Haftung des
Nutztierhalters: Entlastungsbeweis nach § 833 S. 2 BGB; Gefährdungshaftung
des "Luxustier"-Halters (§ 833 S. 1 BGB)
BGH, Urteil vom 30. Juni
2009 - VI ZR 266/08
Fundstelle:
NJW 2009, 3233
Amtl. Leitsatz:
a) Die
Haftungsprivilegierung des Nutztierhalters verstößt nicht gegen Art. 3 Abs.
1 GG.
b) Zu den Anforderungen an den dem Tierhalter obliegenden Entlastungsbeweis
gemäß § 833 Satz 2 BGB.
Zentrale Probleme:
Ein schöner Beispielsfall für die Haftung des
Nutztierhalters und die Anforderungen an den nach § 833 S. 2 BGB dort
möglichen Entlastungsbeweis. Im Gegensatz zur Luxustierhaltung besteht hier
keine Gefährdungshaftung, sondern eine Haftung für vernutetes Verschulden.
Lehrreich sind die Ausführungen des Senats in Bezug auf die
Verfassungsmäßigkeit der Unterscheidung zwischen der Haltung von Luxustieren
und Nutztieren.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Der Kläger nimmt den Beklagten als Tierhalter auf Schadensersatz in
Anspruch. Der Beklagte ist Landwirt und betreibt Rindviehhaltung. Am 30.
Oktober 2006 brachen fünf seiner Jungrinder aus einer Koppel aus. Dem
Beklagten gelang es, vier dieser Rinder alsbald einzufangen. Das fünfte
Rind, das in eine andere Richtung gelaufen war, gelangte auf eine
Kreisstraße und kollidierte dort gegen 18.00 Uhr u.a. mit dem Pkw des
Klägers. Den dabei entstandenen Schaden beziffert der Kläger mit 5.441,46 €.
Der Beklagte macht geltend, die Koppel sei zum Unfallzeitpunkt ordnungsgemäß
umzäunt gewesen.
2 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte
keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt
der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
3 Das Berufungsgericht, dessen Urteil in OLGR Schleswig 2008, 963
veröffentlicht ist, hat es dahinstehen lassen, ob die Hütesicherheit der
Weide gewährleistet gewesen sei. Es hat insbesondere offen gelassen, ob die
Zaunpfähle noch in Ordnung gewesen seien und der Beklagte den Zaun in
ausreichender Weise überprüft habe. Eine Haftung des Beklagten scheide gemäß
§ 833 Satz 2 BGB jedenfalls deshalb aus, weil der entstandene Schaden nach
dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch bei Anwendung der dem Beklagten
obliegenden Sorgfalt bei der Beaufsichtigung seiner Rinder entstanden wäre.
Der landwirtschaftliche Sachverständige Dipl.-Ing. H. habe überzeugend und
nachvollziehbar dargelegt, dass das eine Rind den Zaun auch durchbrochen
hätte, wenn die Pfähle vollkommen in Ordnung gewesen wären. Mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei das verunglückte Rind
zeitgleich mit den vier anderen Rindern, aber an einer anderen Stelle
ausgebrochen. Das Ereignis, das den Ausbruch ausgelöst habe, habe sich auf
die Tiere unterschiedlich ausgewirkt. Während die vier anderen Rinder das
Ereignis bewältigt hätten, habe das verunglückte Rind panikartig reagiert.
Üblicherweise laufe sich die Herde auf der Weide aus. Bei einer sehr kleinen
Weide wie hier könne das anders sein. Ein Rind, das in Panik geraten sei,
könne dann auch bei einem vollkommen intakten Zaun durchgehen. Die in § 833
Satz 2 BGB angeordnete Haftungsprivilegierung des Halters von Nutztieren sei
zwar nicht mehr zeitgemäß. Sie verstoße aber weder gegen Art. 14 GG, noch
gegen Art. 2 oder Art. 3 Abs. 1 GG. Weil die Verfassungsmäßigkeit der Norm
in der Literatur teilweise bezweifelt werde, hat das Berufungsgericht die
Revision zugelassen.
II.
4 Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
5 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass dem
Beklagten als Nutztierhalter die Möglichkeit des Entlastungsbeweises gemäß §
833 Satz 2 BGB eröffnet ist. Entgegen der Auffassung der Revision ist
diese Norm nicht verfassungswidrig. Die Haftungsprivilegierung des
Nutztierhalters verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
6 a) Der in Art. 3 Abs. 1 GG normierte allgemeine Gleichheitssatz
gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist
dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von
Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird,
obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und
solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen
könnten (vgl. BVerfGE 22, 387, 415; 52, 264, 280 = NJW 1980, 338).
