Vertragsmäßigkeit einer Ware nach Art. 35 CISG;
Schadensersatzhaftung nach Art. 74 CISG; Mitverschulden: Füllung "interner"
Lücken des CISG (Art. 7 II Alt. 1 CISG)
BGH, Urteil vom 26. September 2012 -
VIII ZR 100/11 - OLG Koblenz
Fundstelle:
NJW 2013, 304
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Um den Anforderungen an den gewöhnlichen
Gebrauch im Sinne von Art. 35 Abs. 2 Buchst. a CISG gerecht zu werden, muss
sich eine gelieferte Ware für diejenigen Verwendungsmöglichkeiten eignen,
die nach ihrer stofflichen und technischen Auslegung und der hieran
anknüpfenden Verkehrserwartung nahe liegen. Bleiben die tatsächlich
vorhandenen Verwendungsmöglichkeiten dahinter zurück, fehlt der Ware die
Eignung zum gewöhnlichen Gebrauch, sofern der Verkäufer die bestehende
Einschränkung nicht deutlich macht.
b) Die im UN-Kaufrechtsübereinkommen nicht ausdrücklich geregelte Frage, wie
Fallgestaltungen zu behandeln sind, in denen die Vertragsparteien zum
entstandenen Schaden unabhängig voneinander durch jeweils eigenständige
Pflichtverletzungen beigetragen haben, ist gemäß Art. 7 Abs. 2 CISG durch
Rückgriff auf die den Art. 77 und 80 CISG zugrunde liegenden allgemeinen
Grundsätze dahin zu entscheiden, dass bei teilbaren Rechtsbehelfen wie dem
Schadensersatz die jeweiligen Verursachungsbeiträge bei der
Schadensverteilung angemessen zu berücksichtigen sind.
Zentrale Probleme:
Ein lehrreicher (Standard-)Fall aus dem CISG, wie er
auch Gegenstand einer entsprechenden Schwerpunktbereichsklausur sein könnte.
Von methodischem Interesse sind insbesondere die
Ausführungen zur Lückenfüllung (Tz. 33 ff) .
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die in Deutschland ansässige
Beklagte gewinnt und vertreibt mineralische Rohstoffe. Ihre
Rechtsvorgängerinnen (im Folgenden einheitlich: Beklagte) belieferten die in
den Niederlanden ansässige Klägerin, die dort tiefgekühlte Kartoffelprodukte
herstellt, in langjähriger Geschäftsbeziehung mit gemahlenem Ton (Kaolinit)
unter der Bezeichnung "Aardappelbescheidingsklei A 01" (Kartof-felseparierungston
A 01) zur Sortierung von Kartoffeln. Hierzu wird ein TonWasser-Bad
hergestellt, in dem die stärkeärmeren Kartoffeln aufgrund ihres geringeren
spezifischen Gewichts von den zur Lebensmittelverarbeitung benötigten
stärkereicheren Kartoffeln getrennt werden. Die Klägerin veräußert
anschließend die ausgeschiedenen stärkeärmeren Kartoffeln zusammen mit den
Schälabfällen der stärkereicheren Kartoffeln an Futtermittelhersteller zur
Weiterverwertung in Tierfutter.
2 Im Jahre 1999 war in Ton, der aus Tongruben im Westerwald gewonnen wurde,
eine erhebliche natürliche Dioxinbelastung festgestellt worden, darunter
auch in Ton aus der der Beklagten gehörenden Tongrube R.
. Der Beklagten war daraufhin durch Ordnungsverfügung untersagt worden, ihre
Mahltone in den Verkehr zu bringen, "soweit sie dazu bestimmt sind, bei der
Herstellung von Futtermitteln als Zusatzstoff verwendet zu werden". Im
Zeitraum von Juli bis Oktober 2004 belieferte die Beklagte die Klägerin mit
einem in der Tongrube R. gewonnenen "Aardappelbeschei-dingsklei A 01". Die
Klägerin setzte den Ton in der beschriebenen Weise zur Separierung der
Kartoffeln ein und lieferte die dabei ausgeschiedenen Kartoffeln
einschließlich der Schälreste an Futtermittelhersteller. Nachdem im Herbst
2004 in Milch und Milchprodukten aus niederländischer Produktion erhöhte
Dioxinwerte festgestellt worden waren, ergab eine Anfang November 2004
durchgeführte Überprüfung der bei der Klägerin vorhandenen Bestände des von
der Beklagten gelieferten Tons einen Dioxingehalt, der weit über dem
Grenzwert für Kaolinit-Tone und andere in der Tierernährung zur Verwendung
als Bindemittel, Fließhilfsstoffe oder Gerinnungshilfsstoffe zugelassene
Zusatzstoffe lag. Dies rügte die Klägerin, in deren Kartoffelprodukten keine
erhöhten Dioxinwerte gemessen wurden, unter dem 4. November 2004 gegenüber
der Beklagten.
