Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts:
Kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen ehrverletzende Äußerungen
zur Rechtsverfolgung in einem Gerichtsverfahren
BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 - VI
ZR 79/11
Fundstelle:
NJW 2012, 1659
Amtl. Leitsatz:
Für Klagen auf Zahlung einer
Geldentschädigung, die auf ehrkränkende Äußerungen in einem anderen
Gerichtsverfahren bzw. gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gestützt
werden, besteht in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die
Äußerungen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienten oder in
Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder Pflichten gemacht wurden.
Zentrale Probleme:
Eine sehr lehrreiche
Entscheidung zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht: Wenn in einem
Gerichtsverfahren ehrverletzende Äußerungen gemacht werden, die der
Rechtsverfolgung in diesem Verfahren dienen (hier: die in Anspruch genommene
Lebensversicherung verteidigt sich mit der Behauptung, der Kläger habe seine
versicherte Ehefrau ermordet), fehlt es einer Klage wegen Verletzung des
Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits am Rechtsschutzbedürfnis, d.h. sie
ist unzulässig. Diese behauptete Tatsache ist im Hauptprozess zu klären. Das
aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem
Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG resultierende Recht auf
effektiven Rechtsschutz verlangt, dass die Parteien in einem
Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung
ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines
anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, wird allein
in diesem Verfahren geklärt, d.h. der von der ehrkränkenden Äußerung
Betroffene kann weder Unterlassungs- noch Widerrufsansprüche geltend machen.
Gleiches gilt grundsätzlich bei Strafanzeigen. Ob man im Fall der
"Schmähung", d.h. bewusst wahrheitswidrigen Behauptungen, eine Ausnahme zu
machen hat, lässt der Senat offen. Lesen!
©sl 2012
Tatbestand:
1 Der Beklagte nimmt den klagenden
Lebensversicherer (nachfolgend: Klägerin), soweit im Revisionsverfahren noch
von Interesse, auf Zahlung einer Entschädigung wegen ehrverletzender
Äußerungen in Anspruch.
2 Der Beklagte hatte im Dezember 2001 bei der Klägerin einen
Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Versicherte Person war seine
Ehefrau. Die Versicherungssumme betrug zuletzt 1.682.163 €. Ende des Jahres
2003 verbrachten der Beklagte und seine Ehefrau einen Badeurlaub in Vietnam.
Am 1. Januar 2004 kam die Versicherte unter im Einzelnen ungeklärten
Umständen beim Baden im Meer zu Tode. Sie wurde entsprechend der Bitte des
Beklagten nicht obduziert. Der Beklagte ließ den Leichnam am 3. Januar 2004
ohne vorherige Unterrichtung der Familie verbrennen. Der Verbleib der Urne
mit der Asche der Verstorbenen ist ungeklärt. Das - u.a. auf Betreiben der
Klägerin -von der Staatsanwaltschaft H. gegen den Beklagten eingeleitete
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Tötung seiner Ehefrau wurde
gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO eingestellt.
3 In einem Vorprozess nahm der Beklagte die Klägerin auf Feststellung ihrer
Leistungspflicht aus dem Lebensversicherungsvertrag in Anspruch. Die
Klägerin berief sich auf Leistungsfreiheit gemäß § 170 Abs. 1 VVG a.F. Sie
machte geltend, der Beklagte habe den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich
herbeigeführt, um in den Genuss der Versicherungsleistung zu kommen. Sie
listete eine Reihe von Indizien auf, die nach ihrer Ansicht den Vorwurf
stützten, insbesondere Unstimmigkeiten in den verschiedenen Schilderungen
des Geschehens durch den Beklagten, das Unterbleiben einer Obduktion, das
rasche Verbrennen des Leichnams, das Verschwinden der Urne mit der Asche,
das wegen der Höhe der Gesamtversicherungssummen bei verschiedenen
Versicherern und angeblicher finanzieller Schwierigkeiten des Beklagten
naheliegende Tatmotiv sowie nach ihrer Einschätzung gegebene Zweifel an der
allgemeinen persönlichen Integrität des Beklagten. In diesem Zusammenhang
berief sie sich u.a. auf Ermittlungen der mit der Sachaufklärung
beauftragten A. GmbH, auf Schilderungen aus dem Verwandten- und
Freundeskreis der Verstorbenen zum Verhältnis der Eheleute und auf Vorwürfe
der sexuellen Belästigung asiatischer Haushaltshilfen. Mit Urteil vom 21.
August 2007 wies das Landgericht S. die Klage ab. Es hatte sich davon
überzeugt, dass der Beklagte den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich
herbeigeführt hatte. Mit Urteil vom 11. November 2009 hob das Saarländische
Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts auf und stellte fest,
dass die Klägerin verpflichtet ist, die Leistung aus dem
Lebensversicherungsvertrag zu erbringen. Die Klägerin habe die vorsätzliche
Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer gemäß §
170 Abs. 1 VVG a.F. nicht bewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.
4 Wegen der im Vorprozess und gegenüber der Staatsanwaltschaft H.
aufgestellten Behauptungen verlangte der Beklagte von der Klägerin die
Zahlung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Die
Klägerin hat daraufhin negative Feststellungsklage erhoben. Nachdem der
Beklagte Widerklage auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von
mindestens 20.000 € erhoben hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit
hinsichtlich der negativen Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt
erklärt. Das Landgericht hat die Widerklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses
als unzulässig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen
gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein
Widerklagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
5 Das Berufungsgericht hält die Widerklage für unzulässig, weil die gegen
den Beklagten erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit einem rechtlich
geordneten Verfahren geäußert worden seien. Es sei mit dem
Rechtsstaatsprinzip und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs
unvereinbar, wenn redlicher Sachvortrag in einem Zivilprozess aus Gründen
des Ehrenschutzes zu straf- oder zivilrechtlichen Nachteilen führe, weil die
Behauptung sich später im Prozess als unrichtig oder unaufklärbar erweise.
