Pfändbarkeit der
Internet-Domain: Kein "sonstiges Vermögensrecht" nach § 857 I ZPO;
Pfändbarkeit der schuldrechtlichen Ansprüche des Domaininhabers gegen die
Vergabestelle (hier: DENIC)
BGH, Beschluß vom 5. Juli
2005 - VII ZB 5/05
Fundstelle:
NJW 2005, 3353
Amtl. Leitsatz:
a) Eine
"Internet-Domain" stellt als solche kein anderes Vermögensrecht i. S. v. §
857 Abs. 1 ZPO dar. Gegenstand zulässiger Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO in
eine "Internet-Domain" ist vielmehr die Gesamtheit der schuldrechtlichen
Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem
der Domainregistrierung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zustehen.
b) Die Verwertung der gepfändeten Ansprüche des Domaininhabers gegen die
Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag kann nach §§ 857 Abs. 1, 844
Abs. 1 ZPO durch Überweisung an Zahlungs Statt zu einem Schätzwert erfolgen.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Frage, ob eine Internet-Domain-Adresse (www."sublevelname"[zB
stephan-lorenz]."toplevel" [zB de]) gepfändet
werden kann. Der BGH verneint diese in der Lit. str. Frage für die
Domain-Adresse selbst, hält jedoch die schuldrechtlichen Ansprüche des
Domain-Inhabers gegen die Vergabestelle (hier die Vergabestelle für das
Toplevel ".de", dh die DENIC) für pfändbar. Die Entscheidung ist sowohl
zwangsvollstreckungsrechtlich als auch in Bezug auf die Rechtsnatur der
Internet-Domain sehr lehrreich.
©sl 2005
Gründe:
I. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus
einem Kostenfestsetzungsbeschluß. Sie hat beantragt, die Ansprüche des
Schuldners u. a. gegen die DENIC eG Domain Verwaltungs- und
Betriebsgesellschaft (im folgenden: DENIC) aus den Registrierungsverträgen
auf Aufrechterhaltung der Registrierung sowie Umregistrierung von mehreren
Internet-Domains zu pfänden. Das Amtsgericht hat am 1. November 2001
antragsgemäß einen Pfändungsbeschluß erlassen. Die Gläubigerin hat daraufhin
beantragt, ihr die gepfändeten Ansprüche an Zahlungs Statt zu einem
Schätzwert zu überweisen. Auf die zwischenzeitlich eingelegte Erinnerung des
Schuldners hat das Amtsgericht durch Beschluß vom 28. Februar 2002 den
Pfändungsbeschluß mit der Anordnung aufgehoben, daß die Wirkung der
Aufhebung erst mit Rechtskraft des Beschlusses eintrete. Den Antrag der
Gläubigerin auf Erlaß eines Überweisungsbeschlusses hat es zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt und
die Überweisung der Ansprüche des Schuldners aus den Registrierungsverträgen
mit der DEN IC über zwei näher bezeichnete Domains zu einem Schätzwert an
Zah-lungs Statt beantragt. Gleichzeitig hat sie erklärt, daß sie auf die
durch Pfändungsbeschluß vom 1. November 2001 erworbenen Rechte hinsichtlich
der restlichen Internet-Domains verzichte. Das Beschwerdegericht hat die
sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sie sich
mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und
auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, daß eine Internet-Domain zwar
grundsätzlich pfändbar sei. Mit dem Pfändungsbeschluß habe das Amtsgericht
jedoch nicht Internet-Domains gepfändet, sondern entsprechend dem Antrag der
Gläubigerin die Ansprüche des Schuldners aus den Registrierungsverträgen
über die Internet-Domains. Aus einem mit der DENIC geschlossenen
Registrierungsvertrag stehe dem Schuldner dieser gegenüber aber nicht der
Anspruch zu, die angemeldete Domain-Kennung verwerten zu dürfen. Aus den
Registrierungsbedingungen der DENIC ergebe sich, daß diese die
Domain-Kennung auf einen vom Erstanmelder benannten Dritten übertrage, wenn
der Erstanmelder den Registrierungsvertrag kündige und der Dritte einen
Auftrag zur Registrierung erteile. Die DENIC könne den Registrierungsauftrag
ablehnen, solange ein sonstiger Dritter ein Recht auf die Domain-Kennung
geltend mache. Hieraus sowie aus den vergleichbaren Regelungen in § 2 der
Registrierungsbedingungen zum Verfahren bei der Erstanmeldung werde
deutlich, daß es keine für den Rechtserwerb des Erstanmelders konstitutive
Mitwirkung der DENIC in Form der Registrierung und keine für den
Rechtserwerb eines Dritten konstitutive Mitwirkung der DENIC in Form der
Übertragung gebe. Damit habe die Gläubigerin objektiv nur den Anspruch auf
Mitwirkung der DENIC gepfändet, der für den Fall bestehe, daß der Schuldner
das Recht zur Führung der Domain-Kennung auf einen Dritten übertragen habe.
