Rücktritt nach § 323 BGB;
Fristsetzungserfordernis: Keine Fristsetzung "auf Vorrat" vor Fälligkeit;
Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 II Nr. 1 BGB: Anforderungen an
eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung; Entbehrlichkeit der
Fristsetzung nach § 323 II Nr. 2 BGB bei feststehender Fruchtlosigkeit einer
Nachfrist; kein Rücktritt nach § 323 IV BGB nach dem Zeitpunkt der
Fälligkeit
BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - VII
ZR 148/10
Fundstelle:
NJW 2012, 3714 m. Anm. Gutzeit
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Ein Gläubiger kann nicht gemäß § 323 Abs. 1
BGB vom Vertrag zurücktreten, wenn er die Frist zur Leistung vor deren
Fälligkeit gesetzt hat. Das gilt auch dann, wenn bereits vor Fälligkeit
ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder der Leistungswilligkeit
des Schuldners bestehen.
b) Allein die Erklärung des Schuldners, er werde zum Fälligkeitszeitpunkt
nicht leisten können, begründet keine ernsthafte und endgültige
Leistungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
c) Der Gläubiger kann nach Fälligkeit der Leistung ohne Setzen einer
Nachfrist gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB sofort zurückzutreten, wenn
feststeht, dass die gemäß § 323 Abs. 1 BGB dem Schuldner zu setzende
angemessene Frist zur Leistung nicht eingehalten werden wird.
d) Das Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 4 BGB kann nicht mehr ausgeübt
werden, wenn die Leistung fällig geworden ist. Die Wirksamkeit eines
Rücktritts bestimmt sich ab diesem Zeitpunkt nach § 323 Abs. 1 und 2 BGB.
Zentrale Probleme:
Eine wichtige (und daher für
BGHZ vorgesehene) Entscheidung zum Rücktrittsrecht nach § 323 BGB: Der
Schuldner setzt den Gläubiger schon vor Fälligkeit in Kenntnis, dass er den
Leistungszeitpunkt nicht einhalten kann. Der Gläubiger setzt (immer noch vor
Fälligkeit) eine Nachfrist für einen Zeitraum nach der Fälligkeit und tritt
nach Ablauf dieser Frist zurück. Das kann er nur, wenn eine Fristsetzung
entbehrlich war. Zwar erlaubt § 323 IV BGB einen Rücktritt vor Fälligkeit,
wenn offensichtlich ist, dass die Rücktrittsvoraussetzungen eintreten
werden. Da der Rücktritt hier aber nach Fälligkeit erfolgt ist, kommt diese
Norm nicht zum Zuge. Bei der - zutreffenden - Begründung für dieses Ergebnis
nimmt der Senat interessanter Weise auf das UN-Kaufrecht Bezug, da dieses
(u.a.) als Modell für die gesetzliche Neuregelung von § 323 BGB im Zuge der
Schuldrechtsmodernisierung 2002 Pate stand.
Da die Fristsetzung i.Ü. nicht vor der Fälligkeit erfolgen kann, kam ein
Rücktritt nur in Betracht, wenn die Fristsetzung entbehrlich war. Der
Ausnahmetatbestand des § 323 II Nr. 1 BGB (ernsthafte und endgültige
Erfüllungsverweigerung) ist sehr eng auszulegen und war hier deshalb nicht
gegeben (s. dazu nur
BGH NJW 2006, 1195
sowie
BGH v.
29.6.2011 - VIII ZR 202/10 und zuletzt
BGH NJW 2011, 3453). Damit blieb noch §
323 II Nr. 3 BGB (Vorliegen "besondere Umstände", die eine Fristsetzung
entbehrlich machen).
S. dazu auch BGH v. 7.3.2013 - VII ZR 162/12.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Der Kläger macht gegen die
Beklagten, die Verwalter in den Insolvenzverfahren über die Vermögen der
früheren Beklagten zu 1 und 2, Zahlungsansprüche nach Rücktritt von einem
Grundstückserwerbsvertrag mit Bauverpflichtung geltend.
