Risikoaufklärung bei
ärztlichem Eingriff: Voraussetzungen und Umfang der ärztlichen
Aufklärungspflicht bei fremdnützigen Eingriffen (Blutspende)
BGH, Urteil vom 14. März
2006 - VI ZR 279/04
Fundstelle:
NJW 2006, 2108
BGHZ 166, 336
Amtl. Leitsatz:
Zum Umfang der
Risikoaufklärung bei fremdnützigen Blutspenden.
Zentrale Probleme:
Ein medizinischer Eingriff ist eine rechtswidrige
Körperverletzung i.S.v. § 823 I BGB, sofern nicht eine Einwilligung des
Betroffenen vorliegt. Zu deren Wirksamkeit muß aber wiederum eine
Risikoaufklärung stattgefunden haben. Um deren Erfordernis und Umfang geht
es in der vorliegenden, wegen ihrer grundsätzlichen Ausführungen sehr
lehrreichen Entscheidung.
©sl 2006
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten, einem Blutspendedienst,
Schmerzensgeld, Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht für
zukünftige Schäden wegen aufgrund einer Blutspende eingetretener
chronifizierter neuropathischer Schmerzen in seinem linken Arm. Der Kläger
verspürte beim Einführen der Kanüle für die Blutabnahme am 29. Oktober 1999
in den linken Unterarm einen Schmerz, worauf eine Ärztin der Beklagten die
Lage der Nadel korrigierte und sie etwas herauszog. Der Kläger erlitt durch
den Einstich eine Traumatisierung des nervus cutaneus antibracchii medialis
(Hautnerv) des linken Unterarms; es entwickelte sich ein Neurom, das zweimal
operativ einschließlich Verlagerung des betroffenen Nervs behandelt wurde.
Der Kläger leidet weiterhin an Schmerzen im linken Unterarm und ist auf
andauernde Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen. Eine vollständige
Genesung ist eher unwahrscheinlich. Wegen der Medikamenteneinnahme kann der
Kläger seinen Dienst als Polizeibeamter nur noch halbschichtig leisten. Er
verlangt - nunmehr nur noch gestützt auf den Vorwurf unzureichender
Aufklärung über die mit der Blutspende verbundenen Risiken - ein
Schmerzensgeld von mindestens 20.000 DM, Attestkosten von 181,20 DM,
entgangene Schichtzulage von Mai 2000 bis Dezember 2000 von 800 DM, 3.842,80
DM Fahrtkosten zu Arztterminen und 2.634,73 DM entgangene Zulagen für
Dienste zu ungünstigen Zeiten (Nacht-/Feiertagszulage) von Mai bis Dezember
2000.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die
Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil abgeändert, dem Kläger ein
Schmerzensgeld von 15.000 € (nebst Zinsen) zugesprochen und der Klage im
Übrigen bis auf die entgangenen Zulagen für Dienste zu ungünstigen Zeiten
und einen Teil der Fahrtkosten in Höhe von 1.842,80 DM stattgegeben. Die
weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils, der Kläger im Wege der Anschlussrevision die
Verurteilung der Beklagten auch hinsichtlich der vom Berufungsgericht
abgewiesenen Beträge.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht bejaht einen
Anspruch des Klägers aus §§ 823 Abs.1, 831, 847 BGB aF sowie aus positiver
Vertragsverletzung eines Arztvertrages. Der eingetretene Nervschaden hafte
der Blutspende als seltenes Risiko spezifisch an. Die Verwendung von Nadeln
mit größerem Kaliber als bei einer "normalen" Blutentnahme erhöhe das
Verletzungsrisiko und habe Auswirkungen auf das Ausmaß der Verletzungen und
die Heilungsaussichten; eine Chro-nifizierung der durch die Nervverletzung
ausgelösten Schäden sei in diesen Fällen typisch. Angesichts der mit der
Chronifizierung der Schmerzen und daraus folgend der Dauereinnahme von
Schmerzmitteln verbundenen einschneidenden Beeinträchtigung der
Lebensführung des betroffenen Spenders sei über das entsprechende Risiko
aufzuklären. Gerade weil der Eingriff medizinisch nicht geboten gewesen sei,
wäre eine ausführliche und eindringliche Information über etwaige
nachteilige Folgen der Blutspende erforderlich gewesen. Dies entspreche auch
den gesetzlichen Vorgaben aus dem Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens
(TFG). Von einer mutmaßlichen Einwilligung könne auch im Hinblick auf die am
7. Januar 2000 erfolgte weitere Blutspende nicht ausgegangen werden, da dem
Kläger auch zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen sei, dass es sich bei
der am 29. Oktober 1999 erlittenen Verletzung um einen dauerhaften
Nervschaden (statt wie von ihm angenommen eine Sehnenverletzung, die
folgenlos abheilen werde) gehandelt habe. Die vom Kläger geltend gemachten
materiellen Schadenspositionen seien dagegen nur teilweise belegt (Fahrten
zu Arztterminen etc.) bzw. nicht schlüssig vorgetragen (entgangene Zulage
für Dienst zu ungünstigen Zeiten).
