Anforderungen an ein Nacherfüllungsverlangen
(Bezeichnung eines bestimmten Mangels); Verjährung von
Gewährleistungsansprüchen, Verjährungshemmung bei elektiver Konkurrenz nach
§ 213 BGB
BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 -
VIII ZR 77/15 - OLG Saarbrücken
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die in § 213 BGB angeordnete
Erstreckung einer Hemmung der Verjährung auf Ansprüche, die aus demselben
Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind,
erfasst die in § 437 BGB aufgeführten Nacherfüllungs- und
Gewährleistungsrechte nur insoweit, als sie auf demselben Mangel beruhen
(Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom
29. April 2015 - VIII ZR 180/14, NJW 2015, 2106
Rn. 25, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Zentrale Probleme:
Ein klassischer, klausurtauglicher Kaufrechtsfall: Der Kl äger
hatte eine Couch erworben und macht zunächst Mängel geltend die tatsächlich
gar nicht bestehen. Aufgrund dieser Mängel erklärt er nach einer
Fristsetzung noch innerhalb der kaufrechtlichen Gewährleistungsfrist des §§
438 Abs. 2 Nr. 3 BGB den Rücktritt vom Vertrag und verlangt den Rechtsstreit
Rückabwicklung des Kaufvertrags. Im Rahmen des Rechtsstreits wird (nunmehr
nach Ablauf der Verjährungsfrist) durch ein Sachverständigengutachten
festgestellt, dass der vom Kläger geltend gemachte Mangel nicht besteht,
jedoch ein anderer, vom Kläger bislang nicht gerügte Mangel vorliegt.
Der Kläger setzt nun erneut eine Frist
zur Nacherfüllung und erklärt nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist wiederum
den Rücktritt wegen des vom Sachverständigen festgestellten Mangels.
Der Senat stellt fest, dass in Bezug auf diesen Mangel zunächst, d.h. noch
innerhalb der Verjährungsfrist, kein wirksames Nacherfüllungsverlangen
vorlag und der Rücktritt deshalb nicht auf diesen Mangel gestützt war.
Nacherfüllungsverlangen und Fristsetzung können also nicht pauschal auf die
Mangelhaftigkeit bezogen werden, sondern der Mangel muss dabei bezeichnet
werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Käufer eine bestimmte
technische Ursache gestützt sein muss, aber er muss die Funktionsstörung
oder die Auswirkung des Mangels bezeichnen.
Das erneute, auf den tatsächlichen Mangel bezogene Nacherfüllungsverlangen
und die erneute Rücktrittserklärung erfolgten nach Ablauf der Verjährung, so
dass der Rücktritt nach §§ 438 IV S. 1, 218 I BGB unwirksam war (denn der
Verkäufer hatte sich auf die Verjährung berufen). Auch § 213 BGB hilft hier
nicht weiter, weil sich die Erstreckung der Hemmung der Verjährung (hier
durch Klageerhebung, § 204 I Nr. 1 BGB) auf konkurrierende Rechtsbehelfe nur
auf solche bezieht, die auf dem geltend gemachten Mangel beruhen (s. dazu
auch BGH NJW
2015, 2106).
Da der Rücktritt selbst nie einer Begründung bedarf, fehlt es hier also
"nur" an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung. Wenn der im Laufe des
Prozesses neu entdeckte Mangel unbehebbar gewesen wäre, hätte der Kläger
also Glück gehabt, weil es eines Nacherfüllungsverlangens nicht bedurft
hätte und der Rücktritt (nach §§ 437 Nr. 2, 326 V, 323 BGB) dann rechtzeitig
erklärt worden war (obwohl auf einen nicht vorliegenden Mangel gestützt).
Die falsche Begründung wäre dann unbeachtlich gewesen, weil es einer
Begründung gar nicht bedurft hätte, wenn nur später (irgend)ein Mangel
nachgewiesen wird.
©sl 2016
Tatbestand:
1 Die Klägerin begehrt die
Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine weiße Ledercouch, die ihr von
der Beklagten am 17. Dezember 2011 zum Preis von 2.850 € geliefert worden
war.
2 Mit Anwaltsschreiben vom 29. November 2012 forderte die Klägerin die
Beklagte unter Fristsetzung zur Beseitigung vermeintlicher Mängel (gelbliche
Verfärbungen, Beulen, Falten) auf. Nach fruchtlosem Fristablauf erklärte die
Klägerin am 21. Dezember 2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
3 Der vom Amtsgericht im vorliegenden Rechtsstreit beauftragte
Sachverständige hat zwar die von der Klägerin gerügten Mängel nicht
bestätigen können, jedoch eine übermäßige Empfindlichkeit des Leders
gegenüber einer Beanspruchung mit nassen Medien (fehlende "Reibechtheit")
festgestellt. Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2014 hat die Klägerin
die Beklagte auch wegen dieses Mangels zur Nacherfüllung aufgefordert und
ihr Rückabwicklungsbegehren im weiteren Prozess auch auf diesen Mangel
gestützt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
4 Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage hat in
den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für
das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
7 Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht
zu. Denn bezüglich der ursprünglich gerügten Fehler sei ein Mangel der
Kaufsache nicht nachgewiesen. Der Rüge der unzureichenden Reibechtheit des
Leders stehe jedenfalls die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede
entgegen. Nacherfüllung wegen dieses Mangels habe die Klägerin erstmals mit
Schriftsatz vom 15. Oktober 2014 verlangt. Zu diesem Zeitpunkt seien die
diesbezüglichen Mängelrechte der Klägerin aber schon verjährt gewesen.
