Forderungskauf, Zession, Factoring: "Unechtes"
Factoring als Inkassogeschäft
BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - VI
ZR 507/13 - LG Hannover
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die Abtretung einer Forderung
(hier: des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten auf Erstattung von
Sachverständigenkosten) durch einen Sachverständigen an ein
Factoring-Unternehmen, das nicht über eine Registrierung nach § 10 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 RDG verfügt, ist wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 Fall 2
RDG in Verbindung mit § 3 RDG gemäß § 134 BGB nichtig, wenn das
Factoring-Unternehmen nicht das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung
der Forderung übernimmt.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung betrifft die Nichtigkeit einer
Abtretung im Rahmen eines "unechten" Factoring nach § 134 BGB wegen eines
Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Lehrreich ist sie
insbesondere auf die Erläuterungen zum Factoring und die Unterscheidung
zwischen "echtem" Factoring (Forderungskauf) und "unechtem" Factoring, das
ein Inkassogeschäft nach dem RDG ist. Beim echten Factoring kauft der Factor
eine Forderung unter dem Nennwert und lässt sie sich abtreten. Sein Gewinn
besteht aus der Differenz zwischen Kaufpreis und Nennwert, wenn er die
Forderung realisieren kann. Kann er sie nicht realisieren, hat er keine
Ansprüche gegen den Verkäufer, weil beim Forderungsverkauf nur für den
Bestand (Verität), nicht aber für die Einbringlichkeit der Forderung
(Bonität) gehaftet wird (weil diese als unkörperlicher Gegenstand keine
"Beschaffenheiten" i.S.v. § 434 BGB und daher die Uneinbringlichkeit keinen
Sachmangel darstellt). Der Factor trägt damit das Risiko der
Uneinbringlichkeit. Beim "unechten Factoring" ist das anders, womit dieses
letztlich einem Inkassoauftrag gleichsteht (bei welchem der Schuldner gegen
Entgelt die Einziehung der Forderung eines anderen besorgt). Dafür aber
braucht es eine Erlaubnis nach
§ 2
Abs. 2 RDG (das muss man als Student nicht wissen!). Da diese nicht
vorlag, war die Abtretung nach § 134 BGB unwirksam und der Kläger nicht
aktivlegitimiert (= Anspruchsinhaber).
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Klägerin, die ein Unternehmen
für Factoring-Dienstleistungen betreibt, macht gegenüber dem beklagten
Kfz-Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht Ansprüche auf Erstattung
von Sachverständigenkosten geltend. Diese hat ein durch einen Verkehrsunfall
Geschädigter an den von ihm mit der Begutachtung des Schadens beauftragten
Kfz-Sachverständigen abgetreten, der seinerseits auf der Grundlage einer
"Dienstleistungsvereinbarung" vom 27. Juli 2010 die Forderung an die
Klägerin abgetreten hat. Nach Ziffer 1 der überwiegend formularmäßigen
"Dienstleistungsvereinbarung" übernimmt die Klägerin für die eingereichten
Forderungen den Einzug. Bei ankaufsfähigen Forderungen erfolgt der Einzug
mit Vorfinanzierung und Übernahme des Ausfallrisikos. Die Auszahlung des
Rechnungsbetrages der ankaufsfähigen Forderungen erfolgt nach Ziffer 2 der
Vereinbarung zu (handschriftlich ergänzten) 80 % nach drei Bankarbeitstagen
abzüglich der Gesamtgebühr. Ferner enthält Ziffer 2 den handschriftlichen
Zusatz: "Auszahlung der restlichen 20 % erfolgt nach Zahlungseingang".
2 Die Beklagte hält die Abtretungen wegen Verstoßes gegen das
Rechtsdienstleistungsgesetz (im Folgenden: RDG) für unwirksam und hat
hilfsweise die Aufrechnung mit einem vermeintlichen Schadensersatzanspruch
gegenüber dem Sachverständigen erklärt.
3 Das Amtsgericht hat die Abtretungen für wirksam erachtet und der Klage
überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht
die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
4 Nach Auffassung des Berufungsgerichts fehlt der Klägerin die
Aktivlegitimation, weil die Abtretungsvereinbarung zwischen ihr und dem
Sachverständigen gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 3 RDG nichtig sei.
Eine Erlaubnis zur Erbringung von selbständigen Rechtsdienstleistungen sei
der Klägerin unstreitig nicht erteilt worden. Die Geltendmachung der
Ansprüche gegenüber der Beklagten sei eine erlaubnispflichtige
Inkassodienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 RDG, da die Klägerin auf
fremde Rechnung handele. Ausweislich ihres Internetauftritts biete sie ihre
Dienstleistungen im Rahmen des Factorings dergestalt an, dass das
wirtschaftliche Ergebnis dem Zedenten zu Gute kommen soll. An dem
Tatbestandsmerkmal der Fremdheit ändere auch der vorgelegte
Factoring-Vertrag zwischen dem Sachverständigen und der Klägerin nichts. Im
Gegenteil bestätige dieser, dass die Klägerin nicht das volle Risiko der
Beitreibung der Forderung übernommen habe, weil die Auszahlung der
restlichen 20 % vom Zahlungseingang abhängig sei.
II.