3 Die Feststellungsklage, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin
und deren Haftpflichtversicherer sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihnen
durch die Lieferung dioxinhaltiger Tonerde im Jahre 2004 an die Klägerin
entstanden ist und noch entstehen wird, hat das Landgericht abgewiesen. Auf
die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage mit der
Einschränkung stattgegeben, dass eine Ersatzverpflichtung der Beklagten
nicht über den Betrag der Vermögensnachteile hinaus besteht, die der
Klägerin entstanden wären, wenn sie durch Ergreifen der erforderlichen
Maßnahmen verhindert hätte, dass Dioxin mit oder aus der gelieferten Tonerde
in einer unzulässigen Konzentration in Futtermittel gelangt. Mit ihren vom
Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Klägerin ihr
Feststellungsbegehren und die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren in vollem
Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision der Klägerin hat teilweise, die Revision der
Beklagten dagegen keinen Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht (OLG Koblenz, CISG-online Nr. 2301) hat zur
Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6 Die Beklagte sei der Klägerin nach Maßgabe der Bestimmungen des auf das
Vertragsverhältnis anwendbaren Übereinkommens der Vereinten Nationen über
Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) grundsätzlich zum Ersatz
des Schadens verpflichtet, welcher der Klägerin durch die Lieferung
dioxinhaltiger Tonerde entstanden sei. Allerdings könne dahinstehen, ob der
gelieferte Ton - wie in erster Instanz zwischen den Parteien unstreitig -
von den zu trennenden Kartoffeln problemlos hätte abgewaschen werden können
oder ob dies entsprechend einem von der Klägerin erstmals im
Berufungsrechtszug gehaltenen Sachvortrag nicht der Fall sei. Auf die
hiervon abhängige Frage, ob es sich bei dem gelieferten Ton um einen zur
beabsichtigten Kartoffelseparierung zulässigen Verarbeitungshilfsstoff und
damit um eine mangelfreie Lieferung im Sinne von Art. 35 CISG gehandelt
habe, komme es aber ebenso wenig an wie auf die für eine etwaige
Eingangskontrolle nach Art. 38 CISG bedeutsame Frage, ob eine
Vertragswidrigkeit des gelieferten Tons auf Tatsachen beruht habe, welche
die Beklagte im Sinne von Art. 40 CISG gekannt habe oder über die sie nicht
hätte in Unkenntnis sein können. Denn unabhängig davon hafte die Beklagte
gemäß Art. 45 CISG für die Verletzung einer aus dem Grundsatz des guten
Glaubens im Sinne von Art. 7 Abs. 1 CISG folgenden Pflicht, die Klägerin vor
dem Dioxingehalt des gelieferten Tons zu warnen.
7 Eine solche Pflicht, die neben der Haftung für die Vertragsmäßigkeit der
Ware bestehe, wenn der Verkäufer aufgrund überlegener Sachkunde erkenne,
dass die Ware für den ihr zugedachten Zweck nicht geeignet sei, habe die
Beklagte verletzt. Aufgrund der im Jahre 1999 durchgeführten
ordnungsbehördlichen Untersuchungen habe sie positiv gewusst, dass der von
ihr in R. geförderte und an die Klägerin gelieferte Ton, der nach der
vertraglichen Bezeichnung der Ware bei der Herstellung von Lebensmitteln
habe verwendet werden sollen, in erheblichem Maße Dioxin enthalten habe.
Dies sei der Klägerin, wie die Beklagte gewusst habe, unbekannt gewesen.
Zwar habe die Klägerin wissen müssen, dass aus Deutschland stammende
Tonerden Dioxin enthalten könnten. Dass gerade der an sie verkaufte Ton aus
der betreffenden Tongrube ganz erheblich dioxinbelastet gewesen sei, habe
der Klägerin jedoch nicht bekannt sein müssen. Die Beklagte hätte ihr
spezielles Wissen deshalb der Klägerin angesichts der allgemein bekannten
Gesundheitsgefahren durch Dioxin und des Umstandes, dass der dioxinhaltige
Ton mit Kartoffeln habe in Berührung kommen sollen, nicht vorenthalten
dürfen.
8 Die Beklagte habe sich auch nicht darauf verlassen dürfen, dass die
Klägerin ohne ihr Zutun die erhebliche Dioxinbelastung erkennen würde. Zwar
sei die Klägerin in ihrem eigenen Interesse gehalten gewesen, den Ton auf
eine mögliche Dioxinbelastung zu prüfen. Jedoch habe die Beklagte zumindest
damit rechnen müssen, dass solche Untersuchungen möglicherweise unterbleiben
oder nicht sorgfältig genug durchgeführt würden. Das gelte umso mehr, als
die Klägerin den Dioxingehalt des gelieferten Tons erst durch Hinzuziehung
eines Chemikers mittels relativ aufwändiger Labortests habe erkennen können,
während die Beklagte hiervon sichere Kenntnis gehabt habe und dies ohne
Weiteres durch eine einfache Mitteilung hätte weitergeben können. Ebenso
wenig habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die Kartoffeln bei der
Klägerin nach der Separierung gründlich gewaschen und auf diese Weise von
Dioxinrückständen vollständig befreit würden. Sie habe vielmehr in Erwägung
ziehen müssen, dass die Klägerin in Unkenntnis der Dioxinbelastung die
Reinigung nicht mit der andernfalls gebotenen Gründlichkeit vornehmen würde.
9 Die Beklagte entlaste auch nicht, dass sich die von dem gelieferten Ton
ausgehende Gefahr nicht bei den zum menschlichen Verzehr bestimmten
Kartoffeln aus der Produktion der Klägerin, sondern allein bei den für die
Futtermittelproduktion bestimmten Reststoffen verwirklicht habe. Insoweit
komme es nicht darauf an, ob die später in den Milchprodukten festgestellte
Dioxinbelastung auf den an den Kartoffelschalen anhaftenden Tonresten oder -
wie von der Beklagten behauptet - darauf beruht habe, dass die Klägerin auch
das zur Separierung verwendete Ton-Wasser-Bad selbst der
Tierfutterherstellung zugeführt habe. Denn die Beklagte habe gewusst, dass
der gelieferte Ton für das Separieren von Kartoffeln im Zusammenhang mit der
Lebensmittelproduktion bestimmt gewesen sei. Außerdem hätte sie erkennen
können, dass die Reststoffe nicht vernichtet, sondern gewinnbringend
verwertet würden, wobei die Verarbeitung zu Tierfutter eine der
wahrscheinlichsten Verwendungsarten gewesen sei, bei der ebenfalls keine
unzulässigen Dioxinwerte hätten auftreten dürfen.
