Wegfall des Gegenleistungsanspruchs bei
Unmöglichkeit (§ 275 I, § 326 I 1 BGB); absolutes Fixgeschäft;
Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und (vorrangige) ergänzende Vertragsauslegung
BGH, Urteil vom 27. April 2023 - VII ZR 144/22 - LG
Gießen
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
1. Verpflichtet sich eine Fotografin zur
fotografischen Begleitung einer kirchlichen Hochzeit und der sich
anschließenden Feier, wird die geschuldete Leistung nicht deshalb unmöglich,
weil die vom Brautpaar mit 104 Gästen geplante Hochzeit und Feier aufgrund
der Beschränkungen durch eine Corona-Schutzverordnung in diesem Umfang nicht
durchgeführt werden kann und deshalb verlegt wird. 2. Zu einer
ergänzenden Vertragsauslegung bei pandemiebedingter Verlegung einer Hochzeit
und Hochzeitsfeier.
Zentrale Probleme:
Ein klassischer Klausurfall: Ein Brautpaar engagiert für
eine Hochzeitsfeier einen Fotografen, verschiebt dann aber den Termin, weil
wegen der Corona-Restriktionen die Hochzeit nicht mit der geplanten
Gästezahl hätte stattfinden können. Für den Nachholtermin engagiert es einen
anderen Fotografen und verlangt die Anzahlung zurück. Der Senat legt
überzeugend dar, dass keine (rechtliche) Unmöglichkeit i.S.v. § 275 I BGB
vorlag, so dass der Gegenleistunsganspruch nicht nach § 326 I 1 BGB
weggefallen ist und deshalb auch die Anzahlung nicht nach §§ 326 IV, 346 I
BGB zurückgefordert werden kann. Deshalb stellt sich auch die Frage nicht,
ob es sich um ein absolutes Fixgeschäft gehandelt hat. Auch ein Rücktritt
nach § 313 III BGB (Geschäftsgrundage) kommt nicht in Betracht, weil die -
vorrangige - (ergänzende) Vertragsauslegung eine Regelung für den Fall der
Verlegung der Hochzeit ergibt. Zutreffend legt der Senat dann die
Rücktrittserklärung der Kläger als eine solche nach § 648 S. 1 BGB aus: Der
Vertrag ist ein Werkvertrag, den der Besteller jederzeit kündigen kann. Dann
bleibt jedoch der Vergütungsanspruch des Werkunternehmers nach § 648 S. 2
BGB abzüglich ersparter Aufwendungen aufrechterhalten.
©sl 2023
Tatbestand:
1 Die Kläger beabsichtigten, am 1.
August 2020 kirchlich zu heiraten. Nachdem der Fotograf, der die
standesamtliche Trauung begleitet hatte, zu diesem Termin verhindert war,
wandten sich die Kläger an die Beklagte. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2019
bedankte sich die Beklagte für "die Beauftragung" und stellte für "Reportage
Hochzeit 01.08.2020 (1. Teilbetrag)" 1.231,70 € in Rechnung. Unter dem 5.
November 2019 unterzeichneten die Kläger ein von der Beklagten stammendes
Vertragsformular mit folgendem Inhalt:
2 Die Kläger überwiesen die geforderten
1.231,70 €, die Hälfte des Gesamtbetrags von 2.463,40 €, am 7. November
2019. Am 11. November 2019 unterzeichnete die Beklagte das Vertragsformular.
3 In den im Vertragsformular in Bezug genommenen "Allgemeinen
Geschäftsbedingungen", die dem Vertrag beigefügt waren, heißt es unter III.,
7., Satz 1:
"Verzögert sich die Durchführung des Auftrags aus
Gründen, die der Auftraggeber zu vertreten hat, oder infolge höherer Gewalt
oder Witterungseinflüssen, so kann die Fotografin eine angemessene Erhöhung
des Honorars verlangen."
