Haftung des Verkäufers für Mangelfolgeschäden (§
437 Nr. 3 i.V.m. § 280 I BGB); Vertretenmüssen und verschuldensunabhängige
Haftung nach Spezialgesetzen; Begriff des Sachmangels (§ 434 BGB): Verdacht
der Mangelhaftigkeit einer Sache als eigenständiger Sachmangel
BGH, Urteil vom 22. Oktober 2014 -
VIII ZR 195/13 - OLG Oldenburg
Fundstelle:
NJW 2015, 544
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) § 24 LFGB ist eine Ausnahmeregelung, die auf
der Grundlage von § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichend vom
Verschuldenserfordernis als Regelform des Vertretenmüssens eine strengere
Haftung bestimmt.
b) Danach haftet der Verkäufer von Futtermitteln, sofern er keine Angaben
über die Beschaffenheit des Futters gemacht hat und dieses nicht der
handelsüblichen Reinheit und Unverdorbenheit entspricht, dem Käufer gemäß §
280 Abs. 1 BGB, § 24 LFGB verschuldensunabhängig auf Schadensersatz.
c) Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 24 LFGB erstreckt sich die
verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelverkäufers nicht auf Fälle,
in denen lediglich der Verdacht besteht, dass das gelieferte Futtermittel
nicht der handelsüblichen Reinheit und Unverdorbenheit entspricht.
d) Der auf konkreten Tatsachen beruhende, nicht auszuräumende Verdacht einer
erheblichen Kontamination des gelieferten Futtermittels, welches zur
Verfütterung an der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere bestimmt ist, ist
als Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB anzusehen.
Insoweit kommt eine Verschuldenshaftung des Verkäufers nach § 437 Nr. 3, §
280 Abs. 1 BGB in Betracht.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung betrifft vordergründig eine sehr
spezielle Frage der verschuldensunabhängigen Haftung nach Futtermittelrecht
in Verbindung mit § 276 BGB: Nach §§ 437 Nr. 3, 208 Abs. 1 BGB haftet der
Verkäufer für Schäden, die eine mangelhafte Kaufsache an seinen sonstigen
Rechtsgütern verursacht, nur im Falle des (allerdings nach § 280 I 2 BGB
vermuteten) Vertretenmüssens. Der Schuldner hat nach § 276 I BGB Vorsatz und
Fahrlässigkeit, also Verschulden zu vertreten, sofern nicht eine strengere
(oder mildere) Haftung bestimmt ist. Hier geht es jetzt darum, ob § 24 LFGB
a.F. eine "strengere Haftung" bestimmt, was der Senat bejaht.
Da hier die Haftung aber nicht eintrat, weil das Futtermittel nicht
verseucht war, sondern nur unter Verseuchungsverdacht standen (weshalb die
Produktion nicht verwertbar war), kommt eine andere, "klassische" Frage des
Gewährleistungsrechts auf (s. bei Rn. 42 ff): Bereits der
Verdacht eines Sachmangels kann als solcher einen Sachmangel i.S.v. § 434
BGB darstellen. Dazu muss er eine "Beschaffenheit" iSv § 434 BGB sein.
Beschaffenheiten sind nicht nur die körperlichen Merkmale einer Sache,
sondern auch deren rechtliche und - wie hier - tatsächlichen, sozialen
Beziehungen zur Umwelt, wenn sie von der Sache selbst ausgehen und ihr auf
Dauer anhaften. Deshalb war in der Rspr. auch schon früher anerkannt, dass
der Verdacht der Mangelhaftigkeit einer Sache als dauerhafter Makel anhaften
kann (wenn sich nämlich der Verdacht nicht beseitigen lässt). Dies bestätigt
die vorliegende Entscheidung für das seit 2002 geltende Kaufrecht. Dass der
Sachmangel nach § 434 BGB bei Gefahrübergang vorliegen muss, bedeutet nicht,
dass der Verdacht zu diesem Zeitpunkt bereits in der Welt gewesen sein muss.
Es genügt, dass er auf Tatsachen beruht, die vor Gefahrübergang gegeben
waren, jedoch nicht erkannt worden sind.
Da diese Haftung allerdings verschuldensabhängig, weil von der Sondernorm
des § 24 LFGB nicht erfasst ist, muss Vertretenmüssen des Verkäufers
vorliegen. Das wird zwar nach § 280 I 2 BGB vermutet, kann aber widerlegt
werden. Weil die Vorinstanz dazu keine Feststellungen getroffen hat, hat der
BGH an diese zurückverwiesen.
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Klägerin, die Mischfuttermittel
herstellt, belieferte den Beklagten, der eine Legehennenanlage betreibt, am
23. und 26. November 2010 mit Futtermittel. Bei einer zwischenzeitlich, am
24. November 2010, von der Klägerin durchgeführten Eigenuntersuchung in
ihrem Betrieb wurde festgestellt, dass die Dioxinkonzentration des dabei
untersuchten Futtermittels den gesetzlichen Grenzwert überschritt. Ursache
waren verunreinigte Fette, die die Klägerin von der H. & J. GmbH bezogen
hatte. Das Untersuchungsergebnis lag der Klägerin am 22. Dezember 2010 vor.
Das für die Legehennenanlage des Beklagten gelieferte Futtermittel war zu
dieser Zeit bereits verfüttert.
