Begriff der
"Entgeltforderung" in § 288 II BGB
BGH, Urteil vom 16. Juni
2010 - VIII ZR 259/09
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Eine Entgeltforderung im Sinne des
§ 288 Abs. 2 BGB liegt unter Berücksichtigung des Ziels der Richtlinie
2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur
Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. EG Nr. L 200 S. 35)
vor, wenn die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für
eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet ist, die
in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht
(Anschluss an BGH, Urteil vom 21. April 2010 - XII ZR 10/08). Einer
synallagmatischen Verknüpfung zwischen der Leistung des Gläubigers und der
Zahlung durch den Schuldner bedarf es nicht.
b) Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist Entgeltforderung im Sinne des
§ 288 Abs. 2 BGB.
Zentrale Probleme:
Es geht um den Begriff der "Entgeltforderung" in § 288 II
BGB (Verzugszinsen) und dabei um ein Problem der richtlinienkonformen
Auslegung. Obwohl insoweit kein Richtlinienhintergrund besteht, wird man
dieselbe Auslegung aus Gründen der Rechtseinheit auch bei § 286 III BGB
vorzunehmen haben.
©sl 2010
Tatbestand:
Der Kläger war aufgrund eines Tankstellenverwaltervertrages
für die Beklagte als Handelsvertreter tätig. Nach Beendigung der
Vertragsbeziehung verlangt er von der Beklagten die Zahlung eines weiteren
Ausgleichs gemäß § 89b HGB.
2 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat
das Berufungsgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte
verurteilt, an den Kläger 3.883,96 € nebst fünf Prozent Zinsen aus 6.273,14
€ vom 1. Dezember 2007 bis zum 24. April 2008 sowie Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.883,96 € seit dem 25. April 2008
zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.
3 Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
seinen Antrag auf Zahlung von Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz aus 3.883,96 € seit dem 25. April 2008 weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht (KG, Urteil vom 27. August 2009 - 23 U 52/09, juris)
hat - soweit hier von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung
ausgeführt:
6 Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters stelle keinen Entgeltanspruch
dar, so dass § 288 Abs. 2 BGB nicht anwendbar sei.
7 Der in § 288 Abs. 2 und § 286 Abs. 3 BGB genannte Begriff der
"Entgeltforderung" gehe zurück auf die Richtlinie 2000/35/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung des
Zahlungsverzugs im Rechtsverkehr. Diese Richtlinie sei, wie sich aus ihrem
Erwägungsgrund 13 ergebe, auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte
geleisteten Zahlungen beschränkt und betreffe nach ihrem Art. 1 alle
Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr anzusehen seien. Als
Geschäftsverkehr definiere Art. 2 der Richtlinie Geschäftsvorgänge zwischen
Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer
Lieferung von Gütern oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt
führten. Mit der Verwendung des Begriffes "Entgeltforderung" in § 288 Abs. 2
und § 286 Abs. 3 BGB habe der deutsche Gesetzgeber diese Richtlinie umsetzen
und den Anwendungsbereich der Vorschriften auf Entgeltforderungen im Sinne
der genannten Richtlinie beschränken wollen. Dementsprechend seien
Entgeltforderungen im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB und des § 286 Abs. 3 BGB
solche Forderungen, die auf Zahlung eines Entgelts für eine vom Gläubiger
erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet seien, wobei die zu
beurteilende Forderung zu der Leistung des Gläubigers in einem
Gegenseitigkeitsverhältnis stehen müsse.