4 Die Kläger beabsichtigten, zu
ihrer kirchlichen Hochzeit 104 Gäste einzuladen. Die Durchführung der so
geplanten Hochzeit war aufgrund von Beschränkungen im Rahmen der
Corona-Pandemie nicht möglich. Die Kläger planten deshalb neu eine
Hochzeitsfeier für den 31. Juli 2021 und teilten der Beklagten mit E-Mail
vom 15. Juni 2020 mit, für den neuen Termin den Fotografen beauftragen zu
wollen, der am 1. August 2020 verhindert gewesen sei.
Daraufhin forderte die Beklagte ein weiteres Honorar von 551,45 €, was die
Kläger ablehnten. Diese verlangten vielmehr die Rückzahlung der bereits
überwiesenen 1.231,70 € und erklärten wegen einer Störung der
Geschäftsgrundlage den "Rücktritt von dem vorstehend bezeichneten Vertrag
bzw. dessen Kündigung".
5 Mit ihrer Klage begehren die
Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.231,70 € und
zusätzlicher 309,40 € für außergerichtliche Kosten sowie die Feststellung,
dass sie nicht verpflichtet sind, weitere 551,45 € an die Beklagte zu
zahlen. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr
Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg.
I.
6 Das
Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
7 Die Kläger hätten
nicht dargelegt, dass die Durchführung der Feierlichkeiten aufgrund der
"Corona-Beschränkungen" vollständig unmöglich gewesen sei. Die Beklagte
hätte daher die vereinbarte Fotodokumentation erstellen können, wenn auch in
einem kleineren persönlichen Rahmen als geplant. Zudem handele es sich bei
dem vereinbarten Fototermin nicht um ein absolutes oder
relatives Fixgeschäft. Die Kläger hätten die Leistung der Beklagten zu einem
späteren Hochzeitstermin in Anspruch nehmen können.
8 Eine
Störung der Geschäftsgrundlage sei nicht anzunehmen. Die Kläger hätten keine
Umstände dargelegt, weshalb ein Festhalten am Vertrag unzumutbar sei. Die
Entscheidung für einen anderen Fotografen falle in ihren Risikobereich.
9 Den Klägern stehe aber ein freies Kündigungsrecht nach § 648 BGB
zu, das sie ausgeübt hätten. Deshalb habe die Beklagte einen Anspruch auf
die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen oder eines
anderweitigen Erwerbs. Die Beklagte habe unstreitig vorgetragen, 364,40 €
(Fahrtkosten 64,40 €; Kosten für Bildabzüge 300,- €) erspart und keinen
anderweitigen Erwerb gehabt zu haben.
10 Die Beklagte könne deshalb
die gezahlten 1.231,70 € behalten. Zudem stehe ihr ein weitergehender
Vergütungsanspruch in Höhe von 551,45 € zu, weshalb der Feststellungsantrag
unbegründet sei. Da diese Klageanträge keinen Erfolg hätten, könne
schließlich die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht mit Erfolg
verlangt werden.
II.
11 Das hält im Ergebnis der rechtlichen
Nachprüfung stand.
12 Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts steht den Klägern kein Anspruch auf Rückzahlung
von 1.231,70 € aufgrund einer nachträglichen Unmöglichkeit
(1.), einer Störung der Geschäftsgrundlage oder
ergänzender Vertragsauslegung (2.) zu. Soweit sich ein
Anspruch aus einer Vertragspflichtverletzung der Beklagten ergeben könnte,
sind die Kläger nach Treu und Glauben gehindert, diesen Anspruch
geltend zu machen (3.). Schließlich steht der Beklagten ein
weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von mindestens 551,45 € zu (4.).
13 1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Anspruch der
Kläger auf Rückzahlung der 1.231,70 € aus § 346 Abs. 1, § 326 Abs. 5, § 326
Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 631 Abs. 1 BGB verneint.
14 a) Nach
diesen Vorschriften ist ein Anspruch auf Herstellung des versprochenen Werks
ausgeschlossen, wenn die Erfüllung dieser Pflicht für den Schuldner
oder für jedermann unmöglich ist. In diesem Fall entfällt grundsätzlich
der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung. Soweit diese bereits
bewirkt worden ist, kann das Geleistete zurückgefordert werden.