10 Der gemäß Art. 45 Abs. 1 Buchst. b CISG wegen dieser Pflichtverletzung zu
leistende Schadensersatz sei weder durch Art. 79 CISG ausgeschlossen noch
sei die Klägerin durch Art. 80 CISG daran gehindert, die Beklagte wegen der
Verletzung ihrer Hinweispflicht in Anspruch zu nehmen. An dieser
Pflichtverletzung sei sie nicht beteiligt gewesen. Denn ihr habe es weder
oblegen, bei der Beklagten anzufragen, ob deren Produkte möglicherweise
Dioxin enthielten, noch ihrerseits darauf hinzuweisen, dass die
Produktionsreste aus ihrem Betrieb ungereinigt weiterverkauft würden. Ihren
Interessen hätte sie auch Genüge getan, wenn sie den Ton nach der
Anlieferung und ohne vorherige Mitteilung an die Beklagte auf Dioxin hätte
testen lassen. Jedenfalls stehe einer Anwendbarkeit von Art. 80 CISG
entgegen, dass es die Beklagte gewesen sei, die die entscheidende Ursache
für die Vertragsverletzung gesetzt habe.
11 Der nach Art. 74 CISG zu ersetzende und von der Beklagten auch
vorhersehbare Schaden sei aber gemäß Art. 77 CISG insoweit nicht zu
ersetzen, als die Klägerin die nach den Umständen angemessenen Maßnahmen zur
Verringerung des Schadens unterlassen habe. Ihr sei anzulasten, dass sie
sich vor Verwendung des an sie gelieferten Separierungstons nicht
vergewissert habe, dass von diesem keine Dioxingefahr für die zu
verarbeitenden Lebensmittel und die anschließend herzustellenden
Futtermittel ausgegangen sei. Falls sie bei Verwendung des Tons gewusst
habe, dass man im Jahr 1999 bei Ton aus deutscher Produktion teilweise einen
hohen Dioxingehalt mit der Folge einer mangelnden Verwendungsfähigkeit in
Tierfutter festgestellt habe, sei sie gehalten gewesen, Vorkehrungen gegen
eine Vergiftung nicht nur der von ihr hergestellten Lebensmittel, sondern
auch der zur Verfütterung bestimmten Abfälle zu treffen. Habe sie
entsprechend ihren Behauptungen von dieser Möglichkeit nicht gewusst, sei
ihr in gleicher Weise anzulasten, dass sie sich nicht hinrei chend anhand
der allgemein zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten über die
Gefahren informiert habe, die mit dem von ihr verwendeten Sepa-rierungston
verbunden sein konnten. Gerade als Lebensmittelproduzentin sei sie im Rahmen
ihrer Produktverantwortung gehalten gewesen, sich über die einschlägigen
Fragen der Lebensmittelsicherheit und der Entsorgung oder Verwendung der in
ihrem Betrieb anfallenden Abfälle auf dem Laufenden zu halten.
12 Als Folge dieser Informationsobliegenheiten hätte sie sich deshalb auch
vergewissern müssen, ob der von der Beklagten gelieferte Ton ungefährlich
gewesen sei. Dazu hätte sie die Beklagte etwa zur Ergänzung ihrer Angaben
über eine Unbedenklichkeit des Tons, die hinsichtlich eines Dioxingehalts
nicht aussagekräftig gewesen seien, auffordern oder stichprobenartig den Ton
in eigener Verantwortung auf eine eventuelle Überschreitung der zulässigen
Dioxinwerte hin kontrollieren müssen, was nach dem erhobenen
Sachverständigenbeweis ohne außergewöhnlichen Aufwand möglich gewesen wäre.
Dass man nach ihrem Vorbringen auch sonst in der Branche nicht so verfahren
sei und insbesondere die Ware nach Verwendung eines solchen Tons nicht
gewaschen habe, entlaste sie nicht.
13 Hiernach könne die Klägerin keinen Schadensersatz für diejenigen Schäden
beanspruchen, die durch die ungeprüfte Verwendung des dioxinhaltigen Tons
und die dadurch verursachte Kontamination von Futtermitteln entstanden
seien. Zu ersetzen seien ihr lediglich die Vermögensnachteile, die
entstanden wären, wenn sie die notwendigen Maßnahmen zur Verringerung des
Schadens wie etwa die Entsorgung des Separierungstons getroffen hätte.
14 Weitere Ansprüche aus einem Verschulden bei Vertragsschluss oder aus
unerlaubter Handlung stünden der Klägerin neben dem Schadensersatzanspruch
aus Art. 45 CISG nicht zu. Insoweit enthalte das UN-Kaufrecht vielmehr eine
abschließende Regelung und verdränge das nationale Recht.
II.
15 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand.