Daneben kommt in dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch ein
Willkürverbot als fundamentales Rechtsprinzip zum Ausdruck, das nicht nur
der Rechtsprechung, sondern auch der Gesetzgebung gewisse äußerste Grenzen
setzt. Der Gesetzgeber handelt allerdings nicht schon dann willkürlich,
wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder
gerechteste gewählt hat, sondern vielmehr nur dann, wenn sich ein
sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt;
dabei genügt Willkür im objektiven Sinn, d. h. die tatsächliche und
eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden
Gesetzgebungsgegenstand (BVerfGE 4, 144, 155; 36, 174, 187 = NJW 1974, 179,
181). Diese Kriterien gelten auch und gerade für die Beurteilung
gesetzlicher Differenzierungen bei der Regelung von Sachverhalten; hier
endet der Spielraum des Gesetzgebers erst dort, wo die ungleiche Behandlung
der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken
orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender
Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (BVerfGE 9, 334, 337 = NJW
1959, 1627). Eine derartige Willkür kann bei einer gesetzlichen Regelung
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber nur dann
angenommen werden, wenn ihre Unsachlichkeit evident ist (BVerfGE 12, 326,
333; 23, 135, 143 = NJW 1968, 931; 55, 72, 89 f. = NJW 1981, 271, 272).
7 b) Nach diesen Grundsätzen verpflichtet Art. 3 Abs. 1 GG den Gesetzgeber
nicht, die Haftung aller Tierhalter ohne Rücksicht auf den von ihnen mit der
Tierhaltung jeweils verfolgten Zweck gleich auszugestalten. So kann ein Tier
einerseits aus Liebhaberei oder sonstigen ideellen Zwecken (wie etwa aus
altruistischen Motiven von einem Tierheim) gehalten werden. Andererseits
kann die Tierhaltung - beispielsweise in der Landwirtschaft - auch aus rein
wirtschaftlichen Gründen erfolgen. Derartigen Besonderheiten kann der
Gesetzgeber durch unterschiedliche Regelungen grundsätzlich Rechnung tragen.
Die Haftungsprivilegierung der Nutztierhaltung ist durch Gesetz vom 30. Mai
1908 (RGBl. I., 313) Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuchs geworden. Nach
der Begründung der Gesetzesnovelle soll die Haftungsprivilegierung im
wesentlichen dem Schutz kleinerer Landwirte und Gewerbetreibender dienen und
insbesondere dazu beitragen, Härten infolge der bei diesen Tierhaltern
häufig bestehenden Versicherungslücken zu vermeiden (RT Vhdlg. 1905 - 06 Nr.
255, S. 3230, 3231). Dieses gesetzgeberische Anliegen, dem die mit der
Neuregelung erfolgte Differenzierung zwischen der Gefährdungshaftung des
Halters eines Luxustieres (§ 833 Satz 1 BGB) und der an eine
Pflichtverletzung anknüpfenden Haftung des Halters eines Nutztieres (§ 833
Satz 2 BGB) Rechnung trägt, erweist sich nicht als evident unsachlich und
ist deshalb nicht willkürlich.
8 c) Der Revision ist zwar zuzugeben, dass sich die Voraussetzungen, die den
Gesetzgeber im Jahr 1908 veranlasst haben, zugunsten des Halters eines
Haustieres, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des
Tierhalters zu dienen bestimmt ist, eine im Bürgerlichen Gesetzbuch bis
dahin nicht vorgesehene Haftungsprivilegierung zu schaffen und deshalb Satz
2 in § 833 BGB nachträglich einzufügen, im Laufe der Zeit geändert haben.
Abgesehen davon, dass selbst in kleinen gewerblichen Betrieben die
Tierhaltung heute keine Rolle mehr spielt und es in der Landwirtschaft die
zum Zeitpunkt der Gesetzesnovellierung noch notwendige Haltung von Zugtieren
kaum noch gibt, ist, wie der erkennende Senat schon vor längerer Zeit
ausgeführt hat (Senatsurteil vom 27. Mai 1986 - VI ZR 275/85 - VersR 1986,
1077, 1078), auch ein Wandel dahin eingetreten, dass eine Versicherung der
Tierhalterrisiken heute allgemein üblich ist. Aus diesen Gründen haben sich
viele Autoren schon seit längerem für eine ersatzlose Streichung von Satz 2
des § 833 BGB ausgesprochen (vgl. z.B. Kreft in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 833,
Rn. 5; Kohl in AK, 1979, § 833 BGB I, 1; von Caemmerer, Reform der
Gefährdungshaftung, 1971, S. 20 f.; vgl. auch Mertens in MünchKomm-BGB, 1.
Aufl., § 833, Rn. 32). In jüngerer Zeit ist die Rückkehr zu einer
einheitlichen Regelung auf der Grundlage einer strikten Haftung u.a. auch
bei der Vorbereitung der Schuldrechtsreform gefordert worden (vgl.