II. A. Zur Revision der Beklagten Das angefochtene Urteil hält den Angriffen
der Revision stand.
Dem Kläger stehen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus §§ 823
Abs. 1, 831, 847 BGB aF wegen des aufgrund unzureichender Aufklärung
rechtswidrigen Eingriffs vom 29. Oktober 1999 zu. Entgegen der Ansicht der
Revision hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die
Selbstbestimmungsaufklärung im Falle einer Blutspende nicht überspannt.
1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats,
dass ärztliche Heileingriffe grundsätzlich der Einwilligung des Patienten
bedürfen, um rechtmäßig zu sein, und dass diese Einwilligung nur wirksam
erteilt werden kann, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine
Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit
wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen
aufgeklärt worden ist. Nur so werden sein Selbstbestimmungsrecht und sein
Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt (grundlegend Senatsurteile
BGHZ 29, 46; 29, 176). Davon geht das Berufungsgericht aus und das zieht
auch die Revision nicht in Zweifel.
2. Die Anforderungen an die Aufklärungspflicht bei einer Blutspende
können nicht deshalb geringer sein, weil sie nicht der Heilung des Spenders
dient, sondern - wie im Streitfall - ausschließlich fremdnützig erfolgt.
Auch ein derartiger Spender ist für die Dauer des Blutspendevorgangs als
Patient anzusehen und hat sowohl Anspruch auf eine dem ärztlichen Standard
entsprechende Durchführung der Blutentnahme als auch auf eine hinreichende
Aufklärung über die damit verbundenen Risiken. Dies gebieten schon sein
Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit.
a) Hinsichtlich des Umfangs der Aufklärungspflicht kann die Situation des
fremdnützigen Spenders insoweit nicht schlechter sein als diejenige eines
Patienten, der sich einem rein kosmetischen Eingriff unterzieht. Für solche
Fälle hat der erkennende Senat den Grundsatz aufgestellt, dass ein
Patient umso ausführlicher und eindrücklicher über Erfolgsaussichten und
etwaige schädliche Folgen eines ärztlichen Eingriffs zu informieren ist, je
weniger dieser medizinisch geboten ist, also nicht oder jedenfalls nicht in
erster Linie der Heilung eines körperlichen Leides dient, sondern eher einem
psychischen und ästhetischen Bedürfnis (Senatsurteil vom 6. November
1990 - VI ZR 8/90 - VersR 1991, 227). Die Anforderungen an die Aufklärung
sind in solchen Fällen sehr streng: Der Patient muss darüber unterrichtet
werden, welche Verbesserungen er günstigenfalls erwarten kann, und ihm
müssen etwaige Risiken deutlich vor Augen geführt werden, damit er genau
abwägen kann, ob er einen etwaigen Misserfolg des ihn immerhin belastenden
Eingriffs oder sogar gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen will,
selbst wenn diese auch nur entfernt als Folge des Eingriffs in Betracht
kommen (vgl. u.a. Senatsurteile vom 16. November 1971 - VI ZR 76/70 -
VersR 1972, 153; vom 6. November 1990 - VI ZR 8/90 - VersR 1991, 227 m.w.N.).
