Beweislast für das Fortbestehen des Mangels nach Nacherfüllung sowie für das Fehlschlagen der Nacherfüllung gem. § 440 BGB


BGH v. 11.2.2009 - VIII ZR 274/07


Fundstelle:

NJW 2009, 1341


Amtl. Leitsatz:

Der Käufer, der die Kaufsache nach einer Nachbesserung des Verkäufers wieder entgegengenommen hat, trägt die Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung. Bleibt nach zweimaliger Nachbesserung ungeklärt, ob das erneute Auftreten des Mangels auf der erfolglosen Nachbesserung des Verkäufers oder auf einer unsachgemäßen Behandlung der Kaufsache nach erneuter Übernahme durch den Käufer beruht, so geht das zu Lasten des Käufers.


Zentrale Probleme:

Die Entscheidung kann als Fortführung von BGHZ 159, 215, 217 f. und BGH NJW 2006, 434 verstanden werden: Nach der Annahme der Sache als Erfüllung trägt gem. § 363 BGB der Käufer die Beweislast für das Vorliegen eines Sachmangels. Annahme als Erfüllung bedeutet dabei eine tatsächliche Entgegennahme der Sache sowie den erkennbaren Willen, diese als im Wesentlichen ordnungsgemäße Erfüllung gelten lassen zu wollen. Dieser Zeitpunkt ist mit demjenigen des Gefahrübergangs keineswegs gleichzusetzen. So kann etwa auch beim Versendungsverkauf trotz des mit Versendung eingetretenen Gefahrübergangs (§ 447) der Käufer die Annahme der Sache von der Transportperson verweigern. Bei verpackter Ware kann er dies auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, denn die bloße Entgegennahme der Sache stellt als solche noch keine Billigung als im Wesentlichen vertragsgemäß dar. Der Verkäufer hat dann nachzuweisen, daß die Sache bei Gefahrübergang (also bei Auslieferung an die Transportperson) mangelfrei war.
Hier geht es nun um das Fortbestehen eines Sachmangels nach Nacherfüllung: Auch hier liegt die Beweislast beim Käufer, wenn er die Sache nach Nacherfüllung in der beschriebenen Weise angenommen hat. Gleichermaßen trägt er darüber hinaus die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 440, wenn er noch keine Frist gesetzt hatte bzw. diese noch nicht abgelaufen war. Zu § 440 s. die Anm. zu
BGH NJW 2007, 504.

©sl 2009


Tatbestand:

1 Die Klägerin ist Leasingnehmerin eines Maserati Quattroporte, den sie am 11. Mai 2005 bei der Beklagten bestellte. Die Beklagte verkaufte das Kraftfahrzeug zu einem Kaufpreis von 113 730 € an die A. GmbH, die das Kraftfahrzeug mit Leasingvertrag vom 15./28. Juni 2005 unter Abtretung sämtlicher ihr zustehender Ansprüche und Rechte wegen nicht vertragsgemäßer Leistung und Mängeln des Fahrzeugs gegen Dritte an die Klägerin verleaste.

2 Im August und Oktober 2005 wurde das Fahrzeug in der Werkstatt der Beklagten repariert, nachdem die Klägerin jeweils bemängelt hatte, dass der elektrische Fensterheber der Fahrertür defekt sei. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 erklärte die Klägerin wegen der nach ihrer Behauptung erneut aufgetretenen Fehlfunktion des Fensterhebers den Rücktritt vom Kaufvertrag. In der Zeit vom 6. Dezember 2005 bis zum 13. Februar 2006 befand sich das Fahrzeug in der Obhut der Beklagten und anschließend wieder bei der Klägerin.

3 Die Klägerin hat Rückzahlung des Kaufpreises von 113 730 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 9 905,87 € nebst Zinsen an die A. GmbH, Schadensersatz in Höhe von 7 089,90 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befinde und zum Ersatz weiterer Schäden aus der vorzeitigen Auflösung des Leasingvertrages verpflichtet sei.