2 Über den Jahreswechsel 2010/2011 sperrte der Landrat des Kreises C. zwei
Ställe des Beklagten. Die Klägerin erstattete dem Beklagten den Schaden, der
durch die Entsorgung der Eier entstand, nicht jedoch Umsatzeinbußen in Höhe
von 43.438,29 €, zu denen es kam, weil auch nach Aufhebung der Handelssperre
produzierte Eier nicht oder nur zu einem geringeren Preis vermarktet werden
konnten.
3 Mit der Klage verlangt die Klägerin Zahlung des Kaufpreises in Höhe von
20.067,68 € für andere, nicht streitige Futtermittellieferungen. Der
Beklagte macht geltend, dass die Kaufpreisforderung durch Aufrechnung mit
einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 43.438,29 € erloschen sei, und
erhebt im weitergehenden Umfang Widerklage.
4 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat es die
Klägerin unter Abweisung der weitergehenden Widerklage zur Zahlung von
23.370,61 € und Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten
verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin
zurückgewiesen.
5 Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr
Zahlungsbegehren und ihren Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht (OLG Oldenburg, RdL 2013, 272) hat im Wesentlichen
ausgeführt, dass die Klage abzuweisen und der Widerklage stattzugeben sei,
weil dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch gemäß § 437 Nr. 3, §
280 Abs. 1 BGB in Höhe von 43.438,29 € zustehe.
Das von der Klägerin im November 2010 gelieferte Futter sei mangelhaft
gewesen (§ 434 Abs. 1 BGB). Es sei schon deshalb nicht zur gewöhnlichen
Verwendung geeignet gewesen, weil der auf konkreten Tatsachen beruhende
Verdacht einer Dioxinbelastung bestanden habe. Bei Lebensmitteln könne eine
Qualitätsminderung darin liegen, dass der Verdacht fehlender Eignung den
Weiterverkauf hindere. Nichts anderes gelte bei einem in der
Lebensmittelkette verwendeten Futtermittel. Zu dessen Eignung zum
gewöhnlichen Gebrauch gehöre auch, dass es verwendet werden könne, ohne die
Weiterveräußerung des produzierten Lebensmittels zu behindern. Es mache
keinen Unterschied, ob der Verdacht zur Unverkäuflichkeit der Kaufsache oder
der damit produzierten Lebensmittel führe. Es sei unerheblich, inwieweit
tatsächlich eine Gefährdung für den Endverbraucher bestehe.
9 Die Haftung der Klägerin entfalle nicht dadurch, dass sie die
Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). § 24
des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) begründe eine
verschuldensunabhängige Haftung des Verkäufers. Nach der zur Zeit der
Futtermittellieferungen geltenden Fassung der Vorschrift übernehme der
Verkäufer die Gewähr für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit,
wenn er bei der Abgabe von Futtermitteln keine Angaben über deren
Beschaffenheit mache. Mangels derartiger Angaben müsse die Klägerin sich so
behandeln lassen, als hätte sie eine Garantie für die Mangelfreiheit der
Futtermittel abgegeben. Bereits für die Vorgängerregelung des § 6
Futtermittelgesetz (FMG) habe der Bundesgerichtshof in solchen Fällen eine
Zusicherung im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB aF angenommen (BGHZ 57, 292).
Der vom Gesetzgeber gewollte Schutz des Tierhalters sei nur dann gegeben,
wenn der Verkäufer nicht nur im Rahmen der allgemeinen Mängelhaftung für die
handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit des Futtermittels einzustehen
habe. Würde § 24 LFGB aF ein Verschulden voraussetzen, hätte die Regelung
praktisch keinen Anwendungsbereich, weil sich Gewährleistungsansprüche des
Käufers bei Lieferung von nicht der handelsüblichen Reinheit und
Unverdorbenheit entsprechendem Futtermittel bereits aus den §§ 434 ff. BGB
ergäben. Es könne nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber eine Norm
lediglich aus deklaratorischen Gründen übernehme, ohne ihr eine
eigenständige Bedeutung zu geben. Das Bedürfnis für eine
verschuldensunabhängige Haftung bestehe auch nach der Schuldrechtsreform
fort. Zwar setze ein Anspruch auf Ersatz von Mangelfolgeschäden keine
Zusicherung des Verkäufers mehr voraus, erfordere aber, dass er den Mangel
zu vertreten habe, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der vom Gesetzgeber von jeher
gewollte Schutz des Käufers werde nur durch eine Auslegung des § 24 LFGB aF
erreicht, die ein Verschulden nicht voraussetze.
11 Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Bundesratsinitiative des
Landes Niedersachsen (BR-Drucks. 151/2/13). Selbst wenn man die
Bundesratsinitiative als Indiz gegen eine verschuldensunabhängige Haftung
verstünde, handele es sich nur um eine politische Absichtserklärung. Es
bedürfe keiner neuen gesetzlichen Regelung für Vermarktungsverluste aufgrund
von Verdachtsfällen.
12 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Annahme einer
verschuldensunabhängigen Garantiehaftung bestünden nicht. Der erforderliche
Schutz des Käufers rechtfertige die Einstandspflicht des Verkäufers, ohne
dass dieser unangemessen benachteiligt werde. Das Risiko der
Mangelhaftigkeit des Futtermittels aufgrund von Umständen in der Sphäre
seines Lieferanten habe der Verkäufer zu tragen.