b) Diese Grundsätze gelten erst recht bei einer Blutspende, die dem
Spender weder gesundheitliche noch sonstige Vorteile körperlicher Art
bringen kann, sondern allein zugunsten der Allgemeinheit erfolgt. Auch
und gerade in solchen Fällen besteht eine besondere Verantwortung des
Arztes, dem Spender als seinem Patienten das Für und Wider mit allen
Konsequenzen vor Augen zu stellen, damit dieser voll informiert sein
Selbstbestimmungsrecht ausüben kann, ob er zum Wohle der Allgemeinheit
bereit ist, auch ein - wenn auch seltenes - Risiko bleibender Schäden für
seine Gesundheit auf sich zu nehmen (so auch
Deutsch/Bender/Eckstein/Zimmermann, Transfusionsrecht, Rn. 193, 196).
Diese Grundsätze stehen im Einklang mit den entsprechenden Regelungen des
Transfusionsgesetzes. Wenn dieses auch in erster Linie dem Schutz des
Empfängers dient, so ist immerhin in § 6 Abs. 1 Satz 1 TFG geregelt, dass
eine Spendeentnahme nur durchgeführt werden darf, wenn die spendende Person
vorher in einer für sie verständlichen Form über Wesen, Bedeutung und
Durchführung der Spendeentnahme und der Untersuchungen sachkundig aufgeklärt
worden ist und in die Spendeentnahme und die Untersuchungen eingewilligt
hat. Ob damit auch die Aufklärung des Spenders über eigene Risiken der
Blutentnahme spezialgesetzlich normiert werden sollte, kann jedoch letztlich
dahinstehen, da sich diese Aufklärungspflicht und ihr Umfang - wie oben
dargelegt - bereits aus allgemeinen Grundsätzen ergibt.
c) Dahinstehen kann auch, ob - wie die Revision meint - die Blutspende einen
Routineeingriff wie eine öffentlich empfohlene Impfung darstellt, bei
welcher der Arzt ausnahmsweise davon ausgehen darf, dass der Patient nach
der Information durch ein Merkblatt auf eine zusätzliche mündliche
Risikodarstellung keinen Wert legt. Bei derartigen Routinemaßnahmen kann es
zwar im Einzelfall genügen, wenn dem Patienten nach schriftlicher Aufklärung
Gelegenheit zu weiteren Informationen durch ein Gespräch mit dem Arzt
gegeben wird, was der Senat im Fall einer von den Gesundheitsbehörden nach
Abwägung des Für und Wider empfohlenen Polio-Schluckimpfung entschieden hat
(BGHZ 144, 1, 14). Die Notwendigkeit einer solchen Impfung war in der
Bevölkerung seit langem allgemein anerkannt und wurde von den Eltern bei
ihren Kindern zur Vermeidung der gefürchteten Kinderlähmung auf breiter
Ebene veranlasst. Damit ist der vorliegende Fall einer Blutspende aber schon
deshalb nicht vergleichbar, weil ein Unterlassen des Eingriffs für den
Spender selbst kein Risiko darstellt und deshalb eine der
Polio-Schluckimpfung vergleichbare Risikoabwägung von vornherein
ausscheidet. Jedenfalls wäre Voraussetzung für einen möglichen Verzicht auf
eine mündliche Aufklärung, dass bereits die schriftlichen Informationen die
Risiken für den Spender hinreichend darstellen. Davon kann jedoch im
vorliegenden Fall, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht
ausgegangen werden.
aa) Die dem Kläger überreichten „Informationen zur Blutspende" auf der
Rückseite des „Fragebogens für Blutspender" enthalten nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der Risiken folgende
Belehrung:
"Mögliche Komplikationen
Eine Blutspende wird in der Regel gut vertragen. Nur selten kommt es zu
Unwohlsein, Kreislaufschwäche (Schweißausbruch, Schwindel, Übelkeit,
Erbrechen, Ohnmacht) oder stärkeren Nachblutungen aus der
Einstichstelle. Noch seltener sind Schädigungen von Blutgefäßen oder
Nerven sowie Entzündungsreaktionen zu erwarten."
