Parteierweiterung in der
Berufungsinstanz; Gesamtschuldnerische Haftung von Architekt und
Bauunternehmer bei Baumängeln; Einschränkung der Inanspruchnahme von
Gesamtschuldnern nach § 242 BGB
BGH, Urteil vom 26. Juli
2007 - VII ZR 5/06
Fundstelle:
NJW-RR 2008, 176
Amtl. Leitsatz:
1. Einem
gesamtschuldnerisch mit einem Unternehmer wegen Bauaufsichtsfehlern
haftenden Architekten ist in der Regel der Einwand versagt, der Auftraggeber
hätte sich durch rechtzeitigen Zugriff bei dem Unternehmer befriedigen
können und müssen. Der Schadensersatzanspruch kann nicht allein deshalb
verneint werden, weil der Auftraggeber entgegen der Empfehlung des
Architekten Werklohn wegen Mängeln der Bauausführung nicht einbehalten hat.
2. Die Versagung der Zustimmung zur Parteierweiterung durch einen in der
Berufungsinstanz erstmals mit einer Widerklage überzogenen Architekten ist
nicht missbräuchlich, wenn die Widerklage wegen Bauaufsichtsfehlern einer in
Gesellschaft bürgerlichen Rechts tätigen Architektengemeinschaft zunächst
nur gegen einen Gesellschafter erhoben wird und sodann nach mehreren Jahren
der Prozessführung zu einem geringen Teil auch gegen den anderen, bisher am
Prozess nicht beteiligten Gesellschafter, nachdem dieser als Zeuge geladen
worden ist.
Zentrale Probleme:
Eine insbesondere in Bezug auf die Gesamtschuld
interessante Entscheidung. Obwohl der zur Bauaufsicht verpflichtete
Architekt anders als der Bauunternehmer nicht die Herstellung des Werkes
schuldet, haften beide bei Baumängeln auf der Ebene des Schadensersatzes,
also der sekundären Leistungspflichten als Gesamtschuldner, wenn ein
Baumangel auch auf einen Aufsichtsfehler zurückzuführen ist. Hier geht es
nun darum, ob der Besteller seinen Schadensersatzanspruch gegen den
Architekten verliert, wenn er an den Unternehmer den vollen Werklohn bezahlt
und nichts einbehalten hat. Zentral ist dabei die Aussage, daß sich die
Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners als rechtsmissbräuchlich darstellen
kann. Der Gläubiger darf bei seinem Entschluss, gegen welchen
Gesamtschuldner er vorgeht, nicht jede Rücksichtnahme auf den anderen
vermissen lassen. Er hat vielmehr seine Rechte nach Treu und Glauben
auszuüben, § 242 BGB. So kann der Auftraggeber ausnahmsweise gehindert sein,
einen Architekten wegen eines Bauaufsichtsfehlers in Anspruch zu nehmen,
wenn und soweit er auf einfachere, insbesondere billigere Weise von dem
Unternehmer die Beseitigung des Mangels verlangen kann. Das war hier aber
nicht mehr der Fall, weil es allein um den finanziellen Ausgleich ging. In
einem solchen Fall sei einem Gesamtschuldner in der Regel der Einwand
versagt, der Gläubiger hätte sich durch rechtzeitigen Zugriff bei dem
anderen Gesamtschuldner befriedigen können und müssen. Etwas anderes könne
nur gelten, wenn der Gläubiger arglistig handelt, wenn also sein Vorgehen im
Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles sich als Missbrauch seines
Rechts darstellen würde, die Leistung nach Belieben von jedem Schuldner zu
fordern. Als rechtsmissbräuchliches Verhalten wäre das Verhalten des
Gläubigers anzusehen, wenn er sich nur deswegen an einen von mehreren
Gesamtschuldnern halten und ihm das Regressrisiko aufbürden würde, weil er
aus missbilligenswerten Motiven die Absicht hat, gerade diesen Schuldner zu
belasten.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Die Beklagte und Widerklägerin beauftragte 1994 eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter die Widerbeklagten sind, mit
Planungsleistungen für die Modernisierung und den Neubau verschiedener
Gebäude. Gegenstand des Vertrages war die Planung für drei Bauabschnitte.