13 Der geltend gemachte Schaden sei der Klägerin als adäquat verursacht
zuzurechnen. Die Nichtabnahme der produzierten Eier zum ursprünglich
vereinbarten Preis liege auch nach Aufhebung der Handelssperre nicht
außerhalb der Erwartung. Selbst wenn die Grenzwerte wieder unterschritten
seien, sei ein zögerliches Kaufverhalten der Verbraucher sowie ein Markt-
und Preiseinbruch naheliegend.
II.
14 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand.
15 Das Berufungsgericht hat verkannt, dass sich die in § 280 Abs. 1 BGB in
Verbindung mit dem in zeitlicher Hinsicht auf den Streitfall anzuwendenden §
24 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs in der seit dem 4. Juli
2009 geltenden und am 24. Juli 2009 bekannt gemachten Neufassung des
Gesetzes (BGBl. I S. 2205), welche bis zum 3. August 2011 gültig war
(nachfolgend: § 24 LFGB aF), angeordnete verschuldensunabhängige Haftung des
Futtermittelverkäufers auf die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit
der gelieferten Futtermittel beschränkt und es deshalb insoweit entscheidend
auf die - vom Berufungsgericht offen gelassene - Frage ankommt, ob das von
der Klägerin an den Beklagten gelieferte Futtermittel tatsächlich in einem
die einschlägigen Grenzwerte überschreitenden Umfang mit Dioxin belastet war
(1.).
16 Im Hinblick auf eine - nur außerhalb der verschuldensunabhängigen Haftung
nach § 24 LFGB aF - in Betracht kommende Sachmängelhaftung der Klägerin nach
§§ 434, 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Verdachts
der Dioxinbelastung des gelieferten Futters fehlt es an Feststellungen des
Berufungsgerichts zu einem Verschulden der Klägerin bzw. zur Widerlegung der
sich aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebenden Verschuldungsvermutung (2.).
17 1. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin beizupflichten, dass
der Futtermittelverkäufer gemäß § 24 LFGB aF dem Käufer
verschuldensunabhängig auf Schadensersatz haftet, wenn er keine Angaben über
die Beschaffenheit des Futters gemacht hat und dieses nicht der
handelsüblichen Reinheit und Unverdorbenheit entspricht. Die
Vorschrift bestimmt unter der Überschrift "Gewähr für die handelsübliche
Reinheit und Unverdorbenheit":
"Macht der Veräußerer bei der Abgabe von Futtermitteln keine Angaben über
die Beschaffenheit, so übernimmt er damit die Gewähr für die handelsübliche
Reinheit und Unverdorbenheit. Futtermittel gelten insbesondere nicht als von
handelsüblicher Reinheit, wenn sie einer nach § 23 Nr. 1 Buchstabe a
erlassenen Rechtsverordnung nicht entsprechen."
18 Nach dieser Regelung gilt die handelsübliche Reinheit des Futtermittels
als vereinbart, sofern der Veräußerer keine Angaben über die Beschaffenheit
macht. Nicht handelsüblich sind Futtermittel, bei denen festgesetzte
Höchstmengen an unerwünschten Stoffen überschritten sind (vgl. BT-Drucks.
15/3170, S. 13).
19 a) Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Schuldner Vorsatz und
Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder
bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere
aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen
ist. § 24 LFGB aF ist eine gesetzliche Bestimmung, die eine strengere
Haftung des Futtermittelunternehmers anordnet (ebenso Boch, ZLR
2013, 111, 114 f.), weswegen es der Annahme einer Garantiehaftung im Sinne
von § 443 BGB entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Döring in
Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 157. Ergänzungslieferung, 2014, § 24 LFGB
Rn. 18) nicht bedarf, weil diese lediglich als ergänzende Fallgruppe einer
verschuldensunabhängigen Einstandspflicht aufgeführt ist (vgl. Entwurf eines
Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 14. Mai 2001, BT-Drucks.
14/6040, S. 132, zu § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB).
20 § 24 LFGB aF begründet eine verschuldensunabhängige Haftung des
Futtermittelunternehmers. Bereits die Vorläuferregelungen sahen eine
verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelverkäufers vor, die vor
Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.
November 2001 (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BGBl. I S. 3138) aus dem
Fehlen kraft Gesetzes zugesicherter Eigenschaften gemäß § 463 Satz 1, § 459
Abs. 2 BGB aF hergeleitet wurde (aa). Zwar ist der Schadensersatzanspruch
des Käufers wegen des Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft der verkauften
Sache mit der Schuldrechtsmodernisierung in dem allgemeinen
Schadensersatzanspruch wegen einer vom Verkäufer zu vertretenden
Pflichtverletzung aufgegangen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 132). Der
Gesetzgeber des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs wollte die
Rechtsstellung des Futtermittelkäufers jedoch erklärtermaßen nicht schwächen
(bb, cc).
21 aa) (1) § 24 LFGB aF geht auf § 6 des Futtermittelgesetzes vom 22.
Dezember 1926 (RGBl. I S. 525) zurück. § 6 FMG 1926 lautete:
"Macht der Veräußerer bei der Veräußerung von Futtermitteln keine Angaben
über die Beschaffenheit, so übernimmt er damit die Gewähr für die
handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit."
