Kein Ausschluß der
Mängelvermutung nach § 476 BGB n.F. bei Einbau der Kaufsache durch einen
Dritten
BGH, Urteil vom 22.
November 2004 - VIII ZR 21/04
Fundstelle:
NJW 2005, 283
Amtl. Leitsatz:
Die Anwendung der Beweislastumkehr gemäß § 476 BGB wird
nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Verbraucher die gekaufte Sache
- hier: ein Teichbecken - durch einen Dritten hat einbauen lassen.
Zentrale
Probleme:
S. die Anm. zu
BGH NJW 2004, 2299 sowie zu
BGH v. 18.7.2007 - VIII ZR 259/06
Tatbestand:
Der Kläger kaufte von dem Beklagten, der ein Fachhandelsgeschäft für
Gartenartikel betreibt, am 11. Juli 2002 ein Teichbecken aus
glasfaserverstärktem Kunststoff für seinen privaten Gebrauch. Das
Teichbecken wurde dem Kläger am folgenden Tag durch Mitarbeiter des
Beklagten geliefert. Anschließend ließ der Kläger das Becken durch einen
Fachbetrieb auf seinem Grundstück einbauen. Nach dem Befüllen des
Teichbeckens zeigte sich, daß dieses undicht war. Der Kläger ließ das Becken
am 24. Juli 2002 in den Betrieb des Beklagten zurückbringen. Zu diesem
Zeitpunkt wies es einen Riß von 10 bis 15 cm Länge sowie weitere undichte
Stellen auf. Der Beklagte nahm - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht -
Reparaturmaßnahmen vor. Das vom Kläger mit dem Einbau beauftragte
Unternehmen holte das Teichbecken ab und baute es erneut ein; danach trat
wiederum Wasser aus. Der Beklagte lehnte die Lieferung eines neuen Beckens
sowie weitere Reparaturmaßnahmen ab. Mit Schriftsatz seiner
Prozeßbevollmächtigten vom 3. November 2002 erklärte der Kläger den
Rücktritt vom Kaufvertrag.
Der Kläger hat Rückzahlung des Kaufpreises von 645 € nebst Prozeßzinsen Zug
um Zug gegen Übergabe des Teichbeckens verlangt und die Feststellung
begehrt, daß sich der Beklagte im Annahmeverzug befindet. Das Amtsgericht
hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme hinsichtlich des
Zahlungsanspruchs stattgegeben und sie hinsichtlich des Feststellungsantrags
abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage
insgesamt abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klage sei nicht begründet, weil der Kläger nicht bewiesen habe, daß das
Teichbecken bereits bei Gefahrübergang undicht gewesen sei. Hierfür sei der
Kläger beweispflichtig. Die Beweislastumkehr gemäß § 476 BGB n.F. sei nicht
zugunsten des Klägers anwendbar, da der vorliegende Sachverhalt nicht der
Fallkonstellation entspreche, die in § 476 BGB habe geregelt werden sollen.
Hintergrund der gesetzlichen Vermutung, daß eine innerhalb von sechs Monaten
aufgetretene Vertragswidrigkeit schon zur Zeit der Lieferung bestanden habe,
sei, daß der Verkäufer im Zeitpunkt der Übergabe die beste Sachkenntnis in
bezug auf das zu übergebende Verbrauchsgut habe und zu prüfen gehalten sei,
ob es vertragsgemäß sei. Demgegenüber habe der Verbraucher erheblich
schlechtere Möglichkeiten des Beweises. Vor diesem Hintergrund erscheine es
nicht als sachgerecht, eine Beweislastumkehr eingreifen zu lassen, wenn im
unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe der Kaufsache ein
Dritter mit dieser befaßt werde, sie zum Beispiel einbaue oder sonst
bearbeite, und somit die konkrete Möglichkeit bestehe, daß der Mangel auch
von diesem Dritten verursacht worden sein könne. Die Beweislast dafür, daß
der Mangel bei Übergabe vorgelegen habe, trage in diesem Fall der Käufer.
II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Die zulässige Revision des Klägers hat Erfolg und
führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Vergeblich rügt die Revision allerdings, das Berufungsurteil verstoße
gegen § 540 ZPO, da es die Berufungsanträge nicht wiedergebe ... (wird
ausgeführt).
