Zulässigkeit einer negativen Zwischenfeststellungsklage gegen die zur Aufrechnung gestellte Forderung; Rechtskraft bei Aufrechnung (§ 322 ZPO)


BGH, Urteil vom 28. September 2006 - VII ZR 247/05


Fundstelle:

NJW 2007, 82


Amtl. Leitsatz:

Der Antrag des Klägers festzustellen, dass die von dem Beklagten zur Aufrechnung gestellte Forderung in Höhe der Klageforderung bereits dem Grunde nach nicht besteht, ist nicht als Zwischenfeststellungsklage zulässig.


Tatbestand:

Die Beklagte beauftragte die Klägerin unter Vereinbarung der VOB/B mit dem sechsspurigen Ausbau einer Teilstrecke der BAB A 9. Das dazu benutzte Frostschutzmaterial erwies sich nach dem Einbau als nicht frostbeständig. Die Klägerin hat es deshalb auf Anforderung der Beklagten wieder ausgebaut und die Straße neu hergestellt. Sie macht aus ihrer am 30. September 2002 gestellten Schlussrechnung über 2.508.726,35 € einen Teilbetrag von 607.154,75 € geltend. Die Beklagte hat mit Schadensersatzforderungen in gleicher Höhe aufgerechnet. Diese leitet sie daraus ab, dass es wegen der von der Klägerin vorgenommenen Mängelbeseitigung zu einem geänderten und verzögerten Bauablauf gekommen ist.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen der Beklagten hat es als unsubstantiiert vorgetragen angesehen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz ihre Klage erweitert. Sie hat beantragt festzustellen, dass die gegen den unstreitigen Werklohnanspruch aufgerechneten Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 607.154,75 € der Beklagten bereits dem Grunde nach nicht zustehen.

Das Berufungsgericht hat mit Teilurteil diese Zwischenfeststellungsklage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Feststellungsklage weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg. Die Zwischenfeststellungsklage ist allerdings nicht unbegründet, sondern unzulässig.

1. Das Berufungsgericht führt aus, die in der Berufungsinstanz erhobene negative Zwischenfeststellungsklage sei zulässig, in der Sache aber nicht erfolgreich, weil der Beklagten dem Grunde nach die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen zustünden.

Als streitiges Rechtsverhältnis, über das mit der Zwischenfeststellungsklage rechtskräftig entschieden werden solle, sei die umstrittene Frage nach dem Anspruchsgrund der Gegenforderungen zu werten.

Die nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderliche Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses sei unter Berücksichtigung der prozessökonomischen Zielsetzung der Zwischenfeststellungsklage gegeben. Angesichts des äußerst komplexen Tatsachenstoffs und der Benennung verschiedener Beweismittel sei eine mehrstufige und sukzessive durchzuführende Beweisaufnahme erforderlich. Gemäß § 301 Abs. 1 ZPO wären Teilurteile zu erlassen, soweit das Ergebnis der jeweiligen Beweisaufnahme einen Teil der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen zur Entscheidungsreife gebracht hätte. Bereits daraus ergebe sich die Vorgreiflichkeit des genannten streitigen Rechtsverhältnisses. So habe der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine Zwischenfeststellungsklage stets dann zugelassen, wenn mit der Hauptklage mehrere Ansprüche aus dem selben Rechtsverhältnis verfolgt würden, selbst wenn sie in ihrer Gesamtheit alle denkbaren Ansprüche erschöpften, da insoweit die Möglichkeit von Teilurteilen bestehe und die Zwischenfeststellung grundlegende Bedeutung für das Schlussurteil haben könne.

2. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

Die auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen der Zwischenfeststellungsklage (BGH, Urteil vom 9. März 1994 - VIII ZR 185/93, BGHZ 125, 251, 255) sind nicht erfüllt.

a) Eine negative Zwischenfeststellungsklage, die sich auf ein von dem Beklagten behauptetes Rechtsverhältnis bezieht, ist grundsätzlich auch bei erstmaliger Erhebung in der Berufungsinstanz zulässig. Als streitiges Rechtsverhältnis kann angesehen werden, ob der Beklagten geldwerte Ansprüche zustehen, weil sich der Bauablauf wegen der von der Klägerin ausgeführten Mängelbeseitigungsarbeiten geändert oder verzögert hat.

b) Es fehlt jedoch an der nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderlichen Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses für die Entscheidung des Rechtsstreits.

