Inhalt und Umfang
deliktischer Verkehrssicherungspflichten; Haftung wegen Verletzung
vertraglicher Schutzpflichten nach §§ 280 I, 241 II BGB; Beweislast bzgl.
der Kausalität, Anscheinsbeweis
BGH, Urteil vom 9.
September 2008 - VI ZR 279/06
Fundstelle:
NJW 2008, 3778
Amtl. Leitsatz:
Zur
Verkehrssicherungspflicht bei Fahrten mit einem Quad in einem Erlebnispark.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung enthält eine lehrbuchartige
Zusammenfassung von Inhalt und Reichweite vor Verkehrssicherungspflichten,
die hier mit den aus § 241 II resultierenden Schutzpflichten identisch sind.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der
Verletzung von vertraglichen Schutzpflichten bzw.
Verkehrssicherungspflichten nach einem Unfall im Erlebnispark der Beklagten
geltend.
2 Der Arbeitgeber der Klägerin veranstaltete dort am 7. Dezember 2002 ein
Betriebsfest. Im Rahmen dieses Festes fand eine geführte Tour mit so
genannten Quads, einsitzigen vierrädrigen, offenen Fahrzeugen, die ähnlich
Motorrädern zu fahren und zu bedienen sind, statt. Die Teilnehmer der Tour
fuhren nach einer Einweisung in die Bedienung der Fahrzeuge ohne Schutzhelme
in einer Kolonne, die von einem Mitarbeiter der Beklagten angeführt wurde.
Die Gruppe befuhr zunächst eine aus Sand künstlich hergestellte
"Berglandschaft". Sodann führte ein Weg auf unebenem Waldboden nach oben,
links und rechts davon befand sich eine Böschung. Die Klägerin kam vom Weg
ab, fuhr in die Böschung und stürzte. Dabei geriet sie unter das Fahrzeug
und erlitt eine schwere offene Nasenbeintrümmerfraktur sowie eine
Septumtrümmerfraktur mit einer stark blutenden Risswunde im
Stirn-/Nasenwurzelbereich.
3 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte
keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Nach Auffassung des Berufungsgerichts besteht ein Schadensersatzanspruch
weder aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen dem Arbeitgeber
der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag betreffend die
Ausrichtung eines Betriebfestes noch aus § 823 Abs. 1 BGB.
5 Der Beklagten sei zwar die Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht
bzw. der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, weil sie die
Teilnehmer der Tour nicht mit einem Schutzhelm ausgestattet habe. Bei der
Fahrt mit einem Quad im Gelände bestehe ein erhöhtes Risiko von Stürzen und
eine Verpflichtung des Veranstalters, die Auswirkungen von Stürzen möglichst
gering zu halten. Da bei einem Sturz mit einem offenen Geländefahrzeug der
Kopf des Fahrers besonders gefährdet sei, sei es erforderlich und zumutbar
gewesen, den Teilnehmern Schutzhelme zur Verfügung zu stellen. Es sei aber
nicht notwendig gewesen, diese mit Integralhelmen (Schutzhelm mit einem das
Gesicht bedeckenden Visier) auszustatten, auch wenn diese Art des
Schutzhelmes gegenüber einem offenen Helm eine zusätzliche Sicherheit biete.
6 Daher hafte die Beklagte im Ergebnis nicht. Es stehe nämlich nicht fest,
dass die der Beklagten vorzuwerfende Pflichtverletzung für die Verletzungen
der Klägerin kausal geworden sei. Nach dem Gutachten des Brandenburgischen
Landesinstituts für Rechtsmedizin wäre zwar möglicherweise bei einem tief
sitzenden offenen Helm die Nasenwurzelregion durch die Breite des Helms
geschützt oder zumindest die Schwere des Aufpralls vermindert worden,
jedenfalls soweit das anprallende Fahrzeugteil gleichzeitig Kontakt zum Helm
gehabt hätte. Die Gutachterin habe dazu mangels Angaben über das
auftreffende Fahrzeugteil sowie den genauen Bewegungsablauf jedoch keine
weitergehenden Feststellungen treffen können und die Möglichkeit aufgezeigt,
dass ein Fahrzeugteil isoliert das Gesicht der Klägerin getroffen habe und
auch durch einen offenen Helm nicht auf Abstand gehalten worden wäre.