22 Die Bedeutung der Norm lag namentlich darin, dass der Veräußerer, wenn er
bei der Abgabe des Futtermittels keine Beschaffenheitsangaben macht, damit
die Eigenschaften "handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit" im Sinne von
§ 459 Abs. 2 BGB aF zusicherte. Fehlte dem veräußerten Futtermittel die
handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit, so haftete der Veräußerer gemäß
§ 463 Satz 1 BGB aF verschuldensunabhängig auf Schadensersatz (Senatsurteil
vom 24. November 1971 - VIII ZR 81/70, BGHZ 57, 292, 296 ff.). Der Senat hat
zur Begründung darauf abgestellt, dass der Veräußerer gesetzlich
verpflichtet ist, wenn die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit nicht
gegeben ist, über diese Mängel bei der Veräußerung Angaben zu machen
(Senatsurteil vom 24. November 1971 - VIII ZR 81/70, aaO 294). Hätte § 6 FMG
1926 lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass der Verkäufer gegenüber dem
Tierhalter zur Lieferung handelsüblicher Ware verpflichtet sei, wäre die
Vorschrift von geringer Bedeutung, denn nach § 243 BGB habe der Verkäufer
von Futtermitteln ohnehin Ware mittlerer Art und Güte zu liefern. Für das
Auslegungsergebnis, dass nach § 6 FMG 1926 der Veräußerer auch bei Schweigen
über Reinheit und Unverdorbenheit stillschweigend diese Eigenschaften als
vorhanden zusichere, spreche auch der Zweck des Gesetzes. Der vom
Gesetzgeber gewollte Schutz des Tierhalters sei nur dann gegeben, wenn der
Verkäufer nicht nur im Rahmen der allgemeinen Mängelhaftung für die
handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit des Futtermittels einzustehen
habe (Senatsurteil vom 24. November 1971 - VIII ZR 81/70, aaO 296 f.).
23 Diese Erwägungen haben ihre Berechtigung nicht verloren. Sie sind
vielmehr verstärkt worden, weil der Gesetzeszweck nicht auf den Schutz des
Tierhalters beschränkt werden kann, sondern auch ein hohes Maß an Schutz für
Leben und Gesundheit des Menschen gewährleisten soll (vgl. Erwägungsgrund 2
der Basis-VO [EG] Nr. 178/2002). Zwar hat der Senat zusätzlich ausgeführt,
dass § 6 FMG 1926 die vorhergehenden §§ 4, 5 ergänze, wonach der Verkäufer
verpflichtet war, bestimmte Angaben über den Gehalt an wertbestimmenden
Bestandteilen des Futtermittels zu machen (sogenannte Deklarationspflicht;
Senatsurteil vom 24. November 1971 - VIII ZR 81/70, aaO 297). Entgegen der
Ansicht der Revision (ebenso Steiling/Soravia, ZLR 2012, 593, 596)
rechtfertigt es keine andere Beurteilung, dass diese beiden Bestimmungen in
Wegfall gekommen sind. Aus dem Gesamtzusammenhang des Senatsurteils wird
deutlich, dass dieser Zusatzerwägung keine entscheidende Bedeutung
zuzumessen ist.
24 (2) In der weiteren Gesetzgebungsgeschichte der Vorschrift ist die
verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelunternehmers bestätigt
worden. § 6 FMG 1926 wurde von § 7 Abs. 3 des Futtermittelgesetzes vom 2.
Juli 1975 (BGBl. I S. 1745) übernommen. Der Bundesgerichtshof hat im
Anschluss an das Senatsurteil vom 24. November 1971 (VIII ZR 81/70, aaO) und
unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien, wonach ein Schweigen des
Veräußerers zwingend als Zusicherung der handelsüblichen Reinheit und
Unverdorbenheit im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB aF anzusehen sei (BT-Drucks.
7/2990, S. 18), ausgesprochen, dass für § 7 Abs. 3 des Futtermittelgesetzes
1975 nichts anderes gelte als zuvor (BGH, Urteil vom 20. November 1984 - IVa
ZR 104/83, BGHZ 93, 23, 25 f.).
25 bb) An der verschuldensunabhängigen Haftung des Futtermittelunternehmers
hat der Gesetzgeber nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des
Schuldrechts festgehalten.
26 (1) § 7 Abs. 3 des Futtermittelgesetzes 1975 wurde durch das Gesetz vom
21. Juli 2004 zur Änderung des Futtermittelgesetzes und
Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (BGBl. I S. 1756) neu gefasst und
lautete:
"Macht der Veräußerer bei der Abgabe von Futtermitteln, Zusatzstoffen und
Vormischungen keine Angaben über deren Beschaffenheit, so übernimmt er damit
die Gewähr für die handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit.
Futtermittel, Zusatzstoffe und Vormischungen gelten insbesondere nicht als
von handelsüblicher Reinheit, wenn sie einer nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe
a erlassenen Rechtsverordnung nicht entsprechen."
27 In der Neufassung des § 7 Abs. 3 wurde Satz 1 des bis dahin geltenden
Rechts - bis auf die Aufnahme von Zusatzstoffen und Vormischungen -
unverändert in das neue Recht übernommen und lediglich ein zweiter Satz
eingefügt, der dazu diente, den Begriff der handelsüblichen Reinheit in
Satz1 zu konkret i-sieren. Dies weist bereits darauf hin, dass der
Gesetzgeber keinen Anlass gesehen hat, von der verschuldensunabhängigen
Haftung des Futtermittelunternehmers abzuweichen.