16 Die Beklagte ist der Klägerin auf der Grundlage des hier zur
Anwendung kommenden UN Kaufrechtsübereinkommens (Art. 1 Abs. 1
Buchst. a CISG, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB aF) gemäß Art. 45 Abs. 1
Buchst. b, Art. 74 CISG zum Schadenersatz verpflichtet. Sie hat
ihre Pflicht zur Lieferung vertragsgemäßer Ware verletzt, weil der
gelieferte Separierungston den Anforderungen des Vertrages im Sinne von Art.
35 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a CISG nicht entsprochen hat. Allerdings
kann die Klägerin hierfür keinen vollen Schadensersatz beanspruchen. Denn
sie hat selbst in schwerwiegender Weise gegen ihre Produktverantwortlichkeit
bei dem Inverkehrbringen von (Vor-)Produkten für die Futtermittelherstellung
verstoßen und dadurch einen eigenen, bei der Bemessung des Ersatzanspruchs
zu berücksichtigenden Beitrag zur Schadensentstehung geleistet.
17 1. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen
Feststellungen die Frage der Mangelhaftigkeit des gelieferten
Separierungstons zu Unrecht offen gelassen.
18 a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass
der von der Klägerin als Herstellerin von Lebensmitteln ohne weitere
Konkretisierung von Eigenschaften oder Beschaffenheitsanforderungen
bestellte Mahlton (Kaolinit) angesichts seiner Produktbezeichnung als "Aardappelbescheidingsklei
A 01" nicht nur technisch als Trennmittel zur Separierung von Kartoffeln
geeignet sein musste. Er musste wegen seines Einsatzes als
Verarbeitungshilfsstoff bei der Lebensmittelherstellung gemäß Art. 35 Abs.
1, 2 Buchst. b CISG auch den dafür bestehenden lebensmittelrechtlichen
Anforderungen genügen. Da nach den unangegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts eine Verwendung der hierbei als ungeeignet aussortierten
Kartoffeln zusammen mit den angefallenen Kartoffelschalen zur Herstellung
von Futtermitteln allgemein üblich war, hat darüber hinaus die gleichzeitige
Verwendung des gelieferten Tons zur Behandlung von Vorprodukten der
Futtermittelherstellung zu den Zwecken gehört, für die dieser neben dem in
der Produktkennzeichnung benannten Zweck gewöhnlich im Sinne von Art. 35
Abs. 2 Buchst. a CISG gebraucht wird. Der Ton musste bei seiner üblichen
Verwendung daher zugleich den bestehenden futtermittelrechtlichen
Anforderungen genügen.
19 b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, dies sei
deswegen der Fall, weil der dioxinbelastete Ton entsprechend den
Behauptungen der Beklagten nach Sortierung der Kartoffeln durch Abwaschen
vollständig und problemlos hätte entfernt werden können. Diese Auffassung
engt den in Art. 35 Abs. 2 Buchst. a CISG geregelten Begriff der
Anforderungen an die Tauglichkeit einer Ware zum gewöhnlichen Gebrauch
angesichts der mit der Dioxinbelastung einhergehenden
Verwendungseinschränkungen unzulässig ein.
20 aa) Nach Art. 35 Abs. 2 Buchst. a CISG entspricht eine gelieferte
Ware, für die - wie hier - nichts anderes vereinbart ist, dem Vertrag nur,
wenn sie sich für die Zwecke eignet, für die Ware der gleichen Art
gewöhnlich gebraucht wird. Sie wird also den Anforderungen an ihren
gewöhnlichen Gebrauch im Sinne dieser Bestimmung nur gerecht, wenn sie ganz
allgemein den Erwartungen entspricht, die ein durchschnittlicher Nutzer bei
Anlegung eines objektiven Maßstabs unter üblichen Verwendungsbedingungen zur
Verwirklichung des normalen Gebrauchszwecks an sie stellt
(Staudinger/Magnus, BGB, Neubearb. 2005, Art. 35 CISG Rn. 18 mwN). Zwar muss
sich eine Ware, um diesen Verkehrserwartungen zu genügen, nicht für alle
theoretisch denkbaren Verwendungsformen und Verwendungsmöglichkeiten eignen,
sondern nur für diejenigen, die nach ihrer stofflichen und technischen
Auslegung und der hieran anknüpfenden Verkehrserwartung nahe liegen.
Wird allerdings eine an sich nahe liegende Verwendung von den tatsächlich
vorhandenen Verwendungs- und Einsatzmöglichkeiten nicht mehr abgedeckt,
fehlt ihr die von Art. 35 Abs. 2 Buchst. a CISG geforderte Eignung zum
gewöhnlichen Gebrauch, sofern der Verkäufer die bestehende Einschränkung
nicht deutlich macht (Achilles, Kommentar zum
UN-Kaufrechtsübereinkommen, 2000, Art. 35 Rn. 4; vgl. ferner
Staudinger/Magnus, aaO Art. 35 Rn. 20; Piltz, Internationales Kaufrecht, 2.
Aufl., Rn. 5-45; Kröll in Kröll/Mistelis/Viscasillas, UN Convention on
Contracts for the International Sale of Goods, 2011, Art. 35 Rn. 69;
MünchKommBGB/ Gruber, 6. Aufl., Art. 35 CISG Rn. 16; jeweils mwN).
21 bb) So liegt es im Streitfall. Entgegen der Sichtweise des
Berufungsgerichts ist der gelieferte Ton allein schon wegen der besonderen
Verwendungsanforderungen, die aufgrund der Dioxinverunreinigung und des
dadurch selbst nach den Behauptungen der Beklagten unabdingbaren
Erfordernisses einer anschließenden Reinigung der separierten Kartoffeln
bestanden haben, nachteilig hinter den Verkehrserwartungen zurückgeblieben.