Zugunsten der Kläger findet diese Anspruchsgrundlage keine Anwendung, weil
die von der Beklagten versprochene Werkleistung "1.8.2020, Hochzeitspaket
Unser Tag XXL (10 h)" nicht unmöglich geworden ist.
15 b) Der Beklagten war es trotz der zum Zeitpunkt der geplanten
Hochzeitsfeier in Hessen geltenden Verordnung zur Beschränkung von sozialen
Kontakten und des Betriebs von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der
Corona Pandemie vom 7. Mai 2020 (GVBl. 2020, 302) in der Fassung vom 1. Juli
2020 (GVBl. 2020, 473; im Folgenden: Corona-Verordnung Hessen) möglich,
fotografische Leistungen für eine kirchliche Hochzeit, eine Hochzeitsfeier
sowie eine "Brautpaarsession: Am Schloß, Schloßpark" zu erbringen.
16
aa) In § 6 Abs. 1 Satz 1 der Corona-Verordnung Hessen war geregelt, dass die
Erbringung von Dienst- und Beratungsleistungen einschließlich
Handwerkstätigkeiten "möglichst ohne unmittelbaren persönlichen
körperlichen Kontakt" erfolgen sollte. Im Übrigen forderte § 6 Abs. 1 Satz 2
der Corona-Verordnung Hessen die Einhaltung der Empfehlungen des Robert
Koch-Instituts zu Hygiene, insbesondere zu Kontakten und Sicherheitsabstand.
Die Herstellung von Fotografien aus Anlass einer Hochzeit war damit nicht
untersagt. Es sollte nur "möglichst" ein unmittelbarer körperlicher Kontakt
vermieden werden, der bei der Herstellung von Fotografien aus Anlass einer
Hochzeit zwischen der Fotografin einerseits und den zu fotografierenden
Personen andererseits ohnehin nicht erforderlich ist.
17 bb) Darüber
hinaus war der Beklagten die Herstellung von Fotografien auch nicht
mittelbar deshalb unmöglich, weil kirchliche Trauungen und Hochzeitsfeiern
aufgrund der Corona-Verordnung Hessen generell untersagt gewesen wären.
18 Nach § 1 Abs. 2a der Corona-Verordnung Hessen waren Zusammenkünfte
von Glaubensgemeinschaften zur gemeinsamen Religionsausübung zulässig, wenn
ein Abstand zwischen den teilnehmenden Personen von 1,5 m eingehalten werden
konnte. Eine kirchliche Trauung der Kläger war deshalb möglich. Das
gilt ebenso für die Hochzeitsfeier. Nach § 1 Abs. 2b der
Corona-Verord-nung Hessen waren Zusammenkünfte und Veranstaltungen von bis
zu 250 Personen erlaubt, wenn ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten
werden konnte. Schließlich war es nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der
Corona-Verordnung Hessen erlaubt, sich in einem öffentlichen Raum in einer
Gruppe von bis zu 10 Personen aufzuhalten, so dass die "Brautpaarsession: Am
Schloß, Schloßpark" verwirklicht werden konnte.
19 cc) Soweit
die Kläger die Hochzeit und die Hochzeitsfeier wegen der nicht
einzuhaltenden Abstände von mindestens 1,5 m nicht im geplanten Umfang (104
Gäste) durchführen konnten, führt das nicht zu einer anderen
rechtlichen Beurteilung. Die in der Corona-Verordnung Hessen geregelten
(bloßen) Einschränkungen, deren Adressat die Kläger als Veranstalter von
Hochzeit und Hochzeitsfeier waren, standen nicht der von der Beklagten
geschuldeten fotografischen Leistung entgegen (vgl. BGH, Urteil vom
2. März 2022 - XII ZR 36/21 Rn. 21, NJW 2022, 1382; Urteil vom 11. Januar
2023 - XII ZR 101/21 Rn. 18, MDR 2023, 349).
20 c) Auf dieser
Grundlage kommt es auf die Frage, ob es sich bei der Beauftragung einer
Fotografin für eine Hochzeit um ein absolutes Fixgeschäft handelt, nicht an.