28 (2) Aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und
Futtermittelrechts vom 1. September 2005 (BGBl. I S. 2618) trat am 7.
September 2005 das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch in Kraft. Da mit
der Ablösung des Futtermittelgesetzes durch das LFGB auch
Futtermittelzusatzstoffe und Vormischungen in die Definition des
Futtermittelbegriffs einbezogen wurden, konnte die gesonderte Bezugnahme auf
Futtermittelzusatzstoffe und Vormischungen in der im Übrigen unverändert in
das LFGB als § 24 übernommenen Vorschrift wieder entfallen. Die im
Streitfall geltende Fassung des § 24 LFGB entspricht dieser Gesetzesfassung.
Die amtliche Begründung lautet: "Die Regelung überführt § 7 Abs. 3 FMG"
(Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur
Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts vom 24. August 2004,
BT-Drucks. 15/3657, S. 64). Das verdeutlicht den Willen des Gesetzgebers,
eine verschuldensunabhängige Haftung des Futtermittelverkäufers, der bei
Abgabe des Futtermittels keine Angaben über dessen Beschaffenheit macht, für
die handelsübliche Reinheit und Unverdor benheit auch nach der
Schuldrechtsreform beizubehalten (so auch Boch, LFGB, 3. Aufl., § 24 Rn. 3
ff.; ders., ZLR 2013, 111, 113; Wehlau, LFGB, 2. Aufl., § 24 Rn. 2; siehe
auch Naue/Torwegge, Agrar- und Umweltrecht 2013, 445, 446). Die Sichtweise
der Revision, dass für eine solche Haftung des Futtermittelunternehmers kein
Bedürfnis mehr bestehe, wird dem Willen des Gesetzgebers nicht gerecht.
29 Entgegen der Ansicht der Revision ist die Bestimmung auch nicht
systemwidrig, sondern steht mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in
Einklang. Zwar ist der Schadensersatzanspruch des Käufers wegen der
Lieferung einer mangelhaften Sache durch den Verkäufer gemäß § 437 Nr. 3, §
280 Abs. 1 BGB von einem Vertretenmüssen des Verkäufers abhängig. Das
bedeutet jedoch nicht, dass neben der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung
keine verschuldensunabhängige Haftung angeordnet werden könnte.
30 cc) Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und
Futtermittelgesetzbuchs sowie anderer Vorschriften vom 27. Juli 2011 (BGBl.
I S. 1608), welches am 4. August 2011 in Kraft getreten ist, wurde § 24 LFGB
an das Unionsrecht angepasst. Mit Rücksicht auf die VO [EG] Nr. 767/2009 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über das
Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln (ABl. L 299/1 vom 1.
September 2009) lautet § 24 LFGB seitdem:
"Der Verkäufer eines Futtermittels übernimmt die Gewähr dafür, dass das
Futtermittel die in Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe a der
Verordnung (EG) Nr. 767/2009 bezeichneten Anforderungen erfüllt."
31 Die Neufassung des § 24 LFGB ist im Streitfall zwar nicht anwendbar. Die
Gesetzesmaterialien bekräftigen jedoch, dass der Gesetzgeber den Schutz des
Futtermittelkäufers nach der Schuldrechtsmodernisierung nicht verringern
wollte, denn in den Gesetzesmaterialien heißt es, dass "die bereits durch
das Futtermittelgesetz aus dem Jahre 1926 eingeführte und im
Futtermittelgesetz aus dem Jahre 1975 und dem Lebensmittel- und
Futtermittelgesetzbuch im Jahre 2005 fortgeschriebene, die Rechte des
Käufers eines Futtermittels stärkende Regelung weiter beibehalten werden"
solle (Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung
vom 6. April 2011, BT-Drucks. 17/5392, S. 7; Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 25.
Mai 2011, BT-Drucks. 17/5953, S. 18). Dies trifft jedenfalls für die im
Streitfall maßgebliche Fassung des § 24 LFGB zu. Ob der Gesetzgeber des
Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs
sowie anderer Vorschriften vom 27. Juli 2011 die ursprüngliche Regelung
nicht nur beibehalten, sondern darüber hinaus verschärft hat (vgl. Döring in
Zipfel/Rathke, aaO, § 24 LFGB Rn. 19 f.; Steiling/Soravia, aaO S. 598 ff.),
kann hier auf sich beruhen.
32 dd) Die von der Klägerin erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken
greifen nicht durch.
33 (1) Die nach Maßgabe des § 24 LFGB aF verschuldensunabhängige Haftung ist
auch in Ansehung der durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit des
Futtermittelunternehmers gerechtfertigt. § 24 LFGB aF zielt darauf ab, hohe
Standards der Qualitätssicherung zum Zweck der frühzeitigen Bekämpfung
unerwünschter Stoffe in Futtermittel zu gewährleisten. Die
verschuldensunabhängig ausgestaltete Einstandspflicht des
Futtermittelunternehmers ist betriebswirtschaftlich steuer- und
beherrschbar. Entgegen der Ansicht der Revision wird der
Futtermittelunternehmer keiner uferlosen Schadensersatzhaftung ausgesetzt,
wenn eine Kontamination des in den Verkehr gebrachten Futtermittels - wie
hier - eine Mitursache in dem der Kontrolle des Futtermittelunternehmers
unterstehenden Einflussbereich hat. Er ist am besten in der Lage, im eigenen
Betrieb ein sicheres System der Futtermittelherstellung einzurichten und
dieses zur Grundlage der eigenen Kalkulation zu machen, um dafür zu sorgen,
dass das von ihm ausgelieferte Futtermittel sicher ist (siehe die
Erwägungsgründe 30 und 31 der Basis-VO [EG] Nr. 178/2002).