8 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe komme dem Ausgleichsanspruch des
Handelsvertreters kein Entgeltcharakter zu. Zwar sei der Ausgleichsanspruch
nicht - was einer Einordnung als Entgeltforderung entgegenstünde - als
Entschädigungs-, sondern als Vergütungsregelung anzusehen. § 89b HGB habe
zum Inhalt, dass der Handelsvertreter für einen auf seiner Tätigkeit
beruhenden, ihm aber infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht
mehr vergüteten Vorteil, wie er in der Schaffung eines Kundenstammes liege,
eine Gegenleistung erhalte. Ferner scheitere der Entgeltcharakter nicht an
dem Umstand, dass der Ausgleichsanspruch kein reiner Vergütungsanspruch sei,
sondern auch von Billigkeitsgesichtspunkten abhänge. Der
Handelsvertreterausgleichsanspruch sei aber deshalb keine Entgeltforderung
im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, weil die Leistung des Handelsvertreters, die
damit abgegolten werden solle, zu dem Zahlungsanspruch nicht im
Gegenseitigkeitsverhältnis stehe, es insoweit also an einer
synallagmatischen Verknüpfung zwischen den Ansprüchen fehle. Gegenleistung
und Entgelt für die nach § 86 HGB geschuldete Leistung des Handelsvertreters
sei nicht der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB, sondern allein der
Provisionsanspruch nach § 87 HGB. Der Handelsvertreter vermittle Geschäfte,
um hierfür Provisionen zu erhalten, und nicht, um nach Beendigung des
Vertrages einen Ausgleich nach § 89b HGB zu bekommen. Der Ausgleich gehe
über die durch die Vermittlungstätigkeit verdienten Provisionen hinaus, ohne
dass der Handelsvertreter hierfür eine zusätzliche Leistung zu erbringen
habe.
II.
9 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dem Kläger Verzugszinsen nur in
Höhe von fünf und nicht in Höhe von acht Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz zugesprochen. Der Handelsvertreterausgleichsanspruch ist als
Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB zu qualifizieren.
10 1. Der in § 288 Abs. 2 und § 286 Abs. 3 BGB verwendete Begriff der
Entgeltforderung geht, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, auf die
Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni
2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. EG Nr. L
200 S. 35) zurück. Diese Richtlinie ist nach ihrem Art. 1 auf alle
Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden,
wobei als Geschäftsverkehr in Art. 2 der Richtlinie die Geschäftsvorgänge
zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen
definiert sind, die zu einer Lieferung von Gütern oder Erbringung von
Dienstleistungen gegen Entgelt führen. Ziel ist es ausweislich der
Erwägungsgründe 7 und 16 sicherzustellen, dass die Folgen des
Zahlungsverzugs von der Überschreitung der Zahlungsfristen abschrecken, und
so der Gefahr der Insolvenz von Unternehmen und dem Verlust von
Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. Zu den Unternehmen gehören nach Art. 2 Nr.
1 der Richtlinie auch Einzelpersonen, sofern diese eine unabhängige
wirtschaftliche oder berufliche Tätigkeit ausüben. Nach Art. 3 Abs. 1d der
Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Höhe der
Verzugszinsen mindestens sieben Prozentpunkte über dem dort näher
definierten Bezugszinssatz liegt.
11 Der deutsche Gesetzgeber wollte bei der Umsetzung der Richtlinie den sich
aus ihr ergebenden hohen Zinssatz nur für den Anwendungsbereich der
Richtlinie und damit für Entgeltzahlungen vorsehen (Stellungnahme des
Bundesrates zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines
Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drs. 14/6857, S. 14;
aufgegriffen in der Gegenäußerung der Bundesregierung, aaO, S. 51 und der
Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drs. 14/7052,
S. 187).
12 Eine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB liegt nach diesen
Ausführungen daher dann vor, wenn die Forderung auf die Zahlung eines
Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu
erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der
Erbringung von Dienstleistungen besteht (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2010
- XII ZR 10/08, juris, Tz. 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 286 Rdnr.
27, § 288 Rdnr. 8; Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB (2009), § 286 Rdnr. 95,
§ 288 Rdnr. 17; Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 286 Rdnr. 39, §
288 Rdnr. 5; MünchKommBGB/Ernst, 5. Aufl., § 286 Rdnr. 75).
13 2. Nicht gefolgt werden kann indessen der Ansicht des Berufungsgerichts,
für die Qualifikation einer Forderung als Entgeltforderung sei über die
dargestellten Voraussetzungen hinaus zu verlangen, dass zwischen der
Leistung des Gläubigers und der Zahlung durch den Schuldner eine
synallagmatische Verknüpfung bestehe (so aber auch MünchKommBGB/Ernst, aaO).
Der Begriff der Entgeltlichkeit ist nicht mit dem Begriff des Synallagmas
gleichzusetzen. Entgeltlichkeit liegt nicht nur bei gegenseitig
verpflichtenden Verträgen im Sinne der §§ 320 ff. BGB vor, sondern auch
dann, wenn die Leistung des einen Teils Bedingung für die Entstehung der
Verpflichtung des anderen Teils ist (sog. konditionelle Verknüpfung,
vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 1951 - II ZR 18/50, NJW 1951, 268, unter I;
vom 11. November 1981 - IVa ZR 182/80, NJW 1982, 436, unter I; Palandt/Grüneberg,
aaO, Einf. v. § 320 Rdnr. 7; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., Vor § 320 Rdnr.