Denn ein Verwender von Kartoffelseparierungston der gelieferten Art kann
gewöhnlich davon ausgehen, dass der Ton - dem Regelfall entsprechend - keine
Verunreinigungen oder Beimengungen enthält, die lebens- oder
futtermittelrechtlich unerwünscht sind und deshalb bei seiner Verwendung
besondere Vorkehrungen wie etwa einen anschließenden Waschvorgang der
separierten Kartoffeln erfordern. Insbesondere ist ein solches
Reinigungserfordernis entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten
auch nicht lebens- oder futtermittelrechtlich zwingend und damit
verwendungsprägend vorgegeben. Denn Kaolinit-Tone zählen, worauf die
Revision der Klägerin zutreffend hinweist und wie insbesondere auch die
Benennung dieser Tone im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2439/1999 der
Kommission vom 17. November 1999 über die Bedingungen für die Zulassung von
Zusatzstoffen der Gruppe "Bindemittel, Fließhilfsstoffe und
Gerinnungshilfsstoffe" in der Tierernährung (ABl. EG Nr. L 297 S. 11) unter
der EG-Nummer E 559 belegt, zu den grundsätzlich für die Tierernährung
zugelassenen Zusatzstoffen, sofern sie im Einzelfall nicht den festgelegten
Höchstgehalt an Dioxinen überschreiten.
22 2. Die Klägerin hat ihr Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit
des gelieferten Tons zu berufen, nicht gemäß Art. 39 Abs. 1 CISG dadurch
verloren, dass sie der Beklagten die Vertragswidrigkeit nicht innerhalb
einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt angezeigt hat, in dem sie - wie
von der Beklagten geltend gemacht - die Vertragswidrigkeit hätte feststellen
müssen.
23 a) Das Berufungsgericht hat zwar in anderem Zusammenhang angenommen, dass
die Klägerin sich über die Ungefährlichkeit des gelieferten Tons hätte
vergewissern und ihn zu diesem Zweck in eigener Verantwortung auf eine
eventuelle Überschreitung der zulässigen Dioxinwerte hätte kontrollieren
können. Jedoch kann dahinstehen, ob die Klägerin eine aus Art. 38 f. CISG
folgende Obliegenheit zur Untersuchung der Ware und zur Anzeige sich danach
ergebender Vertragswidrigkeiten, die lediglich im Interesse der
Vertragsparteien untereinander zur alsbaldigen Klärung einer Tauglichkeit
der gelieferten Ware und der daraus zu ziehenden Folgerungen besteht (vgl.
Staudinger/Magnus, aaO Art. 39 Rn. 3; Schwenzer in Schlechtriem/Schwenzer,
Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl., Art. 38 Rn. 4), verletzt
hat. Denn die Beklagte kann sich hierauf jedenfalls gemäß Art. 40 CISG nicht
berufen, weil sie über die Dioxinverunreinigung des gelieferten Tons und ein
daraus folgendes, den gewöhnlichen Gebrauch von Kartoffelseparierungston im
Sinne von Art. 35 Abs. 2 Buchst. a CISG einschränkendes Erfordernis, die
separierten Kartoffeln in einem zusätzlichen Waschvorgang zu reinigen, nicht
in Unkenntnis sein konnte und weil sie der Klägerin diesen Umstand nicht
offenbart hat.
24 b) Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, dass der
Beklagten aufgrund der im Jahre 1999 gezogenen Materialproben die erhebliche
Dioxinbelastung des in der Grube R. geförderten Tons bekannt war und dass
sie wusste, dass der Klägerin die Dioxinbelastung unbekannt war. Die ihr
bekannte Dioxinbelastung, aufgrund derer sich ein Reinigungserfordernis
geradezu aufdrängte, hätte die Beklagte - wie das Berufungsgericht mit Recht
annimmt - der Klägerin nicht verschweigen dürfen. Sie hätte ihr diesen
Umstand vielmehr offenbaren müssen, um ihr, sofern die Klägerin daraufhin
den verunreinigten Ton überhaupt abgenommen hätte, zumindest Anlass zu
geben, durch geeignete Vorsorgemaßnahmen wie ein - nach den Behauptungen der
Beklagten als tauglich zu unterstellendes - Abwaschen der separierten
Kartoffeln nach Durchlaufen des Ton-Wasser-Bades eine durch die
Dioxinbelastung bedingte Kontamination der Folgeprodukte auszuschließen.
25 c) Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagten nach den unangegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts das bei der Klägerin praktizierte
Verfahren zur Verarbeitung der mit Hilfe des gelieferten Tons im
Ton-Wasserbad separierten Kartoffeln und die anschließende ungereinigte
Verwendung der so behandelten Kartoffeln und Kartoffelreste nicht positiv
bekannt waren. Vielmehr hätte gerade die fehlende Kenntnis, ob ein sicherer
Einsatz des gelieferten Se-parierungstons bei der Klägerin gewährleistet
war, die Beklagte zur Vorsicht veranlassen müssen. Deshalb wäre ein
entsprechender Gefahrenhinweis geboten gewesen, um von vornherein jegliche
Gefahrverwirklichung durch den dioxinverunreinigten Separierungston bei der
anschließenden Futtermittelproduktion auszuschließen.
26 3. Die Klägerin kann danach gemäß Art. 45 Abs. 1 Buchst. b, Art.