34 Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Futtermittelunternehmer
sich, wie die Revision meint, mit Rücksicht auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 1 Abs. 2
ProdHaftG in bestimmten Fallgestaltungen entlasten kann. Die Revision zeigt
nicht auf, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer der dort
aufgeführten Entlastungstatbestände im Streitfall gegeben sind.
35 (2) Die Haftung des Futtermittelunternehmers gemäß § 24 LFGB aF verstößt
nicht gegen das allgemeine Gleichheitsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG. Aus dem
allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und
Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die
vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt,
wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder
sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder
Gleichbehandlung nicht finden lässt. Weiterhin ist der allgemeine
Gleichheitssatz dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder
Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird,
obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und
solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung
rechtfertigen können. Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem
Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die
Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann
(BVerfGE 130, 52, 65 f.; 133, 377 Rn. 74 ff.; Senatsurteil vom 1. Dezember
2010 - VIII ZR 241/07, WM 2011, 514 Rn. 16 ff.; jeweils mwN).
36 Danach ist die gesetzliche Wertung nicht zu beanstanden. Zwar gibt es für
Lebensmittelunternehmer keine entsprechende Haftungsnorm. Die Gefahrenlage
ist jedoch nicht vergleichbar (anders Naue/Torwegge, aaO, S. 447).
Futtermittel wurden als sensibles Glied am Anfang der Lebensmittelkette
bezeichnet (so Erwägungsgrund 1 der VO [EG] Nr. 767/2009 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über das Inverkehrbringen und die
Verwendung von Futtermitteln, ABl. L 299/1 vom 1. September 2009). Dies wird
besonders deutlich, wenn schädliche Futtermittel - wie hier - anderen, an
sich unschädlichen Futtermitteln beigemischt werden, so dass große Mengen
insgesamt nicht verkehrsfähiger Futtermittel mit Umweltgiften in die
Lebensmittelkette eingeschleppt werden und auf den Markt gelangen können
(vgl. Boch, ZLR 2013, 111, 119). Das rechtfertigt das Anliegen des
Gesetzgebers, unzulässige Belastungen von Futtermitteln - als erstes Glied
der Lebensmittelkette - schon auf der ersten Produktionsstufe zu vermeiden
und Futtermittelunternehmer auf diese Weise zu veranlassen, auch die
Qualität ihrer rückwärtigen Lieferkette zu sichern.
37 b) Nach diesen Grundsätzen kommt eine verschuldensunabhängige
Haftung der Klägerin nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht keine
Dioxinbelastung des gelieferten Futtermittels festgestellt hat.
Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, erfasst § 24 LFGB aF keine
Schäden, die aufgrund von Verdachtsfällen entstanden sind. Zwar wäre dies
mit dem Wortlaut vereinbar, denn auch verdächtiges Futtermittel ist nicht
handelsüblich. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Bestimmung, die auf
der Grundlage von § 276 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB vom
Verschuldenserfordernis als Regelform des Vertre-tenmüssens von
Pflichtverletzungen (§ 276 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BGB) abweicht, ist
jedoch eine enge Auslegung geboten.
38 aa) Die Gesetzesmaterialien geben keinen Hinweis darauf, dass der
Gesetzgeber die in § 24 LFGB aF geregelte Gewährübernahme des Veräußerers
für handelsübliche Reinheit und Unverdorbenheit des Futtermittels auf bloße
Verdachtsfälle erstrecken wollte. Dass der Gesetzgeber, der sich bei
Schaffung der Norm auf einen Verweis auf die Rechtslage zu den im
wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerbestimmungen beschränkt hat (vgl.
BT-Drucks. 15/3657, S. 64), deren Verständnis wiederum maßgeblich durch das
Senatsurteil vom 24. November 1971 (VIII ZR 81/70, aaO) geprägt war, die
erkannte Garantiehaftung des Verkäufers für eine tatsächlich vorhandene
Verunreinigung des gelieferten Futtermittels sogar auf bloße Verdachtsfälle
ausdehnen wollte, ist nicht ersichtlich.
39 Das gilt umso mehr, als die Entstehung eines bloßen Verdachts auch auf
Ursachen außerhalb der Sphäre des Verkäufers beruhen kann, ohne dass er die
Möglichkeit hat, diese Ursachen und den Verlauf eines solchen Verdachts
hinreichend zu beherrschen. Die Annahme, dass der Gesetzgeber gleichwohl in
die nach dem Senatsurteil bestehende Garantiehaftung auch bloße
Verdachtsfälle einbeziehen wollte, liegt deshalb fern.