5 Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat die (Zweit-)Abtretung der Forderung durch den
Sachverständigen an die Klägerin ohne Rechtsfehler wegen Verstoßes gegen das
gesetzliche Verbot des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG in Verbindung mit § 3 RDG gemäß
§ 134 BGB als nichtig erachtet.
6 1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG ist die Einziehung fremder oder zum Zweck
der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen eine
Rechtsdienstleistung, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges
Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Die selbständige Erbringung
außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nach § 3 RDG nur in dem Umfang
zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer
Gesetze erlaubt wird. Inkassodienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1
RDG dürfen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG nur von Personen, die bei der
zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund
besonderer Sachkunde erbracht werden.
7 Die Einziehung einer abgetretenen Forderung auf fremde Rechnung
(Inkassozession) soll nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der
Bundesregierung vom 30. November 2006 unter Erlaubnisvorbehalt stehen, weil
hier nur die formale Forderungsinhaberschaft auf den Einziehenden übertragen
wird, die Einziehung aber weiterhin auf Risiko und Rechnung des Zedenten
erfolgt und die Forderung für den Zessionar wirtschaftlich fremd bleibt
(BT-Drucks. 16/3655, S. 35 f., 48). Sie ist von den Fällen des
Forderungskaufs abzugrenzen, "bei denen ein endgültiger Forderungserwerb
stattfindet und das Risiko des Forderungsausfalls auf den Erwerber übergeht"
(aaO, S. 48), so dass die Einziehung auf eigene Rechnung erfolgt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die
Abgrenzung darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem
Abtretenden zukommen soll, wobei nicht allein auf den Wortlaut der
vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten ihr zugrunde liegenden
Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen ist, also auf
eine wirtschaftliche Betrachtung, die eine Umgehung des Gesetzes durch
formale Anpassung der geschäftsmäßigen Einziehung an den Gesetzeswortlaut
und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze vermeidet. Entscheidend
ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber
übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, das
heißt das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung
übernimmt (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11,
NJW 2013, 59 Rn. 13 f., vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 46/13, NJW 2014, 847
Rn. 18 und vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 137/13, juris Rn. 18; Beschluss vom
11. Juni 2013 - II ZR 245/11, WM 2013, 1559 Rn. 3; vgl. auch OLG Nürnberg,
NJW-RR 2014, 852).
8 2. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der zwischen dem
Zedenten und der Klägerin geschlossenen "Dienstleistungsvereinbarung" vom
27. Juli 2010, wonach die Klägerin als Zessionarin das wirtschaftliche
Risiko der Beitreibung der Forderung nicht voll, sondern nur teilweise (zu
80 %) übernommen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
9 a) Das Revisionsgericht überprüft die Auslegung von
Individualvereinbarungen durch den Tatrichter nur darauf, ob Verstöße gegen
gesetzliche Auslegungsregeln, Verfahrensvorschriften, anerkannte Denkgesetze
oder Erfahrungssätze vorliegen und ob der Tatrichter sich mit dem
Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (st.
Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11, aaO Rn. 12
mwN). Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor und werden von der Revision
nicht aufgezeigt.
10 b) Entgegen der Annahme der Revision hat das Berufungsgericht sich nicht
nur in seinem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss auf den Internetauftritt
der Klägerin gestützt, sondern darüber hinaus ausdrücklich die individuelle
(handschriftliche) Vereinbarung zwischen dem Zedenten und der Klägerin
berücksichtigt, wonach die Auszahlung der restlichen 20 % vom
Zahlungseingang abhängig ist und mithin die Klägerin - ebenso wie in den
Factoring-Angeboten in ihrem Internetauftritt - auch im konkreten Fall nicht
das volle wirtschaftliche Risiko übernommen hat. Hiergegen ist aus
revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
11 c) An der Beurteilung würde sich nichts ändern, wenn man der Revision
darin folgte, dass die handschriftliche Zusatzvereinbarung als
Fälligkeitsabrede anzusehen sei (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2013 - IV
ZR 46/13, aaO Rn. 21). Denn der Zedent trägt einen Teil des Bonitätsrisikos
auch dann, wenn der Anspruch auf Auszahlung der restlichen 20 % mangels
Zahlungseingangs niemals fällig wird. Da die Klägerin im konkreten Fall
nicht das volle wirtschaftliche Risiko übernommen hat und sie deshalb mit
der Einziehung der an sie abgetretenen Forderung insgesamt eine unerlaubte
Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 3
RDG betreibt, kommt auch - wie die Revision in der mündlichen Verhandlung zu
erwägen gegeben hat - eine Teilnichtigkeit nicht in Betracht.
12 3. Die Einziehung wird von der Klägerin zudem als eigenständiges Geschäft
im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG betrieben. Ein solches liegt vor, wenn
die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder
nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht
lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen
Tätigkeit erfolgt (BGH, Urteile vom 30. Oktober 2012 - XI ZR 324/11, aaO Rn.
21, und vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 46/13, aaO Rn. 29). Die Einziehung
abgetretener Forderungen bildet nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts das Hauptgeschäft der Klägerin, wovon auch die Revision
ausgeht. Damit ist zugleich festgestellt, dass die Inkassotätigkeit der
Klägerin keine bloße Nebenleistung im Sinne von § 5 RDG darstellt (vgl. BGH,
Urteil vom 11. Dezember 2013 - IV ZR 46/13, aaO Rn. 30).
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