74 Abs. 1 CISG den Ersatz des Schadens beanspruchen, der ihr daraus
entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Beklagte ihre nach Art. 35
Abs. 1, 2 Buchst. a CISG bestehende Pflicht verletzt hat,
Kartoffelseparierungston zu liefern, der den vorstehend unter II 1 b bb
beschriebenen Anforderungen des Vertrages entspricht, und dadurch aufgrund
des Dioxingehalts des Tons eine hier eingetretene Verwendungsgefahr
geschaffen hat, mit der bei normalem Gebrauch nicht zu rechnen war
(vgl. Staudinger/Magnus, aaO Art. 35 CISG Rn. 18 mwN). Allerdings
ist dieser Schadensersatz zu mindern, weil die Klägerin selbst in schwer
wiegender Weise ihrer Produktverantwortlichkeit für die in die
Futtermittelproduktion gegebenen ausgesonderten Kartoffeln und
Kartoffelreste nicht genügt und dadurch einen ihr anzulastenden eigenen
Beitrag zur Entstehung des durch die mangelhafte Lieferung verursachten
(Regress-)Schadens geleistet hat.
27 a) Die Klägerin war - wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt -
ihrerseits verpflichtet, angemessene Vorkehrungen dagegen zu treffen, dass
von den von ihr in den Verkehr gebrachten Futtermitteln oder den dafür
bestimmten Vorprodukten Gesundheitsgefahren für Mensch oder Tier in der
nachfolgenden Futter- und Nahrungsmittelkette ausgehen. Daran fehlt es.
28 aa) Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die
ausgesonderten Kartoffeln und Kartoffelreste zur Verwertung als Futtermittel
in den Verkehr gebracht, ohne sich zuvor über die futtermittelrechtliche
Unbedenklichkeit des als Verarbeitungshilfsstoff mit verwerteten Tons in
einer Weise zu vergewissern, die durch die im Lebens- und Futtermittelrecht
bestehenden Sorgfaltsanforderungen geboten war (vgl. dazu Meyer in
Meyer/Streinz, LFGB-BasisVO, 2007, Art. 17 VO 178/2002/EG Rn. 21 f.; Wehlau,
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, 2010, Vorbemerkung zu § 58 Rn. 72,
79 f.). Dazu hatte die Klägerin - wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt
- hier durchaus Anlass. Denn ihr hätte eine mögliche Dioxinbelastung des von
der Beklagten gelieferten Tons bei der auch insoweit gebotenen Sorgfalt
nicht verborgen bleiben können. Hierüber war nicht nur in der Presse
berichtet worden. Vielmehr war eine Dioxinbelastung von in Deutschland
geförderten Kaolinit-Tonen sogar in der für das Tätigkeitsgebiet der
Klägerin einschlägigen EU-Normgebung aufgegriffen worden (vgl.
Erwägungsgründe 1, 8 der Verordnung (EG) Nr. 2439/1999, aaO) und hatte -
worauf auch die Revision der Beklagten hinweist - in der Folgezeit zu einer
Vielzahl gesetzgeberischer Vorhaben, Maßnahmen und Empfehlungen geführt
(z.B. Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung
der Richtlinie 1999/29/EG des Rates über unerwünschte Stoffe und Erzeugnisse
in der Tierernährung vom 28. August 2001, KOM [2001] 493 endgültig [ABl. EG
Nr. C 332E S. 242]; Empfehlung der Kommission vom 4. März 2002 zur
Reduzierung des Anteils von Dioxinen, Furanen und PCB in Futtermitteln und
Lebensmitteln [ABl. EG Nr. L 67 S. 69]; Erwägungsgrund 5 sowie Art. 1 i.V.m.
dem Anhang der Richtlinie 2003/57/EG der Kommission vom 17. Juni 2003 zur
Änderung der Richtlinie 2002/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 7. Mai 2002 über unerwünschte Stoffe in der Tierernährung [ABl. EG Nr. L
151 S. 38]).
29 bb) Ohne Erfolg macht die Revision der Klägerin demgegenüber geltend, die
Klägerin habe zu einer dahingehenden Prüfung des gelieferten Tons keine
Veranlassung gehabt, weil die Beklagte durch Vorlage des hierfür erstellten
Sicherheitsdatenblatts mit der darin enthaltenen toxikologischen Information
"non toxic" zugleich die Erklärung abgegeben habe, dass der Ton dioxinfrei
und deshalb insoweit unbedenklich sei. Eine dahingehende Aussage enthält das
Sicherheitsdatenblatt nicht. Bei dem Sicherheitsdatenblatt hat es sich -
worauf die Revision der Beklagten mit Recht hinweist - um eine gemäß § 14
der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) in der Fassung von Art. 2 Nr. 8 der
Verordnung vom 4. Juli 2002 (BGBl. I S. 2514) zu übermittelnde Information
des Gefahrstoffrechts gehandelt, die allein schon nach ihrem Zweck keine
tauglichen Rückschlüsse auf einen nach Lebens- oder Futtermittelrecht
relevanten Gehalt an Inhaltsstoffen oder Verunreinigungen zugelassen hat.
Denn das Gefahrstoffrecht zielt - anders als das Lebens- und
Futtermittelrecht - nicht auf eine Sicherheit der Lebens- und
Futtermittelkette unter dem Gesichtspunkt eines Verzehrs der Inhaltsstoffe
ab (vgl. Weinmann/Thomas/Klein, Gefahrstoffverordnung, Stand 2003, § 2 Anm.