7 Eine Beweislastumkehr sei nicht geboten. Bei der Verletzung vertraglicher
Schutzpflichten sei zwar bei verschiedenen Fallgruppen eine Beweislastumkehr
anzuerkennen. Das vorliegende Geschehen sei jedoch keiner dieser Fallgruppen
zuzuordnen. Für einen Anscheinsbeweis fehle es an einem typischen
Geschehensablauf, aus dem gefolgert werden könne, dass der Eintritt der
erlittenen Verletzungen beim Tragen eines offenen Helmes verhindert worden
wäre.
II.
8 Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist
ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte weder wegen
einer Verletzung vertraglicher Schutzpflichten noch aus § 823 Abs. 1 BGB
wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht für die der Klägerin durch
den Unfall entstandenen Schäden haftet.
9 1. Die vertraglichen Schutzpflichten zielen im Streitfall darauf ab,
eine Verletzung der Klägerin möglichst zu vermeiden und dadurch ihr
Integritätsinteresse zu erhalten. Sie entsprechen mithin inhaltlich den
Verkehrssicherungspflichten, so dass die dazu entwickelten Grundsätze
anwendbar sind.
10 Danach ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art
-schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren
Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern
(vgl. etwa Senat, Urteile vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002,
247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5.
Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280; vom 8. November 2005 -
VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 -
VersR 2007, 659, 660; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 - VersR 2008, 1083,
Rn. 9, jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst
diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen
Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere
vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht
jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines
Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung,
die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.
Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein
sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter
anderer verletzt werden (vgl. Senat, Urteile vom 8. November 2005 - VI
ZR 332/04 -; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 -; vom 3. Juni 2008 - VI ZR
223/07 -, jeweils aaO). Deshalb muss nicht für alle denkbaren
Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind
vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung
anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 15. Juli 2003 - VI
ZR 155/02 -; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 -; vom 6. Februar 2007 - VI
ZR 274/05 -; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 -, jeweils aaO). Der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im
Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem
entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält
(vgl. Senat, Urteile vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 -; vom 8. November
2005 - VI ZR 332/04 -; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 -; vom 3. Juni
2008 - VI ZR 223/07 -, jeweils aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen
aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger,
umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen
Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden
zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat,
Urteile vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR
332/04 - aaO; vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, 1083, 1084; vom
6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - aaO; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 - aaO).
11 Der Betreiber einer Sport- und Spielanlage braucht demnach zwar nicht
allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Die Verkehrssicherungspflicht
erfordert jedoch regelmäßig den Schutz vor Gefahren, die über das übliche
Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar
und für ihn nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senat, Urteile vom
25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739; vom 3. Juni 2008 - VI ZR
223/07 - aaO, Rn. 10; BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 - X ZR 87/06 - NJW 2007,
2549, 2551; OLG Köln, VersR 2002, 859, 860; OLG Celle, NJW 2003, 2544).
12 2. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht eine Verletzung
der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu Recht bejaht, weil diese die
Teilnehmer der Quad-Tour nicht mit einem Schutzhelm ausgestattet hat.
Dies wird weder von Seiten der Revision noch der Revisionserwiderung in
Frage gestellt. Entgegen der Auffassung der Revision hat das
Berufungsgericht aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen aber auch
ohne Rechtsfehler eine Notwendigkeit verneint, der Klägerin einen so
genannten Integralhelm zur Verfügung zu stellen.
13 a) Im Streitfall hat die Beklagte Quadfahrten im Gelände angeboten. Auch
wenn diese in Form einer geführten Gruppenausfahrt und grundsätzlich mit
einer relativ geringen Geschwindigkeit durchgeführt wurden, bestand für die
ungeübten Quadfahrer ein erhöhtes Risiko von Stürzen. Da bei einem solchen
Sturz mit einem offenen Geländefahrzeug der Kopf des Fahrers mangels
Vorhandenseins einer Knautschzone oder eines Rückhaltesystems besonders
gefährdet ist, handelte es sich dabei nicht um eine anlagentypische Gefahr,
die von Teilnehmern einer solchen Tour in einem "Fun-Park" in Kauf genommen
wird. Infolgedessen war die Beklagte verpflichtet, den Teilnehmern
Schutzhelme zur Verfügung zu stellen, um Kopfverletzungen im Falle eines
Unfalls möglichst zu vermeiden.