2 Mit notariellem Vertrag vom 15. Januar 2008 erwarb der Kläger von der
ursprünglichen Beklagten zu 1 (im Folgenden: Beklagte zu 1), deren
persönlich haftende Gesellschafterin die frühere Beklagte zu 2 (im
Folgenden: Beklagte zu 2) ist, ein Grundstück in W. zum Preis von 2.850.000
€. Zugleich verpflichtete sich die Beklagte zu 1 darin, auf dem Grundstück
ein Fachmarktzentrum zu errichten, das bis zum 30. Juni 2008 bezugsfertig
sein sollte.
3 Im Hinblick auf etwaige Rücktrittsrechte enthält der Vertrag unter anderem
folgende Regelungen:
"Abschnitt 8: Gesetzliche Rücktrittsrechte
1. Im Übrigen bestehen Rücktrittsrechte für beide Vertragsteile nur, wenn
die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
3. Die Kosten dieses Vertrages einschließlich des Grundbuchvollzuges sowie
die Kosten der Rückabwicklung trägt der Vertragsteil, der den Rücktritt des
anderen zu vertreten hat.
4. Tritt der Erwerber aus vom Veräußerer zu vertretenden Gründen vom
Kaufvertrag zurück, ist der bezahlte Kaufpreisteil jeweils ab Zahlung bis
zur Rückzahlung mit 5 % jährlich zu verzinsen. Weitere Ansprüche bestehen
nicht, es sei denn, der Veräußerer habe den Grund des Rücktritts vorsätzlich
oder grob fahrlässig herbeigeführt; alsdann haftet er dem Erwerber auf
Schadensersatz."
4 Die Beklagte zu 2 teilte dem Kläger unter dem 14. Mai 2008 mit, dass sie
den ursprünglich vereinbarten Übergabezeitpunkt an die Mieter im
Einvernehmen mit diesen auf den 1. September 2008 verschoben habe. Unter dem
23. Mai 2008 schrieb der Kläger den Beklagten, er schlage wegen der
Verschiebung des Fertigstellungstermins um zwei Monate eine
Kaufpreisminderung um 200.000 € vor, andernfalls ziehe er die Ausübung eines
ihm zustehenden Rücktrittsrechts in Erwägung. Sodann setzte der Kläger den
Beklagten mit Schreiben vom 3. Juni 2008 eine Frist zur Fertigstellung des
Fachmarktcenters bis zum 31. Juli 2008 und kündigte gleichzeitig an, nach
fruchtlosem Fristablauf von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen zu
wollen. Nachdem am 31. Juli 2008 keine Bezugsfertigkeit gegeben war,
erklärte der Kläger mit Schreiben vom 1. August 2008 den Rücktritt vom
Vertrag und forderte mit weiterem Schreiben vom 8. August 2008 die Beklagte
zu 1 zur Zahlung ihm entstandener Kosten (notarielle Vertragskosten,
Grundbuchkosten, Maklerkosten, Bereitstellungszinsen und außergerichtliche
Anwaltskosten) in Höhe von insgesamt 128.387,50 €, der Klagesumme, auf.
In der ersten Septemberhälfte 2008 wurden die drei Ladengebäude von den
jeweiligen Mietern bezogen. Den Kaufpreis hat der Kläger nicht bezahlt.
5 Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Auf die
dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage
zum überwiegenden Teil stattgegeben.
6 Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehren die Beklagten weiterhin
Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
8
Das Berufungsgericht billigt dem Kläger aus Abschnitt 8 Abs. 3 des
Kaufvertrages einen Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten zu, weil er
wirksam vom notariellen Kaufvertrag zurückgetreten sei. Dies folge aus § 323
Abs. 1 BGB, denn die am 3. Juni 2008 gesetzte Nachfrist zur bezugsfertigen
Herstellung des Einkaufszentrums sei wirksam gewesen, obwohl die Leistung
der Beklagten erst zum 30. Juni 2008 fällig geworden sei. Es hätten schon am
3. Juni 2008 ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Schuldnerin
bestanden, weil unstreitig sei, dass die Fertigstellung frühestens bis zum
1. September 2008 möglich sein würde. Die Nachfrist habe daher bereits am 3.
Juni wirksam gesetzt werden können.
9 Die Nachfrist von einem Monat sei auch angemessen gewesen. Bei erheblicher
Anstrengung habe die Nachfrist von der Beklagten eingehalten werden können.
Das ergebe sich aus dem Verhältnis zwischen vereinbarter Bauzeit und Dauer
der Nachfrist sowie aus den vorgelegten Bauzeitenplänen.