3.2.2 zu Nr. 1). Es bezweckt vielmehr eine Gefahrvermeidung im Umgang mit
solchen Stoffen bei deren Herstellung und Verwendung sowie bei Tätigkeiten
in deren Gefahrenbereich (vgl. § 19 des Chemikaliengesetzes [ChemG] in der
Neufassung vom 20. Juni 2002 [BGBl. I S. 2090], §§ 1, 2 Abs. 2 GefStoffV).
Dementsprechend war das Sicherheitsdatenblatt nur dazu bestimmt, dem
berufsmäßigen Verwender die beim Umgang mit Stoffen und Zubereitungen
notwendigen Daten und Umgangsempfehlungen zu vermitteln, um die für den
Gesundheitsschutz, die Sicherheit am Arbeitsplatz und den Schutz der Umwelt
erforderlichen Maßnahmen treffen zu können (Ziff. 4 Abs. 1 der Technischen
Regeln für Gefahrstoffe [TRGS] 220, abgedruckt bei Weinmann/Thomas/Klein,
aaO Teil 2 Ordner 2/1; Weinmann/Thomas/Klein, aaO § 14 Anm. 2.5).
30 b) Im Umfang des Gewichts ihrer eigenen
Sorgfaltspflichtverletzung kann sich die Klägerin gegenüber der Beklagten
nicht auf deren Pflichtverletzung durch Lieferung vertragswidrigen Tons
berufen, so dass ihr Schadensersatzanspruch entsprechend zu kürzen ist.
31 aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine
Kürzung des der Klägerin zustehenden Schadensersatzes aufgrund des Beitrags,
den sie durch ihre vorstehend unter II 3 a aa beschriebene
Sorgfaltspflichtverletzung selbst zur Schadensverursachung geleistet hat,
allerdings nicht unmittelbar auf Art. 77 CISG gestützt werden. Nach
dieser Bestimmung kann in Fällen, in denen eine Partei es versäumt, alle den
Umständen nach angemessenen Maßnahmen zur Verringerung des aus der
Vertragsverletzung folgenden Verlusts zu treffen, die vertragsbrüchige
Partei Herabsetzung des Schadens in Höhe des Betrages verlangen, um den der
Verlust hätte verringert werden sollen. Allerdings erfasst die Vorschrift
nur diejenigen Fälle, in denen die ersatzberechtigte Partei es nach
Kenntniserlangung von den Umständen des (drohenden) Schadenseintritts unter
Verstoß gegen eine dann einsetzende Obliegenheit unterlassen hat, den durch
eine Vertragsverletzung der anderen Partei verursachten Schaden durch
Vornahme angemessener Maßnahmen zu mindern oder den durch eine
Vertragsverletzung der anderen Partei drohenden Schaden zu vermeiden
(vgl. Senatsurteil vom 24. März 1999 - VIII ZR 121/98, BGHZ 141, 129, 135
f.; Staudinger/Magnus, aaO Art. 77 Rn. 5, 8, 11; Piltz, aaO Rn. 5-555).
Eine solche Kenntnis von den Umständen des (drohenden)
Schadenseintritts, die der Klägerin hätten Anlass geben müssen, in den
(drohenden) Schadensverlauf durch schadensmindernde Maßnahmen einzugreifen,
stellt das Berufungsgericht indessen nicht fest. Dafür besteht auch
sonst kein Anhalt.
32 Ebenso wenig kann - wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt -
eine Kürzung des Schadensersatzes unmittelbar auf Art. 80 CISG gestützt
werden, wonach sich eine Partei auf die Nichterfüllung von Pflichten durch
die andere Partei nicht berufen kann, soweit diese Nichterfüllung durch ihre
Handlung oder Unterlassung verursacht wurde. Denn die
Klägerin hat die in der Lieferung vertragswidrigen Tons liegende
Vertragsverletzung der Beklagten nicht mitverursacht. Dass sie im
Verhältnis zur Beklagten die Anforderungen an den zu liefernden Ton nicht
näher spezifiziert und insbesondere nicht ausdrücklich auf das Erfordernis
einer Dioxinfreiheit hingewiesen hat, stellt keinen berücksichtigungsfähigen
Mitverursachungsbeitrag dar. Denn es lag auch für die Beklagte auf der Hand,
dass der zu dem beschriebenen Zweck bestellte Ton kein Dioxin enthalten
durfte, so dass diese Selbstverständlichkeit keiner ausdrücklichen Erwähnung
bedurfte.
33 bb) Die im
UN-Kaufrechtsübereinkommen nicht ausdrücklich entschiedene Frage, wie
Fallgestaltungen zu behandeln sind, in denen - wie hier - die
Vertragsparteien zum entstandenen Schaden unabhängig voneinander durch
jeweils eigenständige Pflichtverletzungen beigetragen haben, ist gemäß Art.
7 Abs. 2 CISG durch Rückgriff auf die insbesondere den Art. 77 und 80 CISG
zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze zu entscheiden.