4 Der vom Landgericht im Juli 2006 beauftragte Sachverständige hat festgestellt, dass sich die Fensterscheibe an der Fahrertür wegen eines Defekts des Sensors des Einklemmschutzes erst nach mehrfacher Betätigung des Schalters und auch dann nur stückweise schließen ließ. Außerdem fand der Sachverständige für einen Einbruchsversuch typische Kratzspuren und Absplitterungen der Scheibe an der Fahrertür. Als Ursache für den Ausfall des Sensors kommen nach dem Gutachten des Sachverständigen sowohl ein Fertigungsfehler des Sensors als auch ein Einbruchsversuch in Betracht. Die Klägerin hat demgegenüber behauptet, die Mitte/Ende November 2005 – vier bis fünf Wochen nach der zweiten Nachbesserung – erneut aufgetretene Fehlfunktion des Fensterhebers beruhe nicht auf einem Einbruchsversuch. Ein etwaiger Einbruchsversuch könne nur erfolgt sein, als sich das Fahrzeug nach dem Rücktritt vom 6. Dezember 2005 auf dem Gelände der Beklagten befunden habe.

5 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

6 Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

7 Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

8 Der Klägerin stehe kein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag zu. Zwar sei davon auszugehen, dass der von der Klägerin behauptete Mangel bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen habe. Die Klägerin habe aber nicht bewiesen, dass das Fahrzeug auch noch im Zeitpunkt ihrer Rücktrittserklärung mangelhaft gewesen und damit einhergehend die Nacherfüllung wegen zweier erfolgloser Nachbesserungsversuche gemäß § 440 BGB fehlgeschlagen sei. Die Klägerin sei sowohl für die Mangelhaftigkeit der Sache als auch für das Fehlschlagen der Nacherfüllung gemäß § 440 BGB beweispflichtig. Diese Beweislastverteilung ergebe sich daraus, dass § 440 BGB eine Ausnahmebestimmung zu § 323 Absatz 1 BGB darstelle.

9 Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Senat zwar davon überzeugt, dass das Fahrzeug im August und im September oder Oktober 2005 insgesamt zweimal wegen derselben Fehlfunktion des Fensterhebers an der Fahrertür von der Beklagten repariert worden sei. Von einer zweifach misslungenen Nachbesserung könne aber nur dann die Rede sein, wenn die Maßnahme nicht zu einer dauerhaften Beseitigung eines seit Gefahrübergang bestehenden Mangels geführt habe. Voraussetzung sei somit, jedenfalls wenn im Rahmen der Nachbesserung keine neuen Mängel aufgetreten seien, das Fortbestehen eines seit Gefahrübergang vorhandenen Mangels.

10 Ein Fehlschlagen der Nachbesserung sei aber nicht bewiesen, wenn der zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung wiederholt aufgetretene Fehler auch durch ein nicht vom Verkäufer zu verantwortendes Fehlverhalten dritter Personen verursacht worden sein könne. Das sei hier der Fall, denn auch in der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme sei ungeklärt geblieben, ob die vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellte, für die Fehlfunktion des Fensterhebers ursächliche Beschädigung des Sensors des Einklemmschutzes auf einem Produktfehler beruhe oder durch einen vor der dritten Beanstandung des Klägers verübten Einbruchsversuch verursacht worden sei.

11 Dem Zeugen O. seien Beschädigungen an dem Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt aufgefallen. Auch die Zeugin S. habe sich nicht daran erinnern können, Schäden an der Scheibe, Kratzspuren oder Beulen bei Rückgabe des Fahrzeugs seitens der Beklagten Anfang 2006 oder zu einem anderen Zeitpunkt bemerkt zu haben. Der Zeuge C. habe zwar ausgesagt, dass ihm die Kratzspuren anlässlich des dritten Auftretens des Fehlers im November 2005 nicht aufgefallen seien, obwohl er um das Auto herumgelaufen sei. Er gehe davon aus, dass dies der Fall gewesen wäre, wenn sie zu diesem Zeitpunkt schon vorhanden gewesen wären. Der Zeuge C. habe sich aber selbst nicht an dem Fenster zu schaffen gemacht und habe auch keinen Anlass gehabt, auf solche Spuren zu achten. Selbst dem Geschäftsführer der Klägerin, der das Fahrzeug genutzt und gepflegt habe, seien die Spuren noch nicht einmal zu einem Zeitpunkt aufgefallen, als sie mit Sicherheit bereits vorhanden gewesen seien, nämlich als er das Fahrzeug zu dem Termin mit dem Gerichtssachverständigen gefahren habe. Es lasse sich deshalb nicht ausschließen, dass der Zeuge C. die Kratzspuren nicht bemerkt habe, obwohl sie schon vorgelegen hätten, als sich die Fehlfunktion zum dritten Mal gezeigt habe.