14 b) Es war aber jedenfalls zum Zeitpunkt des Unfalls im Jahre 2002 nicht
erforderlich, die Fahrer mit Integralhelmen auszustatten, auch wenn diese
Art des Schutzhelms gegenüber einem offenen Helm eine zusätzliche Sicherheit
geboten hätte. Das Berufungsgericht hat zu Recht berücksichtigt, dass die
Beklagte die Touren hat begleiten lassen, so dass zum einen die Fahrstrecke
vorgegeben war und zum andern die Möglichkeit bestand, die Teilnehmer von
dem Eingehen zu großer Risiken abzuhalten und sie ggf. zu unterstützen.
Daher bestand grundsätzlich nicht die Gefahr, dass aufgrund einer
gefährlichen Geländewahl und einer zu hohen Geschwindigkeit eine besondere
Verletzungsgefahr bestand, der mit erhöhten Sicherheitsanforderungen hätte
begegnet werden müssen.
15 Unter diesen Umständen gewinnt bei der Abwägung Bedeutung, dass der
Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt noch keine Notwendigkeit gesehen hat,
für Quads das Tragen eines Schutzhelms anzuordnen. Erst mit der am 1. Januar
2006 in Kraft getretenen Neufassung des § 21a Abs. 2 StVO durch die
Verordnung vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3716) wurden die Fahrer von "Quads"
in die Schutzhelmpflicht einbezogen. Dadurch sollte das Verletzungsrisiko im
Kopfbereich für die Benutzer von Quads entsprechend der bisherigen Regelung
für Krafträder gemindert werden. Die Beklagte hat mithin zum Unfallzeitpunkt
nicht gegen Schutzvorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen, die der
Gesetzgeber im Interesse der Vermeidung schwerer Verletzungen erlassen hat.
16 Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird freilich nicht alleine
durch gesetzliche Vorgaben bestimmt. Der zur Verkehrssicherung Verpflichtete
hat vielmehr grundsätzlich selbständig zu prüfen, ob und welche
Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen notwendig sind; er
hat die erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen, auch wenn
gesetzliche oder andere Anordnungen, Unfallverhütungsvorschriften oder
technische Regeln wie DIN-Normen seine Sorgfaltspflichten durch Bestimmungen
über Sicherheitsmaßnahmen konkretisieren. Solche Bestimmungen enthalten im
Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den
Schutzgütern. Sie können aber regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und
Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden und sind
deshalb für die Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflichten
durchaus von Bedeutung (vgl. Senat BGHZ 103, 338, 342; Urteile vom 29.
November 1983 - VI ZR 137/82 - VersR 1984, 164, 165; vom 23. Oktober 1984 -
VI ZR 85/83 -VersR 1985, 64, 65; vom 7. Oktober 1986 - VI ZR 187/85 - VersR
1987, 102, 103; vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - VersR 2001, 1040, 1041).
Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich
sind, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Senat,
Urteile vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - VersR 2000, 984 f.; vom 3. Juni
2008 - VI ZR 223/07 - aaO, Rn. 18).
17 Auch unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes würde man indes die
Anforderung an die Beklagte überspannen, wenn man über die Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht wegen der nicht erfolgten Ausstattung mit offenen
Schutzhelmen hinaus für das Jahr 2002 die Ausstattung mit einem so genannten
Integralhelm verlangte. Immerhin hat sich der Gesetzgeber erst ca. drei
Jahre nach dem hier zu beurteilenden Unfall dazu entschlossen, Fahrer eines
Quads überhaupt der Schutzhelmpflicht zu unterwerfen. Im Hinblick darauf ist
nicht davon auszugehen und auch von der Revision nicht dargelegt, dass die
betroffenen Verkehrskreise schon im Jahre 2002 über die Notwendigkeit, einen
Schutzhelm zu tragen, hinaus auch die Ausstattung von Quadfahrern mit
Integralhelmen als erforderlich angesehen haben. Bei einer geführten Tour im
Gelände bestand nämlich für die Teilnehmer jedenfalls kein größeres Risiko,
als dies wegen der höheren gefahrenen Geschwindigkeit und der Gefährdung
durch andere Straßenverkehrsteilnehmer für Motorradfahrer im öffentlichen
Verkehrsbereich besteht. Bei diesen reicht zur Erfüllung der Helmpflicht das
Tragen eines offenen Helms aus; es ist nicht erforderlich, einen
Integralhelm zu tragen (vgl. VG Augsburg, DAR 2001, 233, 234). Unter diesen
Umständen konnten die von der Revision geltend gemachten höheren
Anforderungen von der Beklagten nicht erwartet werden (vgl. auch Senat,
Urteil vom 30. Januar 1979 - VI ZR 144/77 - VersR 1979, 369 f.).