21 2. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend
einen Anspruch der Kläger auf Rückzahlung von 1.231,70 € aus § 346 Abs. 1, §
313 Abs. 3 Satz 1 BGB verneint. Nach diesen Vorschriften kann im
Fall einer Störung der Geschäftsgrundlage, bei der eine Anpassung des
Vertrags nicht möglich oder einem Vertragsteil nicht zumutbar ist, der
benachteiligte Vertragsteil vom Vertrag zurücktreten und das von ihm
Geleistete zurückfordern. Diese Anspruchsgrundlage findet zugunsten
der Kläger bereits wegen des Vorrangs der ergänzenden Vertragsauslegung (§§
133, 157 BGB) keine Anwendung. Die ergänzende Vertragsauslegung
führt zu dem Ergebnis, dass den Klägern aufgrund der Nichtdurchführung von
Hochzeit und Hochzeitsfeier am 1. August 2020 kein Rücktrittsrecht und
demgemäß auch kein Rückzahlungsanspruch nach § 346 Abs. 1 BGB zustand. Der
Senat kann diese Auslegung selbst vornehmen, da weitere tatsächliche
Feststellungen nicht zu erwarten sind (BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - VII ZR
157/17 Rn. 29 m.w.N, BauR 2018, 1403 = NZBau 2018, 524).
22 a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die
ergänzende Vertragsauslegung Vorrang vor den Grundsätzen über die Störung
der Geschäftsgrundlage (BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - VII ZR
157/17 Rn. 36 m.w.N., BauR 2018, 1403 = NZBau 2018, 524; Urteil vom 16. Juli
2020 - VII ZR 204/18 Rn. 18, BauR 2020, 1771 = NZBau 2020, 637). Der
Anwendungsbereich von § 313 BGB ist deshalb erst eröffnet, wenn sich ein
Ereignis infolge einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse der
Beurteilung nach dem Vertragswillen entzieht (BGH, Urteil vom 26.
April 2017 - IV ZR 126/16 Rn. 17, NJW 2017, 2191; Urteil vom 28. Mai 2013 -
II ZR 67/12 Rn. 26, BGHZ 197, 284). Das ist vorliegend jedenfalls
deshalb nicht der Fall, weil die Parteien in ihrem Vertrag
Regelungen aufgenommen haben, die eine Verzögerung der Veranstaltung oder
einen Ausfall der Beklagten unter anderem aufgrund höherer Gewalt zum
Gegenstand haben (beispielsweise Ziff. III., 7. der dem Vertrag
beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen).
23 b) Der
Vertrag weist die für eine ergänzende Vertragsauslegung notwenige
Regelungslücke auf.
24 aa) Eine Regelungslücke ist
gegeben, wenn ein Vertrag eine planwidrige Unvollständigkeit aufweist. Das
ist dann der Fall, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst
offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für
nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und sich diese Annahme nachträglich
als unzutreffend herausstellt. Dabei kann von einer planwidrigen
Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung
vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrundeliegenden
Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung
des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen
ist (BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - VII ZR 157/17 Rn. 23 m.w.N.,
BauR 2018, 1403 = NZBau 2018, 524).
25 bb) Eine solche Regelungslücke
liegt vor. Die Parteien haben keine Vereinbarung darüber getroffen,
welche Rechte den Klägern zustehen, wenn diese aufgrund von Beschränkungen
im Rahmen einer Pandemie die Hochzeit und die Hochzeitsfeier nicht so wie
von ihnen geplant durchführen können und deshalb den Hochzeitstermin
verschieben. Ziff. III., 7. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
zum Vertrag betrifft zwar den Fall der "Verzögerung", worunter
möglicherweise auch eine "Verlegung" verstanden werden kann, regelt
aber keine Rechte der Kläger als Besteller. Ohne Vervollständigung
des Vertrags ist es deshalb nicht möglich, einen angemessenen
Interessenausgleich zwischen den Parteien herbeizuführen.
