Konkludente Abnahme (§ 640 BGB) im
Werkvertragsrecht
BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 -
VII ZR 26/12 - OLG Dresden
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Eine konkludente Abnahme
kommt in Betracht, wenn das Werk nach den Vorstellungen des Auftraggebers im
Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt ist und der Auftragnehmer das
Verhalten des Auftraggebers als Billigung seiner erbrachten Leistung als im
Wesentlichen vertragsgerecht verstehen darf.
Zentrale Probleme:
Im Werkvertragsrecht hat die Abnahme ( §
640 BGB) in mehrfacher Hinsicht Bedeutung. So ist sie etwa der maßgebliche
Zeitpunkt für die Fälligkeit der Vergütung (§ 641 BGB). Sie ist aber vor
allem entscheidend für den Beginn der Verjährung von
Gewährleistungsansprüchen (§ 634 Abs. 2 BGB.). Unter Abnahme versteht man im
Regelfall eine körperliche Entgegennahme des Werks unter gleichzeitiger
Billigung als im wesentlichen vertragsgemäße Leistung. Im vorliegenden Fall
geht es darum, welche Anforderungen an eine konkludente Abnahme zu stellen
sind.
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt von der
Beklagten Schadensersatz wegen die Standsicherheit eines Ganzjahresbades
gefährdender Baumängel, die die Klägerin auf mangelhafte Planung und
Bauüberwachung der Beklagten zurückführt.
2 Die Klägerin beauftragte den Architekten Sch., an dessen Stelle später die
Beklagte getreten ist, mit Verträgen vom 14./15. Juli 1998 mit
Architektenleistungen und der Tragwerksplanung für das Bauvorhaben
"Ganzjahresbad K.". Das Bad wurde im Dezember 2000 in Betrieb genommen.
3 Unter dem 21. November 2001 erstellte die Beklagte eine Schlussrechnung,
in der sie für ihre Leistungen einschließlich der Architektenleistungen der
Leistungsphase 9 des § 15 HOAI (in der ab dem 1. Januar 1996 gültigen
Fassung; im Folgenden: a.F.) ein Honorar von insgesamt 3.199.499,73 DM
errechnete und unter Berücksichtigung von Abschlagszahlungen eine
Restforderung von 65.382,96 DM geltend machte. Auf diese Rechnung erfolgte
zunächst nur eine Teilzahlung der Klägerin. Mit Schreiben vom 17. September
2002 machte die Beklagte geltend, inzwischen 62,4 % der Leistungsphase 9
erbracht zu haben, so dass ihr weitere 17.760,68 € zustünden. Dieser Betrag
wurde durch die Klägerin beglichen.
4 Mit Schreiben vom 23. Februar 2004 bat die Klägerin die Beklagte um die
Übergabe des gesamten Unterlagenbestandes zur Baumaßnahme. Unter anderem ist
dort ausgeführt: "In Anbetracht der Tatsache, dass die Baumaßnahme
Ganzjahresbad K. wie durch Sie vermerkt als abgeschlossen gilt, ist nicht zu
erkennen, weshalb die Unterlagen noch weiterhin in Ihrem Haus verbleiben
sollen. Nach ordentlicher Archivierung in unserem Haus stehen Ihnen die
Unterlagen auch weiterhin nach Absprache als Sichtungsmaterial zur Verfügung
Bis zum 16. November 2004 übergab die Beklagte insgesamt 64 Ordner an die
Klägerin.
5 Unter dem 17. Dezember 2004 kündigte die Klägerin eine Restzahlung auf die
Schlussrechnung vom 21. November 2001 an, die nachfolgend auch erbracht
wurde.
6 Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 29. April 2010, der Beklagten
zugestellt am 27. Mai 2010, Klage auf Schadensersatz wegen der Kosten der
Mängelbeseitigung erhoben sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte
auch zum Ersatz weiterer für die Mängelbeseitigung entstehender Kosten
verpflichtet ist. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit
ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre
zweitinstanzlichen Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8 Auf das Schuldverhältnis ist unter Berücksichtigung der für die Verjährung
geltenden Überleitungsvorschriften in Art. 229 § 6 EGBGB das Bürgerliche
Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001
geschlossene Verträge gilt (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
9 Das Berufungsgericht hält Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 635
BGB a.F. für verjährt. Zur Anwendung komme die fünfjährige Verjährungsfrist
aus § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. Nach den Gesamtumständen liege in der
Übergabe und Entgegennahme der vollständigen Bauunterlagen am 16. November
2004 eine konkludente Abnahme der Architektenleistungen der Beklagten.
