Gesetzliche
Vertragsübernahme nach § 566 BGB ("Kauf bricht nicht Miete"): Fortbestand
des Verzugs bei Veräußerung der Mietsache, Haftung des Erwerbers für nach
dem Erwerb eingetretene Verzugsschäden
BGH, Urteil
vom 9. Februar 2005 - VIII ZR 22/04
Fundstelle:
NJW 2005, 1187
Amtl. Leitsatz:
Befindet sich der Vermieter von Wohnraum
dem Mieter gegenüber mit der Beseitigung eines Mangels im Verzug, so wirkt
im Fall der Grundstücksübereignung die einmal eingetretene Verzugslage nach
dem Eigentumsübergang in der Person des Erwerbers fort. Tritt der Schaden in
diesem Fall nach dem Eigentumsübergang ein, so richten sich die Ansprüche
des Mieters nicht gegen den Grundstücksveräußerer, sondern gegen den
Grundstückserwerber.
Tatbestand:
Der Beklagte mietete Ende Dezember 1996 eine Wohnung im Haus S. straße in
H. , welches den Klägern damals gehörte. Mit Schreiben vom 1. März 2000
mahnte er bei den Klägern unter Fristsetzung die Beseitigung eines Mangels
der Wohnung an. Nachdem der damalige Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten
wegen des Mangels einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen
Beweisverfahrens bei dem Amtsgericht eingereicht und die Gerichtskosten in
Höhe von 132,94 € eingezahlt hatte, ging das Eigentum an dem Grundstück am
1. Juni 2000 aufgrund eines von den Klägern zuvor abgeschlossenen
Kaufvertrages auf die Grundstückserwerberin über. Mit Beweisbeschluß vom 2.
Oktober 2000 forderte das Amtsgericht einen Kostenvorschuß für
Sachverständigenkosten in Höhe von 345,20 € an, die der Beklagte bezahlte.
Die Kläger haben den Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch
genommen. Der Beklagte meint, ihm stehe gegen die Kläger ein
Schadensersatzanspruch auf Erstattung der von ihm für das selbständige
Beweisverfahren aufgewendeten Gerichtskosten in Höhe von 132,94 €, der
Auslagen für den Sachverständigen in Höhe von 345,20 € und der Gebühren
seines Rechtsanwalts in Höhe von 1.429,12 €, insgesamt 1.907,26 € zu. Er hat
hilfsweise gegen die von den Klägern geltend gemachten Mietzinsansprüche
aufgerechnet und weiter hilfsweise Widerklage erhoben.
Das Amtsgericht hat die Aufrechnung lediglich in Höhe eines Teilbetrages von
132,94 € (Gerichtskosten für das selbständige Beweisverfahren) für begründet
erklärt und den Beklagten im übrigen zur Zahlung der rückständigen Miete
verurteilt. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des
Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner wegen des abgewiesenen
Kostenerstattungsanspruchs von dem Landgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungs- und Widerklageantrag weiter.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Dem Beklagten stehe gegen die Kläger ein Schadensersatzanspruch gemäß § 538
Abs. 1 BGB a.F. nicht zu. Der Anspruch richte sich - weil er erst nach dem
Eigentumsübergang am 1. Juni 2000 fällig geworden sei - gegen die Erwerberin
des Grundstücks. Die Erwerberin müsse den durch das Schreiben des Beklagen
vom 1. März 2000 in der Person der Kläger begründeten Verzug gegen sich
gelten lassen. Als Grundstückseigentümerin schulde sie unabhängig von einem
Verschulden den mängelfreien Gebrauch der Sache. Etwas anderes ergebe sich
wegen der Rechtsanwaltsgebühren auch nicht im Hinblick auf die Möglichkeit
zur Vorschußanforderung gemäß § 17 BRAGO; denn der Prozeßbevollmächtigte des
Beklagten habe weder einen Vorschuß verlangt, noch sei dieser gezahlt
worden. Zwar seien die Kläger wegen ihres Verzugs mit der Mängelbeseitigung
zunächst zum Schadensersatz verpflichtet gewesen. Der Beklagte hätte aber
lediglich Freistellung von dem gegen ihn gerichteten Vorschußanspruch
verlangen können. Eine Umwandlung des Freihalteanspruchs in einen
Geldersatzanspruch sei nicht erfolgt. Nach Beendigung des selbständigen
Beweisverfahrens sei der Vorschußanspruch entfallen und die gesetzlichen
Gebühren des Anwalts seien fällig geworden. Dieses Ergebnis stimme mit dem
Kostenrecht überein und sei auch nicht unbillig. Zwar hätte der Beklagte das
selbständige Beweisverfahren auch nach dem Eigentumsübergang gegen die
Kläger weiterbetreiben können. Da aber die Kosten des selbständigen
Beweisverfahrens erst im nachfolgenden Hauptprozeß als notwendige
Rechtsverfolgungskosten erstattungsfähig seien und der Hauptprozeß wegen des
zwischenzeitlichen Eigentumswechsels gegen die Erwerberin hätte gerichtet
werden müssen, hätte diese auch die Kosten des selbständigen
Beweisverfahrens tragen müssen. Hinsichtlich des von dem Beklagten nach
Eigentumsübergang aufgrund der gerichtlichen Anforderung vom 2. Oktober 2000
gezahlten Vorschusses für die Sachverständigenauslagen richte sich der
Anspruch des Beklagten gegen die Erwerberin, weil dieser Vorschuß erst nach
dem Eigentumsübergang angefallen sei.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand, so daß die
Revision zurückzuweisen war.