12 Der Zeitpunkt eines Einbruchsversuchs als möglicher Ursache für das erneute Auftreten des Defekts sei auch nicht als „sonstiger Umstand“ im Sinne des § 440 Satz 2 BGB anzusehen, der von der Beklagten zu beweisen wäre.

II.

13 Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden, dass die Klägerin nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt ist, weil sie den ihr obliegenden Beweis, dass die Nacherfüllung wegen des Defekts an der Scheibe der Fahrertür gemäß § 440 BGB fehlgeschlagen ist, nicht geführt hat.

14 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin sowohl für die Mangelhaftigkeit der Sache als auch für das Fehlschlagen der Nacherfüllung gemäß § 440 BGB beweisbelastet ist.

15 a) Der Senat hat bereits entschieden, dass den Käufer die Darlegungs- und Beweislast für die einen Sachmangel begründenden Tatsachen trifft, wenn er die Kaufsache entgegen genommen hat (BGHZ 159, 215, 217 f.; Senatsurteil vom 23. November 2005 – VIII ZR 43/05, NJW 2006, 434, Tz. 20). Diese – aus § 363 BGB folgende – Beweislastverteilung gilt gleichermaßen, wenn der Käufer die Kaufsache nach einer erfolgten Nachbesserung wieder entgegen genommen hat. In diesem Fall muss der Käufer das Fortbestehen des Mangels, mithin die Erfolglosigkeit des Nachbesserungsversuchs beweisen. Es entspricht auch allgemeiner Auffassung in der Literatur, dass der Käufer die Beweislast für die Voraussetzungen der in § 440 BGB vorgesehenen Tatsachen trägt, die die Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Nacherfüllung begründen (vgl. Münch-KommBGB/Westermann, 5. Aufl., § 440 Rdnr. 13; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB (2004), § 440 Rdnr. 34; Bamberger/Roth/Faust, BGB, 2. Aufl., § 440 Rdnr. 43).

16 b) Hiernach trägt die Klägerin, die das Fahrzeug nach der (zweiten) Reparatur im Oktober 2005 wieder übernommen hat, die Beweislast dafür, dass diese Reparatur nicht zur Beseitigung des Mangels geführt hat und deshalb fehlgeschlagen ist.

17 2. Diesen Beweis hat die Klägerin, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nicht erbracht. Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Mit ihrer Rüge, die Beweiswürdigung sei unvollständig, weil das Berufungsgericht die Aussagen der Zeugen nicht mit dem Gutachten und den vom Sachverständigen vorgelegten Fotografien abgeglichen und das Gutachten nicht in die Würdigung einbezogen habe sowie nahe liegende Schlussfolgerungen aus der Aussage des Zeugen O. unberücksichtigt lasse, hat sie keinen Erfolg.

18 a) Der Tatrichter hat nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Gründe anzugeben, die für seine richterliche Entscheidung leitend gewesen sind. Dies erfordert jedoch keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten, wenn sich nur ergibt, dass eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat ( BGH, Urteil vom 13. Februar 1992 – III ZR 28/90, NJW 1992, 2080, unter I 2b bb).