2. Die Revision beanstandet dagegen mit Erfolg, daß das Berufungsgericht die
in § 476 BGB für den - hier vorliegenden - Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1
Satz 1 BGB) neu geregelte Beweislastumkehr mit der Begründung für
unanwendbar gehalten hat, es sei nicht sachgerecht, die Beweislastumkehr
eingreifen zu lassen, wenn im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der
Übergabe der Kaufsache ein Dritter mit dieser befaßt gewesen sei und somit
die konkrete Möglichkeit bestehe, daß der Sachmangel auch von diesem Dritten
verursacht worden sein könnte. Eine solche Einschränkung des § 476 BGB ist
weder dem Wortlaut der Regelung zu entnehmen, noch ist sie unter
Berücksichtigung des Gesetzeszwecks gerechtfertigt.
Gemäß § 476 BGB wird vermutet, daß die Sache bereits bei Gefahrübergang
mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit diesem Zeitpunkt
ein Sachmangel zeigt, es sei denn, daß diese Vermutung mit der Art der Sache
oder des Mangels unvereinbar ist. Der Wortlaut des § 476 BGB bietet keinen
Anhaltspunkt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Regelung sei bereits
dann nicht anzuwenden, wenn der Käufer, wie vorliegend der Kläger, den
bestimmungsgemäßen Einbau der Sache einem Dritten überläßt. § 476 BGB setzt
in seinem ersten Halbsatz lediglich voraus, daß sich innerhalb von sechs
Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt. Diese Voraussetzung ist
nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen, auf die das
Berufungsgericht Bezug genommen hat, erfüllt, da das Teichbecken bereits
wenige Tage nach der Anlieferung am 12. Juli 2002 undicht war.
Feststellungen, daß die gesetzliche Vermutung im vorliegenden Fall mit der
Art der Sache oder des Mangels nicht vereinbar ist (§ 476 BGB, 2. Halbsatz),
hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
Auch der Zweck des § 476 BGB rechtfertigt es nicht, die gesetzliche
Vermutung und die damit einhergehende Umkehr der Beweislast von vornherein
dann nicht anzuwenden, wenn der Käufer die Sache durch einen Dritten
einbauen läßt. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Verbrauchers. Sie
enthält eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, daß ein innerhalb
von sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretener Mangel bereits zu diesem
Zeitpunkt vorlag (vgl. Senatsurteil vom 2. Juni
2004 - VIII ZR 329/03, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, NJW 2004, 2299
= WM 2004, 1489 unter II 2 a). Nach den Gesetzesmaterialien liegt die
Rechtfertigung der Beweislastumkehr, wie das Berufungsgericht zutreffend
ausgeführt hat, in den schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers und
den - jedenfalls in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Übergabe -
ungleich besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers (Begründung zum
Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts,
BT-Drucks. 14/6040, S. 245).
Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß der Verbraucher, der den
bestimmungsgemäßen Einbau der Sache einem Dritten überläßt, hinsichtlich des
Nachweises ihrer Beschaffenheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs in gleichem
Maße schutzwürdig ist wie der Verbraucher, der die Sache selbst einbaut. Es
ist kein Grund dafür ersichtlich, im Verhältnis zum Verkäufer den einen
Verbraucher schlechter zu stellen als den anderen. Einerseits werden die in
der Gesetzesbegründung aufgezeigten Beweisschwierigkeiten des Käufers
hinsichtlich der Beschaffenheit der Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs
nicht dadurch verringert, daß er die Sache durch einen Dritten einbauen
läßt; andererseits begründet es für die Erkenntnismöglichkeiten des
Verkäufers hinsichtlich des Zustandes der Sache im Zeitpunkt des
Gefahrübergangs regelmäßig keinen Unterschied, ob der Käufer die Sache nach
ihrer Übergabe selbst einbaut oder ob er einen Dritten damit betraut.
3. Das Berufungsgericht durfte daher dem Kläger die Beweislastumkehr des §
476 BGB nicht mit der gegebenen Begründung versagen. Da der Rechtsstreit
nicht zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat nicht in der Sache selbst
entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage
der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen zu prüfen haben, ob die Beklagte
die Vermutung des § 476 BGB ausgeräumt hat und ob danach eine vom
erstinstanzlichen Urteil abweichende Entscheidung gerechtfertigt ist (§ 513
ZPO).
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