8 Der von der Klägerin vor dem Prozess in unverjährter Zeit erklärte
Rücktritt sei nicht - entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zumindest
"sinngemäß" - auf den Mangel der fehlenden Reibechtheit gestützt gewesen.
Zum einen sei dieser Mangel noch gar nicht bekannt gewesen. Zum anderen
handele es sich bei den zunächst gerügten Mängeln um ein völlig anderes
Schadensbild als bei der fehlenden Reibechtheit.
9 Zwar bedürfe der Rücktritt als solcher keiner Begründung und genüge es,
wenn im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ein Rücktrittsgrund vorliege.
Bezüglich der unzureichenden Reibechtheit habe die Klägerin die Beklagte
aber erstmals mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2014 zur Nacherfüllung
aufgefordert. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei ein
Nacherfüllungsverlangen auch nicht entbehrlich gewesen. Soweit die Beklagte
im Anschluss bezüglich der vorprozessual erhobenen Mängelrügen eine
Nacherfüllung verweigert habe, könne dies nicht als generelle Ablehnung
gegenüber allen etwaigen sonstigen Mängelrügen verstanden werden.
II.
10 Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist
daher zurückzuweisen.
11 Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages
nicht zu. Der einzig noch in Betracht kommende Mangel - die fehlende
Reibechtheit des Leders - rechtfertigt den am 21. Dezember 2012 erklärten
Rücktritt nicht, weil die Klägerin der Beklagten insoweit zuvor
keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat. Der im Laufe des
Rechtsstreits wegen dieses Mangels erneut erklärte Rücktritt ist gemäß § 218
BGB unwirksam, weil der hierauf bezogene Nacherfüllungsanspruch zu diesem
Zeitpunkt bereits verjährt war und sich die Beklagte auf Verjährung berufen
hat.
12 1. Der am 21. Dezember 2012 erklärte Rücktritt ist unwirksam,
weil bezüglich des allein vorliegenden Mangels der fehlenden Reibechtheit
die Aufforderung zur Nacherfüllung erst nach Erklärung des Rücktritts
erfolgt ist.
13 Das Recht des Käufers, wegen Mängeln der Kaufsache nach § 437 Nr. 2, §§
440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten, setzt nach § 323 Abs. 1 BGB voraus,
dass der Käufer dem Verkäufer zuvor gemäß § 439 Abs. 1 BGB Gelegenheit zur
Nacherfüllung gegeben hat. Das Nacherfüllungsverlangen der Klägerin
vom 29. November 2012 bezog sich lediglich auf die von ihr ursprünglich
gerügten - nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts
indes nicht vorhandenen - Mängel, nicht aber auf die erst im Laufe des
Rechtsstreits festgestellte fehlende Reibechtheit.
14 Entgegen der von der Revision unter Verweis auf Schwarze (Das Recht der
Leistungsstörungen, 2008, § 19 Rn. 25; Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb.
2015, § 323 Rn. B 83) und Dauner-Lieb (Festschrift für Canaris, 2007, Band
1, S. 143, 155 ff.) vertretenen Auffassung genügt es nicht, dass der
Gläubiger überhaupt wegen eines Mangels Nacherfüllung begehrt und die dem
Schuldner insoweit gesetzte Frist abgelaufen ist. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats berechtigt dies den Gläubiger (Käufer) gerade
nicht, den Rücktritt nunmehr auf bisher nicht gerügte Mängel zu stützen, zu
deren Beseitigung er den Schuldner (Verkäufer) noch nicht gemäß § 439 BGB
aufgefordert hat. Vielmehr ist für jeden Mangel grundsätzlich eine
eigene Nacherfüllungsaufforderung notwendig (Senatsurteile vom
15. Juni 2011 - VIII ZR 139/09,
NJW 2011, 3708 Rn. 7;
vom 29. Juni 2011 - VIII ZR
202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 17; vgl. ferner Senatsurteil
vom 23. Januar 2013 - VIII
ZR 140/12, NJW 2013, 1523 Rn. 21).
15 Da die Klägerin bezüglich der fehlenden Reibechtheit erst mit Schreiben
vom 15. Oktober 2014 Nacherfüllung verlangt hat, konnte dieser Mangel den
lange zuvor - am 21. Dezember 2012 - erklärten Rücktritt nicht
rechtfertigen.
16 2. Auch der weitere Rücktritt, den die Klägerin stillschweigend
dadurch erklärt hat, dass sie ihre auf Rückabwicklung gestützte Klage im
Verlauf des Prozesses auch auf den Mangel der fehlenden Reibechtheit
gestützt hat, ist unwirksam.
17 a) Allerdings hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 15.
