Haftung wegen Nebenpflichtverletzung (§§ 280 I,
241 II BGB) im Mietvertrag; Abgrenzung zur Haftung wegen Überschreitung des
vertragsgemäßen Gebrauchs
BGH, Urteil vom 6. November 2013 -
VIII ZR 416/12 - LG Gießen
Fundstelle:
NJW 2014, 143
Amtl. Leitsatz:
Der Mieter ist gemäß §§ 535,
241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er eine
in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem
ausgefallenen farblichen Zustand zurückgibt, der von vielen
Mietinteressenten nicht akzeptiert wird.
Zentrale Probleme:
Ein vordergründig einfacher Fall, der aber
grundsätzliche Fragen des Mietrechts aufwirft: Ein Mieter streicht die Wände
des gemieteten Hauses in einer ungewöhnlichen Farbe, der Vermieter verlangt
nach Beendigung der Miete einen neutralen Anstrich. Anders als etwa bei
übermäßigem Rauchen gehört das Anstreichen der Wände durch den Mieter nach
seinem Geschmack noch zum vertragsgemäßen Gebrauch der Sache (§ 538 BGB), so
dass ein Schadensersatzanspruch des Vermieters sich nicht aus einer
Beschädigung der Mietsache ergibt. Auch ergibt sich aus dem Rückgabeanspruch
aus § 546 I BGB nicht, dass der Mieter die Sache in denselben Zustand
herauszugeben hat, in welchem er sie bekommen hat. Der Senat sieht aber eine
Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht aus § 241 II BGB: Der Mieter hat das
Interesse des Vermieters zu wahren, die Mietsache nach Beendigung des
Mietverhältnisses alsbald wieder vermieten zu können. Dieses Interesse ist
bei einer außergewöhnlichen Farbgebung verletzt.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Beklagten waren von Anfang 2007 bis Juli 2009 Mieter einer
Doppelhaushälfte der Klägerin in B. . Sie hatten das Objekt in
weißer Farbe frisch renoviert übernommen, strichen danach einzelne Wände des
Mietobjekts in kräftigen Farben (rot, gelb, blau) an und gaben es in diesem
Zustand bei Mietende zurück. Die Klägerin ließ im August 2009 die
farbig gestalteten Wände zunächst mit Haftgrund und dann alle Wand- und
Deckenflächen zweimal mit Wandfarbe überstreichen. Sie wendete
hierfür einen Betrag von 3.648,82 € auf.
2 Soweit hier noch von Interesse, hat die Klägerin - unter teilweiser
Verrechnung mit der von den Beklagten geleisteten Kaution - Zahlung von
1.836,46 € nebst Zinsen begehrt; die Beklagten haben widerklagend die
Rückzahlung der zu Beginn des Mietverhältnisses geleisteten Kaution
verlangt.
3 Das Amtsgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil dahin abgeändert,
dass die Beklagten - soweit hier noch von Interesse - an die Klägerin 874,30
€ nebst Zinsen zu zahlen haben; die weitergehende Berufung der Klägerin und
die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten hinsichtlich
der Klage die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung und
verfolgen im Übrigen ihren Widerklageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
6 Der Klägerin stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe
von 874,30 € aus § 280 Abs. 1, § 546 BGB zu.
7 Unabhängig davon, ob der Mieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen
verpflichtet sei, stelle es eine Vertragsverletzung dar, wenn der Mieter das
Mietobjekt in einem farblichen Zustand zurückgebe, welcher die Grenzen des
normalen Geschmacks überschreite. Dies sei vorliegend der Fall. Die Beklagten hätten einzelne Wände des Mietobjekts in kräftigen Farben
gestrichen, was eine Neuvermietung in diesem Zustand praktisch unmöglich
gemacht habe. Auch der Nachmieter, der Zeuge D. , habe die farbigen Wände
nicht behalten wollen.
8 Entgegen der Auffassung der Beklagten sei eine Vertragspflichtverletzung
auch dann gegeben, wenn sich der ausgefallene farbliche Zustand durch
Schönheitsreparaturen im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 3 der Zweiten
Berechnungsverordnung (mithin auch durch Neutapezieren) beseitigen lasse und
keine darüber hinausgehenden Instandsetzungsarbeiten erforderlich seien.
Vorliegend müsse die Vertragsverletzung schon darin gesehen werden, dass die
Rückgabe in dem farblich auffälligen, veränderten Zustand erfolgt sei,
welcher die Grenzen des normalen Geschmacks überschreite.