Das Übertragungsrecht des Schuldners sei dagegen nicht gepfändet worden.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Beschwerdegerichts,
daß sich die Gläubigerin mit ihrer sofortigen Beschwerde nur noch insoweit
gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 28. Januar 2002 gewandt hat, als mit
diesem ihr Antrag auf Pfändung der Ansprüche des Schuldners gegen die DENIC
aus den Registrierungsverträgen hinsichtlich der beiden Internet-Domains
zurückgewiesen worden ist. Eine derartige Beschränkung des Rechtsmittels
durch die Gläubigerin ist hinreichend deutlich dadurch zum Ausdruck
gekommen, daß diese mit Schriftsatz vom 25. April 2002 auf die durch
Beschluß des Amtsgerichts vom 1. November 2001 erworbenen Ansprüche des
Schuldners aus den Registrierungsverträgen über die restlichen
Internet-Domains verzichtet hat. Beanstandungen gegen dieses Verständnis des
Beschwerdegerichts vom Umfang des Rechtsmittels der Gläubigerin erhebt die
Rechtsbeschwerde nicht.
b) Rechtsfehlerhaft ist aber die Auffassung des Beschwerdegerichts, daß die
Pfändung der Gläubigerin ins Leere gegangen sei, weil das Amtsgericht mit
dem Pfändungsbeschluß nicht die Internet-Domains, sondern nur die Ansprüche
des Schuldners aus den Registrierungsverträgen mit der DEN IC gepfändet
habe. Letztere stellen ein pfändbares "anderes Vermögensrecht" im Sinne von
§ 857 Abs. 1 ZPO dar, auf das die Gläubigerin in rechtlich zulässiger und
wirtschaftlich sinnvoller Weise im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen
konnte.
aa) Als Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO pfändbar sind Rechte aller
Art, die einen Vermögenswert derart verkörpern, daß die Pfandverwertung zur
Befriedigung des Geldanspruchs des Gläubigers führen kann (vgl. Zöller/Stöber,
ZPO, 25. Aufl., § 857 Rdn. 2). Ob eine "Internet-Domain" als ein derartiges
pfändbares Vermögensrecht i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO anzusehen ist, ist in
Literatur und Rechtsprechung umstritten.
Nach einer Auffassung stellt bereits eine Internet-Domain als solche ein
absolutes Recht dar, welches nach § 857 Abs. 1 ZPO pfändbar ist. Diese
Ansicht wird teilweise damit begründet, daß es sich bei einer
Internet-Domain um ein Recht sui generis, vergleichbar mit einer Lizenz,
handele, und somit die Übertragbarkeit und Pfändbarkeit gegeben sei (LG
Essen, Rpfleger 2000, 168). Überwiegend wird diese Auffassung vertreten,
ohne daß sie näher begründet wird (vgl. z. B. LG Düsseldorf, JurBüro 2001,
548; Schneider, ZAP 1999, 355, 356; Schmittmann, DGVZ 2001, 177, 179 f; Plaß,
WRP 1077, 1081).
Vereinzelt wird die Pfändbarkeit einer Internet-Domain verneint (LG München
I, CR 2001, 342 ff). Eine Internet-Domain könne mangels eines der
Domainvergabe vorgeschalteten Prüfungsverfahrens durch die DEN IC nicht als
ein vom Inhaber losgelöstes Recht angesehen werden mit der Folge, daß diese
nicht der Pfändung unterliege.
bb) Nach anderer und richtiger Auffassung stellen die schuldrechtlichen
Ansprüche, die dem Inhaber einer Internet-Domain gegenüber der DENIC oder
einer anderen Vergabestelle zustehen, ein Vermögensrecht i. S. v. § 857 Abs.
1 ZPO dar (vgl. z. B. LG Mönchengladbach, Rpfleger 2005, 38; AG
Langenfeld, CR 2001, 477; Welzel, MMR 2001, 131, 132; Berger, Rpfleger 2002,
181, 182 f; Hanloser, CR 2001, 456, 458; Musielak/Becker, ZPO, 4. Aufl., §
857 Rdn. 13 a; Stein/Jonas-Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 857 Rdn. 80).
(1) Eine Internet-Domain als solche ist kein "anderes Vermögensrecht" i.