Der Neubau des ersten Bauabschnitts wurde von der G. GmbH als
Generalunternehmerin ausgeführt. Zahlreiche Leistungen der G. GmbH waren
mangelhaft, so auch die Wärmedämmung des Daches. Nach Insolvenz der G. GmbH
haben sich der Insolvenzverwalter und die Widerklägerin wegen des noch zu
zahlenden Werklohns und eines Sicherheitseinbehalts geeinigt. Es steht fest,
dass die Widerklägerin einen erheblichen Betrag des vertraglich vereinbarten
Werklohns nicht mehr zahlen muss.
2 Der Kläger und Widerbeklagte zu 1 hat mit der Klage aus abgetretenem Recht
Honorar in Höhe von 57.500 DM verlangt. Die Beklagte hat mit verschiedenen
Gegenforderungen aufgerechnet. Sie hat zudem zunächst ausschließlich gegen
den Kläger Widerklage auf Zahlung von 280.000 DM erhoben. Gegenstand der
Widerklage sind Bauaufsichtsfehler bei der Gründung gewesen.
3 Das Landgericht hat der Klage im Jahr 1999 stattgegeben und die Widerklage
abgewiesen. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Widerklägerin die
Widerklage geändert. Sie hat sie zuletzt auf Bauaufsichtsfehler bei der
Dämmung des Daches gestützt und sie im Juni 2005 gegen beide Gesellschafter
erhoben, gegen den Kläger und Widerbeklagten zu 1 in Höhe von 141.630,02 €,
gegen den Widerbeklagten zu 2 lediglich in Höhe eines Teilbetrages von
5.500,00 €.
4 Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 8.887,58 €
verurteilt. Die Widerklage hat es als unbegründet abgewiesen. Der Senat hat
die Revision zugelassen, soweit die Widerklage abgewiesen worden ist. Die
Widerklägerin verfolgt ihre Zahlungsanträge zur Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Die Widerklage gegen den
Widerbeklagten zu 2
5 Die Revision ist im Ergebnis unbegründet, soweit sie sich gegen die
Abweisung der Widerklage gegen den Widerbeklagten zu 2 richtet. Sie ist mit
der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Widerklage als unzulässig abgewiesen
wird.
6 Die Beurteilung richtet sich nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden
Vorschriften für die Berufung (§ 26 Nr. 5 EGZPO).
I.
7 Das Berufungsgericht hält die Erweiterung des Widerklageantrags in Bezug
auf den Widerbeklagten zu 2 als Teilklage für zulässig. Die Widerklage sei
sachdienlich. Der Widerbeklagte zu 2 habe die Zustimmung missbräuchlich
verweigert. Der Widerbeklagte zu 2 sei offenkundig hinreichend in das
Bauvorhaben involviert, um die zur Rechtsverteidigung erforderlichen
Informationen zur Verfügung zu haben oder sich diese beschaffen zu können.
Er habe das Bauvorhaben maßgeblich begleitet.
II.
8 Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Widerklage ist
unzulässig.
9 1. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer im Berufungsverfahren
erhobenen Widerklage gegen eine bisher am Prozess nicht beteiligte Partei
ist grundsätzlich deren Zustimmung, es sei denn, diese wird
rechtsmissbräuchlich verweigert. Die Verweigerung der Zustimmung zu einer
Parteierweiterung in der Berufungsinstanz ist im allgemeinen missbräuchlich,
wenn ein schutzwürdiges Interesse des neuen Widerbeklagten an der Weigerung
nicht zu erkennen und ihm zuzumuten ist, in den Prozess einzutreten, obwohl
er bereits in der Berufungsinstanz schwebt. Bei der Würdigung sind alle
Umstände des Falles zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1956 -
VI ZR 32/55, BGHZ 21, 285, 289; Urteil vom 13. Februar 1974 - VIII ZR
147/72, NJW 1974, 750; Urteil vom 10. November 1980 - II ZR 96/80, NJW 1981,
989; Urteil vom 4. Oktober 1985 - V ZR 136/84, NJW-RR 1986, 356). Allein
der maßgeblich vom Berufungsgericht angeführte Umstand, dass eine neue
Partei ausreichende Informationen über den Streitstoff hat, kann eine
rechtsmissbräuchliche Verweigerung der Zustimmung nicht begründen. Das
Erfordernis der Zustimmung soll dem Schutz der Partei dienen, die in einem
fortgeschrittenen Verfahrensstadium in einen Prozess hineingezogen wird
(BGH, Urteil vom 26. Februar 1987 - VII ZR 58/86, BauR 1987, 351 = ZfBR
1987, 151). Es soll Nachteile verhindern, die dadurch entstehen, dass der
neue Beklagte auf den bisherigen Verlauf des Prozesses keinen Einfluss hatte
und ihn in der Lage weiterführen müsste, in der er sich nunmehr befindet
(BGH, Urteil vom 29. November 1961 - V ZR 181/60, NJW 1962, 633).