40 bb) Gegen die Erstreckung des § 24 LFGB aF auf Verdachtsfälle spricht
ferner, dass der Gesetzgeber des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs
in anderen Bestimmungen ausdrücklich Anordnungen für den Fall eines
Verdachts getroffen hat. So gibt § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB aF den zuständigen
Behörden unter anderem die Befugnis, die zur Feststellung der Ausräumung
eines (hinreichenden) Verdachts eines Gesetzesverstoßes erforderlichen
Anordnungen zu treffen. Des Weiteren soll eine Information der
Öffentlichkeit erfolgen, wenn der (hinreichende) Verdacht besteht, dass
gegen Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs verstoßen
wurde, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor
Gesundheitsgefährdungen dienen (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a LFGB aF).
Weitere behördliche Mitteilungen in Verdachtsfällen sind in § 38 Abs. 6, §
42 Abs. 4 sowie in § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB aF vorgesehen. Daraus ist
im Umkehrschluss zu folgern, dass der Gesetzgeber § 24 LFGB aF nicht auf
Fälle des Mangelverdachts zugeschnitten hat.
41 cc) Dieses Normverständnis spiegelt sich auch in der Entschließung des
Bundesrats vom 22. März 2013 wieder, mit der die Bundesregierung um Prüfung
gebeten worden ist, ob eine Haftungsregelung in das Lebensmittel- und
Futtermittelgesetzbuch, zum Beispiel in § 24, integriert werden könne, die
Einkommensausfälle landwirtschaftlicher Betriebe auch dann abgedeckt, wenn
diese aufgrund von Verdachtsfällen gesperrt werden und ihre Produkte deshalb
zeitweise nicht vermarkten dürfen, auch wenn sich der Verdacht schließlich
nicht bestätigt. Zum Schutz dieser Betriebe bedürfe es einer umfassenden
Haftungsregelung, die auch Schäden aus Verdachtsfällen erfasse (BR-Drucks.
151/13 [B], S. 4 f.; dazu Krüger, BZAR 2013, 496 ff.). Auch der Bundesrat
geht demnach davon aus, dass das geltende Lebensmittel- und
Futtermittelgesetzbuch eine solche Haftungsregelung nicht enthält.
42 2. Die
Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen
Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Zwar ist dem Berufungsgericht auch
darin beizupflichten, dass bereits der auf konkreten Tatsachen beruhende,
nicht auszuräumende Verdacht einer erheblichen Dioxinbelastung als
Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB anzusehen ist (a) und
ein solcher Mangelverdacht vorliegend auch besteht (b). Insoweit steht aber
eine Verschuldenshaftung des Verkäufers nach § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB
in Rede, der allerdings die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2
BGB widerlegen kann. Hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem
Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.
43 a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht an die
Rechtsprechung des Senats angeknüpft, wonach beim Kauf von Lebensmitteln,
die zur Weiterveräußerung bestimmt sind, ein Sachmangel der gelieferten Ware
auch dann anzunehmen ist, wenn sie wegen ihrer Herkunft unter dem auf
konkrete Tatsachen gestützten, naheliegenden Verdacht gesundheitsschädlicher
Beschaffenheit stehen, dieser Verdacht durch dem Käufer zumutbare Maßnahmen
nicht zu beseitigen ist und daher die nach dem Vertrag vorausgesetzte
Verkäuflichkeit der Ware entfällt (Senatsurteile vom 16. April 1969
- VIII ZR 176/66, BGHZ 52, 51; vom 14. Juni 1972 - VIII ZR 75/71, WM 1972,
1314; vom 23. November 1988 - VIII ZR 247/87, NJW 1989, 218; jeweils zu §
459 Abs. 1 BGB aF). Das gilt auch dann, wenn der Verdacht - wie hier
- zwar erst nach Gefahrübergang entsteht, aber auf Tatsachen beruht, die vor
Gefahrübergang gegeben waren, jedoch nicht erkannt worden sind
(Senatsurteil vom 14. Juni 1972 - VIII ZR 75/71, aaO).
44 An diesen Grundsätzen, die im Schrifttum Zustimmung gefunden haben
(Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearbeitung 2014, § 434 Rn. 158 f.,
246 f.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 434 Rn. 58; MünchKommBGB/Westermann,
6. Aufl., § 434 Rn. 13, 76; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl., Rn. 316;
BeckOK BGB/Faust, Stand: 1. August 2014, § 434 Rn. 71; ders. in Festschrift
Picker, 2010, S. 185 ff.; kritisch Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 434
Rn. 7), ist auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des
Schuldrechts festzuhalten.
45 Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese Grundsätze
auch zum Tragen kommen, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass die
Inhaltsstoffe von Futtermitteln für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere
die zulässigen Höchstwerte überschreiten und die Verkäuflichkeit des
produzierten Lebensmittels dadurch beeinträchtigt wird. Um
Lebensmittelsicherheit gewährleisten zu können, müssen alle Aspekte der
Lebensmittelherstellungskette betrachtet werden, einschließlich der
Futtermittelproduktion bis hin zum Verkauf solcherart produzierter
Lebensmittel an den Verbraucher, weil jedes Glied dieser Kette, auch
kontaminierte Futtermittel, Auswirkung auf die Lebensmittelsicherheit haben
kann (vgl. die Erwägungsgründe 12, 13 der Verordnung [EG] Nr. 178/2002 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der
allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur
Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur
Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. L 31/1 vom 1.