10 Im Übrigen wäre an eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 323 Abs.
2 Nr. 3 BGB zu denken. Die Bauarbeiten seien Ende Juni zu deutlich weniger
als zwei Dritteln fertig gestellt gewesen.
11 Der Kläger könne sein Rücktrittsrecht auch auf § 323 Abs. 4 BGB stützen.
Es sei schon im Mai 2008 offensichtlich gewesen, dass die Bezugsfertigkeit
bis zum 31. Juli 2008 nicht habe hergestellt werden können. Der Kläger müsse
auch nach Fälligkeit und Ablauf einer angemessenen Nachfrist die Möglichkeit
haben zurückzutreten.
12 Zu ersetzen seien die Kosten des Vertrages, worunter die Kosten zu
verstehen seien, wie sie allgemein im Wandelungsrecht nach dem Schuldrecht
in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung verstanden worden seien,
nämlich Beurkundungskosten, Grundbuchkosten und Maklerkosten, nicht aber
Finanzierungskosten. Dieser weitergehende Schaden könne allenfalls nach
Abschnitt 8 Absatz 4 des Vertrages ersetzt verlangt werden, wenn der Grund
für den Rücktritt des Klägers von der Beklagten vorsätzlich oder grob
fahrlässig herbeigeführt worden wäre, wofür ausreichende Anhaltspunkte
fehlten.
II.
13 Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
14 1. Das Berufungsgericht stützt den Zahlungsanspruch des Klägers auf die
vertragliche Regelung über die gesetzlichen Rücktrittsrechte und ihre
Rechtsfolgen in Abschnitt 8 Absatz 3, wonach die Partei die Kosten des
Vertrages zu tragen hat, die den Rücktritt der anderen zu vertreten hat. Die
getroffenen Feststellungen ermöglichen nicht die Annahme, die
Voraussetzungen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts lägen vor.
15 a) Ein gesetzliches Rücktrittsrecht kann der Kläger nicht aus §
323 Abs. 1 BGB herleiten.
16 Voraussetzung für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB ist, dass bei
einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder
nicht vertragsgemäß erbringt und der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine
angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Nach
nahezu allgemeiner Meinung in der Literatur kann die Nachfrist erst gesetzt
werden, wenn die Leistung fällig ist, ansonsten ist die Fristsetzung
unbeachtlich (Staudinger/Otto/Schwarze [2009], § 323 Rn. B 42;
Ernst in MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 323 Rn. 56; Palandt/Grüneberg, BGB, 71.
Aufl., § 323 Rn. 12; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 68;
Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 2. Aufl., § 323 Rn. 18; jurisPK-BGB/Alpmann,
5. Aufl., § 323 Rn. 27; Medicus/Stürner in PWW-BGB, 7. Aufl., § 323 Rn. 4;
Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 6, 10; Faust,
Schuldrechtsmodernisierung, § 3 Rn. 122, 133; a.A. Brox/Walker, Allgemeines
Schuldrecht, 35. Aufl., § 23 Rn. 38). Das entspricht der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zu § 326 Abs. 1 BGB a.F. (BGH, Urteil vom 28. Januar 2003
- X ZR 151/00, NJW 2003, 1600 = NZBau 2003, 274 Rn. 6; Urteil vom 15. März
1996 - V ZR 316/94, NJW 1996, 1814), aus dessen Wortlaut hergeleitet wird,
dass eine Nachfrist nicht wirksam vor Verzugseintritt gesetzt werden kann
(BGH, Urteil vom 15. März 1996 - V ZR 316/94, aaO unter Bezug auf RGZ 93,
180, 182). Der Bundesgerichtshof hat auch schon zur Regelung des §
323 Abs. 1 BGB die Auffassung vertreten, dass die Frist zur Leistung oder
zur Nacherfüllung nicht wirksam vor der Fälligkeit der Leistung gesetzt
werden kann (BGH,
Urteil vom 20. Januar 2006 - V ZR 124/05, BauR 2006, 1134 = NJW 2006, 1198
Rn. 13). Auch wenn sich dies nicht mehr zwingend
aus dem Wortlaut der Regelung herleiten lässt (vgl. Faust,
Schuldrechtsmodernisierung, S. 119), schließt sich der Senat dieser
Auffassung an. Der Gesetzgeber wollte ersichtlich in Anknüpfung an die
Regelung des § 326 Abs. 1 BGB a.F. das Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 BGB
nur für den Fall zulassen, dass die Frist in einem Zeitpunkt gesetzt wird,
in dem die Leistung fällig ist. Das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass
in der Begründung zu dieser Norm lediglich darauf eingegangen wird, dass die
sonstigen Voraussetzungen des Verzugs und der Ablehnungsandrohung entfallen
sind, und ansonsten ersichtlich davon ausgegangen wird, dass die Frist nach
Fälligkeit der Leistung gesetzt wird (BR-Drucks. 338/01, S.