10 2. Maßgeblich ist danach, ob der Widerbeklagte zu 2 die Zustimmung
ausnahmsweise nicht verweigern durfte, weil eine prozessuale
Beeinträchtigung und Schlechterstellung auszuschließen ist. Das ist zu
verneinen. Dem Widerbeklagten zu 2 ist nicht nur eine Tatsacheninstanz
vorenthalten worden, sondern die Widerklage gegen ihn war zudem erst zu
einem Zeitpunkt erhoben worden, in dem bereits ein großer Teil des
Prozessstoffes verhandelt worden ist. Die Widerklage wegen des
Bauaufsichtsfehlers bei der Ausführung der Wärmedämmung war bereits im Jahr
2000 in der Berufungsinstanz gegen den Kläger erhoben worden. Seitdem
stritten die damaligen Parteien über den Mangel, die Verantwortlichkeit der
Architekten, über Mängelbeseitigungskosten und auch darüber, ob der
Widerklägerin ein Schaden im Hinblick darauf entstanden ist, dass sie
Werklohn an den Unternehmer nicht gezahlt hat. Über einen Teil der
Streitpunkte ist ein Sachverständigengutachten eingeholt worden, das Anfang
2004 vorlag. Die Widerklage gegen den Widerbeklagten zu 2 ist erst im Juni
2005 erhoben worden. Sie erfasste nur einen geringen Teilbetrag, so dass
jedenfalls aus der Sicht des Widerbeklagten zu 2 die Vermutung nahe lag,
dass die Klage aus prozesstaktischen Gründen erhoben worden ist. Denn er war
als Zeuge benannt und geladen worden. Bei diesem Sachverhalt lässt sich eine
rechtsmissbräuchliche Verweigerung der Zustimmung nicht erkennen. Der
Widerbeklagte zu 2 musste es nicht hinnehmen, dass er aus vermeintlich
prozesstaktischen Gründen in der Berufungsinstanz in einen Prozess gedrängt
wird, der bereits über mehrere Jahre intensiv geführt worden war, wobei
zudem die Gefahr bestand, dass gegen ihn ein weiterer Prozess wegen der
restlichen Forderung geführt wird. Es ist nicht festgestellt, dass der
Widerbeklagte zu 2 maßgeblichen Einfluss auf die Prozessführung bis zur
subjektiven Erweiterung der Widerklage hatte, so dass dahingestellt bleiben
kann, ob in diesem Fall eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre (vgl.
BGH, Urteil vom 13. Juli 1956 - VI ZR 32/55, BGHZ 21, 285, 290).
11 3. Das Urteil des Berufungsgerichts ist danach im Ergebnis richtig,
soweit die Widerklage gegen den Widerbeklagten zu 2 abgewiesen worden ist.
Es ist ohne Sachprüfung mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass die Klage
gegen den Widerbeklagten zu 2 als unzulässig abgewiesen wird. Außerdem hat
die Kostenentscheidung Bestand, soweit der Widerklägerin auferlegt worden
ist, die außergerichtlichen Kosten des Widerbeklagten zu 2 zu tragen.
B. Die Widerklage gegen den Widerbeklagten zu 1
12 Die Revision ist begründet, soweit die Widerklage gegen den
Widerbeklagten zu 1 abgewiesen worden ist. Insoweit führt sie zur Aufhebung
und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
13 Auf das Schuldverhältnis der Parteien sind die Gesetze in der bis zum 31.
Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 Abs. 5 Satz 1 EGBGB).
I.