1. Das Urteil ist nicht wegen eines von Amts wegen zu berücksichtigenden
Verfahrensmangels aufzuheben, ... (wird ausgeführt)
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht einen Anspruch des
Beklagten auf Schadensersatz nach § 538 Abs. 1 BGB a.F., § 536a Abs. 1 BGB
wegen der ihm entstandenen Kosten für das selbständige Beweisverfahren
verneint. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend die Vorschriften
des Mietrechts in der vor dem 1. September 2001 geltenden Fassung oder die
neuen Bestimmungen anzuwenden sind; die hier jeweils maßgeblichen
Vorschriften sind nach altem und neuem Mietrecht gleichlautend. Dem
Beklagten steht gemäß § 571 Abs. 1 BGB a.F., § 566 Abs. 1 BGB wegen der
Rechtsanwaltsgebühren und der Sachverständigenauslagen ein
Schadensersatzanspruch nicht gegen die Kläger, sondern nur gegen die
Grundstückserwerberin zu.
a) Der Erwerber eines Grundstücks tritt mit dem vollendeten
Eigentumserwerb an Stelle des Vermieters in die sich aus dem Mietvertrag
ergebenden Rechte und Pflichten ein (§ 571 Abs. 1 BGB a.F., § 566 Abs. 1
BGB). Der Grundstückserwerber ist hinsichtlich der mietvertraglichen Rechte
und Pflichten nicht Rechtsnachfolger des Veräußerers; § 571 Abs. 1 BGB a.F.
(jetzt: § 566 Abs. 1 BGB) ordnet vielmehr einen unmittelbaren Rechtserwerb
kraft Gesetzes als Folge und ab dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs an. Durch
den Eigentumsübergang tritt hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche eine
Zäsur ein: alle schon vorher entstandenen und fällig gewordenen Ansprüche
bleiben bei dem bisherigen Vermieter, und nur die nach dem Zeitpunkt des
Eigentumswechsels fällig werdenden Forderungen stehen dem
Grundstückserwerber zu. Ebenso richten sich vertragliche Ansprüche
des Mieters gegen den Erwerber, falls sie erst nach dem Eigentumswechsel
entstehen oder fällig werden (Senatsurteile vom 3. Dezember 2003 - VIII
ZR 168/03, NJW 2004, 851 unter II 1; vom 19. Oktober 1988 - VIII ZR 22/88,
NJW 1989, 451 unter II 2 b m.w.Nachw.). Umstritten ist, ob diese
Grundsätze auch dann gelten, wenn der Mieter einen Schadensersatzanspruch
aus §§ 538 Abs. 1 3. Fall, 284, 286 BGB a.F. (jetzt: §§ 536a Abs. 1 3. Fall,
280 Abs. 1, 2, 286 BGB) geltend macht und der Verzug hinsichtlich der
Mangelbeseitigung noch vor dem Eigentumsübergang in der Person des
Grundstücksveräußerers eingetreten ist.
aa) Nach überwiegender Ansicht wirkt die einmal dem
Grundstücksveräußerer gegenüber eingetretene Verzugslage nach dem
Eigentumsübergang in der Person des Erwerbers fort. Tritt der Schaden in
diesem Fall nach dem Eigentumsübergang ein, so richten sich die Ansprüche
des Mieters nicht gegen den Grundstücksveräußerer, sondern gegen den
Grundstückserwerber (Heile in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und
Wohnraummiete, 3. Aufl., II Rdnr. 894; Staudinger/Emmerich, BGB (2003), §
566 Rdnr. 54; Emmerich/ Sonnenschein, 8. Aufl., Miete, § 566 Rdnr. 35;
Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 566 Rdnr. 58; Sternel, Mietrecht, 3.
Aufl., Rdnr. I 68, anders aber zu § 536a Abs. 1 2. Alt. BGB; Roquette, Das
Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 571 Rdnr. 34; Derleder/Bartels,
JZ 1997, 981, 985; vgl. auch LG Berlin NJW-RR 1990, 23, zur Verzugslage).
bb) Nach anderer Ansicht haftet der Veräußerer, nicht der Erwerber, wenn die
Haftungsvoraussetzungen nur in der Person des Veräußerers vorliegen, auch
wenn der Schaden erst nach dem Eigentumswechsel entsteht (MünchKommBGB/Häublein,
4. Aufl., § 566 Rdnr. 39; Lammel, Heidelberger Kommentar zum
Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 566 Rdnr. 92, 94; vgl. zu § 536a Abs. 1 2.