18 3. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie meint, das
Berufungsgericht habe zu Unrecht die Kausalität der angenommenen
Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden verneint, weil es übersehen
habe, dass die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises vorliegen.
19 Das Berufungsgericht hat sich wegen der Ausführungen der
gerichtsmedizinischen Sachverständigen keine Überzeugung bilden können, dass
die der Beklagten vorzuwerfende Pflichtverletzung für die von der Klägerin
erlittenen Verletzungen kausal geworden ist. Entscheidend dafür war, dass
die Sachverständige wegen der fehlenden Angaben keine Feststellungen über
den genauen Ablauf und das aufprallende Fahrzeugteil treffen konnte und
deshalb die Möglichkeit aufgezeigt hat, dass ein Fahrzeugteil isoliert das
Gesicht der Klägerin getroffen hat und auch durch einen offenen Helm nicht
auf Abstand gehalten worden wäre. Das Berufungsgericht hat unter diesen
Umständen neben der - von der Revision nicht angegriffenen - Ablehnung einer
Beweislastumkehr einen für den Anscheinsbeweis typischen Geschehensablauf
verneint, aus dem gefolgert werden könnte, dass der Eintritt der erlittenen
Verletzungen beim Tragen eines offenen Helms verhindert worden wäre. Dies
ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
20 Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass
bei der Verletzung von Schutzgesetzen sowie von Unfallverhütungsvorschriften
ein Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Verstoß für den
Schadenseintritt ursächlich war, sofern sich gerade diejenige Gefahr
verwirklicht hat, der das Schutzgesetz oder die Unfallverhütungsvorschrift
entgegen wirken soll (vgl. Senat, Urteile vom 25. Januar 1983 - VI ZR
92/81 - VersR 1983, 440 f.; vom 22. April 1986 - VI ZR 77/85 - VersR 1986,
916, 917). Der Beweis des ersten Anscheins ist auch bei der Verletzung von
Verkehrssicherungspflichten geboten, die wie Schutzgesetze und
Unfallverhütungsvorschriften typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen,
wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der
durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden soll
(vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 271/92 - VersR 1994, 324,
325). Nach dem Senatsurteil vom 25. Januar 1983 spricht der Beweis des
ersten Anscheins für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem
Nichtbenutzen eines Schutzhelms und den eingetretenen Kopfverletzungen, wenn
ein Kraftfahrer, der ohne Schutzhelm fährt, bei einem Unfall
Kopfverletzungen erleidet, vor denen der Schutzhelm allgemein schützen soll.
Indessen ist ein Anscheinsbeweis nur möglich, wenn ein typischer
Geschehensablauf vorliegt, sich also aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze
der Schluss aufdrängt, die erlittenen Verletzungen seien darauf
zurückzuführen, dass der Verletzte keinen (offenen) Schutzhelm getragen hat
(vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 1990 - VI ZR 239/89 - VersR 1991, 195
m.w.N.). Diese Frage unterliegt der Prüfung durch das Revisionsgericht (vgl.
BGHZ 115, 141, 144). Sie ist im Streitfall zu verneinen.
21 Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein detaillierter
Vortrag zum Unfallhergang und zur genauen Entstehung der Verletzungen nicht
erfolgt. Zudem liegt eine Gesichtsverletzung vor, die dadurch verursacht
wurde, dass ein Fahrzeugteil das Gesicht der Klägerin getroffen hat. Unter
diesen Umständen kann nicht typischerweise darauf geschlossen werden, dass
ein offener Schutzhelm den Aufprall verhindert oder zumindest vermindert
hätte. Ein solcher Helm schützt zwar typischerweise den oberen Kopfteil und
den Hinterkopf, kann aber nach den Ausführungen der Sachverständigen nur
unter besonderen Umständen die Nasenwurzelregion und die Nase vor
aufprallenden Fahrzeugteilen schützen. Daher kann man für die konkreten
Verletzungen der Klägerin nicht von einem typischen Geschehensablauf
ausgehen, der zu diesen Verletzungen geführt hat. Jedenfalls ist nach
den Ausführungen der Sachverständigen von der ernsthaften Möglichkeit eines
anderen Geschehensablaufs auszugehen, so dass auch deshalb ein
Anscheinsbeweis nicht angewendet werden kann.
22 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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