Klage gegen nicht
parteifähige Person (§ 50 ZPO) - Fiktion der Parteifähigkeit im Streit um
die Parteifähigkeit; Kostenersatz für den Handelnden
BGH v. 27.9.2007 - VII ZB
23/07
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Wird eine nicht
existente Partei verklagt und beruft sie sich auf ihre fehlende rechtliche
Existenz, sind im Kostenfestsetzungsverfahren auch die Aufwendungen
desjenigen zu berücksichtigen, der für die nicht existente Partei einen
Rechtsanwalt beauftragt hat, um die fehlende Parteifähigkeit geltend zu
machen.
Gründe:
I.
1 Der Kläger verlangte von der Beklagten mit der am 14. November 2005
eingereichten Klage Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 642,50 €.
2 Als Prozessbevollmächtigter der Beklagten wurde Rechtsanwalt J.
bezeichnet, dem die Klage zugestellt wurde. Rechtsanwalt J. zeigte die
Verteidigungsbereitschaft an und kündigte mit Schriftsatz vom 25. Dezember
2005 einen Antrag auf Klageabweisung an. In diesem Schriftsatz trug er zur
Sache vor und teilte mit, dass die Beklagte rechtlich nicht mehr existent
sei, so dass die Klage bereits deswegen "als unzulässig zurückzuweisen" sei.
3 Die Beklagte war aufgrund Verschmelzungsvertrags mit der B. GmbH
verschmolzen worden. Die Verschmelzung war am 23. Mai 2005 in das
Handelsregister eingetragen worden.
4 Im Verhandlungstermin vom 12. April 2006 erklärte der erschienene
Rechtsanwalt J., dass er für die Beklagte nicht auftrete. Diese sei nicht
mehr existent. Er wies darauf hin, dass er für den Fall der erneuten
Zustellung an die B. GmbH diese vertrete und zur Entgegennahme der
Zustellung bereit sei.
5 Der Kläger nahm daraufhin die Klage gegen die Beklagte zurück. Mit
Be-schluss vom 6. Juli 2006 legte das Gericht dem Kläger die
außergerichtlichen Kosten der Beklagten auf.
6 Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. November 2006 sind die vom Kläger
an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 211,70 € festgesetzt worden.
7 Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das
Landgericht zurückgewiesen.
8 Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger
seinen Antrag weiter, der Beklagten die Erstattung der Kosten zu versagen.
II.
9 Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2, 575 ZPO statthafte und auch
im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
10 1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, die der Beklagten zu
erstattenden Kosten seien zu Recht gegen den Kläger festgesetzt worden.
11 Die Beklagte sei bereits bei Einreichung der Klage nicht mehr existent
gewesen, weil sie mit der Eintragung der Verschmelzung in das
Handelsregister gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG erloschen sei. In
Übereinstimmung mit der teilweise in der Rechtsprechung der
Oberlandesgerichte vertretenen Ansicht (OLG Hamburg, MDR 1976, 845; OLG
München, NJW-RR 1999, 1264; a.A. OLG Koblenz 14 W 816/99, JurBüro 2000,
2316; KG Berlin, JurBüro 1982, 1562) sei die nicht existente Partei insoweit
als bestehend anzusehen, als sie ihre Nichtexistenz geltend mache. Im Rahmen
eines derartigen Verfahrens könne zugunsten einer nicht bestehenden Partei
auch ein Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen werden, der die notwendigen
Auslagen zum Gegenstand habe, die einem hinter dem rechtlich nicht
existenten Gebilde stehenden Dritten erwachsen würden. Vorliegend sei
Rechtsanwalt J. von der Rechtsnachfolgerin der Beklagten mit der
Geltendmachung der Nichtexistenz der Beklagten beauftragt worden. Die
entstandenen Kosten seien notwendige Kosten der Beklagten und zu ihren
Gunsten gegen den Kläger festzusetzen.
12 2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers ohne Erfolg.
13 a) Eine Prozesspartei, deren Parteifähigkeit im Streit ist, ist nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis zur Entscheidung des
Streits hierüber als parteifähig zu behandeln (BGH, Urteil vom 11. April
1957 - VII ZR 280/56, BGHZ 24, 91, 94; vom 13. Juli 1993 - III ZR 17/93, NJW
1993, 2943, 2944, jeweils m.w.N.). Durch die Fiktion soll erreicht
werden, dass die Partei die Frage der Existenz selbst klären lassen kann.
14 b) Eine insoweit im Rechtsstreit als parteifähig erachtete Partei gilt
auch im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren als parteifähig, ist
mithin auch in diesem Verfahren als existent zu behandeln (vgl. BGH,
Beschluss vom 12. Mai 2004 - XII ZB 226/03, NJW-RR 2004, 1505 m.w.N.). Dies
gilt jedenfalls dann, wenn die beklagte Partei im Rechtsstreit ihre
mangelnde Existenz geltend gemacht hat und dadurch Kosten entstanden sind.
Dabei sind auch die Kosten desjenigen zu berücksichtigen, der für die nicht
existente Partei einen Rechtsanwalt beauftragt hat.
15 c) Dieser Fall ist hier gegeben. Vorliegend hat sich die Beklagte bereits
in der Klageerwiderung neben ihrem Vortrag zur Sache auch auf ihre fehlende
rechtliche Existenz berufen, weshalb die Klage unzulässig sei. In der
Verhandlung vom 12. April 2006 ist Rechtsanwalt J. nicht für die Beklagte
aufgetreten und hat nur noch auf deren fehlende Existenz hingewiesen. In
diesem Hinweis ist eine Tätigkeit des Rechtsanwalts für die Beklagte zu
sehen, auch wenn er zugleich deutlich machen wollte, dass er für sie nicht
in der Sache auftreten könne. Die Beklagte hat sich daher im Termin nicht
zur Sache eingelassen. Zur Entscheidung des Gerichts stand nur die Frage
ihrer Parteifähigkeit. Insoweit war sie als parteifähig zu behandeln und
zwar auch im Kostenfestsetzungsverfahren, nachdem dem Kläger nach Rücknahme
der Klage die Kosten auferlegt worden waren.
16 Bei der Kostenfestsetzung hat das Landgericht demgemäß zu Recht die
Aufwendungen berücksichtigt, die durch die Bestellung des Rechtsanwalts J.
seitens der B. GmbH dafür entstanden sind, dass dieser die fehlende
Parteifähigkeit der Beklagten geltend gemacht hat.
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