Bereits der von der Klägerin geäußerte Wunsch, die Bauunterlagen zu
archivieren, zeige, dass sie den Architektenvertrag als beendet betrachtet
habe. Das Verhalten der Klägerin vor und nach der Übergabe der Unterlagen
habe objektiv den Rückschluss auf ihren Abnahmewillen zugelassen. Damit sei
Verjährung am 16. November 2009 eingetreten.
10 Die Gewährleistungsansprüche der Klägerin wären aber auch dann verjährt,
wenn man erst in der Ankündigung der Schlusszahlung der Klägerin vom 17.
Dezember 2004 eine stillschweigende Abnahme sehen wollte. Das der Klage
vorangehende Anspruchsschreiben vom 9. Dezember 2009 habe in diesem Fall
nicht zu einer Hemmung gemäß § 203 BGB der dann am 17. Dezember 2009
eingetretenen Verjährung geführt.
11 Den Arglisteinwand der Klägerin habe das Landgericht zu Recht nicht
durchgreifen lassen. Nach dem Vorbringen der Beklagten seien die von der
Klägerin benannten Zeugen M. und G. davon überzeugt, dass gerade keine
Planungs- oder Bauüberwachungsfehler für den von der Klägerin behaupteten
Zustand des Gebäudes ursächlich seien. Konkrete Anhaltspunkte, woraus die
Klägerin auf eine positive Kenntnis der Zeugen von einem Architektenfehler
schließe, seien von der Klägerin nicht dargelegt. Vor diesem Hintergrund
stelle der Antrag auf Vernehmung der Zeugen G. und M einen unzulässigen
Ausforschungsbeweis dar.
II.
12 Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
13 1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht
angenommen, dass auf die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche der
Klägerin nach § 635 BGB a.F. wegen eines Planungs- oder
Überwachungsverschuldens der Beklagten unter Berücksichtigung der
Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB grundsätzlich -
sofern nicht von einem arglistigen Verschweigen der Mängel ausgegangen
werden kann - die fünfjährige Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB
n. F. Anwendung findet (vgl. BGH, Urteile vom 26. September 2013 -
VII ZR 220/12, BauR 2013, 2031 Rn. 16 = NZBau 2013, 779; vom 20. Dezember
2012 - VII ZR 182/10, BauR 2013, 596 Rn. 24 = NZBau 2013, 161; vom 24.
Februar 2011 - VII ZR 61/10, BauR 2011, 1032 Rn. 17 = NZBau 2011, 310).
Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt, wenn die Abnahme erfolgt ist
(Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, § 638 Abs. 1 Satz 2
BGB a.F., § 634a Abs. 2 BGB n.F.) oder wenn Umstände gegeben sind,
nach denen eine Erfüllung des Vertrages nicht mehr in Betracht kommt
(BGH, Urteile vom 24. Februar 2011 - VII ZR 61/10, aaO Rn. 16 und
vom 8. Juli 2010 - VII ZR 171/08, BauR 2010, 1778 Rn. 23 = NZBau 2010, 768).
14 2. Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht auch davon aus, dass die
Klägerin die Architektenleistungen spätestens zum 16. November 2004 durch
die Entgegennahme der von ihr zur Archivierung angeforderten Bauunterlagen
konkludent abgenommen hat. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision
bleiben ohne Erfolg.