MünchKomm-BGB/Wagner, 5. Aufl., § 833, Rn. 3; v. Bar, Gemeineuropäisches
Deliktsrecht, Teil I, 1996, Rn. 211). Diese Änderungsvorschläge hat der
Gesetzgeber indessen weder bei der Schaffung des Gesetzes zur Modernisierung
des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I, Seite 3138), noch bei
Erlass des am 1. August 2002 in Kraft getretenen Zweiten Gesetzes zur
Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I,
S. 2674) aufgegriffen. Dass die im Jahr 1908 eingeführte
Haftungsprivilegierung des Nutztierhalters infolge der geänderten Lebens-
und Wirtschaftsverhältnisse heute ohne jeden sachlichen Grund und damit
willkürlich und verfassungswidrig sei, ist auch nicht ersichtlich (vgl.
MünchKomm-BGB/Wagner, aaO). Es erscheint nach wie vor nicht völlig
sachfremd, hinsichtlich der Haftungsvoraussetzungen zwischen der Haltung von
Luxustieren einerseits und der von Nutztieren andererseits zu differenzieren
und die Haftung des Nutztierhalters zu privilegieren, weil dieser aus
beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen auf die Tierhaltung angewiesen
ist. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz verlangt nicht, die Haftung des
Nutztierhalters an dieselben Voraussetzungen zu knüpfen wie die des Halters
eines Luxustieres. Dass letzterer verschuldensunabhängig haftet, während für
den Nutztierhalter eine Verschuldenshaftung bei gesetzlich vermutetem
Verschulden des Tierhalters gilt, ist nicht willkürlich. Diese
unterschiedliche Ausgestaltung der Haftungsvoraussetzungen bewegt sich noch
innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums (vgl. dazu BVerfGE 81,
156, 196; BVerfG, FamRZ 2009, 761), zumal der dem Tierhalter obliegende
Entlastungsbeweis strenge Anforderungen stellt (OLG Oldenburg, NJW-RR
1999, 1627; Staudinger/Eberl-Borges, BGB [2008], § 833, Rn. 147; Hoffmann,
ZfS 2000, 181, 183; jeweils m.w.N; vgl. auch OLG Oldenburg, NZV 1991, 115
mit NA-Beschluss vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 71/90).
9 2. Wie die Revision indessen mit Recht geltend macht, hat das
Berufungsgericht den Umfang dieser Anforderungen im Streitfall verkannt.
10 a) Das Berufungsgericht hat gemeint, es könne offen bleiben, ob die
Zaunpfähle noch in Ordnung gewesen seien und der Beklagte den Zaun in
ausreichender Weise überprüft habe, denn die Beweisaufnahme habe ergeben,
dass der Schaden auch bei Anwendung der dem Beklagten obliegenden Sorgfalt
bei der Beaufsichtigung seiner Rinder entstanden wäre (§ 833 Satz 2, 2. Alt.
BGB). In Übereinstimmung mit dem landwirtschaftlichen Sachverständigen
Dipl.-Ing. H. geht es davon aus, dass es eine absolute Hütesicherheit nicht
gibt, weil auch bei einem völlig intakten Zaun ein Tier in einer
Paniksituation durchgehen könne. Diese Erwägungen zeigen, dass das
Berufungsgericht hinsichtlich der dem Beklagten als Tierhalter obliegenden
Sorgfaltspflicht maßgeblich auf den Zustand der Umzäunung der Weide
abstellt. Dabei lässt es indessen rechtsfehlerhaft unter Verstoß gegen § 286
ZPO außer Acht, dass der Sachverständige in diesem Zusammenhang auch
ausgeführt hat, über die Hütesicherheit entscheide nicht allein die
Zaunkonstruktion, sondern auch die Sorgfalt des Tierhalters. Durch die
Weidehaltung werde bei Rindern nämlich der Herdeninstinkt geweckt. Das habe
zur Folge, dass typisches Wildtierverhalten wieder zum Vorschein komme. Wie
die Revision mit Recht geltend macht, hat der Sachverständige auch darauf
hingewiesen, dass eine Panikattacke in einer weidenden Rindviehherde nicht
auszuschließen sei und in der Praxis häufiger vorkomme. Diese könne durch
Geräusche, Lichterscheinungen, Insekten, plötzlich auftretende Wildtiere
oder auf die Weide eindringende Hunde ausgelöst werden. Unter normalen
Bedingungen führe eine solche Schrecksituation zu einem gemeinsamen
Fluchtverhalten der Herde. Bei einer Weide, die über eine ausreichende
Flächengröße verfüge, würden die Panik auslösenden Hormone durch das
Laufverhalten der Tiere (Ausgaloppieren) abgebaut. Die Tiere würden sich
schnell beruhigen, wobei in den seltensten Fällen die Umzäunung durchbrochen
werde. Üblicherweise laufe sich die Herde aus, sie galoppiere auf der Weide
aus; bei einer sehr kleinen Weide wie hier könne dies anders sein.