Zwar ist es richtig, dass nach der
Rechtsprechung des Senats der Patient nur "im Großen und Ganzen" über
Chancen und Risiken der Behandlung aufgeklärt werden muss. Nicht
erforderlich ist die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht
kommenden Risiken (Senatsurteile BGHZ 90, 103, 106; 144, 1, 7; sowie
Senatsurteile vom 12. März 1991 - VI ZR 232/90 - VersR 1991, 777; vom 26.
November 1991 - VI ZR 389/90 - VersR 1992, 238, 240), dem Patienten muss
aber eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff
verbundenen Gefahren vermittelt werden (Senatsurteile BGHZ 90, 103, 106 ff.
sowie vom 07. April 1992 - VI ZR 192/91 - VersR 1992, 960). Dabei ist auch
über sehr seltene Risiken aufzuklären, die im Falle ihrer Verwirklichung die
Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff
spezifisch, für den Laien aber überraschend sind (Senatsurteile vom 7.
Februar 1984 - VI ZR 188/82 - NJW 1984, 1395, 1396 und VI ZR 174/82 - NJW
1984, 1397, 1398; vom 12. Dezember 1989 - VI ZR 83/89 - NJW 1990,1528; vgl.
Senatsurteil vom 14. Februar 1989 - VI ZR 65/88 VersR 1989, 514, insoweit in
BGHZ 106, 391 nicht abgedruckt).
bb) Dass das Risiko sowohl der Verletzung des hier beim Kläger betroffenen
Nervs als auch der Chronifizierung der durch die Nervverletzung
hervorgerufenen Schmerzen dem Eingriff (der Blutspende) spezifisch anhaftet
und nicht allgemein bekannt (und damit überraschend) ist, hat das
Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision auch nicht
angegriffen festgestellt. Dass der Kläger durch die Chronifizierung der
Schmerzen mit der Folge der Notwendigkeit dauernder Medikamenteneinnahme und
der nur halbschichtigen Berufsfähigkeit in seiner Lebensführung schwer
belastet ist, liegt auf der Hand und wird von der Revision nicht in Abrede
gestellt.
cc) Bei dieser Sachlage genügt der Hinweis in den schriftlichen
„Informationen" auf "Schädigungen von Nerven" den oben dargelegten
Anforderungen an eine ausreichende Risikoaufklärung entgegen der Ansicht der
Revision nicht. Gerade angesichts der Tatsache, dass eine Nervschädigung je
nach betroffenem Nerv ein breites Spektrum möglicher Folgen von einer
vorübergehenden Schmerzempfindung, kurzfristigen Lähmung, Taubheitsgefühl
bis hin zu chronischen, unbeherrschbaren Schmerzen oder andauernder Lähmung
nach sich ziehen kann, vermittelt ein bloßer Hinweis auf "Nervschädigungen"
dem Patienten als medizinischem Laien keine allgemeine Vorstellung von den
mit dem Eingriff verbundenen Gefahren. Die Risikoaufklärung "im Großen und
Ganzen" erfordert auch, dass der Patient allgemeinverständlich über die
möglichen Folgen des Risikoeintritts aufgeklärt wird. Wie das
Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war im vorliegenden Fall der
bloße Hinweis auf die Möglichkeit der Beschädigung eines Nervs nicht
ausreichend, weil die Gefahr bestand, dass diese irreversibel ist,
chronifizierte Schmerzen zur Folge hat und damit die Lebensführung des
Spenders in erheblichem Maße beeinträchtigen kann. Ein Arzt darf
insbesondere nicht als allgemein bekannt voraussetzen, dass die Beschädigung
eines Nervs nach einer Blutspende irreversibel sein und dauerhafte Schmerzen
und Funktionsbeeinträchtigungen nach sich ziehen kann. Eine wirksame
Aufklärung erfordert deshalb einen Hinweis auf diese möglichen Folgen einer
Nervverletzung. Erst wenn diese Information erfolgt ist, ist der Patient in
der Lage, eventuelle weitere und/oder vertiefende Fragen an den Arzt zu
stellen. Auch in dem von der Revision in Bezug genommenen Senatsurteil vom
29. September 1998 - VI ZR 268/97 - (VersR 1999, 190) war der Patient nicht
nur allgemein über das Risiko einer "Nervschädigung", sondern über deren
mögliche Folge einer "Lähmung" aufgeklärt worden. An einer vergleichbaren
Aufklärung fehlt es aber im vorliegenden Fall.
