Abgrenzung von Schadensersatz statt der Leistung
und Schadensersatz neben der Leistung beim Werkvertrag
BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 -
VII ZR 198/10
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Wählt ein Unternehmer, der nach einem
Wasserschaden in einem Gebäude damit beauftragt ist, den Fußbodenaufbau zu
trocknen, und zu diesem Zweck den Fliesenbelag öffnen muss, eine
Trocknungsmethode, die zu größeren Schäden am Gebäude als erforderlich
führt, ist der Schadensersatzanspruch des Bestellers nicht davon abhängig,
dass er dem Unternehmer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat.
Zentrale Probleme:
Ein Werkunternehmer muss bei der
geschuldeten Werkleistung (Trockenlegung eines Estrich) notwendig Eigentum
des Bestellers (Fliesen) beschädigen, tut dies aber in einem vermeidbaren
Ausmaß. Der Besteller verlangt Schadensersatz. Der Senat lässt die Frage der
Qualifikation der Schadensart letztlich offen, da selbst bei einer
Qualifikation als Schadensersatz statt der Leistung ein Fall eine
Fristsetzung nicht erforderlich gewesen wäre, da der Schaden durch
Nacherfüllung nicht behebbar gewesen wäre.
Der Fall liegt in der Tat an der Grenze: Wenn der geschuldete Erfolg allein
das Trockenlegen war, ist die Werkleistung mangelfrei erfolgt, allerdings
unter Verletzung sonstiger Rechtsgüter des Bestellers. Das spräche für eine
Haftung aus §§ 280 I, 241 II BGB. Stellt man auf die Ausführungsweise ab,
ist Erfolg die Trockenlegung mit den "mildesten" Mitteln, liegt in der Tat
ein Fall der Unmöglichkeit der Nacherfüllung vor. Geht man deshalb von
Schadensersatz statt der Leistung aus, muss die Haftung aber konsequenter
Weise auf §§ 280 I, III, 283 BGB und nicht auf § 281 BGB gestützt werden.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Klägerin verlangt Werklohn für
Trocknungsarbeiten anlässlich eines von der Beklagten verursachten
Wasserschadens. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte mit einem
Schadensersatzanspruch aufrechnen kann.
2 Die Beklagte führte im Rahmen der Errichtung eines Alten- und Pflegeheimes
Installationsarbeiten aus. Nachdem es zu einem Wasserschaden gekommen war,
beauftragte sie im Juli 2008 die Klägerin mit den Trocknungsarbeiten, die
ihrerseits ihre Streithelferin hinzuzog. Zur Trocknung des Fußbodenaufbaus
(schwimmender Estrich auf Betondecken) schnitt die Klägerin in den
gefliesten Bädern die Silikonfugen sowie die dahinter befindliche
Dichtungsschicht zwischen Fußboden und aufgehenden Wänden auf. Über die
geöffneten Randfugen strömte in die Dämmschichten trockene Luft, die die
Klägerin durch ein jeweils im Zentrum des Raumes in den gefliesten Fußboden
gebohrtes Loch wieder absaugte. Die Trocknungsarbeiten waren erfolgreich.
Der Klägerin steht ein Werklohn von 62.453,77 € zu. Die Beklagte rechnet mit
den Kosten für die Wiederherstellung fachgerechter Fugen zwischen Fußboden
und aufgehenden Wänden als Schadensersatzanspruch auf.
3 Die Klägerin hat den Betrag von 62.453,77 € eingeklagt. Das Landgericht
hat ihr 31.440,77 € nebst Zinsen zugesprochen und im Übrigen die Klage
abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das
Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die
Berufung der Beklagten diese verurteilt, an die Klägerin 15.933,77 € nebst
Zinsen zu zahlen. Es hat die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die
Klägerin ihren Anspruch in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision ist nicht begründet.
I.