11 b) Diese Darlegungen des Sachverständigen hätte das Berufungsgericht zum
Anlass nehmen müssen, der Frage nachzugehen, ob es mit der gebotenen
Sorgfalt vereinbar war, die Rinderherde für längere Zeit auf dieser kleinen
Weide zu belassen, zumal es sich nach den vom Berufungsgericht in Bezug
genommenen Feststellungen des Landgerichts bei dem verunglückten Rind um ein
junges, erst zwei Jahre altes Tier handelte, das zudem trächtig war. In
diesem Zusammenhang weist die Revision zutreffend darauf hin, dass nach den
eigenen Angaben des Beklagten jüngere Rinder schreckhafter sind als ältere.
Wie der Beklagte bei seiner persönlichen Anhörung weiter erklärt hat, stehen
seine Rinder in der warmen Jahreszeit an einer anderen Stelle und nicht auf
der Koppel beim Haus. Dort stünden sie nur in der Übergangszeit, bevor sie
in den Stall kämen. Bei der Koppel handele es sich eigentlich eher nur um
einen Auslauf, denn sie sei zu klein, als dass sich die Rinder dort selbst
ernähren könnten. Sie würden daher zugefüttert, blieben aber in der Nacht
draußen. Vor dem Unfall hätten sie seit etwa einer Woche auf dieser Koppel
gestanden. Da nach den Darlegungen des Sachverständigen die geringe Größe
der Weide indessen dazu beigetragen haben kann, dass die in Panik geratene
Herde sich nicht auslaufen konnte und das verunglückte Rind deshalb die
Umzäunung durchbrach, hätte das Berufungsgericht die naheliegende Frage
prüfen müssen, ob der Beklagte die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten
möglicherweise dadurch verletzt hat, dass er diese Herde in der
Übergangszeit etwa eine Woche lang auf der kleinen Koppel am Haus weiden
ließ, zumal die erforderliche Hütesicherheit, wie der Sachverständige
deutlich gemacht hat, nicht allein durch eine ordnungsgemäße Umzäunung der
Weide sichergestellt werden kann, sondern darüber hinaus weitere
Sorgfaltsanforderungen an den Tierhalter stellt. Dazu kann auch die Auswahl
einer aufgrund ihrer Größe geeigneten und den Sicherheitsbelangen Dritter
gerecht werdenden Weide zählen.
12 c) Das angefochtene Urteil kann demnach keinen Bestand haben. Die
Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, gegebenenfalls auch
der Frage weiter nachzugehen, ob das Verhalten des Beklagten nach dem
Ausbrechen der Rinder dem von ihm zu führenden Entlastungsbeweis
entgegensteht. Bei einem Ausbruch von Nutztieren aus einer umfriedeten Weide
endet die Aufsichtspflicht des Tierhalters und damit der im Rahmen der
Tierhalterhaftung zu führende Entlastungsbeweis nämlich nicht mit dem
Kontrollverlust über die Tiere, sondern umfasst alle Maßnahmen, die im
Zeitpunkt eines Unfalls zu dessen Vermeidung erforderlich waren (OLG
Brandenburg, SchadenPraxis 2007, 421, 422). Wie die Revision unter Hinweis
auf diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers in der Berufungsbegründung mit
Recht geltend macht, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu
getroffen, ob der Unfall hätte verhindert werden können, wenn der Beklagte
sofort nach dem Entweichen der Rinder die Polizei verständigt und diese
daraufhin die Straßen in der Umgebung gesichert hätte. Für die
Benachrichtigung der Polizei war entgegen der Auffassung des Landgerichts
eine Kenntnis davon, in welche Richtung die Rinder gelaufen waren,
jedenfalls nicht erforderlich.
13 Darüber hinaus wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben,
dass nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen der aus einem
eindrahtigen Elektrozaun bestehende Zaunteil zur Hofstelle hin bei einer
Be-weidung der Fläche mit weiblichen Jungtieren nur bedingt zur Herstellung
der erforderlichen Sicherheitsstandards ausreichend war. Insoweit wird zu
prüfen sein, ob der hier erfolgte Ausbruch von vier Rindern dazu beigetragen
hat, dass das verunglückte Rind an anderer Stelle ausgebrochen ist. Des
Weiteren wird das Berufungsgericht auch der Frage nachzugehen haben, ob der
Unfall, wenn es nicht zum Ausbruch der vier Rinder auf der Seite zur
Hofstelle hin gekommen wäre, deswegen hätte verhindert werden können, weil
nachträgliche Sicherungsmaßnahmen in diesem Fall einfacher und
möglicherweise wirkungsvoller gewesen wären. |