Zumindest bei der Eingangsuntersuchung, bei der nach den eigenen
Ausführungen der Beklagten ein Aufklärungsgespräch stattfindet, hätte die
Möglichkeit bestanden, den Kläger hinreichend über die Risiken der
Blutspender aufzuklären, so dass es nicht darauf ankommt, ob - wie die
Revision meint -eine "zeitaufwendige Aufklärung" bei dem Massenandrang bei
den folgenden Blutspendeterminen "schon im Interesse einer reibungslosen
Organisation nicht durchführbar" ist und bereits deshalb ein - hinreichend
ausgestaltetes - Informationsblatt mit Nachfragemöglichkeit ausreicht.
3. Soweit sich die Beklagte auf eine hypothetische Einwilligung des Klägers
beruft, hat das Berufungsgericht eine solche rechtsfehlerfrei und ohne
Verstoß gegen § 286 ZPO verneint. Da es sich im vorliegenden Fall nicht um
einen Heileingriff handelt, bei dem es für den Patienten um die Entscheidung
zwischen Krankheitsrisiko und Behandlungsrisiko geht, muss der Kläger bei
einer Blutspende auch keinen entsprechenden Entscheidungskonflikt plausibel
machen. Deshalb durfte sich das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler mit der
Feststellung begnügen, die Beklagte habe die plausible Behauptung des
Klägers nicht widerlegt, er hätte in seiner persönlichen Situation als
Polizeibeamter, in der er zur Ausübung seines Dienstes in besonderem Maße
auf körperliche Gesundheit angewiesen sei, im Falle einer hinreichenden
Aufklärung über das tatsächlich eingetretene Risiko von einer erneuten
Spende abgesehen. Dies widerspricht - entgegen der Ansicht der Revision -
auch im Hinblick darauf, dass der Kläger zuvor mehrmals Blut spendete, nicht
der Lebenserfahrung. Denn die Vornahme einer Handlung in Unkenntnis der
damit verbundenen Risiken lässt nicht den Schluss zu, dass der Geschädigte
bei Kenntnis des Risikos die Handlung wiederholt hätte; vielmehr ist es
ebenso nahe liegend, dass er das bisherige Ausbleiben des Schadenseintritts
als glücklichen Zufall wertet und zukünftig nicht mehr bereit ist, sich dem
Risiko weiter auszusetzen.
Auch die am 7. Januar 2000 nach Schadenseintritt erfolgte weitere Blutspende
des Klägers hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nicht als Hinweis auf
eine hypothetische Einwilligung des Klägers gewertet. Denn das
Berufungsgericht hat diesbezüglich unangegriffen festgestellt, dem Kläger
sei auch bei dieser Blutspende das Risiko dauerhafter Schädigung nicht
bewusst gewesen, weil er von einer vorübergehenden Schädigung aufgrund einer
fehlerhaften Durchführung der Blutentnahme ausgegangen sei. Die Bereitschaft
einer Inkaufnahme vorübergehender Schäden lässt nach der Lebenserfahrung
nicht den Schluss auf eine Bereitschaft zu, auch das Risiko dauerhafter
Schäden in Kauf zu nehmen.
4. Soweit die Revision schließlich zur Nachprüfung stellt, ob vorliegend
nicht ein Haftungsausschluss gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII wegen einer
angeblich vom Kläger als freiwilliger Blutspender gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 b
SGB VII bezogenen Unfallrente in Betracht kommt, bleibt dies ebenfalls ohne
Erfolg. Denn der Blutspender ist insoweit mit einem Nothelfer im Sinne des §
2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII vergleichbar, für den der Haftungsausschluss des §
104 Abs. 1 SGB VII keine Anwendung findet (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar
2006 - VI ZR 290/04 - zur Veröffentlichung bestimmt).
B. Zur Anschlussrevision des Klägers
Die Ausführungen des Berufungsgerichtes halten den Angriffen der
Anschlussrevision des Klägers nicht stand.