14 Das Berufungsgericht führt aus, der gegen die Widerbeklagten gerichtete
Schadensersatzanspruch bestehe dem Grunde nach. Sie hätten die
Wärmedämmarbeiten am Dach nicht genügend beaufsichtigt. Die von ihnen
behaupteten Bedenkenhinweise seien nicht ausreichend dargelegt. Der
Widerklägerin sei ein Schaden in Höhe von 73.139,80 € entstanden. Die
Mängelbeseitigungskosten betrügen zwar nach den Feststellungen des
Sachverständigen 240.600 €. Bei der Schadensberechnung müsse allerdings
berücksichtigt werden, dass ein Schaden nicht entstanden sei, soweit die
Widerklägerin an die G. GmbH Werklohn nicht bezahlen müsse und dieser Betrag
nicht durch weitere berechtigte Ersatzansprüche aufgezehrt werde.
15 Bei der Berechnung dieses Betrages sei davon auszugehen, dass die
Widerklägerin mit der G. GmbH einen Werklohn von 10.450.000,00 DM vereinbart
habe. Hinzu komme ein Betrag von 404.491,59 DM, den die Widerklägerin der G.
GmbH geschuldet habe, weil sie in dieser Höhe Nachtragsaufträge erteilt
habe. Das abweichende Vorbringen der Widerklägerin nach Schluss der
mündlichen Verhandlung im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 8. November
2005 könne keine Berücksichtigung finden.
16 Unter Berücksichtigung der Zahlungen und Abzüge für mangelhafte
Leistungen der G. GmbH verblieben noch 167.460,20 € als "freier" Betrag.
Nach Abzug dieses Betrages von den Mängelbeseitigungskosten in Höhe von
240.600,00 € verbleibe ein erstattungsfähiger Schaden von 73.139,80 €.
17 Der Widerklägerin sei die Geltendmachung dieses Schadens nach Treu und
Glauben verwehrt. Die Widerbeklagten hätten nach Prüfung der Rechnungen
lediglich 8.111.987,32 DM zur Zahlung an die G. GmbH freigegeben. Die
Widerklägerin habe jedoch 9.448.567,70 DM gezahlt. Es lasse sich mit dem
Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbaren, wenn die Widerklägerin von
ihren bauleitenden und bauüberwachenden Architekten Schadensersatz fordern
könne. Denn sie habe durch ihre Zahlung den Architekten die Möglichkeit
verwehrt, auf Mängeleinbehalte hinzuwirken und damit - zumindest mittelbar -
auch der Entstehung eventueller Schadensersatzansprüche wegen in dem Bauwerk
verkörperter Mängel entgegenzuwirken. Gelange der Architekt bei Prüfung der
Rechnung des Unternehmers zu dem Ergebnis, die abgerechneten Leistungen
entsprächen nicht dem erbrachten Leistungsumfang oder seien nicht
ordnungsgemäß erbracht, müsse er diesem zu einem entsprechenden Einbehalt
raten. Nehme der Bauherr dennoch Zahlungen vor, so sei es gerechtfertigt,
dem Bauherrn insoweit die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zu
verwehren, als ein erstattungsfähiger Schaden ohne die voreilige Zahlung an
das Bauunternehmen nicht entstanden wäre, weil der Bauherr sich in voller
Höhe aus dem zurückbehaltenen Betrag hätte befriedigen können.
II.
18 Mit dieser Begründung ist die Abweisung des Widerklageantrags nicht zu
rechtfertigen. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht den Vortrag der
Widerklägerin zum Umfang der Nachträge im Schriftsatz vom 8. November 2005
nicht berücksichtigt. Bei Berücksichtigung dieses Vortrags kann sich ein
Schadensersatzanspruch in Höhe des Widerklageantrags ergeben (1.). Zu
Unrecht hat das Berufungsgericht den Schadensersatzanspruch versagt, weil
die Beklagte von den Widerbeklagten nicht freigegebenen Werklohn an die G.
GmbH bezahlt habe (2.).
19 1. a) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass
der Auftraggeber gegen seinen Architekten keinen Schadensersatzanspruch
wegen Bauüberwachungsfehlern geltend machen kann, wenn feststeht, dass er
wegen der Mängel einbehaltenen Werklohn des Unternehmers nicht mehr
entrichten muss. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (Urteil
vom 9. Mai 1996 - VII ZR 181/93, BauR 1996, 732, 733 = NJW 1996, 2370 = ZfBR
1996, 264). Die Kritik von Glöckner (BauR 1997, 529, 530) ist unbegründet.
