Umfang der
Kostenerstattungspflicht nach § 91 ZPO: Erstattungsfähigkeit der Kosten
eines Privatgutachtens
BGH, Beschluss vom 25.
Januar 2007 - VII ZB 74/06
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
1. Die
erstattungsfähigen Kosten eines prozessbegleitend eingeholten
Privatgutachtens können nicht deshalb der Höhe nach begrenzt werden, weil
die Partei ihrem Gegner den Kostenrahmen des Gutachtens nicht vor dessen
Einholung mitgeteilt hat.
2. Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten richtet sich nicht nach den
Vergütungssätzen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG).
Gründe:
I.
1 Die Beklagte begehrt die Festsetzung von Kosten für ein privates
Sachverständigengutachten.
2 Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung restlichen Werklohns in Anspruch
genommen. Im Berufungsrechtszug hat das Oberlandesgericht ein
Sachverständigengutachten eingeholt, für das der Sachverständige eine
Vergütung in Höhe von 8.660,56 € in Rechnung gestellt hat. Dieses Gutachten
hat die Beklagte unter Bezugnahme auf ein von ihr eingeholtes Gutachten des
Sachverständigen Z. angegriffen.
3 Die Beklagte hat beantragt, die ihr für die Einholung des Gutachtens des
Sachverständigen Z. entstandenen Kosten in Höhe von 47.062,50 € netto
festzusetzen. Das Landgericht hat antragsgemäß entschieden. Auf die
sofortige Beschwerde des Klägers hat das Beschwerdegericht den
Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert und die streitgegenständlichen Kosten
auf 13.000 € festgesetzt.
4 Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die
Beklagte die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Klägers gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts, hilfsweise die
Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das
Beschwerdegericht.
II.
5 Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, 575 ZPO statthafte
und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat im Hilfsantrag Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
6 1. Das Beschwerdegericht meint, die Kosten des prozessbegleitenden
Privatgutachtens seien nach den Grundsätzen der prozessualen
Kostenerstattung nur in einem Umfang von 13.000 € erstattungsfähig. Es könne
offen bleiben, welcher Zeitaufwand im Einzelnen für die Erstellung des
privaten Gutachtens erforderlich gewesen sei. Auch auf die Frage, ob die
Vergütung des Sachverständigen sich in einem durch die Entschädigungssätze
des JVEG vorgezeichneten Rahmen zu bewegen hat, komme es im Ergebnis nicht
entscheidend an, wenngleich das Beschwerdegericht zur Annahme einer solchen
Begrenzung neige. Die Beklagte habe die sich aus Treu und Glauben, § 242
BGB, bzw. dem Gesichtspunkt der Schadensminderung, § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB,
ergebende Obliegenheit verletzt, dem Kläger den Kostenrahmen des
außergerichtlich eingeholten Gutachtens vorab mitzuteilen. Diese
Obliegenheit ergebe sich aus dem kostenrechtlichen Transparenzgebot. Das
Kostenrecht schütze die Parteien vor unabsehbaren Kostenfolgen und
ermögliche ihnen, ihr Prozessverhalten daran auszurichten. Dieser Schutz
dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass eine Partei auf eigene Faust
außerprozessuale Aufwendungen in einer das gesetzliche Kostenrecht weit
übersteigenden Größenordnung tätige, ohne dabei der Gegenseite zumindest
vorab Kenntnis und somit Gelegenheit zu einer Änderung ihrer Prozessplanung
zu geben. Hätte der Kläger gewusst, dass auf ihn im Unterliegensfall zu dem
gesetzlich zu erstattenden Gesamtbetrag von rund 18.000 € zusätzliche
Gutachterkosten von 47.000 € hinzu kämen, erscheine es abstakt betrachtet
als nicht ausgeschlossen, dass er bei einer Chancen-Risiko-Analyse
möglicherweise anders disponiert und eine Klagerücknahme in Betracht gezogen
oder zumindest einen Teil der streitigen Sachfragen unstreitig gestellt
hätte, um den Untersuchungsaufwand zu verringern. Da die Beklagte ihm den
Kostenrahmen des Gutachtens vorab nicht mitgeteilt habe, habe der Kläger
allenfalls mit zusätzlichen Kosten in der Größenordnung des vorhandenen
Gerichtsgutachtens einschließlich eines gewissen Toleranzspielraums zu
rechnen gehabt. Lediglich diese Kosten, die das Beschwerdegericht als nicht
höher als 13.000 € bemesse, könne die Beklagte im
Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen. Hinsichtlich der weitergehenden
Kosten sei sie auf einen im Klagewege zu verfolgenden materiellen
Kostenerstattungsanspruch zu verweisen.