6; MünchKommBGB/Emmerich, aaO, Vor § 320 Rdnr. 10). Auch in den
letztgenannten Fällen stellt sich die Zahlung wirtschaftlich als Entgelt für
die Leistung dar (Soergel/Gsell, aaO).
14 3. Nach diesen Maßstäben ist der Handelsvertreterausgleichsanspruch
nach § 89b HGB als Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB zu
qualifizieren (so auch OLG Hamm, Urteil vom 29. Mai 2008 - 18 U 164/07,
juris, Tz. 91; OLG München, Urteil vom 17. Dezember 2008 - 7 U 3114/08,
juris, Tz. 37; Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 12. Februar 2009 - 6 U
60/08, juris, Tz. 161; Staub/Emde, HGB, 5. Aufl., § 89b Rdnr. 337).
15 a) Der Bundesgerichtshof sieht in dem Ausgleichsanspruch in
Übereinstimmung mit der im Schrifttum weit überwiegenden Auffassung einen
Vergütungsanspruch, der dem Handelsvertreter die restliche, durch
Provisionszahlungen bis zum Vertragsende noch nicht abgegoltene
Gegenleistung für einen auf seiner Vermittlungstätigkeit beruhenden Vorteil
verschaffen soll, der in der Schaffung des Kundenstamms besteht (st. Rspr.;
BGHZ 24, 214, 220 ff.; 29, 275, 278 f.; 41, 129, 133; 45, 268, 270 f.; 45,
385, 386; BGH, Urteile vom 10. Mai 1984 - I ZR 36/82, NJW 1985, 58, unter A
II 2; vom 6. Februar 1985 - I ZR 175/82, NJW 1985, 3076, unter II 1;
Senatsurteile vom 6. August 1997 - VIII ZR 92/96, NJW 1998, 71 unter B I 1
b; vom 10. Juli 2002 - VIII ZR 58/00, NJW-RR 2002, 1548, unter B I 1 a, II
1; Löwisch in: Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 2. Aufl., § 89b Rdnr. 2;
Staub/Emde, aaO, § 89b Rdnr. 14 ff.; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, 2.
Aufl., § 89b Rdnr. 5; Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Aufl., § 89b Rdnr.
1; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 89b Rdnr. 2; Oetker/Busche, HGB, § 89b
Rdnr. 1; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., § 27 V2; Canaris, Handelsrecht,
24. Aufl., § 15 VII 1; Küstner, Der Ausgleichsanspruch des
Handelsvertreters, 3. Aufl., S. 31 f.; Thu-me, BB 2009, 1026, 1028; Ball in:
Saenger/Schulze, Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, 2000, S. 17
ff.; vgl. auch die amtliche Begründung zu § 89b HGB, BT-Drs. I/3856, S. 33,
35). Ausgangspunkt dieses Verständnisses ist die Provisionsregelung des § 87
Abs. 1 Satz 1 HGB, nach welcher dem Handelsvertreter für jeden von ihm
vermittelten Einzelabschluss eine Provision zusteht. Die
Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters führt jedoch über den Abschluss
einzelner Geschäfte hinaus zum Aufbau eines Kundenstammes. Dieser Erfolg
wird während der Dauer des Handelsvertretervertrages zum einen durch die bei
Stammkunden häufig erleichterte Vermittlung von den Provisionsanspruch nach
§ 87 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 HGB begründenden Geschäftsabschlüssen und zum
anderen durch den Provisionsanspruch für Folgegeschäfte nach § 87 Abs. 1
Satz 1 Fall 2 HGB abgegolten. Soweit die durch den Handelsvertreter
geschaffenen Kundenbeziehungen das Ende des Vertragsverhältnisses
überdauern, hat - jenseits der engen Voraussetzungen des Provisionsanspruchs
nach § 87 Abs. 3 HGB - aber allein der Unternehmer den Nutzen, für den er
dem Handelsvertreter als Gegenleistung ein Entgelt zahlen muss (vgl. Staub/Emde,
aaO, Rdnr. 14 ff.; Ball, aaO, S. 18).