Fall BGB: Eckert in: Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-,
Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rdnr. 1313).
cc) Die erstgenannte Auslegung des § 571 BGB a.F. (§ 566 BGB) ist -
zumindest für den hier in Rede stehenden Fall des bei Eigentumsübergang in
der Person des Veräußerers begründeten Verzugs (§ 538 Abs. 1 3. Fall BGB
a.F., § 536a Abs. 1 3. Fall BGB) - vorzuziehen. Sie sorgt für Rechtsklarheit
und entspricht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Auffassung der
Revision, der Schadenersatzanspruch aus § 538 Abs. 1 BGB a.F. (§ 536a Abs. 1
BGB) könne sich nur gegen denjenigen richten, den ein eigenes Verschulden
trifft und der den Schaden adäquat kausal verursacht hat, überzeugt nicht. §
571 BGB a.F. (§ 566 Abs. 1 BGB) ist eine mieterschützende Vorschrift. Sie
bezweckt, dem Mieter gegenüber dem neuen Vermieter die Rechtsposition zu
erhalten, die er aufgrund des Mietvertrages hätte, wenn der frühere
Vermieter Eigentümer geblieben wäre. Gewahrt bleibt dem Mieter seine
Rechtsposition aber nur dann, wenn er seinen Anspruch bei Fälligkeit der
Person gegenüber geltend machen kann, die zu diesem Zeitpunkt Vermieter ist,
gegen deren laufende Mietforderungen er gegebenenfalls aufrechnen kann und
die ihm notfalls mit dem Wert des Grundstücks für seine Forderungen haftet
(Senatsurteil vom 14. Oktober 1987 - VIII ZR 246/86, NJW 1988, 705 unter
2 b cc). Dagegen würde der Zweck des § 571 BGB a.F. (§ 566 BGB), den Mieter
in seinen Rechten bei einem Eigentumswechsel nicht zu verkürzen (BGHZ 49,
350, 352), nicht erreicht, wenn eine erneute Begründung des Verzugs auch
gegenüber dem Grundstückserwerber erforderlich wäre.
Entgegen der Ansicht der Revision ist eine Kostenbelastung der Erwerberin
auch nicht unbillig. Zwar mag es zutreffen, daß nicht die Erwerberin,
sondern die Kläger durch die Verweigerung der Mängelbeseitigung die
entstandenen Verzugsschäden veranlaßt haben. Dem Erwerber ist es aber
freigestellt, sich bei Abschluß des Kaufvertrages über das Grundstück die
notwendigen Informationen zu beschaffen, Haftungsrisiken abzusichern und den
Veräußerer gegebenenfalls in Regreß zu nehmen (vgl. auch Derleder/Bartels,
JZ 1997, 981, 985).
b) Die Rüge der Revision, die geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung der
Rechtsanwaltsgebühren seien bereits vor dem Eigentumswechsel entstanden und
fällig geworden, greift nicht durch. Zu Recht hat das Berufungsgericht
angenommen, daß der Schaden des Beklagten wegen der Rechtsanwaltsgebühren
erst nach dem Eigentumswechsel eingetreten ist.
Der Gebührenanspruch des damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten
war zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs weder gemäß § 16 der seinerzeit
geltenden Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - BRAGO - (jetzt: § 8 RVG)
fällig noch aufgrund einer Berechnung gemäß § 18 BRAGO (jetzt: § 10 RVG)
eingefordert. Der Rechtsanwalt hätte zwar gemäß § 17 BRAGO (jetzt: § 9 RVG)
einen Vorschuß fordern können. Nach den von der Revision nicht angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts hat er aber von dieser Befugnis keinen
Gebrauch gemacht. Eine Pflicht des Rechtsanwalts zur Vorschußanforderung
besteht nicht. Ob und in welcher Höhe er einen Vorschuß verlangt, steht in
seinem Ermessen (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für
Rechtsanwälte, 15. Aufl., § 17 Rdnr. 14). Es war zum Zeitpunkt des
Eigentumsübergangs des Grundstücks auch noch offen, auf welche Höhe sich der
Gebührenanspruch des damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten
belaufen würde. Dem Beklagten stand im übrigen mangels einer möglichen
Bezifferung auch keine entsprechende Forderung auf Freistellung gegen die
Kläger zu (vgl. Senatsurteil vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001,
155 unter II 2 b; BGH, Urteil vom 30. November 1989 - IX ZR 249/88, NJW
1990, 1366 unter 1 b cc). Er hätte sie allenfalls auf Feststellung ihrer
Pflicht zum Ersatz aller künftig noch entstehenden Schäden bzw. ihrer
Verpflichtung zur Freistellung von künftig zu beziffernden Verbindlichkeiten
in Anspruch nehmen können. Ein Schadenersatzanspruch in der jetzt geltend
gemachten bezifferten Höhe war mithin vor dem Eigentumsübergang nicht
begründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen daher die Gegenansprüche des
Beklagten verneint. |