Entgeltklausel in AGB als überraschende Klausel
i.S.v. § 305c I BGB im Verhältnis zwischen Unternehmern (Brancheneintrag im
Internet); Entgeltlichkeit einer Werkleistung nach § 632 I BGB
BGH, Urteil vom 26. Juli 2012 - VII
ZR 262/11
Fundstelle:
NJW-RR 2012, 1261
Amtl. Leitsatz:
Wird eine Leistung (hier:
Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet) in einer Vielzahl von
Fällen unentgeltlich angeboten, so wird eine Entgeltklausel, die nach der
drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das
Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des
Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht
Vertragsbestandteil.
Zentrale Probleme:
Ein schönes klassisches
AGB-Problem in einem klausurtypischen Sachverhalt. Von Interesse sind
insbesondere die Merkmale einer "überraschenden Klausel" i.S.v. § 305c I BGB
(s. bei Tz. 10). Da die Entgeltklausel wegen § 305c I BGB
nicht Vertragsinhalt werden konnte, kam eine Entgeltpflichtigkeit nur nach §
632 I BGB in Betracht: Danach gilt bei Werkleistungen eine Vergütung als
stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werks "den Umständen
nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist". Das wird hier angesichts der
Vielzahl kostenloser Verzeichniseinträge im Internet ebenfalls verneint.
Einer typischen "Nepperfalle" wird damit Einhalt geboten.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Die Klägerin unterhält ein
Branchenverzeichnis im Internet. Um Eintragungen zu gewinnen, übersendet sie
Gewerbetreibenden ein Formular, welches sie als "Eintragungsantrag
Gewerbedatenbank..." bezeichnet. Auf der linken Seite des Formulars befinden
sich unter der (unterstrichenen) Aufforderung "Bitte ggf.
streichen/korrigieren" mehrere Zeilen, die für Unternehmensdaten vorgesehen
sind (Firma, Straße, Postleitzahl, Ort, Geschäftsführer, Branche,
Telefon/Fax). Sodann folgt eine Unterschriftszeile, deren Beginn mit einem
fettgedruckten "X" hervorgehoben ist. Darunter heißt es in vergrößerter
Schrift:
Rücksendung umgehend erbeten" und sodann (unterstrichen) "zentrales Fax"; es
folgt die fett und vergrößert wiedergegebene Faxnummer der Klägerin.
2 Auf der rechten Seite des Formulars befindet sich eine umrahmte
Längsspalte, die folgenden Text enthält:
"Hinweise zum Ersteintragungsantrag, Leistungsbeschreibung sowie
Vertragsbedingungen, Vergütungshinweis sowie Hinweis nach § 33 BDSG
(Bundesdatenschutzgesetz):
Sehr geehrte Damen und Herren, die Aufnahme in unser gewerblich geführtes
Verzeichnis erfolgt erst nach Rücksendung des Formulars. Wir bieten Ihnen
die Veröffentlichung Ihrer nebenstehenden Daten in unserem
Branchenverzeichnis
www.g...org im Internet gemäß umseitiger Nr. 4 AGB gegen
Entgelt an. Vertragslaufzeit zwei Jahre, die Kosten betragen 650 Euro netto
pro Jahr. Die umseitigen AGB sind fester Bestandteil Ihres nebenstehenden
Antrags. Die gesetzlichen Veröffentlichungspflichten Ihrer Daten sind von
diesem Angebot nicht berührt. Es besteht zwischen uns aktuell keine
Geschäftsbeziehung, es besteht keine Verpflichtung zur Rücksendung des
Antrags. Der Auftrag zur Eintragung gilt durch Rücksendung als
unwiderruflich erteilt. Beachten Sie, dass nach Erteilung des Auftrages kein
Rücktritt mehr möglich ist. Vollständige Anbieterkennzeichnung nach § 35a
GmbHG umseitig. Hinweis nach § 33 BDSG: Beteiligtendaten werden gespeichert.
Dieses Schreiben wurde aus Kostengründen maschinell erstellt und trägt keine
Unterschrift."
3 Die Zeilen "Hinweise zum..." bzw. "Hinweis nach..." sind fett gedruckt.
Der Geschäftsführer der Beklagten füllte das ihm unaufgefordert zugesandte
Formular aus und sandte es zurück. Die Klägerin trug die Beklagte in das
Verzeichnis ein und stellte am 30. November 2010 dafür 773,50 € brutto in
Rechnung.
4 Das Amtsgericht hat die auf Zahlung des vorgenannten Betrags nebst Zinsen
gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr
Zahlungsverlangen weiter.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Werklohnklage
zu Recht abgewiesen.
I.
6 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2011, 27222
veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7 Der Klägerin stehe kein Zahlungsanspruch zu, weil die formularmäßige
Entgeltabrede überraschend sei (§ 305c Abs. 1 BGB). Derartige
Grundeintragungen in Internetverzeichnisse seien zwar nicht generell, aber
häufig unentgeltlich. Die Entgeltabrede sei hier zwischen anderen Angaben so
versteckt eingefügt worden, dass sie ohne Weiteres übersehen werden könne
und der Adressat nicht damit zu rechnen brauche. Die Aufmerksamkeit des
Adressaten werde in erster Linie auf das Ausfüllen des Textes für den
Brancheneintrag gelenkt. Von einem durchschnittlichen Kaufmann könne nicht
erwartet werden, dass er den gerahmten Text sorgfältig lese.
8 Ein Vergütungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 632 Abs. 1 BGB.
Die Eintragung sei wegen einer Vielzahl kostenlos angebotener Einträge nicht
nur gegen Vergütung zu erwarten.