16 b) Der Ausgleichsanspruch ist allerdings kein reiner Vergütungsanspruch,
weil sowohl die Entstehung als auch die Bemessung des Anspruchs weitgehend
durch Aspekte der Billigkeit beeinflusst werden (st. Rspr.; BGHZ 24, 214,
222; 45, 268, 270 f.; 45, 385, 386; vgl. auch BVerfG, NJW 1996, 381; Staub/Emde,
aaO, Rdnr. 16 f.; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, aaO, Rdnr. 6; Baumbach/Hopt,
aaO, Rdnr. 3; Schnabl, NJW 2009, 955). Dabei dürfen diese Billigkeitsaspekte
nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu
Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur
Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die
selbständigen Handelsvertreter (künftig Handelsvertreterrichtlinie; ABl. EG
Nr. L 382 S. 17), der der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 89b Abs. 1
HGB mit Wirkung vom 5. August 2009 Rechnung getragen hat (Art. 6a des
Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen
aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen
von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli 2009, BGBl. I 2512), zwar nicht
ausschließlich zu einer Anpassung des Ausgleichsanspruchs nach unten führen
(EuGH, Urteil vom 26. März 2009 - Rs. C-348/07, EuZW 2009, 304, Rdnr. 23 -
Turgay Semen/Deutsche Tamoil GmbH; Thume, BB 2009, 2490, 2493; Emde, DStR
2009, 1478, 1482 f.). Dennoch darf der Anspruch auch unter Berücksichtigung
dieser Rechtsprechung nicht allein auf Billigkeitserwägungen gestützt werden
(so zur Rechtslage vor Erlass des EuGH-Urteils: Senatsurteil vom 11.
Dezember 1996 - VIII ZR 22/96, NJW 1997, 655, unter B I 1 a bb m.w.N.; Ball,
aaO, S. 19; zur neuen Rechtslage: Thume, aaO; Emde, aaO, S. 1483; vgl. auch
den Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die
Anwendung von Artikel 17 der Richtlinie des Rates zur Koordinierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen
Handelsvertreter, KOM 96, 364 endg., S. 1 ff.). Denn sowohl Art. 17 Abs. 2a
Spiegelstrich 1 der Handelsvertreterrichtlinie als auch § 89b Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, Satz 2 HGB knüpfen das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs an die
Voraussetzung, dass der Handelsvertreter für den Unternehmer neue Kunden
geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich
erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch
erhebliche Vorteile zieht.
17 c) Der Umstand, dass es sich bei § 89b HGB um einen Mischtatbestand
handelt, der aus einer Entgelt- und einer Billigkeitskomponente besteht,
hindert seine Qualifikation als Entgeltforderung nicht (aA Schnabl, NJW
2009, 955 ff.). § 288 Abs. 2 BGB verfolgt in Übereinstimmung mit der
Richtlinie 2000/35/EG den Zweck sicherzustellen, dass die Folgen des
Zahlungsverzugs von der Überschreitung der Zahlungsfristen im
Geschäftsverkehr abschrecken, und so der Gefahr von Insolvenzen von
Unternehmen und dem Verlust von Arbeitsplätzen vorzubeugen. Dieser Sinn
erfordert die Einbeziehung einer Geldforderung entgegen der Auffassung der
Revisionserwiderung schon dann, wenn sie auch - wenn auch nicht
ausschließlich - die Vergütung einer vom Gläubiger erbrachten oder zu
erbringenden Gegenleistung darstellt. Dem steht nicht entgegen, dass der
Handelsvertreter durch die Zahlung des Ausgleichsanspruchs bei Vertragsende
ein Entgelt erhält, welches er im Falle der Vertragsfortsetzung nicht
sofort, sondern erst in Form von Provisionen aus weiteren
Geschäftsabschlüssen erhalten hätte. Diesem Vorteil wird bereits durch die
vorzunehmende Abzinsung (vgl. Senatsurteil vom 6. August 1997, aaO, unter B
I 4 m.w.N.) Rechnung getragen.
III.
18 Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung keinen
Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der
Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil keine weiteren
Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentscheidung
reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dem Kläger stehen gemäß § 288 Abs. 2 BGB
Verzugszinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz zu. |