427/428). Es hat im Zusammenhang mit der Regelung des § 323 Abs. 1 BGB auch
keinerlei Erörterungen des Falles gegeben, in dem eine sogenannte
Erfüllungsgefährdung vorliegt, also ein Fall, in dem bereits vor Fälligkeit
der Leistung ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder der
Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen (vgl. dazu
Staudinger/Otto/Schwarze [2009], § 281 Rn. B 185 ff.; Ernst in MünchKomm-BGB,
6. Aufl., § 323 Rn. 132). Der Fall der Erfüllungsgefährdung ist von § 323
Abs. 1 BGB nicht erfasst. Diese Regelung betrifft vielmehr den Fall, dass
die Leistung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht erbracht ist und stellt dazu den
Grundsatz auf, dass ein Rücktrittsrecht nur besteht, wenn der Gläubiger dem
Schuldner dann erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat.
17 b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht das Rücktrittsrecht des
Klägers zudem aus § 323 Abs. 4 BGB hergeleitet. § 323 Abs. 4 BGB
gewährt dem Gläubiger bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit ein
Rücktrittsrecht, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des
Rücktritts eintreten werden. Damit hat der Gesetzgeber im Falle der
Erfüllungsgefährdung dem Gläubiger eine gesetzliche Möglichkeit verschafft,
den Rücktritt schon vor der Fälligkeit zu erklären (Ernst in
MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 323 Rn. 132). Diese Möglichkeit besteht
nicht mehr, wenn die Fälligkeit eingetreten ist. Denn in diesem Zeitpunkt
liegt kein Tatbestand der Erfüllungsgefährdung mehr vor. Vielmehr
hat sich die Pflichtverletzung nunmehr erwiesen. Für diesen Fall
enthält das Gesetz in § 323 Abs. 1 BGB die Regel, dass ein Rücktritt
grundsätzlich erst dann möglich ist, wenn eine Frist zur Leistung oder
Nacherfüllung gesetzt wird und diese erfolglos abgelaufen ist. Es besteht
kein Grund, demjenigen Gläubiger, der die Erleichterung des § 323 Abs. 4 BGB
nicht in Anspruch nimmt, noch die Möglichkeit des Rücktritts ohne eine
Fristsetzung einzuräumen. Dementsprechend wird auch zu der Regelung
des Art. 72 UN-Kaufrecht, auf die die Gesetzesbegründung zu § 323 Abs. 4 BGB
Bezug genommen hat (BT-Drucks. 338/01, S. 431), einhellig die Auffassung
vertreten, dass der Gläubiger das Rücktrittsrecht aus Art. 72 Abs. 1
UN-Kaufrecht nur bis zum Erfüllungstermin ausüben kann und danach auf die
sonstigen Behelfe des UN-Kaufrechts zurückgreifen muss (BGH, Urteil vom 15.
Februar 1995 - VIII ZR 18/94, NJW 1995, 2101; Achilles, Kommentar zum
UN-Kaufrechtsübereinkommen, Art. 72 Rn. 1, 2; Honsell, Kommentar zum
UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Art. 72 Rn. 7; Schlechtriem/ Schwenzer-Hornung/Fountoulakis,
Kommentar zum Einheitlichen UNKaufrecht, 5. Aufl., Art. 72 Rn. 21;
Staudinger/Magnus, Wiener UN-Kaufrecht [2005], Art. 72 CISG Rn. 16; Soergel/Lüderitz-Dettmeier,
BGB, 13. Aufl., Art. 72 CISG Rn. 2).
18 c) Auch der Gesichtspunkt der Erfüllungsgefährdung vermag dem Kläger
unter den gegebenen Voraussetzungen kein Rücktrittsrecht zu verschaffen.