II.
9 Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision vergeblich. Das
Berufungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die von der Klägerin
verwendete formularmäßige Entgeltabrede wegen ihres überraschenden
Charakters nicht Vertragsbestandteil geworden ist (§ 305c Abs. 1 BGB).
10 1. Nach dieser
Vorschrift, die auch gegenüber Unternehmern Anwendung findet (§ 310 BGB),
werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den
Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so
ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht
zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Überraschenden Inhalt
hat eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann, wenn sie von
den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr
den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (BGH,
Urteile vom 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109, 113; vom 18. Mai
1995 - IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 25; vom 11. Dezember 2003 - III ZR
118/03, NJW-RR 2004, 780 unter II 2 d aa; vom 9. Dezember 2009 - XII ZR
109/08, NJW 2010, 671 Rn. 12; jeweils m.w.N.). Generell kommt es
dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners, sondern
auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht
kommenden Personenkreises an (BGH, Urteile vom 30. Oktober 1987 - V
ZR 174/86, BGHZ 102, 152, 159; vom 24. Oktober 2000 - XI ZR 273/99, NJW-RR
2001, 1420 unter II 2 a aa; vom 10. September 2002 - XI ZR 305/01, NJW 2002,
3627 unter II). Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer
Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung
zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen
(BGH, Urteile vom 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81, aaO; vom 22. November 2005 -
XI ZR 226/04, NJW-RR 2006, 490 Rn. 14; vom 21. Juli 2010 - XII ZR 189/08,
NJW 2010, 3152 Rn. 27; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 305c Rn. 4;
Erman/Roloff, BGB, 13. Aufl., § 305c Rn. 12 f.; BeckOK BGB/H. Schmidt,
Stand: 1. Mai 2012, § 305c Rn. 17, 38).
11 2. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Auch ein
gewerblicher Vertragspartner, der der Klägerin mittels des von ihr
verwendeten Formulars einen Eintragungsauftrag erteilt, braucht mit einer
Entgeltabrede dieser Art nicht zu rechnen. Die Revision weist ohne Erfolg
darauf hin, dass bereits in der Überschrift der schmalen rechten Spalte von
einem "Vergütungshinweis" die Rede sei und Vertragskosten und -laufzeit im
Text der Längsspalte vorgestellt würden.
12 Das Berufungsgericht geht von der Revision unbeanstandet davon aus, dass
Eintragungen in Branchenverzeichnisse im Internet zwar nicht generell, aber
in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden. Die berechtigte
Kundenerwartung wird in der vorliegenden Fallgestaltung nicht hinreichend
deutlich korrigiert. Die Bezeichnung des Formulars als "Eintragungsantrag
Gewerbedatenbank" macht nicht hinreichend deutlich, dass es sich um ein
Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelt. Der Hinweis auf
die Vergütungspflicht in der Längsspalte geht im ihn umgebenden Fließtext
unter. Das gilt bereits für den Begriff "Vergütungshinweis" in der
Überschrift und erst recht für die Höhe der Vergütung und die Laufzeit des
Vertrags. Die Aufmerksamkeit auch des gewerblichen Adressaten wird durch
Hervorhebung im Fettdruck und Gestaltung auf die linke Spalte gelenkt. Die
in der Längsspalte mitgeteilte Entgeltpflicht ist demgegenüber
drucktechnisch so angeordnet, dass eine Kenntnisnahme durch den
durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten ist.
13 Dementsprechend haben die Berufungsgerichte in vergleichbaren
Fallgestaltungen entschieden, dass Entgeltklauseln, die nach der
drucktechnischen Gestaltung eines Formulars so unauffällig in das Gesamtbild
eingefügt sind, dass sie von dem Vertragspartner des Verwenders nicht
vermutet werden, nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil werden (LG
Rostock, NJW-RR 2008, 1450; LG Flensburg, NJOZ 2011, 1173 mit Anmerkung
Schöttler, jurisPR-ITR 14/2011 Anm. 4; zu "versteckten" Entgeltklauseln
siehe auch LG Saarbrücken, NJW-RR 2002, 915; LG Düsseldorf, NJOZ 2009, 391;
LG Berlin,
NJW-RR 2012, 424).
14 3. Dem steht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Februar 2005 (X ZR
123/03, NJW-RR 2005, 1082 unter 4) nicht entgegen. Darauf beruft sich auch
die Revision nicht. Das vorgenannte Urteil beruht auf besonderen
tatrichterlichen Feststellungen (so auch Scharen in: Festschrift Ullmann,
2004, S. 861 ff.). In dem vorgenannten Fall hatte bereits das
Berufungsgericht die Entgeltklausel nicht als überraschend angesehen, weil
der durchschnittliche Angebotsempfänger nicht damit rechne, den Grundeintrag
in ein OnlineFirmenverzeichnis kostenlos zu erhalten. Gegen diese im Rahmen
des § 286 ZPO mögliche Wertung hatte die Revision des Kunden nichts
vorgebracht (BGH, Urteil vom 22. Februar 2005 - X ZR 123/03, aaO).
15 4. Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil
geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag grundsätzlich nach § 306 Abs.
1 BGB im Übrigen wirksam und sein Inhalt richtet sich gemäß § 306 Abs. 2 BGB
nach den gesetzlichen Vorschriften. Zutreffend und unangegriffen
geht das Berufungsgericht insoweit davon aus, dass die Herstellung des
Werkes den Umständen nach nicht nur gegen eine Vergütung zu erwarten war (§
632 Abs. 1 BGB), so dass ein Werklohnanspruch auch auf dieser Grundlage
nicht besteht.
III.
16 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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