26 c) aa)
Diese ausfüllungsbedürftige Regelungslücke ist in
ergänzender Auslegung des Vertrags zu schließen. Dafür ist entscheidend, was
die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu
und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den
nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH, Urteil vom 8. August
2019 - VII ZR 34/18 Rn. 28, BGHZ 223, 45; Urteil vom 17. Mai 2018 - VII ZR
157/17 Rn. 30 m.w.N., BauR 2018, 1403 = NZBau 2018, 524). Dabei
zielt das Instrument der ergänzenden Vertragsauslegung nicht darauf ab, die
Regelung nachzuzeichnen, die die Parteien tatsächlich getroffen hätten,
sondern ist auf einen beidseitigen Interessenausgleich gerichtet, der aus
einer objektiv-generalisierenden Sicht dem hypothetischen Willen der
Parteien Rechnung trägt (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2021 - VII ZR
242/20 Rn. 31, BauR 2022, 235 = NZBau 2022, 82).
27 bb) Ausgehend
hiervon ergibt die ergänzende Vertragsauslegung, dass die pandemiebedingte
Verlegung der für den 1. August 2020 geplanten Hochzeit und der
Hochzeitsfeier keinen Umstand darstellt, der die Kläger zum Rücktritt vom
Vertrag berechtigte:
28 Aus der objektiv-generalisierenden Sicht der
Beklagten als Unternehmerin ist es ihr Interesse, durch die Herstellung von
Fotografien eine Vergütung zu erzielen. Entfällt der vereinbarte Termin für
eine Hochzeit und Hochzeitsfeier und soll diese nachgeholt werden,
entspricht es deshalb ihrem unternehmerischen Interesse, für den neuen
Termin die vereinbarte Leistung zu erbringen. Das gilt unabhängig davon, ob
die Terminverlegung in dem Verantwortungsbereich der Kläger als Besteller
liegt oder aufgrund höherer Gewalt, d.h. aufgrund eines Ereignisses, das
keine Vertragspartei zu vertreten hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1997 -
VIII ZR 253/96, NJW 1997, 3164, juris Rn. 14), erfolgte. Diese
Interessenlage findet in Ziff. III., 7. der dem Vertrag beigefügten
Allgemeinen Geschäftsbedingungen ihren Ausdruck. Die Verlegung der Hochzeit
und der Hochzeitsfeier wegen der pandemiebedingten Beschränkungen führt aus
der objektivgeneralisierenden Sicht der Beklagten deshalb nicht zu einem
Rücktrittsrecht der Kläger.
29 Der
objektiv-generalisierenden Sicht der Kläger als Besteller entspricht es, für
einen neuen Termin zur Hochzeit und zur Hochzeitsfeier ebenfalls eine
fotografische Dokumentation erstellen zu lassen und dafür weiterhin die
Fotografin heranzuziehen, die als geeignet angesehen und für den
ursprünglichen Termin beauftragt wurde. Auch diese Interessenlage schließt
deshalb ein Rücktrittsrecht der Kläger aus. Der Umstand, dass die Kläger
nach Absage des vereinbarten Termins nur aus Gründen, die nicht im
Verantwortungsbereich der Beklagten liegen, einen anderen Fotografen
bevorzugten, ist nach Treu und Glauben unter redlichen Vertragspartnern
unerheblich und deshalb im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu
berücksichtigen.
30 Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ist in
Fällen, denen die Vermietung von Räumlichkeiten für eine Hochzeitsfeier
zugrunde lag, in Anwendung von § 313 BGB zu entsprechenden Ergebnissen
gekommen (BGH, Urteil vom 2. März 2022 - XII ZR 36/21, NJW 2022, 1382;
Urteil vom 11. Januar 2023 - XII ZR 101/21, MDR 2023, 349).
31 3. Es
kann dahinstehen, ob den Klägern an sich ein Schadensersatzanspruch auf
Rückzahlung der Anzahlung in Höhe von 1.231,70 € zusteht, weil die Beklagte
als Grundlage für die von den Klägern geforderte Anzahlung in
der "Hochzeitvereinbarung" ("Sobald unsere Anzahlung in Höhe von ... auf dem
untenstehenden Konto eingegangen ist, gilt unsere Hochzeit als verbindlich
gebucht.") eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung verwandt
haben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - VII ZR 162/12 Rn. 24, BauR
2013, 946 = NZBau 2013, 297). Denn die Kläger sind, wenn ein
derartiger Schadensersatzanspruch gegeben sein sollte, nach Treu und Glauben
(§ 242 BGB) gehindert, diesen Anspruch geltend zu machen.