15 a) Eine Abnahme kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch
konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten des Auftraggebers, erklärt
werden. Konkludent handelt der Auftraggeber, wenn er dem Auftragnehmer
gegenüber ohne ausdrückliche Erklärung erkennen lässt, dass er dessen Werk
als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt. Erforderlich ist ein
tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen
Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum
Ausdruck zu bringen. Ob eine konkludente Abnahme vorliegt,
beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls (BGH,
Urteile vom 26. September 2013 - VII ZR 220/12, aaO Rn. 18; vom 25. Februar
2010 - VII ZR 64/09, BauR 2010, 795 Rn. 21 = NZBau 2010, 318; vom 22.
Dezember 2000 - VII ZR 310/99, BGHZ 146, 250, 262 und vom 10. Juni 1999 -
VII ZR 170/98, BauR 1999, 1186, 1188 = ZfBR 1999, 327).
16 b) Ausgehend hiervon ist die Würdigung des Berufungsgerichts, nach den
Gesamtumständen liege in der Entgegennahme der Bauunterlagen am 16. November
2004 eine konkludente Abnahme der Architektenleistungen, revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden.
17 aa) Vergeblich macht die Revision geltend, von der Beklagten sei auch die
Leistungsphase 9 zu erbringen gewesen und die Beklagte sei selbst davon
ausgegangen, dass am 16. November 2004 noch Leistungen dazu ausgestanden
hätten. Das ist nicht der Fall. Die Beklagte hat lediglich eingeräumt, dass
zum Zeitpunkt der Honorarschlussrechnung vom 21. November 2001 und auch noch
zum Zeitpunkt des Schreibens vom 17. September 2002 nicht alle Leistungen
der Leistungsphase 9 erbracht waren. Hieraus folgt aber nicht, dass dies am
16. November 2004, also mehr als zwei Jahre später, immer noch der Fall war.
Die Revision zeigt keinen Vortrag auf, der dem Berufungsgericht Anlass zur
Prüfung gegeben hätte, die Leistungsphase 9 sei am 16. November 2004 noch
nicht beendet gewesen. Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht
habe sich mit dem Vortrag der Klägerin befassen müssen, wonach sich die
Kenntnis der Beklagten von der fehlenden Vollendung der Leistungsphase 9
daraus ergebe, dass sie der Klägerin zwar vereinbarungsgemäß zahlreiche
Aktenordner mit Bauunterlagen übergeben habe, die Ausführungsplanung darin
aber nicht enthalten gewesen sei. Auf dieses Vorbringen musste das
Berufungsgericht nicht eingehen. Ausweislich des Übersendungsschreibens vom
19. Oktober 2004, dessen Empfang einschließlich der Ordner die Klägerin am
16. November 2004 quittiert hat, ist die Beklagte davon ausgegangen, der
Klägerin sämtliche Unterlagen übergeben zu haben. Dass die Klägerin nicht
erst im vorliegenden Prozess, sondern bereits im Zuge der Entgegennahme der
Unterlagen oder zeitnah hierzu deren Unvollständigkeit oder sonst noch
ausstehende Architektenleistungen angemahnt hätte, zeigt die Revision nicht
auf. Daher dringt die Revision auch mit ihrem Einwand, das Berufungsgericht
habe unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag
noch im Jahr 2003 damit beschäftigt gewesen sei, Gewährleistungsansprüche
abzuarbeiten, nicht durch. Zutreffend hieran ist, dass sich aus dem Inhalt
eines von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichten Aktenvermerks zu einer
Besprechung vom 18. Dezember 2003 ergibt, dass zu diesem Zeitpunkt noch drei
dort näher bezeichnete Baumängel nicht abgearbeitet waren. Diese im Dezember
2003 noch ausstehenden Mängelbeseitigungsarbeiten belegen aber nicht, dass
auch im November 2004 noch Restleistungen der Beklagten aus der
Leistungsphase 9 ausstanden, die einer Abnahme entgegenstanden.
18 Auf dieser Grundlage ist es nicht zu beanstanden, wenn das
Berufungsgericht eine konkludente Abnahme annimmt, ohne abschließend
aufgeklärt zu haben, ob die Leistungen der Leistungsphase 9 im November 2004
tatsächlich vollständig erbracht waren. Zwar kann eine konkludente
Abnahme im Regelfall nur angenommen werden, wenn alle vertraglich
geschuldeten Leistungen erbracht sind (BGH, Urteile vom 20. Oktober
2005 - VII ZR 155/04, BauR 2006, 396 Rn. 12 = NZBau 2006, 122; vom 25.