9 Durch die Vertragspflichtverletzung der Beklagten sei der Klägerin unter
Berücksichtigung eines Abzugs neu für alt ein Schaden in Höhe von 2.676,66 €
entstanden. Zwar habe die Klägerin als Vermieterin bei Beendigung des
Mietverhältnisses mangels wirksamer Vereinbarung der Parteien keinen
Anspruch gegen die Beklagten auf Renovierung des Hauses oder auf Zahlung
eines anteiligen Betrages hierfür gehabt. Jedoch stehe nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme fest, dass die Beseitigung der farblichen Gestaltung einen
zusätzlichen Aufwand (Vorstreichen mit Haftgrund, zweimaliges Streichen)
erfordert habe. Dennoch sei der Schaden der Klägerin nicht in voller Höhe,
sondern nur in Höhe von 2.676,66 € entstanden. Denn von dem Schaden in Höhe
der Malerkosten von 3.648,82 € sei ein Abzug neu für alt vorzunehmen, weil
die Klägerin durch die Zahlung des Schadensersatzes im Ergebnis eine
vollständig renovierte Wohnung zurückerhalte, obwohl sie keinen Anspruch
gegen die Beklagten auf Durchführung der Schönheitsreparaturen oder auf
Zahlung eines anteiligen Betrages hierfür gehabt habe und sie deshalb ohne
die farbliche Verunstaltung der Beklagten ein unrenoviertes Haus mit normalen Gebrauchsspuren
nach einer Nutzungsdauer von rund 2 % Jahren zurückerhalten hätte.
10 Unter Verrechnung mit der Kaution ergebe sich zugunsten der Klägerin
ein Betrag von 874,30 €. Insoweit sei die Klage begründet, während die
Widerklage unbegründet sei.
II.
11 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis
stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
12 Die Beklagten sind wegen der Rückgabe des - mit neutral (hier: weiß)
gestrichenen Wänden übernommenen - Mietobjekts in einem ausgefallenen
farblichen Zustand, der eine Neuvermietung der Wohnung praktisch unmöglich
machte, weil er für viele Mieter nicht akzeptabel ist, gegenüber der
Klägerin schadensersatzpflichtig. Das vertragswidrige Verhalten (§§ 535, 280
Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 242 BGB) der Beklagten bei Beendigung des
Mietverhältnisses besteht darin, dass sie die Pflicht, auf das berechtigte
Interesse der Klägerin an einer baldigen Weitervermietung der
zurückgegebenen Doppelhaushälfte in der gebotenen Weise Rücksicht zu nehmen,
verletzt haben. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher einen Anspruch der
Klägerin gegen die Beklagten auf Ersatz der anteiligen Renovierungskosten in
Höhe von 2.676,66 € bejaht und die Beklagten unter Berücksichtigung des
ihnen zustehenden Mietkautionsrückzahlungsanspruchs zur Zahlung von 874,30
€ verurteilt.
13 1. Eine ungewöhnliche Farbwahl bei der Dekoration einzelner Räume führt
nach allgemeiner Meinung (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2008 - VIII ZR
224/07, NJW 2008, 2499 Rn. 18 mwN; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb.
2011, § 535 Rn. 109a) zu einer vom Vermieter nicht hinzunehmenden
Verschlechterung der zurückgegebenen Mieträume, wenn eine Weitervermietung
der Wohnung in diesem Zustand praktisch unmöglich ist. So hat auch der Senat
bereits ausgesprochen, dass dem Vermieter vor dem Hintergrund einer
beabsichtigten Weitervermietung ein Interesse daran, die Wohnung am Ende des
Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst
vielen Mietinteressenten akzeptiert wird, nicht abzusprechen ist und der
Mieter nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehalten ist, eine von ihm
angebrachte ungewöhnliche Dekoration bei Rückgabe der Wohnung wieder zu
beseitigen (Senatsurteile vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 48/09, NJW 2010, 674
Rn. 16; vom 22. Oktober 2008 - VIII ZR 283/07, NJW 2009, 62 Rn. 17; vom 18.
Juni 2008 - VIII ZR 224/07, aaO).
14 2. Der Mieter ist gemäß § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz
verpflichtet, wenn er eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung mit
einem farbigen Anstrich zurückgibt.
15 a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - und der
Revisionserwiderung - ergibt sich dies allerdings nicht aus § 546 Abs. 1
BGB. Diese Vorschrift enthält keine Regelung darüber, in welchem Zustand die
Wohnung zurückzugeben ist, da der Zustand der Wohnung für die Rückgabe
selbst ohne Bedeutung ist. Nach der vom Gesetz getroffenen Regelung kann der
Vermieter wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache zwar
Schadensersatz verlangen, nicht aber die Rücknahme der Mietsache ablehnen
(Senatsurteil vom 10. Januar 1983 - VIII ZR 304/81, BGHZ 86, 204, 209 f. -
zur Vorgängerregelung in § 556 BGB; Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2011, §
546
Rn. 19).
16 b) Im Ansatzpunkt ähnlich wie das Berufungsgericht, sieht Langenberg
(Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rückbau, 4. Aufl.,
1. Teil, E, V 373) die Rückgabe eines Mietobjekts in einem Zustand, der beim
Vermieter zusätzliche Kosten für die dekorative Herrichtung auslöst, als
Vertragsverletzung im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB an. Diese bestehe nicht
darin, dass der Mieter die Schönheitsreparaturen während der Mietzeit nach
seinen sehr singulären Vorstellungen durchführe, sondern in der Rückgabe in
einem Zustand, der es nicht ermögliche, allein mit den üblichen Vorarbeiten
die Dekoration zu erneuern. In diesem Fall versuche der Mieter, die
zusätzlichen Kosten, die aus der Selbstverwirklichung durch Farbwahl und
sonstige Gestaltung stammten, auf den Vertragspartner abzuwälzen
(Langenberg, aaO). Dagegen wird eingewandt (Eisenschmid, WuM 2010, 459, 466
f.), dass das, was während der Mietzeit erlaubt sei, bei Ende des
Mietverhältnisses nicht zu einer Vertragsverletzung werden könne.