7 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die
erstattungsfähigen Kosten eines prozessbegleitend eingeholten
Privatgutachtens können nicht deshalb der Höhe nach begrenzt werden, weil
die Partei ihrem Gegner den Kostenrahmen des Gutachtens nicht vor dessen
Einholung mitgeteilt hat.
8 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht sind in § 91 ZPO geregelt. Nach
§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des
Rechtsstreit zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu
erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung notwendig waren. Mit dieser Regelung ist einerseits
klargestellt, dass die unterliegende Partei nicht alle in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Rechtsstreit verursachten Kosten zu tragen und zu
erstatten hat, sondern nur diejenigen, die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Andererseits sind
damit die Voraussetzungen der Kostenpflicht auch abschließend festgelegt.
Sind demnach bestimmte Kosten einer Partei als notwendig im Sinne von § 91
Abs. 1 ZPO anzusehen, sind diese von der unterliegenden Partei ohne weiteres
zu tragen. Die Auffassung des Beschwerdegerichts, wonach die
vollständige Erstattungsfähigkeit bestimmter Kosten von der Erfüllung
zusätzlicher Voraussetzungen abhängig ist, entbehrt daher der rechtlichen
Grundlage.
9 Für die Annahme einer der erstattungsberechtigten Partei obliegenden
Vorabankündigung in der vom Beschwerdegericht angenommenen Art und Weise
besteht auch kein Bedürfnis, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des
kostenrechtlichen Transparenzgebots. Da nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur die
notwendigen Kosten zu erstatten sind, kann die unterliegende Partei
lediglich mit den Kosten des Gegners belastet werden, die eine verständige
Partei für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder -verteidigung als
sachdienlich ansehen musste. Mit derartigen Kosten muss eine Partei im
Rahmen eines zivilrechtlichen Rechtsstreits grundsätzlich rechnen. Einer
vorherigen Ankündigung derartiger Kosten seitens ihres Gegners bedarf es
nicht.
III.
10 Die Beschwerdeentscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der
angefochtene Beschluss ist, soweit er zum Nachteil der Beklagten ergangen
ist, aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Dieses wird bei der
weiteren Prüfung zu berücksichtigen haben:
11 Von keiner der Parteien wird in Zweifel gezogen, dass die Einholung
des privaten Sachverständigengutachtens zur zweckentsprechenden
Rechtsverteidigung der Beklagten notwendig war und deshalb von einer
Erstattungsfähigkeit dem Grunde nach auszugehen ist (vgl. dazu z.B. BGH,
Urteil vom 13. April 1989 - IX ZR 148/88, NJW 1990, 122, 123). Ob dies für
alle Teile des Gutachtens gilt und in welchem Umfang die für dieses
aufgewandten Kosten notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO waren, wird
hingegen einer eingehenden Prüfung bedürfen , insbesondere hinsichtlich der
Angemessenheit der ermittelten Stundenzahl und des in Ansatz gebrachten
Stundensatzes. Insoweit wird es auf die in Rechtsprechung und Literatur
streitige Frage ankommen, ob und inwieweit zur Angemessenheitsprüfung die
Regelungen des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes (JVEG)
herangezogen werden können (vgl. dazu Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91
Rdn. 86; MünchKommZPO-Belz, 4. Aufl., § 91 Rdn. 56; Zöller/Herget, ZPO, 26.
Aufl. § 91 Rdn. 13 "Privatgutachten", jeweils m. w. N.; OLG Zweibrücken,
NJW-RR 1997, 613, 614; OLG Koblenz, Jur-Büro 1996, 90, 91; OLG Köln, BauR
1989, 372; OLG München, JurBüro 1987, 897, 898). Dabei wird zu beachten
sein, dass hinsichtlich der Frage der Angemessenheit des Stundenlohns des
Sachverständigen die Sätze des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes
- JVEG - (oder gegebenenfalls noch des Gesetzes über die Entschädigung von
Zeugen und Sachverständigen - ZSEG -) nicht unmittelbar herangezogen werden
dürfen, da dieses lediglich das dem gerichtlichen Sachverständigen
zustehende Honorar regelt. Auch eine entsprechende Anwendung kommt nicht
in Betracht, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einer Partei
in der Regel möglich sein wird, einen geeigneten Sachverständigen zu den im
JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen. Weichen allerdings die
Stundensätze des Privatgutachters ganz erheblich von den im JVEG
vorgesehenen Sätzen ab, so bedarf es einer besonderen Darlegung ihrer
Notwendigkeit.
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