19 b) Das ist hier der Fall. Die Würdigung des Berufungsgerichts, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschädigung des Sensors nicht auf einem Produktfehler beruhe, sondern durch einen Einbruchsversuch vor der dritten Beanstandung der Klägerin im November 2005 verursacht worden sei, lässt revisionsrechtlich beachtliche Fehler nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat dem Umstand, dass auch der Geschäftsführer der Klägerin die Einbruchspuren am Fenster der Fahrerseite nicht bemerkt haben will, als er den Wagen am 13. September 2006 zum gerichtlichen Sachverständigen fuhr, zu Recht wesentliche Bedeutung für seine Einschätzung beigemessen, der Zeitpunkt des Einbruchsversuchs könne nicht verlässlich festgestellt werden. Der Geschäftsführer der Klägerin hat nach deren eigenem – unstreitigen – Vortrag am 5. und 17. Juli 2006 – am 17. Juli 2006 sogar unter Beiziehung eines Sachverständigen für Kraftfahrzeugschäden – die Fahrertür des Kraftfahrzeugs erneut untersucht und das Kraftfahrzeug danach in eine Halle der Klägerin verbracht. Wenn er trotzdem, wie von der Klägerin behauptet, die Kratzspuren bis zu dem Termin mit dem Gerichtssachverständigen am 13. September 2006, bei dem sie unstreitig festgestellt wurden, und auch auf der Fahrt dorthin nicht bemerkt hat, spricht viel für ihre fehlende Erkennbarkeit. Das Berufungsgericht hat diesem Vortrag der Klägerin daher zu Recht wesentliche Bedeutung beigemessen. Vor dem Hintergrund dieser Aussage ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem Umstand, dass das Kraftfahrzeug im Zeitraum vom 6. Dezember 2005 bis zum 13. Februar 2006 in der unverschlossenen Garage der Beklagten stand, in der schon vorher Antennen und ähnliches abhanden gekommen waren, keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Das Berufungsgericht musste in den Entscheidungsgründen deshalb nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit eingehen, dass der Einbruchsversuch auch erst dann stattgefunden haben könnte, als das Kraftfahrzeug ab dem 6. Dezember 2005 in der unverschlossenen Garage der Beklagten stand.

20 Gleiches gilt hinsichtlich der von dem Sachverständigen angefertigten Fotografien, die im Übrigen bei der Beweiswürdigung nicht unberücksichtigt geblieben sind. Sie sind dem Zeugen C. vorgehalten worden, worauf der Zeuge erklärt hat, er gehe davon aus, dass ihm die dort sichtbaren Spuren am Kraftfahrzeug aufgefallen wären, wenn sie bei dem dritten Auftreten des Fehlers bereits vorhanden gewesen wären. Diese Aussage hat das Berufungsgericht ausdrücklich in seine Würdigung einbezogen, auch ihr aber im Hinblick auf den Umstand, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Spuren sogar dann noch nicht bemerkt hatte, als sie sicher schon vorhanden waren, keine zwingende Bedeutung zugemessen. Das ist – wie bereits ausgeführt – aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

21 3. Entgegen der Auffassung der Revision greift auch § 440 Satz 2 BGB nicht zu Gunsten der Klägerin ein. Aus dieser Vorschrift lässt sich nichts dafür herleiten, dass – entgegen der oben unter II 1a dargelegten Beweislastverteilung – die Beklagte beweisen müsste, dass der zweite Nachbesserungsversuch Erfolg hatte und dass dementsprechend der fünf Wochen nach der zweiten Reparatur und erneuten Übernahme des Fahrzeugs durch die Klägerin zum dritten Mal aufgetretene Mangel am Fensterheber durch einen Einbruchsversuch verursacht worden ist.

22 a) Der Umstand, dass nach einer Beweisaufnahme unklar bleibt, auf welcher Ursache ein erneut aufgetretener Mangel beruht, kann – wie die Revisionserwiderung richtig aufzeigt – von vornherein kein sonstiger Umstand im Sinne des § 440 Satz 2 BGB sein. Sonstige Umstände im Sinne des § 440 Satz 2 BGB sind solche, die Anlass geben können, ein Fehlschlagen der Nachbesserung erst bei mehr oder schon bei weniger als zwei erfolglosen Nachbesserungsversuchen anzunehmen (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 234). Diese Frage stellt sich hier nicht.

23 b) Hier geht es vielmehr – wie bereits ausgeführt – um die Beweislastverteilung hinsichtlich der Ursache des erneuten Auftretens eines Mangels nach zweimaliger vorausgegangener Nachbesserung durch den Verkäufer. Bleibt in einem solchen Fall ungeklärt, ob das erneute Auftreten des Mangels auf einer erfolglosen Nachbesserung des Verkäufers oder auf einer unsachgemäßen Behandlung der Kaufsache – hier: in Gestalt eines Einbruchsversuchs – nach erneuter Übernahme durch den Käufer beruht, so geht dies zu Lasten des Käufers.