17 c) Zutreffend ist insoweit zwar, dass der Mieter Veränderungen oder
Verschlechterungen der Mietsache dann nicht nach § 538 BGB zu vertreten hat,
wenn sie durch einen vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden
(Senatsurteil vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07, NJW 2008, 1439 Rn. 21), und
dass die farbliche Gestaltung der Mieträume während der Dauer des
Mietverhältnisses dem Mieter überlassen ist, somit zum vertragsgemäßen
Gebrauch einer angemieteten Wohnung gehört (Senatsurteile vom 21. September
2011 - VIII ZR 47/11, WuM 2011, 618 Rn. 8; vom 18. Juni 2008 - VIII ZR
224/07, aaO
Rn. 17).
18 Der Mieter verletzt jedoch seine Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241
Abs. 2, § 242 BGB, wenn er die in neutraler Dekoration übernommene Wohnung
bei Mietende in einem Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten
nicht akzeptiert wird. Der Schadenersatzanspruch des Vermieters beruht in
diesem Fall auf §§ 535, 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 242 BGB. Der Schaden des
Vermieters besteht darin, dass er die für breite Mieterkreise nicht
akzeptable Art der Dekoration beseitigen muss.
19 Vermieter und Mieter müssen bei der Gebrauchsüberlassung beziehungsweise
Nutzung der Wohnung auf die Interessen des jeweils anderen Vertragspartners
Rücksicht nehmen (§ 241 Abs. 2, § 242 BGB). So hat der Mieter das
berechtigte Interesse, die Wohnung während der Mietzeit nach seinem
persönlichen Geschmack zu dekorieren, während das berechtigte Interesse des
Vermieters dahin geht, die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses in
einem Dekorationszustand zurückzuerhalten, der dem Geschmack eines größeren
Interessentenkreises entspricht und somit einer baldigen Weitervermietung
nicht entgegensteht (Senatsurteil vom 22. Februar 2012 - VIII ZR 205/11, NJW
2012, 1280 Rn. 12; Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 2010 - VIII ZR 198/10, WuM 2011, 96 Rn. 3, sowie VIII ZR 218/10, WuM 2011, 212 Rn. 3).
20 d) Entgegen der Auffassung der Revision (ebenso Eisenschmid, aaO) folgt
aus der Entscheidung des Senats zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietwohnung
im Falle des Rauchens (Senatsurteil vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07, NJW
2008, 1439) nichts anderes. Denn diese Entscheidung betraf die Frage, wann
beim Rauchen die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten sind;
dort hat der Senat entschieden, dass Rauchen nicht mehr als vertragsgemäßer
Gebrauch der Mietsache anzusehen ist ("exzessives Rauchen"), wenn die damit
verbundenen negativen Auswirkungen auf die Mietsache Schäden verursachen,
die über die Abnutzung der Dekoration hinausgehen und sich dementsprechend
nicht mehr durch bloße Ausführung von Schönheitsreparaturen beseitigen
lassen (Senatsurteil vom 5. März 2008 - VIII ZR 37/07, aaO Rn. 23). Darum
geht es hier indes nicht.
21 Exzessives Rauchen führt zu einer übermäßigen Abnutzung der Mieträume,
die Beseitigungsmaßnahmen erfordert, die über normale Schönheitsreparaturen hinausgehen. Um Abnutzung der Mieträume geht es bei deren
farblicher Gestaltung in ungewöhnlichen Farben jedoch nicht. Maßnahmen zu
deren Beseitigung sind deshalb im Rechtssinne auch keine
Schönheitsreparaturen. Das zeigt schon die schlichte Überlegung, dass das
berechtigte Interesse des Vermieters, die Wohnung am Ende des
Mietverhältnisses mit einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst
vielen Mietinteressenten akzeptiert wird, auch dann ohne Einschränkung zu
bejahen ist, wenn der Mieter die Wohnung vor der Rückgabe in ungewöhnlichen
Farben frisch renoviert hat.
22 3. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Schadenshöhe
werden von der Revision nicht beanstandet und begegnen auch im Übrigen
keinen Bedenken. Zutreffend berücksichtigt das Berufungsgericht, dass die
Beklagten nicht für Abnutzungserscheinungen, die auf einem vertragsgemäßen
Mietgebrauch beruhen, aufzukommen haben, sondern nur die darüber
hinausgehenden Mehrkosten unter Berücksichtigung eines Abzugs "neu für alt"
ersetzen müssen (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 48/09, aaO Rn.
16).
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