Februar 1999 - VII ZR 190/97, BauR 1999, 934, 935 = ZfBR 1999, 202 und vom
10. Februar 1994 - VII ZR 20/93, BGHZ 125, 111, 114). Hat der Architekt auch
die Leistungen der Phase 9 des § 15 Abs. 2 HOAI übernommen, ist sein Werk
erst dann vollendet, wenn auch diese Leistungen erbracht sind (BGH, Urteile
vom 10. Oktober 2013 - VII ZR 19/12, BauR 2014, 127 Rn. 29 = NZBau 2014, 47;
vom 20. Oktober 2005 - VII ZR 155/04, aaO Rn. 12 und vom 10. Februar 1994 -
VII ZR 20/93, aaO S. 114). Die Vollendung des Werks ist jedoch nicht
ausnahmslos Voraussetzung für eine konkludente Abnahme, da es stets
maßgeblich darauf ankommt, ob nach den gesamten Umständen das Verhalten des
Auftraggebers vom Auftragnehmer dahin verstanden werden kann, er billige die
erbrachte Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht. Das kann auch dann
der Fall sein, wenn die Leistung Mängel hat oder noch nicht vollständig
fertig gestellt ist (vgl. BGH, Urteile vom 18. Februar 2003 - X ZR
245/00, BauR 2004, 337, 339; vom 10. Juni 1999 - VII ZR 170/98, BauR 1999,
1186, 1188 = ZfBR 1999, 327; vom 25. Januar 1973 -VII ZR 149/72, BauR 1973,
192, 193). So hat der Bundesgerichtshof erst kürzlich entschieden, dass eine
noch ausstehende Restleistung der Annahme einer konkludenten Abnahme des
Architektenwerks dann nicht entgegensteht, wenn der Besteller bereit ist,
das Werk auch ohne diese Restleistungen als im Wesentlichen vertragsgerecht
zu akzeptieren (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2013 - VII ZR 220/12,
BauR 2013, 2031 Rn. 22 = NZBau 2013, 779). Eine konkludente Abnahme
kommt dementsprechend in Betracht, wenn das Werk jedenfalls nach den
Vorstellungen des Auftraggebers im Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt
ist und der Auftragnehmer das Verhalten des Auftraggebers als Billigung
seiner erbrachten Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht verstehen
darf (vgl. Kniffka in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3.
Aufl., 4. Teil Rn. 19).
19 So liegt es hier. Das vom Berufungsgericht in Bezug genommene Schreiben
der Klägerin vom 23. Februar 2004 kann dahin verstanden werden, dass die
Klägerin, den Ausführungen der Beklagten folgend, das Bauvorhaben als
abgeschlossen betrachtete und lediglich noch die Übergabe der bei der
Beklagten vorhandenen Bauunterlagen zum Zwecke der Archivierung erfolgen
sollte. Die Anforderung der Bauunterlagen zur Archivierung lässt - wovon das
Berufungsgericht zutreffend ausgeht - den Schluss zu, dass die Klägerin
jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht davon ausging, die Unterlagen seien
noch zur Durchsetzung von weiter zu verfolgenden Gewährleistungsansprüchen
gegenüber den Bauunternehmern erforderlich. War nach den gemeinsamen
Vorstellungen der Parteien die Architektenleistung bereits Ende Februar 2004
im Wesentlichen - bis auf die Herausgabe der Unterlagen - vollendet, dann
ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht
eine konkludente Abnahme zum Zeitpunkt der Entgegennahme der nach den
Vorstellungen der Parteien vollständigen Unterlagen annimmt, unabhängig
davon, ob diese tatsächlich vollständig waren. Dies gilt umso mehr, wenn man
berücksichtigt, dass das Bauvorhaben bereits vier Jahre zuvor in Benutzung
genommen worden war, die Beklagte schon zwei Jahre zuvor mitgeteilt hatte,
sie habe den überwiegenden Teil der Leistungsphase 9 erbracht und die
Klägerin keine Umstände vorträgt, die Anlass zu der Annahme geben, es
stünden noch gewichtige Restleistungen für diese Leistungsphase aus.