Allerdings ist es anerkannt, dass der Gläubiger für den Fall, dass bereits
vor Fälligkeit der Leistung ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit
oder der Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen, ein schützenswertes
Interesse daran hat, Klarheit über den Vertrag zu erlangen
(Staudinger/Otto/Schwarze [2009], § 281 Rn. B 182). Jedenfalls nach der zu §
326 Abs. 1 BGB a.F. ergangenen Rechtsprechung kann der Gläubiger deshalb dem
Schuldner vor Fälligkeit der Leistung eine angemessene Frist zur Erklärung
eigener Leistungsbereitschaft und zum Nachweis fristgerechter Erfüllung des
Vertrages setzen, wenn die rechtzeitige Erfüllung durch Hindernisse
ernsthaft in Frage gestellt ist, die im Verantwortungsbereich des Schuldners
liegen, und dem Gläubiger ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten ist. Nach
fruchtlosem Ablauf dieser Frist kann er vom Vertrag zurücktreten (BGH,
Urteile vom 21. Oktober 1982
- VII ZR 51/82, BauR 1983, 73 = ZfBR 1983, 19; vom 6. Oktober 1976 - VIII ZR
66/75, NJW 1977, 35; vom 10. Dezember 1975 - VIII ZR 147/74, WM 1976, 75).
19 Dieses Klärungsbedürfnis rechtfertigt es aber nicht, dem
Gläubiger die Möglichkeit einzuräumen, dem Schuldner bereits - sozusagen auf
Vorrat - vor Fälligkeit der Leistung eine Nachfrist zu setzen mit der Folge,
dass nach Ablauf dieser Frist das Rücktrittsrecht entsteht (Ramming,
ZGS 2009, 209, 210). Das würde dem erklärten Willen und der
Systematik des Gesetzgebers entgegenstehen, der das Rücktrittsrecht daran
anknüpft, dass die Frist in einem Zeitpunkt gesetzt wird, in dem die
Leistung fällig ist.
20 Der Gläubiger hat an einer Fristsetzung vor Fälligkeit der
Leistung auch kein schützenswertes Interesse. Denn die Nachfrist könnte
ohnehin nicht vor Fälligkeit der Leistung beginnen und es kann ihm in der
Regel zugemutet werden, die Fälligkeit der Leistung bis zur Fristsetzung
abzuwarten. Ist offensichtlich, dass die Voraussetzungen des
Rücktritts vorliegen, kann der Gläubiger ohnehin sofort vom Vertrag
zurücktreten, § 323 Abs. 4 BGB. Die Klärung der Erfüllungsbereitschaft wird
zudem häufig dazu führen, dass die Voraussetzungen des Rücktritts nach § 323
Abs. 4 BGB bejaht werden können (vgl. Ernst in MünchKomm-BGB, 6. Aufl., §
323 Rn. 135). Ist das nicht der Fall, ist es nicht gerechtfertigt, bei der
entsprechenden unsicheren Prognose bereits in einem Zeitpunkt, in dem die
Leistung noch nicht fällig ist, eine Nachfrist zu setzen, weil damit
die mit der Nachfristsetzung verbundene Warnfunktion nicht auf einer
ausreichenden Grundlage beruht, die darin besteht, dass die Fälligkeit der
Leistung bereits eingetreten ist. Letztlich würde in nicht zu
rechtfertigender Weise der Gefährdungstatbestand dem Tatbestand der
Pflichtverletzung, der die Fälligkeit der Leistung immanent ist,
gleichgesetzt (vgl. auch Staudinger/
Otto/Schwarze [2009], § 281 Rn. 183 f.).