Der Senat hat nicht entschieden, dass der Schaden des Auftraggebers durch
eine Anrechnung im Wege der Vorteilsausgleichung entfällt und dadurch einem
Gesamtschuldnerausgleich die Grundlage genommen würde. Wird ein Werklohn
dauerhaft einbehalten und steht fest, dass er nicht mehr zu zahlen ist,
kommt das vielmehr einer Inanspruchnahme des Unternehmers wegen der Mängel
und damit einer Erfüllung der Schuld durch diesen gleich. Eine weitere
Inanspruchnahme des Architekten scheidet dann aus.
20 b) Die Ermittlung des einbehaltenen Betrages, der der Widerklägerin zur
Mängelbeseitigung zur Verfügung steht und ihren Anspruch mindert, ist jedoch
verfahrensfehlerhaft erfolgt. Das Berufungsgericht hat unter Verstoß gegen
den Anspruch der Widerklägerin auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, zu
deren Nachteil angenommen, der ursprünglich vereinbarte Werklohn erhöhe sich
wegen von der Widerklägerin erteilter Nachträge um 404.491,59 DM.
21 Die Widerklägerin hat im insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 8.
November 2005 Nachträge in dieser Höhe bestritten. Sie hat dargelegt, dass
der G. GmbH aufgrund von nachträglichen Beauftragungen lediglich ein
zusätzlicher Werklohnanspruch in Höhe von 205.833,00 DM zusteht. Diesen
Vortrag hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt.
Nachdem das Berufungsgericht noch in seinem Hinweisbeschluss vom 26. Mai
2005 die Auffassung vertreten hat, es dürfte auf die Höhe der an die G. GmbH
zu zahlenden Summe nicht ankommen, war es nach dem erst in der letzten
mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2005 erfolgten Hinweis auf seine
davon abweichende Rechtsauffassung verpflichtet, den Parteien Gelegenheit zu
geben, auf die neue Prozesssituation zu reagieren und den Tatsachenvortrag
zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2005 - XI ZR 144/03, BGHReport
2005, 936 = FamRZ 2005, 700 m.w.N.). Auf den erheblichen Vortrag der
Widerklägerin hätte es die mündliche Verhandlung wiedereröffnen müssen.
Dieser Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Es ist nicht
ausgeschlossen, dass die Widerklage auf der Grundlage des Vortrages der
Widerklägerin in vollem Umfang Erfolg hat. Der Schaden könnte bis zu
174.712,32 € betragen, so dass der Klageantrag über 141.630,02 €
ausgeschöpft wäre.
22 2. Zu Unrecht vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, die Beklagte
könne ihren Schadensersatzanspruch nicht geltend machen, weil sie einen
Betrag an die G. GmbH gezahlt habe, der den von den Widerbeklagten nach
Rechnungsprüfung freigegebenen Betrag um 1.336.580,38 DM überschritten habe.
23 a) Grundsätzlich haftet der Architekt für Bauaufsichtsfehler dem
Auftraggeber auf Schadensersatz, wenn es infolge des Fehlers zu einem Mangel
des Bauwerks gekommen ist. Der Schadensersatzanspruch kann in Höhe der
Mängelbeseitigungskosten berechnet werden. Der Architekt und der Unternehmer
sind im Umfang ihrer Haftung Gesamtschuldner (BGH, Beschluss vom 1.
Februar 1965 - GSZ 1/64, BGHZ 43, 227, 230 f.). Dem Auftraggeber steht es
grundsätzlich frei, ob er wegen eines Mangels am Bauwerk den Unternehmer
oder den Architekten, der seine Aufsichtspflicht verletzt hat, in Anspruch
nehmen will.
24 b) Allerdings kann sich die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners als