20 bb) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Einwand der Revision, das
Berufungsgericht habe der Klägerin keine Prüfungsfrist hinsichtlich der
Unterlagen zugebilligt. Das Berufungsgericht geht rechtsfehlerfrei davon
aus, dass die Unterlagen von der Klägerin zur Archivierung und nicht zur
Überprüfung der Architektenleistungen angefordert worden sind. Zur
Überprüfung der Architektenleistungen hatte der Klägerin bereits ein
Zeitraum von vier Jahren nach Ingebrauchnahme des Bauwerks zur Verfügung
gestanden, ohne dass sie dazu die Planungsunterlagen angefordert hätte.
Waren die Unterlagen nur zur Archivierung angefordert, bedurfte es nicht der
Einräumung einer Prüfungsfrist.
21 cc) Unbegründet ist danach auch die Rüge, das Berufungsgericht habe eine
unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, weil es ohne entsprechenden
Hinweis bereits in der Entgegennahme der Unterlagen eine konkludente Abnahme
gesehen habe und damit von einem noch früheren Abnahmezeitpunkt als das
Landgericht ausgegangen sei. Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht
einen entsprechenden Hinweis hätte erteilen müssen. Denn ein eventueller
Verfahrensverstoß wäre jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Die Klägerin
hätte, wie die Revision vorträgt, nach erfolgtem Hinweis lediglich ihre in
der Revision erhobenen Einwände vorgebracht. Diese Einwände hätten - wie
dargelegt - eine andere Entscheidung des Berufungsgerichts nicht
gerechtfertigt.
22 c) Hat die Klägerin die Architektenleistungen der Beklagten am 16.
November 2004 konkludent abgenommen, dann ist das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die fünfjährige Verjährungsfrist
des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. für etwaige Ansprüche der Klägerin aus §
635 BGB a.F. wegen eines Planungs- oder Überwachungsverschuldens der
Beklagten am 16. November 2009 abgelaufen war. Eine rechtzeitige Hemmung der
Verjährung ist bis zu diesem Zeitpunkt weder nach § 203 Satz 1 BGB noch nach
§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB eingetreten.
23 3. Zu Recht wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, auch der von der Klägerin erhobene Arglisteinwand greife
nicht durch. Die diesbezügliche Beurteilung des Berufungsgerichts beruht auf
einer entscheidungserheblichen Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf
rechtliches Gehör, welche zur Aufhebung des Berufungsurteils führt.
24 a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der
Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die
Nichtberücksichtigung erheblicher, hinreichend substantiiert vorgetragener
Beweisanträge verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht
keine Stütze findet (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 29. April 2013 - VII ZR
37/12, BeckRS 2013, 08457 Rn. 9; vom 8. November 2012 - VII ZR 199/11, bei
juris Rn. 8; vgl. auch BVerfG, WM 2012, 492 Rn. 14).
25 b) Daran gemessen liegt eine Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf
rechtliches Gehör durch die unterbliebene Vernehmung der Zeugen G. und M.
vor. Der Beklagten waren unter anderem die Leistungen der Objektüberwachung
und der Objektbetreuung übertragen. Die Klägerin hat vorgetragen, dass
zahlreiche der von ihr gerügten Baumängel, deretwegen sie die Beklagte auf
Schadensersatz in Anspruch nimmt, visuell erkennbar waren. Sie hat
behauptet, dass den für das Bauvorhaben eingesetzten Trägern das
erforderliche Ü-Zeichen gefehlt habe, die Lamellenstärke der einzelnen
Elemente 4,2 cm (anstatt 3,3 cm) betragen habe, die Brettschichtträger durch
verschiedene Klimazonen durchgehend verbaut worden seien, die Wandanschlüsse
nicht luftdicht abgeschlossen gewesen seien und die aus dem Gebäude
austretenden Trägerbalken keinen konstruktiven Holzschutz gegen Bewitterung
durch die aus der Badehalle austretende feuchte Warmluft aufgewiesen hätten.