21 d) Entgegen der von der Revisionserwiderung in der mündlichen
Verhandlung vorgetragenen Ansicht kann der Rücktritt auch nicht auf § 323
Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützt werden. Denn die Voraussetzungen dieser Regelung
liegen nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht vor. Das
Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Beklagten die Leistung
ernsthaft und endgültig verweigert haben. Insoweit kommt es
maßgeblich darauf an, ob aus den Umständen, insbesondere den Erklärungen
oder dem Verhalten des Schuldners nach Eintritt der Fälligkeit der Schluss
gezogen werden kann, dass dieser die Leistung ernsthaft und endgültig
verweigert (Staudinger/Otto/Schwarze [2009], § 281 Rn. B 90 und §
323 Rn. B 89). Eine solche Annahme kann auch dann gerechtfertigt
sein, wenn der Schuldner bereits vor der Fälligkeit erklärt hat, er werde
die Leistung nicht mehr erbringen und diese Erklärung sein letztes Wort zur
Leistungsbereitschaft war (BGH, Urteile vom 18. Januar 1991 - V ZR
315/89, NJW 1991, 1822 und vom 21. Dezember 1984 - V ZR 233/82, NJW 1985,
2021). Denn in diesem Fall steht auch nach der Fälligkeit fest, dass
die Leistung nicht mehr erbracht wird. Der Gläubiger kann dann ohne
Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten (BGH, Urteil vom 21. Dezember
1984 - V ZR 233/82, aaO). Gleiches gilt für den Fall, dass der
Schuldner ernsthaft und endgültig vor der Fälligkeit erklärt hat, er werde
die Leistung auch nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist erbringen
(Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 99; RGZ 96, 341, 342). Denn auch
in diesem Fall wäre es eine reine Förmelei, wenn der Gläubiger dem Schuldner
eben diese Nachfrist setzen müsste, obwohl feststünde, dass diese nicht
eingehalten wird (vgl. auch BGH, Urteile vom 19. September 1983 - VIII ZR
84/82, NJW 1984, 48 und vom 30. Oktober 1991 - VIII ZR 9/91, NJW 1992, 235).
Allein aus der Mitteilung der Beklagten, sie hätten mit den Mietern
einen neuen Fertigstellungstermin vereinbart, folgt indes nicht, dass die
Beklagten ernsthaft und endgültig ihre Leistung innerhalb einer angemessenen
Nachfrist abgelehnt haben.
22 Unzutreffend ist die in der mündlichen Verhandlung vertretene Auffassung
des Klägers, ein Grund zum Rücktritt bestehe schon dann, wenn der Schuldner
erklärt, er werde zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten können.
Allein das begründet keine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung
im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. Ernst in MünchKomm-BGB,
6. Aufl., § 323 Rn. 96; Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 97). In
diesem Fall, in dem nur feststeht, dass der Schuldner zum
Fälligkeitszeitpunkt nicht leistet, aber offen ist, ob der Schuldner
innerhalb einer angemessenen Nachfrist seine Leistung noch erbringen wird,
ist die Nachfristsetzung nach Sinn und Zweck des § 323 Abs. 1 BGB gerade
nicht entbehrlich. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass
grundsätzlich ein Rücktrittsgrund nicht daraus hergeleitet werden kann, dass
der Schuldner nicht rechtzeitig leistet.
23 Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 1975 - VIII
ZR 147/74, WM 1976, 75, auf die sich die Revisionserwiderung in der
mündlichen Verhandlung möglicherweise berufen wollte, lässt sich nichts
zugunsten des Klägers herleiten. Zwar ist in dieser Entscheidung für möglich
gehalten worden, dass der Gläubiger auch dann den Rücktritt erklären kann,
wenn der Schuldner ernsthaft und endgültig erklärt, er werde zum
Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten. Voraussetzung ist aber nach dieser
Entscheidung, dass der Gläubiger an der verspäteten Erfüllung des Vertrages
kein Interesse mehr hat. Dies ist ein Fall, der nunmehr in § 323 Abs. 2 Nr.
3 BGB geregelt ist.
24 e) Maßgebend ist daher allein, ob das Berufungsgericht die
Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB rechtsfehlerfrei festgestellt
hat. Dazu hat es ausgeführt, im Zeitpunkt der Fälligkeit seien die
Leistungen mit deutlich weniger als zwei Dritteln fertiggestellt gewesen. Ob
ein Interesse des Klägers an der Leistung weggefallen sei, sei unerheblich.