5 Das Berufungsgericht meint, die Beklagte könne gegen den Werklohnanspruch
der Klägerin mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer
werkvertraglichen Schutzpflicht in Höhe von 46.520 € aufrechnen. Die von der
Klägerin gewählte Trocknungsmaßnahme sei für Feuchträume wenig sinnvoll
gewesen, da sie zu einer Durchtrennung der Feuchtigkeitsschutzfolie geführt
habe. Die Klägerin habe zwar ursprünglich ins Auge gefasst gehabt, nicht die
Silikonfugen aufzuschneiden, sondern in den Bädern in jeder Ecke die
Bodenfliesen zu durchbohren. Von dieser geeigneten Maßnahme habe sie sich
nicht abbringen lassen dürfen, auch wenn die Mitarbeiter der Beklagten vor
Ort nicht in der Lage gewesen seien, die genaue Lage der Rohre im
Fußbodenbereich zu benennen. Sie hätte darauf hinwirken müssen, dass die
genaue Lage der Rohre festgestellt wird. Die Klägerin habe die Entscheidung
über die anzuwendende Trocknungsmaßnahme eigenverantwortlich getroffen. Sie
trage die Verantwortung dafür, dass diese ordnungsgemäß und in einer Weise
ausgeführt werde, die zu möglichst geringen Schäden führe. Sehenden Auges
eine Maßnahme zu ergreifen, die zu einer erheblichen Beschädigung der
Bausubstanz führe, stelle eine Nebenpflichtverletzung dar. Der Beklagten
stehe daher nicht Schadensersatz statt der Leistung, § 280 Abs. 3, § 281
BGB, sondern Schadensersatz neben der Leistung, § 280 Abs. 1 BGB, zu.
Auftragsinhalt sei allein die Trocknung des Gebäudes gewesen, nicht die
Beseitigung der dadurch verursachten Schäden. Ihre Hauptpflicht habe die
Klägerin erfüllt. Der enge Zusammenhang zwischen der Schädigung des Gebäudes
und der Trocknungsmaßnahme rechtfertige es nicht, den Schadensersatzanspruch
in den Bereich von § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 3, § 281 BGB zu ziehen. Die
Beklagte sei daher nicht gehalten gewesen, der Klägerin eine Frist zur
Mängelbeseitigung zu setzen. Ein Mitverschulden der Beklagten scheide aus,
weil es Aufgabe der Klägerin gewesen sei, die geeignete und schonendste
Methode der Trocknung auszuwählen.
6 Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage der
Abgrenzung von Haupt- und Nebenpflichtverletzung bei zwangsläufiger
Substanzverletzung durch die Werkleistung grundsätzliche Bedeutung habe.
II.
7 Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten jedenfalls im Ergebnis der
rechtlichen Nachprüfung stand. Dabei kommt es nicht darauf an, ob
der Beklagten ein Schadensersatzanspruch neben der Leistung nach § 280 Abs.
1, § 241 Abs. 2 BGB oder statt der Leistung nach § 280 Abs. 3, § 281 BGB
zusteht.
8 1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts,
dass der Klägerin eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, die
einen Schadensersatzanspruch der Beklagten begründet.
9 2. Handelt es sich, wie das Berufungsgericht und die
Revisionserwiderung meinen, um die Verletzung einer Schutzpflicht im Sinne
von § 241 Abs. 2 BGB, folgt der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB.
Er setzt eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 BGB nicht voraus und steht der
Beklagten ohne weiteres zu.
10 3. Geht man davon aus, dass es sich um die Verletzung einer
Leistungspflicht handelt und das von der Klägerin geschuldete Werk
mangelhaft war, scheitert der Schadensersatzanspruch der Beklagten nicht
daran, dass eine Frist zur Mängelbeseitigung nicht gesetzt worden ist.
Denn eine solche Fristsetzung war entbehrlich, weil der geltend
gemachte Schaden durch eine Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden
konnte.
11 a) Die Klägerin war von der Beklagten beauftragt worden, den Fußboden in
den von dem Wasserschaden betroffenen Bädern zu trocknen. Die Durchführung
der Trocknung, das Zu- und Abführen von Luft im Fußbodenbereich, setzte
dabei zwingend voraus, dass der Fliesenbelag geöffnet wurde. Diese von der
Klägerin vorzunehmenden Eingriffe in die Bausubstanz waren nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts unvermeidlich. Besondere Vereinbarungen
über die Art dieser Eingriffe hatten die Parteien nicht getroffen. Die
Klägerin schuldete daher nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen eine
Maßnahme, die einerseits für eine effiziente Trocknung geeignet war und die
andererseits möglichst geringe Eingriffe in die Bausubstanz erforderte.