rechtsmissbräuchlich darstellen. Der Gläubiger darf bei seinem Entschluss,
gegen welchen Gesamtschuldner er vorgeht, nicht jede Rücksichtnahme auf den
anderen vermissen lassen. Er hat vielmehr seine Rechte nach Treu und Glauben
auszuüben, § 242 BGB. So kann der Auftraggeber ausnahmsweise gehindert sein,
einen Architekten wegen eines Bauaufsichtsfehlers in Anspruch zu nehmen,
wenn und soweit er auf einfachere, insbesondere billigere Weise von dem
Unternehmer die Beseitigung des Mangels verlangen kann (BGH, Urteil vom
2. Mai 1963 - VII ZR 171/61, BGHZ 39, 261, 264).
25 Geht es allein um den finanziellen Ausgleich des Schadens, ist einem
Gesamtschuldner in der Regel jedoch der Einwand versagt, der Gläubiger hätte
sich durch rechtzeitigen Zugriff bei dem anderen Gesamtschuldner befriedigen
können und müssen. Etwas anderes kann gelten, wenn der Gläubiger arglistig
handelt, wenn also sein Vorgehen im Hinblick auf die besonderen Umstände des
Falles sich als Missbrauch seines Rechts darstellen würde, die Leistung nach
Belieben von jedem Schuldner zu fordern. Als rechtsmissbräuchliches
Verhalten wäre das Verhalten des Gläubigers anzusehen, wenn er sich nur
deswegen an einen von mehreren Gesamtschuldnern halten und ihm das
Regressrisiko aufbürden würde, weil er aus missbilligenswerten Motiven die
Absicht hat, gerade diesen Schuldner zu belasten (BGH, Urteil vom 22.
Januar 1991 - XI ZR 342/89, NJW 1991, 1289; vgl. auch Glöckner, BauR 1997,
529, 533).
26 c) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht zu Unrecht der
Widerklägerin die Inanspruchnahme des Widerbeklagten zu 1 versagt. Es hat
keinen Sachverhalt festgestellt, nach dem der Widerklägerin ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten vorzuwerfen wäre. Es sind keine
Anhaltspunkte dafür mitgeteilt, dass die Widerklägerin mit der Absicht
Zahlungen an die G. GmbH geleistet hätte, die Widerbeklagten treuwidrig mit
der Schadensersatzforderung wegen mangelhafter Bauaufsicht bei der
Herstellung der Wärmedämmung zu belasten. Es ist nicht einmal festgestellt,
dass die Widerklägerin bei der Zahlung an die G. GmbH eine Inanspruchnahme
der Widerbeklagten erwogen hätte. Auch fehlen jegliche Feststellungen dazu,
dass die Widerklägerin aus zu missbilligenden Gründen an die G. GmbH gezahlt
hätte. Die Widerbeklagten haben selbst darauf hingewiesen, dass die Zahlung
erfolgt sein könnte, um den Fortgang der Arbeiten sicherzustellen. Das sind
keine zu missbilligenden Gründe. Die allgemeinen Erwägungen des
Berufungsgerichts, ein Bauherr verhalte sich missbräuchlich, wenn er
entgegen den Empfehlungen seiner Architekten sein
Leistungsverweigerungsrecht aufgebe, sind in dieser Allgemeinheit nicht nur
rechtsfehlerhaft, sondern entbehren überdies einer fallbezogenen Grundlage.
Denn es fehlen auch jegliche Feststellungen dazu, inwieweit solche
Empfehlungen wegen Mängeln ausgesprochen worden sind und in welchem Umfang
sie auch aus der Sicht der Widerklägerin berechtigt waren. Das
Berufungsgericht hat weder festgestellt, welcher Betrag der G. GmbH im
Zeitpunkt der Freigabeerklärung zustand noch in welcher Höhe berechtigt
Einbehalte hätten vorgenommen werden können. Ebenso wenig hat es
festgestellt, aus welchen Gründen die Widerklägerin einen höheren Betrag
gezahlt hat. Seine Erwägungen beruhen allein auf der Mitteilung, die
Architekten hätten lediglich einen Betrag von 8.111.987,32 DM freigegeben,
die Widerklägerin habe hingegen 9.448.567,70 DM gezahlt.
III.
27 Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben, soweit die Widerklage gegen
den Widerbeklagten zu 1 abgewiesen worden ist. Insoweit ist die Sache an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen.
28 Das Berufungsgericht wird den Parteien Gelegenheit geben müssen, zu den
weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Rügen ergänzend vorzutragen. Auf
dieser Grundlage wird es den Sach- und Streitstoff zur Berechtigung des
Anspruchs und zur Höhe des Schadens erneut zu prüfen haben.
29 Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der Vortrag des
Widerbeklagten zu 1 zu den der Widerklägerin angeblich erteilten Hinweisen
auf die mangelhafte Ausführung der Dämmung auch unter dem Gesichtspunkt zu
prüfen ist, ob das sich daran anschließende Verhalten der Widerklägerin ein
Mitverschulden rechtfertigt. Soweit das zu bejahen und der Sachverhalt
streitig ist, wird das Berufungsgericht die Zeugen zu hören haben.
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