Hieraus hat die Klägerin den Schluss gezogen, dass der örtliche Bauleiter
diese Mängel erkannt habe. Wenn diese Behauptung zutrifft, dann kann hieraus
eine Verletzung der Objektüberwachungs- und Objektbetreuungspflichten der
Beklagten folgen, die sie der Klägerin bei der Abnahme der
Architektenleistungen arglistig verschwiegen haben kann (vgl. BGH, Beschluss
vom 17. Juni 2004 - VII ZR 345/03, BauR 2004, 1476). Denn die Kenntnis des
von ihr eingesetzten örtlichen Bauleiters wird der Beklagten nach § 278 BGB
zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1973 - VII ZR 184/72, BGHZ
62, 63, 69).
26 Als örtlichen Bauleiter hat die Klägerin den Zeugen G. angesehen. Den
Zeugen M. als von der Beklagten angegebenen verantwortlichen Projektleiter
hat sie ergänzend benannt, weil ihr die interne Aufgabenverteilung der
Beklagten nicht bekannt gewesen sei. Ausgehend hiervon musste das
Berufungsgericht dem Beweisangebot der Klägerin, den Zeugen G. und M. seien
die gerügten Baumängel bekannt gewesen, nachgehen. Ein unzulässiger
Ausforschungsbeweis liegt nicht vor, denn die unter Beweis gestellte
Behauptung ist nicht ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich ins Blaue
hinein aufgestellt worden (vgl. BVerfG, WM 2012, 492 Rn. 15). Die Erwägung
des Berufungsgerichts, die Vernehmung der Zeugen könne unterbleiben, weil
diese nach dem Vortrag der Beklagten davon überzeugt seien, sich in jeder
Hinsicht korrekt verhalten zu haben, beruht auf einer unzulässigen und gegen
Art. 103 Abs. 1 GG verstoßenden vorweggenommenen Beweiswürdigung (vgl. BGH,
Beschlüsse vom 29. April 2013 - VII ZR 37/12, BeckRS 2013, 08457 Rn. 13; vom
12. März 2013 - VIII ZR 179/12, BeckRS 2013, 06022 Rn. 12; vom 17. August
2011 - XII ZR 153/09, BeckRS 2011, 22517 Rn. 11 sowie BVerfG, WM 2012, 492
Rn. 15 ff.).
27 c) Der Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Es kann nach dem
Sach- und Streitstand nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung des
Berufungsgerichts bei Vernehmung der Zeugen zu Gunsten der Klägerin
ausgefallen wäre. Wenn der Klägerin der Nachweis der Kenntnis des Bauleiters
von den Mängeln gelingt, kann der Eintritt der Verjährung durch die im Jahr
2010 erhobene Klage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 638 Abs. 1, § 195
BGB a.F., § 634a Abs. 3 Satz 1, § 195, § 199 Abs. 1 BGB n.F. i.V.m. Art. 229
§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EGBGB rechtzeitig gehemmt worden sein.
III.
28 1. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
29 2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
30 Sollte die Beklagte einen Mangel nicht arglistig verschwiegen haben, wird
das Berufungsgericht den Sachvortrag der Parteien noch unter dem Blickwinkel
zu prüfen haben, ob der Beklagten die Einrede der Verjährung mit Rücksicht
auf die Grundsätze der Sekundärhaftung bei Architektenverträgen versagt ist
(vgl. BGH, Urteile vom 28. Juli 2011 - VII ZR 4/10, BauR 2011, 1840 Rn. 10 =
NZBau 2001, 691; vom 23. Juli 2009 - VII ZR 134/08, BauR 2009, 1607 Rn. 11
ff. = NZBau 2009, 789; vom 26. Oktober 2006 - VII ZR 133/04, BauR 2007, 423
Rn. 9, 10 = NZBau 2007, 108). Die Revision beanstandet mit Recht, dass das
Berufungsgericht das dahingehende Vorbringen der Parteien nicht gewürdigt
hat. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht
Gelegenheit, dies und gegebenenfalls fehlende Feststellungen hierzu
nachzuholen.
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