Februar 2002; nachfolgend: Basis-VO [EG] Nr. 178/2002). Deshalb umfasst das
Lebensmittelrecht nicht nur die Produktions-, Verarbeitungs- und
Vertriebsstufen von Lebensmitteln, sondern auch von Futtermitteln, die für
der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere hergestellt oder an sie verfüttert
werden (Art. 3 Nr. 1 Basis-VO [EG] Nr. 178/2002).
46 b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die tatrichterliche
Würdigung, dass im Streitfall der konkrete Verdacht einer unzulässigen
Dioxinbelastung des gelieferten Futtermittels bestanden habe (§ 286 Abs. 1
ZPO).
47 aa) Aufgrund der Untersuchung vom 24. November 2010 im Betrieb der
Klägerin wurde festgestellt, dass das untersuchte Futtermittel mit Dioxin in
einer Konzentration belastet war, die über dem festgesetzten Grenzwert lag.
Die Klägerin belieferte den Beklagten in zeitlich engem Zusammenhang,
nämlich nur einen Tag vor der Untersuchung sowie zwei Tage danach, mit
Mischfuttermitteln. Es ist weder von der Klägerin vorgetragen noch vom
Berufungsgericht festgestellt worden, aus welchem Grund sich die
festgestellte Grenzwertüberschreitung auf die untersuchten Chargen
beschränkt haben soll. Es sind keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass
die Klägerin die dioxinbelasteten Fette, welche sie zuvor von der H. &
J. GmbH erworben hatte, bei der Herstellung des später vom Beklagten
erworbenen Mischfuttermittels nicht verwendet haben sollte. Sofern sich das
Berufungsgericht nicht bereits die Überzeugung bilden konnte, dass auch das
dem Beklagten gelieferte Mischfuttermittel überhöhte Dioxinwerte aufwies,
drängte sich jedenfalls der konkrete Verdacht einer unzulässigen
Dioxinbelastung auf.
48 bb) Die Revision hält dem Berufungsurteil ohne Erfolg entgegen, dass der
Verdacht nachträglich durch die Stellungnahme des Bundesinstituts für
Risikobewertung (BfR) vom 26. Januar 2011 ausgeräumt worden sei. In der
Stellungnahme heißt es unter anderem:
"Technische Fettsäuren mit hohen Dioxingehalten sind in pflanzliche
Futterfette eingemischt und anschließend zur Futtermittelherstellung
verwendet worden. Verschiedene Geflügel-, Schweinemast- und
Legehennenbetriebe sowie Milcherzeugerbetriebe haben Futtermittel mit den
verunreinigten Fetten bezogen und verfüttert.
Die Überwachungsbehörden der Bundesländer haben aus betroffenen Betrieben
Proben von Fleisch, Eiern und Milch auf ihren Dioxingehalt untersucht. Die
ermittelten Dioxingehalte für Fleisch von Schweinen und Legehennen sowie von
Eiern liegen nur bei wenigen Proben über den in der Europäischen Union
festgelegten Höchstgehalten. [...] Das BfR kommt auf Grundlage seiner
Risikoabschätzung zu dem Ergebnis, dass, selbst wenn Eier [...] mit Gehalten
im Bereich der höchsten gemessenen Werte aus dem aktuellen Verdachtsproben
über einen längeren Zeitraum verzehrt wurden, weder eine unmittelbare noch
eine langfristige gesundheitliche Beeinträchtigung der Verbraucher zu
erwarten ist.
[...] Die gemessenen Dioxingehalte bei Eiern, Fleisch von Legehennen und
Mastschweinen lagen nur in wenigen Fällen über den gesetzlichen
Höchstgehalten. [... ] Von den untersuchten Mischfuttermitteln wurde in
keiner Probe der zulässige Höchstgehalt für Dioxine überschritten [...]".
49 Daraus lässt sich zugunsten der Klägerin nichts herleiten. Die
vorgenannte Stellungnahme bezieht sich nicht auf konkrete Betriebe. Aufgrund
der unstreitigen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts steht
zudem fest, dass im Betrieb der Klägerin hergestelltes Mischfuttermittel mit
Dioxin in einer über dem Grenzwert liegenden Konzentration belastet war. Aus
der Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung folgt entgegen der
Ansicht der Revision nicht, dass sich der Verdacht, der die Verkäuflichkeit
der Hühnereier beeinträchtigte, als unberechtigt erwiesen hat, denn
jedenfalls "bei wenigen Proben" war ein relevant erhöhter Dioxingehalt
vorhanden. Zwar hat sich herausgestellt, dass letztlich keine
Gesundheitsgefahr für Endverbraucher bestand. Nach der Rechtsprechung des
Senats ist es jedoch nicht erforderlich, dass sich eine Gesundheitsgefahr
später als tatsächlich vorhanden bestätigen muss, zumal es in solchen Fällen
nicht auf den Verdacht ankäme (Senatsurteil vom 14. Juni 1972 - VIII ZR
75/71, aaO unter I 3 b).
III.
50 Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der
Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif.
Sofern das Berufungsgericht auch in der neuen
Berufungsverhandlung dazu kommt, dass lediglich ein Verdachtsmangel gegeben
ist, haftet die Klägerin nur für vorsätzliche und fahrlässige
Pflichtverletzungen (§ 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da
das Berufungsgericht - wie ausgeführt - keine Feststellungen dazu getroffen
hat, ob die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB widerlegt hat,
ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch
erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1
ZPO).
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