aa) Mit der positiven oder negativen Zwischenfeststellungsklage wird es dem Kläger ermöglicht, neben einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage auch eine solche über nach § 322 Abs. 1 ZPO der Rechtskraft nicht fähige streitige Rechtsverhältnisse herbeizuführen, auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt. Die begehrte Feststellung muss sich dementsprechend auf einen Gegenstand beziehen, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Für eine Zwischenfeststellungsklage ist daher kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt werden (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 256 Rdn. 26).

bb) Letzteres ist vorliegend der Fall. Der Erfolg der Klage hängt allein davon ab, ob und inwieweit die geltend gemachte (Teil-)Werklohnforderung infolge der von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit Gegenforderungen in gleicher Höhe erloschen ist. Gemäß § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. Weiterer Forderungen aus einem geänderten und verzögerten Bauablauf, die über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen hinausgehen, berühmt sich die Beklagte nicht. Die Klägerin macht auch nicht geltend, dass insoweit weitere Forderungen zu erwarten oder zu befürchten seien. Sie erstrebt mit der Zwischenfeststellungsklage lediglich die Feststellung, dass der Beklagten hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen ein Anspruch dem Grunde nach nicht zusteht. Insoweit ist die nach § 256 Abs. 2 ZPO erforderliche Vorgreiflichkeit des dem Anspruch der Beklagten zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses nicht gegeben. Denn über die Gegenforderung der Beklagten ist erschöpfend und der Rechtskraft fähig bereits im Rahmen der Hauptklage zu entscheiden.

cc) Aus der von dem Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 17. Mai 1977 - VI ZR 174/74, BGHZ 69, 37) ergibt sich nichts anderes. Dort ist lediglich ausgeführt, dass bei der Zwischenfeststellungsklage grundsätzlich schon die - hier weder behauptete noch sonst ersichtliche - Möglichkeit genügt, dass das inzidenter zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen Stand hinaus Bedeutung hat oder Bedeutung gewinnen kann. Das ist hier schon deswegen nicht der Fall, weil die Klägerin nicht die allgemeine Feststellung des Nichtbestehens des von der Beklagten behaupteten Rechtsverhältnisses erstrebt, sondern lediglich eine Entscheidung zum Grund der bezifferten Gegenforderungen, die in ihrer Höhe derjenigen der Klageforderung entsprechen.

dd) Eine der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13. Oktober 1967 - V ZR 83/66, MDR 1968, 36) oder den dort in Bezug genommenen Reichsgerichtsentscheidungen (RGZ 144, 54; 170, 328) vergleichbare Konstellation liegt nicht vor.

In den reichsgerichtlichen Entscheidungen wurde eine Zwischenfeststellungsklage als zulässig angesehen, wenn mit der Hauptklage mehrere selbständige Ansprüche aus dem streitigen Rechtsverhältnis verfolgt werden, auch wenn sie in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus ihm ergeben können. Diesen Rechtsgrundsatz hat der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung auf den Fall übertragen, dass die Parteien mit Klage und Widerklage mehrere selbständige Ansprüche verfolgen, für die das streitige Rechtsverhältnis vorgreiflich ist. Dies wird damit begründet, dass in beiden Fällen Teilurteile ergehen können und deshalb die Entscheidungen über das zugrunde liegende Rechtsverhältnis für nachfolgende Teilurteile und das Schlussurteil von Bedeutung sein können.

Diese ausnahmsweise die Zulässigkeit einer Zwischenfeststellungsklage erweiternden Überlegungen können auf die hier zu beurteilende Sachlage nicht übertragen werden. Ein Erfolg des Zwischenfeststellungsantrags der Klägerin würde gerade nicht die Möglichkeit für Teilurteile eröffnen. Denn im Fall der Begründetheit der Zwischenfeststellungsklage wäre der Hauptsacheklage ohne weiteres stattzugeben; ein Ausspruch über den Zwischenfeststellungsantrag könnte keine weitergehende rechtliche Bedeutung haben.

Der von der Klägerin gestellte Zwischenfeststellungsantrag zielt in der Sache lediglich darauf ab, eine Vorabentscheidung über den Grund der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung zu erreichen, was das Verfahrensrecht im Rahmen des § 304 ZPO gerade nicht vorsieht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. § 304 Rdn. 3). Auch unter Berücksichtigung prozessökonomischer Erwägungen ist es nicht gerechtfertigt, hierfür auf dem Wege einer negativen Zwischenfeststellungsklage des Aufrechnungsgegners über § 256 Abs. 2 ZPO eine Ersatzmöglichkeit zu eröffnen.