Diese Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Rücktritt
sei am 1. August 2008 wirksam erfolgt. Ein Gericht kann die
Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB nur annehmen, wenn es in
Erfüllung des gesetzlichen Auftrags eine Abwägung der beiderseitigen
Interessen vorgenommen hat. Bei dieser Interessenabwägung kann eine Rolle
spielen, dass der Gläubiger bereits während der Erfüllungsphase die
begründete Besorgnis haben musste, der Schuldner werde die Leistung nicht
rechtzeitig fertigstellen, und er ihm deshalb schon eine Nachfrist gesetzt
hat. Denn mit diesem Verhalten hat der Gläubiger jedenfalls zum Ausdruck
gebracht, dass er - ungeachtet dessen, dass die Voraussetzungen für einen
Rücktritt gemäß § 323 Abs. 1 BGB nicht wirksam geschaffen worden sind -
nicht gewillt ist, erhebliche Verzögerungen, die über die Nachfrist
hinausgehen, hinzunehmen. Dieses Verhalten muss jedem Schuldner eine
deutliche Warnung sein, dass weitere Verzögerungen erhebliche Folgen haben
können. Andererseits entbindet dieses Verhalten des Gläubigers die Gerichte
nicht von der Verpflichtung, eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts muss bei der Abwägung geprüft
werden, ob das Interesse des Gläubigers am Fortbestand des Vertrages infolge
der Verzögerung entfallen ist (Staudinger/Otto/Schwarze (2009), § 323 Rn. B
119; Ernst in MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 323 Rn. 122 ff.). Das kann der Fall
sein, wenn es dem Gläubiger unter Berücksichtigung des bereits verstrichenen
Zeitraums nach Fälligkeit nicht mehr zumutbar ist, noch eine weitere
Verzögerung durch eine Nachfrist hinzunehmen.
25 Die gebotene umfassende Prüfung hat das Berufungsgericht nicht
vorgenommen. Allein der Umstand, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit noch
weniger als zwei Drittel der Leistung fertiggestellt waren, besagt nichts
darüber, wie der Leistungsstand im Zeitpunkt des Rücktritts war und ob
allein deshalb das Interesse des Gläubigers am Fortbestand des Vertrages
entfallen war und dies einen sofortigen Rücktritt rechtfertigt.
26 Erneut weist der Senat darauf hin, dass ein sofortiger Rücktritt
dann möglich ist, wenn feststeht, dass der Schuldner die angemessene
Nachfrist nicht einhalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. September
2002 - VII ZR 344/01, BauR 2002, 1847 = NZBau 2002, 668 = ZfBR 2003, 30;
Staudinger/Otto/ Schwarze [2009], § 323 Rn. B 122). Denn dann wäre
das Erfordernis der Nachfrist eine reine Förmelei. Diese
Voraussetzungen können nicht festgestellt werden. Es fehlen jegliche
Feststellungen dazu, welche Nachfrist noch angemessen gewesen wäre und ob
offensichtlich gewesen war, dass diese nicht eingehalten worden wäre.
27 2. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Für die neue
Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass - sollte es darauf noch
ankommen - das Berufungsgericht die Auslegung von Abschnitt 8 Abs. 3 des
Vertrages, soweit es um die zu tragenden "Kosten dieses Vertrages" geht,
nach dem Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz erneut wird
vornehmen müssen. Seine Rechtsansicht, die Parteien hätten den im Vertrag
nicht näher erläuterten Begriff in dem Sinn verstanden, der ihm im
Wandelungsrecht nach dem Schuldrecht in der bis zum 31. Dezember 2001
geltenden Fassung beigemessen wurde, ist nicht begründet worden und
berücksichtigt die weiteren Umstände des Falles wie z.B. das
Prozessverhalten des Klägers im anhängigen Rechtsstreit nicht. Denn bei der
Auslegung eines Rechtsgeschäfts kann das nachträgliche Verhalten der Partei
auch in der Weise berücksichtigt werden, dass es Rückschlüsse auf ihren
tatsächlichen Willen und ihr tatsächliches Verständnis im Zeitpunkt der
Abgabe der Erklärung zulassen kann (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - VII
ZR 166/05, BauR 2007, 574 = NZBau 2007, 241 = ZfBR 2007, 330). Der Kläger
verlangt die Maklerkosten ausweislich seiner Berufungsbegründung vom 18.
Dezember 2009 (Seite 11-12) nicht als "Kosten dieses Vertrages" aus
Abschnitt 8 Abs. 3 des Vertrages, sondern als "weitere Ansprüche" aus Abs. 4
(fälschlicherweise als Abs. 5 zitiert), die Vorsatz oder grobe
Fahrlässigkeit erfordern, wozu er ausführlich vorträgt.
|