32
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbietet
der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Durchsetzung eines
Anspruchs, wenn der Gläubiger das Erlangte wieder an den Schuldner
zurückzugeben hätte (dolo agit qui petit quod statim redditurus est;
BGH, Urteil vom 29. September 2020 - II ZR 112/19 Rn. 18, NJW-RR 2021, 294;
Urteil vom 15. Juli 2010 - XI ZR 227/09 Rn. 13, NJW 2011, 229; Urteil
vom 21. Dezember 1989 - X ZR 30/89, BGHZ 110, 30, juris Rn. 20).
33
Diese Voraussetzung liegt vor. Das Berufungsgericht ist in
revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die
Kläger den mit der Beklagten geschlossenen Werkvertrag nach § 648 Satz 1 BGB
gekündigt haben und deshalb der Beklagten ein Anspruch aus § 648 Satz 2 BGB
zusteht, der den Betrag von 1.231,70 € übersteigt.
34 a) Das
Berufungsgericht hat aufgrund des Fehlens eines Rücktrittsrechts aus der
Erklärung der anwaltlich vertretenen Kläger, vom Vertrag
zurückzutreten beziehungsweise zu kündigen, auf eine freie Kündigung
nach § 648 Satz 1 BGB geschlossen.
35 aa) Das ist
revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Die Auslegung von
Willenserklärungen ist Angelegenheit des Tatrichters. Eine Überprüfung
findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche
Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze
oder Denkgesetze vorliegen oder die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht
(BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 - VII ZR 157/17 Rn. 19, BauR 2018, 1403 =
NZBau 2018, 524).
36 bb) Derartige Rechtsfehler sind dem
Berufungsgericht nicht unterlaufen.
37 Wie bereits dargelegt ist die
von der Beklagten versprochene Leistung durch die Verlegung des
Hochzeitstermins nicht unmöglich geworden und finden die Grundsätze über die
Störung der Geschäftsgrundlage keine Anwendung. Ein gesetzliches
Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 BGB oder § 313 Abs. 3 BGB bestand deshalb
nicht. Zudem ergab sich kein vertragliches Rücktrittsrecht aufgrund einer
ergänzenden Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags.
Es widerspricht deshalb nicht den Denkgesetzen, aus dem Willen der Kläger,
das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zu beenden, auf eine freie,
voraussetzungslose Kündigung nach § 648 Satz 1 BGB zu schließen, auch
wenn "Rücktritt bzw. Kündigung" im Zusammenhang mit einer Störung der
Geschäftsgrundlage erklärt wurden. Denn die Kläger hatten sich bereits für
einen anderen Fotografen entschieden und eine Tätigkeit der Beklagten
einschränkungslos und damit endgültig abgelehnt.
38 Soweit die
Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft die
Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach § 648a BGB nicht
bejaht, ist das nicht berechtigt. Ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne
von § 648a Abs. 1 Satz 2 BGB lag nicht vor, da es - wie bereits ausgeführt -
der objektiven Interessenlage der Parteien entsprach, den Vertrag an einem
neuen Termin zu erfüllen.
39 b) Das Berufungsgericht hat
festgestellt, dass der Beklagten aufgrund der freien Kündigung durch die
Kläger nach § 648 Satz 2 BGB ein Anspruch auf die vereinbarte Vergütung
abzüglich ersparter Aufwendungen in Höhe von 364,40 €, mithin ein Betrag von
2.099 € zusteht. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der
Revision nicht beanstandet.
4. Das Berufungsgericht hat schließlich
rechtsfehlerfrei den Feststellungsantrag für unbegründet gehalten, da - wie
ausgeführt - der Beklagten ein 1.231,70 € übersteigender Anspruch aus § 648
Satz 2 BGB in Höhe von zumindest 551,45 € zusteht.
III.
41 Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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