S. v. § 857 Abs. 1 ZPO. Der Domain kommt keine etwa mit einem Patent-,
Marken- oder Urheberrecht vergleichbare ausschließliche Stellung zu. Diese
Rechte zeichnen sich dadurch aus, daß sie ihrem Inhaber einen
Absolutheitsanspruch gewähren, der vom Gesetzgeber begründet worden ist und
nicht durch Parteivereinbarung geschaffen werden kann. Eine Internet-Domain
ist lediglich eine technische Adresse im Internet. Die ausschließliche
Stellung, die darauf beruht, daß von der DENIC eine Internet-Domain nur
einmal vergeben wird, ist allein technisch bedingt. Eine derartige, rein
faktische Ausschließlichkeit begründet kein absolutes Recht i. S. v. § 857
Abs. 1 ZPO (vgl. BVerfG, Beschluß vom 24. November 2004 - 1 BvR 1306/02,
NJW 2005, 589; BGH, Urteil vom 22. November 2001 - IZR 138/99, BGHZ 149,
191, 205; Kleespies, GRUR 2002, 764, 766; Berger, Rpfleger 2002, 181, 182;
a. A.: Koos, MMR 2004, 359, 360 f.; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 3
MarkenG, Rdn. 301).
(2) Die Inhaberschaft an einer "Internet-Domain" gründet sich auf die
Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain
gegenüber der Vergabestelle aus dem Registrierungsvertrag zustehen (vgl.
auch BVerfG, Beschluß vom 24. November 2004 - 1 BvR 1306/02, NJW 2005, 589).
Diese Ansprüche sind Gegenstand der Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO.
Mit Abschluß des Vertrages über die Registrierung einer Internet-Domain
erhält der Anmelder der Domain einen Anspruch auf Registrierung nach Maßgabe
der DENIC-Registrierungsbedingungen und -richtlinien. Dieser Anspruch ist
gerichtet auf Eintragung der Domain in das DENIC-Register und den Primary
Nameserver. Mit der Eintragung erlischt zwar dieser Anspruch nach § 362 Abs.
1 BGB. Aus § 7 Abs. 1 der von der Gläubigerin vorgelegten
Registrierungsbedingungen der DENIC ergibt sich aber, daß der Vertrag auf
Dauer geschlossen ist. Aus diesem Dauerschuldverhältnis schuldet die
DENIC dem Anmelder nach der erfolgten Konnektierung insbesondere die
Aufrechterhaltung der Eintragung im Primary Nameserver als Voraussetzung für
den Fortbestand der Konnektierung. Daneben bestehen weitere Ansprüche des
Domaininhabers wie die auf Anpassung des Registers an seine veränderten
persönlichen Daten oder ihre Zuordnung zu einem anderen Rechner durch
Änderung der IP-Nummer (vgl. Welzel, MMR 2001, 131, 132; Berger,
Rpfleger 2002, 181, 182 f; Kleespies, GRUR 2002, 764, 766).
c) Der Antrag der Gläubigerin ist daher darauf gerichtet, diese
schuldrechtlichen Ansprüche des Schuldners aus dem Vertragsverhältnis mit
der DENIC zu pfänden.
Dem steht nicht entgegen, daß die Gläubigerin lediglich beantragt hat, die
Ansprüche des Schuldners aus den Registrierungsverträgen mit der DENIC auf
Aufrechterhaltung der Registrierung sowie auf Umregistrierung zu pfänden.
Mit dem Anspruch auf Aufrechterhaltung der Registrierung hat die Gläubigerin
den Hauptanspruch des Schuldners aus dem Registrierungsvertrag mit der DENIC
gepfändet. Die dem Schuldner aus diesem Vertragsverhältnis weiter
zustehenden Ansprüche sind nicht isoliert verwertbar und damit nicht einzeln
pfändbar (vgl. dazu allgemein Musielak/Becker, ZPO, 4. Aufl., § 857 Rdn. 3).
Die Pfändung des Anspruchs auf Aufrechterhaltung der Registrierung aus einem
Vertrag des Domaininhabers mit der DENIC umfasst daher auch alle weiteren
sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche (vgl. Berger,
Rpfleger 2002, 181, 183).
3. Die Verwertung der gepfändeten Ansprüche des Schuldners gegen die DENIC
kann, wie von der Gläubigerin beantragt, nach §§ 857 Abs. 1, 844 Abs. 1 ZPO
durch Überweisung an Zahlungs Statt zu einem Schätzwert erfolgen (vgl. dazu
Berger, Rpfleger 2002, 181, 185; Welzel, MMR 2001, 131, 138; Schmittmann,
DGVZ 2001, 177, 180; Plaß, WRP 2000, 1077, 1085; Hart-mann/Kloos, CR 2001,
469). Dazu, ob der von der Gläubigerin angegebene Wert zutreffend ist, hat
das Beschwerdegericht, aus seiner Sicht folgerichtig, keine Feststellungen
getroffen. Dem Senat ist daher eine eigene Entscheidung nach § 577 Abs. 5
ZPO jedenfalls insoweit nicht möglich. Der Senat hält es für angezeigt, das
gesamte Verfahren an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses
die noch erforderlichen Feststellungen trifft.
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