Diese schonendste Maßnahme hätte hier darin bestanden, in den Bädern in
jeder Ecke die Bodenfliesen zu durchbohren. Die von der Klägerin gewählte
und ausgeführte Methode führte demgegenüber zu größeren Schäden,
insbesondere zu der Durchtrennung der Feuchtigkeitsschutzfolie.
12 b) Der Schaden, den die Beklagte durch diese Vorgehensweise der
Klägerin erlitten hat, kann durch eine Nacherfüllung nicht mehr beseitigt
werden. Die Pflichtverletzung der Klägerin besteht in der Wahl einer die
Bausubstanz mehr als notwendig schädigenden Trocknungsmaßnahme. Sie kann
nicht dadurch ungeschehen gemacht und der entstandene Schaden beseitigt
werden, dass die ordnungsgemäße Erfüllungsleistung - das Öffnen des Bodens
in den vier Ecken der Bäder - nachgeholt wird. Der Zweck der
Fristsetzung, dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit einzuräumen, das noch
mit Mängeln behaftete Werk in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, ehe
an deren Stelle die ihn finanziell regelmäßig mehr belastenden anderen
Mängelansprüche treten, war hier nicht mehr zu erreichen. Der
Bundesgerichtshof hat zum alten Schuldrecht bereits entschieden, dass bei
einer derartigen Sachlage die Setzung einer Frist zur Nachbesserung nicht in
Betracht kommt (Urteil vom 7. November 1985 - VII ZR 270/83, BGHZ 96, 221,
226; vgl. auch Urteil vom 16. Oktober 1984 - X ZR 86/83, BGHZ 92, 308, 310).
Daran hat sich durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts nichts
geändert.
13 4. Auch soweit das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Beklagten bei
der Entstehung des Schadens verneint, ist seine Entscheidung
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
14 a) Die Bedenken, die die Revisionserwiderung insoweit gegen die
Statthaftigkeit der Revision geltend macht, sind nicht begründet ... (Wird
ausgeführt).
15 b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden der
Beklagten verneint.
16 aa) Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB ist grundsätzlich Sache des
Tatrichters. Sie kann im Revisionsverfahren jedoch daraufhin überprüft
werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig
berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde
gelegt worden sind. Die Abwägung darf insbesondere nicht schematisch
erfolgen, sondern muss alle festgestellten Umstände des Einzelfalls
berücksichtigen (BGH, Urteil vom 11. September 2008 - I ZR 118/06, NJW-RR
2009, 43 Rn. 43 m.w.N.).
17 bb) Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil. Das Berufungsgericht
hat insbesondere den oben dargestellten Einwand der Klägerin gesehen und bei
seiner Entscheidung berücksichtigt. Es nimmt bei der Prüfung des
Mitverschuldens auf seine Ausführungen unter II. 2. Bezug. Dort führt es
aus, es sei vor Ort über verschiedene Trocknungsmaßnahmen gesprochen worden.
Es setzt sich mit der Ansicht des Landgerichts auseinander, die Klägerin sei
zu der ausgeführten Trocknungsmaßnahme durch die Beklagte veranlasst worden,
und geht auch auf die Eilbedürftigkeit der Sache ein.
18 Diese Erwägungen sind von Rechtsfehlern nicht beeinflusst. Insbesondere
ist die Würdigung des Berufungsgerichts vertretbar, die Klägerin hätte sich
von den Mitarbeitern der Beklagten nicht davon abbringen lassen dürfen, den
Vertrag ordnungsgemäß zu erfüllen. Eine Anordnung der Beklagten, die Löcher
wegen der den Mitarbeitern unbekannten Lage der Rohre nicht im Fußboden
anzubringen, lag nicht vor.
III.
19 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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