einer Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung unter diese Bestimmung fällt, sofern sie dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet, außer den nach den Sonderbestimmungen der Art. 18 und 19 dieser Verordnung normalerweise zuständigen Gerichten andere Gerichte, und zwar gegebenenfalls auch Gerichte außerhalb der Union, anzurufen.

Kosten
67      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 18 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass es sich bei einer im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelegenen Botschaft eines Drittstaats in einem Rechtsstreit über einen Arbeitsvertrag, den die Botschaft im Namen des Entsendestaats geschlossen hat, um eine „Niederlassung“ im Sinne dieser Bestimmung handelt, wenn die vom Arbeitnehmer verrichteten Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen. Es ist Sache des angerufenen nationalen Gerichts, zu bestimmen, welche Art von Aufgaben der Arbeitnehmer genau verrichtet.

2.      Art. 21 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass eine vor Entstehen einer Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung unter diese Bestimmung fällt, sofern sie dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet, außer den nach den Sonderbestimmungen der Art. 18 und 19 dieser Verordnung normalerweise zuständigen Gerichten andere Gerichte, und zwar gegebenenfalls auch Gerichte außerhalb der Union, anzurufen.