Oktober 2014 auch wegen der fehlenden Reibechtheit unter Fristsetzung
vergeblich zur Nachbesserung aufgefordert. Zu diesem Zeitpunkt war die
zweijährige Verjährungsfrist für den Nacherfüllungsanspruch (vgl. § 438 Abs.
1 Nr. 3, Abs. 2 BGB) jedoch bereits abgelaufen. Denn der
Kaufgegenstand ist am 17. Dezember 2011 abgeliefert worden, so dass der
Nacherfüllungsanspruch mit Ablauf des 17. Dezember 2013 verjährt war. Da die
Klägerin sich auf die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs berufen hat,
war der erst nach Verjährungseintritt erklärte Rücktritt mithin
gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
18 b) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Verjährung des auf die
Beseitigung des Mangels fehlender Reibechtheit zielenden
Nacherfüllungsanspruchs nicht durch die Erhebung der ursprünglichen, am 21.
Januar 2013 eingereichten Klage gehemmt worden.
19 aa) Die Erhebung einer Klage hemmt die Verjährung nach § 204 Abs.
1 Nr. 1 BGB nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit
der Klage geltend gemacht werden (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom
29. April 2015 - VIII ZR 180/14, NJW 2015, 2106
Rn. 17 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Maßgebend
ist damit der den prozessualen Leistungsanspruch bildende Streitgegenstand,
der bestimmt wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger begehrte
Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte
Rechtsfolge hergeleitet wird (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; vgl. nur
Senatsurteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 180/14, aaO mwN). Die vorliegende
Klage ist aber auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache
gerichtet und hat deshalb - offensichtlich - nicht den Anspruch auf
Nacherfüllung wegen der fehlenden Reibechtheit zum Streitgegenstand. Dieser
ist vielmehr lediglich als Vorfrage für die Wirksamkeit des Rücktritts von
Bedeutung.
20 bb) Die Regelung des § 213 BGB führt zu keiner anderen
Beurteilung der Verjährung. Zwar erstreckt diese Bestimmung eine Hemmung der
Verjährung auf Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise neben dem
Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Hiervon werden die in § 437 BGB
aufgeführten Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte jedoch nur insoweit
erfasst, als sie auf demselben Mangel beruhen (vgl.
Senatsurteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 180/14,
aaO Rn. 25).
21 Hieran fehlt es vorliegend. Denn die Klägerin hat die begehrte
Rückzahlung des Kaufpreises bei Erhebung der Klage nur auf die von ihr
zunächst behaupteten Mängel (Verfärbungen, Beulen und Faltenbildungen)
gestützt, so dass dadurch nur die Verjährung der sich aus diesen Mängeln
wahlweise ergebenden Ansprüche gehemmt worden ist, nicht aber
Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte wegen der erstmals mit Schreiben
vom 15. Oktober 2014 gerügten fehlenden Reibechtheit. Es bleibt somit dabei,
dass die Verjährung des auf Nacherfüllung wegen fehlender Reibechtheit
gerichteten Anspruchs der Klägerin mit Ablauf des 17. Dezember 2013
eingetreten ist. Dass die Klägerin die vorliegende Klage zu einem späteren
Zeitpunkt im Jahr 2014 zusätzlich auch auf diesen Mangel gestützt hat, hat
an der bereits eingetretenen Verjährung des diesbezüglichen
Nachbesserungsanspruchs nichts mehr ändern können.
22 cc) Ohne Erfolg beruft sich die Revision zur Frage der Verjährung auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung wegen fehlerhafter
Beratung bei Kapitalanlagen, derzufolge der Streitgegenstand einer
Schadensersatzklage sämtliche einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden
Prospektbeziehungsweise Beratungsfehler umfasst und die Klage daher die
Verjährung insgesamt hemmt (vgl. BGH, Urteile vom 20. August 2015 - III ZR
373/14, WM 2015, 1807 Rn. 20; vom 16. Juli 2015 - III ZR 239/14, juris Rn.
15; vom 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15 ff.; BGH,
Beschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 145; jeweils
mwN).
23 Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass die einer
Anlageentscheidung vorausgegangene Beratung bei natürlicher
Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt, der nicht in
einzelne Aufklärungsund Beratungspflichtverletzungen, die der Anleger der
Bank vorwirft, aufgespalten werden kann. Hieraus lässt sich - entgegen der
Auffassung der Revision -für den vorliegenden Fall nichts herleiten.
Insbesondere stellen unterschiedliche Mängel einer Kaufsache keinen
einheitlichen Lebensvorgang dar und sind deshalb mehrere Streitgegenstände
gegeben, wenn der Verkäufer - wie hier die Klägerin - zunächst wegen eines
Mangels den Rücktritt erklärt und später auch wegen eines anderen Mangels
Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt. Im Übrigen verkennt die Revision,
dass es hier - mit Rücksicht auf die Regelung des § 218 BGB - entscheidend
auf die Verjährung des Anspruchs auf Nacherfüllung wegen des Mangels der
fehlenden Reibechtheit ankommt. Dieser ist durch die vorliegende
Rückabwicklungsklage - wie oben unter II 2 b aa und bb ausgeführt - nicht
gehemmt worden.
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