1. Mit Erfolg rügt die Anschlussrevision, dass das Berufungsgericht einen
Teil der geltend gemachten Fahrtkosten im Rahmen einer Schadensschätzung
gemäß § 287 ZPO als nicht hinreichend "belegt" erachtet hat, ohne den vom
Kläger hierzu angebotenen Beweis zu erheben oder ihm zumindest durch einen
Hinweis auf die beabsichtigte für ihn nachteilige Schadensschätzung eine
Ergänzung seines Vorbringens zu ermöglichen.
Die Anschlussrevision weist zutreffend darauf hin, dass der Kläger bereits
in der als Anlage zur Klageschrift eingereichten Aufstellung die
betreffenden Fahrten nach Datum, Entfernung, Ziel und Fahrer detailliert
dargelegt und hierzu seine Ehefrau, die ihn jeweils gefahren habe, als
Zeugin benannt hat. Den entsprechenden Beweis hätte das Berufungsgericht
erheben müssen, wenn es sich im Rahmen der Erleichterungen des § 287 ZPO
nicht zu einer vollständigen Schadensschätzung zugunsten des Klägers in der
Lage gesehen hat. Es würde dem Sinn und Zweck des § 287 ZPO, der dem
Geschädigten die Darlegungen und den Nachweis seines Schadens erleichtern
soll, zuwiderlaufen, wenn die Vorschrift dazu dienen könnte, dem Betroffenen
einen Nachweis seines Schadens abzuschneiden, der ihm nach allgemeinen
Regeln offen stünde (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2002 - XI ZR 183/01 -
NJW-RR 2002, 1072, 1073). Jedenfalls hätte das Berufungsgericht dem Kläger
nach § 139 Abs. 1 ZPO einen Hinweis auf die seiner Ansicht nach fehlenden
"Belege" geben müssen, zumal der Kläger im Zusammenhang mit seinen
Ausführungen zu den gefahrenen Kilometern in der Klageschrift ausdrücklich
um einen etwaigen richterlichen Hinweis gebeten hatte.
2. Die Anschlussrevision hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen die
Abweisung der Klage hinsichtlich des geltend gemachten Verdienstausfalls
wegen entgangener Zulagen für Dienste zu ungünstigen Zeiten wendet.
Das Berufungsgericht ist dabei zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend
davon ausgegangen, dass sowohl § 287 ZPO als auch § 252 BGB für die
Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw.
Anknüpfungstatsachen verlangen (vgl. etwa Senatsurteil vom 16. März 2004 -
VI ZR 138/03 - VersR 2004, 874, 875). Die Anschlussrevision rügt jedoch mit
Recht, dass das Berufungsgericht den hierzu gehaltenen Sachvortrag des
Klägers verfahrensfehlerhaft als unschlüssig behandelt hat.
Der Kläger hat als Anlage zur Klageschrift eine Aufstellung der ihm seit
seiner Krankheit entgangenen Zulagen für Dienste zu ungünstigen Zeiten
(Nachtdienste, Dienste an Samstagen, Sonn- und Feiertagen) nach Monaten,
Stunden sowie Höhe der Zulage pro Stunde im Einzelnen aufgelistet und für
die Richtigkeit seines Vortrages Beweis angeboten durch Zeugnis seiner
Ehefrau. Dabei lag auf der Hand, dass es sich dabei um die nach dem
Dienstplan und somit nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge auf ihn
entfallenden Dienstzeiten handelte, für die nach der beamtenrechtlichen
"Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen"
(Erschwerniszulagenverordnung) entsprechende Vergütungen angefallen wären.
Wenn dieses Vorbringen dem Berufungsgericht nicht ausreichte, hätte es dem
Kläger einen entsprechenden richterlichen Hinweis gemäß § 139 ZPO geben
müssen, um den der Kläger in der Klageschrift auch für diesen Fall
ausdrücklich gebeten hatte.
3. Das Berufungsgericht wird im Rahmen einer neuen Verhandlung ggf. nach
Ergänzung des entsprechenden Vorbringens des Klägers die erforderlichen
Feststellungen nachzuholen haben.
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