34 (1) Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass beide Vorschriften
einen besonderen Ausdruck des in Art. 7 Abs. 1 CISG geregelten Gebots
darstellen, die Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel zu
fördern (Staudinger/Magnus, aaO Art. 77 CISG Rn. 2, Art. 80 CISG
Rn. 2; Schwenzer, aaO Art. 77 Rn. 1; MünchKommBGB/Huber, aaO, Art. 77 CISG
Rn. 1, Art. 80 CISG Rn. 1; MünchKommHGB/Mankowski, 2. Aufl., Art. 80 CISG
Rn. 1; Brunner, UN-Kaufrecht, 2004, Art. 77 Rn. 1, Art. 80 Rn. 1; Rathjen,
RIW 1999, 561, 565). Dabei geht Art. 77 CISG auf den
verallgemeinerungsfähigen Grundgedanken zurück, dass ein in zumutbarer Weise
vermeidbarer Schaden nicht entschädigungswürdig ist (Schwenzer, aaO;
Staudinger/Magnus, aaO Art. 77 CISG Rn. 2; MünchKommBGB/Huber, aaO Art. 77
CISG Rn. 1; Brunner, aaO Art. 77 Rn. 1), während Art. 80 CISG
Ausdruck des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist und den allgemeinen
Gedanken formuliert, dass ein Gläubiger aus eigenem schadensbegründenden
Verhalten keinen Vorteil ziehen darf (Staudinger/Magnus, aaO Art.
80 CISG Rn. 2; Brunner, aaO Art. 80 Rn. 1; MünchKommBGB/Huber, aaO Art. 80
CISG Rn. 1; Rathjen, aaO). Zugleich lassen beide Vorschriften (Art.
77 CISG: "...Herabsetzung des Schadens in Höhe des Betrags..., um den der
Verlust hätte verringert werden sollen"; Art. 80 CISG: "... soweit diese
Nichterfüllung durch ihre Handlung oder Unterlassung verursacht wurde")
erkennen, dass die Rechtsfolge einer Schadensmitverursachung durch den
Gläubiger nicht dessen Anspruchsverlust sein soll, sondern dass im Falle
beiderseitiger Schadensverursachung jedenfalls bei teilbaren Rechtsbehelfen
wie dem Schadensersatz die jeweiligen Beiträge bei der Schadensverteilung
durch Bewertung, Gewichtung und Abwägung zu berücksichtigen sind (Schwenzer,
aaO Art. 80 Rn. 7; Staudinger/Magnus, aaO Art. 80 CISG Rn. 14; MünchKommBGB/Huber,
aaO Art. 80 CISG Rn. 6; Atamer in Kröll/Mistelis/ Viscasillas, aaO Art. 80
Rn. 17; Rathjen, aaO; jeweils mwN).
35 (2) Diesen allgemeinen Grundsätzen entsprechend ist der der
Klägerin entstandene Schaden vorliegend dahin zu verteilen, dass die
Klägerin ihren Schaden zur Hälfte selbst zu tragen hat. Dazu bedarf
es keiner weiteren tatrichterlichen Feststellungen, so dass der Senat die
Schadensverteilung selbst vornehmen kann. Denn das Berufungsgericht hat die
zu den einzelnen Schadensbeiträgen der Parteien und ihrem Gewicht
erforderlichen Feststellungen bereits getroffen und sich lediglich durch die
von ihm für unmittelbar anwendbar erachtete Vorschrift des Art. 77 CISG
rechtsfehlerhaft in der Rechtsfolge dahin gebunden gesehen, dass die
Klägerin nur Ersatz derjenigen Vermögensnachteile sollte beanspruchen
können, welche sie (noch) gehabt hätte, wenn sie die notwendigen Maßnahmen
zur Verringerung des Schadens ergriffen hätte.
-
36 Im Rahmen der erforderlichen Gewichtung und Abwägung der beiderseitigen
Verursachungsbeiträge ist zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass
der von ihr gelieferte Ton nicht nur den beschriebenen Mangel aufwies,
sondern dass sie die Klägerin zudem über den ihr bekannten Dioxingehalt im
Unklaren gelassen und dadurch in schwer wiegender Weise das Risiko eines
Fehlgebrauchs durch die Klägerin erhöht hat. Auf der anderen Seite ist zu
berücksichtigen, dass die Klägerin selbst jede Sorgfalt im Umgang mit dem in
die Futtermittelverwertung gelangten Ton hat vermissen lassen, obgleich ihr
die Gefahr einer Dioxinverunreinigung und die damit verbundenen Risiken
nicht hatten verborgen bleiben können. Beide Parteien haben ihre Pflichten
dadurch in einem unabhängig voneinander zum Schadenseintritt führenden
Ausmaß verletzt, das in seiner Schwere etwa gleich wiegt und deshalb eine
hälftige Schadensteilung rechtfertigt, worüber zugleich im hier gegebenen
Verfahren über den Grund des Anspruchs zu entscheiden ist (vgl. Senatsurteil
vom 24. März 1999 - VIII ZR 121/98, aaO).
37 4. Über die von der Revision der Klägerin weiter zur Überprüfung durch
den Senat gestellte Frage, ob und inwieweit nationales Deliktsrecht bei den
von der Klägerin geltend gemachten Schäden neben den für eine Verletzung
vertraglicher Pflichten im UN-Kaufrecht vorgesehenen Rechtsbehelfen zur
Anwendung kommen kann (zum Meinungsstand Staudinger/Magnus, aaO Art. 5 CISG
Rn. 11 ff.; Piltz, aaO Rn. 2-139 ff.; Ferrari in Schlechtriem/Schwenzer, aaO
Art. 5 Rn. 12; jeweils mwN), ist eine Entscheidung nicht veranlasst. Dieses
Konkurrenzverhältnis bedarf vorliegend schon deshalb keiner näheren Klärung,
weil man im Falle eines etwaigen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruchs
der Klägerin über den dann anwendbaren § 254 BGB in gleicher Weise zu der
vorstehend beschriebenen Schadensteilung käme.
III.
38 Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat, da der Rechtsstreit - wie
aufgezeigt - nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif
ist, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies
führt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur erkannten
Schadensteilung.
|