Zwar habe ein an Massivität kaum zu übertreffender Vorwurf im Raum
gestanden. Dies ändere aber nichts daran, dass die Klägerin in rechtlich
zulässiger Weise und ohne Sanktionen gewärtigen zu müssen, habe darlegen und
zu beweisen versuchen dürfen, von ihrer versicherungsvertraglichen
Leistungspflicht befreit zu sein. Da die Klägerin keine eigenen Erkenntnisse
über den Geschehensablauf gehabt habe, es durchaus Anhaltspunkte gegeben
habe, die eine genauere Überprüfung angezeigt hätten erscheinen lassen und
es u.a. auf die vom Beklagten veranlassten Maßnahmen zurückzuführen gewesen
sei, dass eine Untersuchung des Leichnams zur genauen Klärung der
Todesursache nicht möglich gewesen sei, habe es der Klägerin zugebilligt
werden müssen, von ihren prozessualen Rechten dadurch Gebrauch zu machen,
dass sie einen ihr günstigen Sachverhalt behauptet, ihn stützende
Informationen zu ermitteln versucht und nach ihrer Einschätzung geeignete
Beweismittel in das Verfahren eingeführt habe. Dieses Verhalten dürfe nicht
rückwirkend mit dem Risiko einer Entschädigungspflicht behaftet werden. Es
sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin mit "wahrheitswidrigem und
irreführendem" Sachvortrag über die reine Rechtsverteidigung hinausgegangen
sei. Die Klägerin sei auch berechtigt gewesen, nicht unmittelbar mit dem
Versicherungsfall zusammenhängende weitere Straftaten in den Raum zu
stellen. Die diesbezüglichen Behauptungen ständen nicht völlig außerhalb des
prozessrelevanten Sachverhalts. Die Klägerin habe hierdurch versucht,
Zweifel an der persönlichen Integrität des Beklagten zu untermauern, die
naturgemäß auch für die Frage, ob jemandem eine schwere Straftat zuzutrauen
sei, eine Rolle spiele. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin habe ihre
diffamierende Kampagne auch außerhalb des Prozesses betrieben, indem sie
versucht habe, ihn durch "eigene" Ermittlungen zu überführen, und dabei
gezielt Personen aus seinem Umfeld mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen
konfrontiert habe, gehe fehl. Es liege in der Natur der Sache, dass das
Einbringen von Sachvortrag und das Anbieten von Beweismitteln in ein
gerichtliches Verfahren vorbereitend und begleitend außerprozessuale
Maßnahmen einschließe. Das Verhalten der Klägerin sei stets auf die
Vorbereitung und Geltendmachung ihrer Rechte im Rechtsstreit bezogen
gewesen. Eine Entschädigungspflicht der Klägerin sei auch im Hinblick auf
das "Initiieren" und "In-Gang-Halten" des strafrechtlichen
Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen. Auch im strafprozessualen Zusammenhang
hätten Äußerungen in einem rechtlich geordneten Verfahren im Raum gestanden,
bezüglich derer die Klägerin vor nachträglicher Sanktion zu schützen sei.
Außerhalb des Zivilrechtsstreits bzw. des von der Staatsanwaltschaft H.
geführten Strafverfahrens sei die Klägerin nicht zu dem Zweck an Personen
herangetreten, den Beklagten unabhängig von der Durchsetzung ihrer Position
im gerichtlichen Verfahren zu diffamieren. Im Übrigen könne niemand sicher
sagen, auf welche Weise welche Personen Kenntnis von der Beschuldigung des
Beklagten erlangt hätten. Dies könne ebenso infolge "durchsickernder"
Informationen aus dem Erstprozess zwischen den Parteien geschehen sein wie
auch durch die den Beklagten des Mordes bezichtigenden Schwiegereltern oder
auch im Zusammenhang mit Zivilrechtsstreiten zwischen dem Beklagten und
anderen Lebens- oder Unfallversicherern. Die Klägerin habe auch nicht
vorsätzlich unwahre Behauptungen aufgestellt. Denn sie habe keine Kenntnisse
aufgrund eigener Wahrnehmung haben können. Von Leichtfertigkeit sei im
Hinblick auf die von ihr zusammengetragenen Indizien, insbesondere den
Umstand, dass die Eltern der Verstorbenen selbst ihren Schwiegersohn des
Mordes bezichtigt hätten, nicht auszugehen. An dieser Beurteilung änderten
die Ermittlungsmethoden und Ermittlungsergebnisse der in Vietnam
ermittelnden Detektive nichts. Denn unstreitig habe nicht die Klägerin,
sondern die E. Lebensversicherung AG den entsprechenden Detektiv beauftragt;
die Klägerin habe unstreitig auf dessen Ermittlungsergebnisse keinen
Einfluss genommen. Nach allem könne auch keine Rede davon sein, dass die
Unhaltbarkeit der Vorwürfe auf der Hand gelegen habe. Die genaue
Todesursache der Versicherten sei und bleibe unaufklärbar.
II.
6 Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat die Widerklage zu Recht für unzulässig
gehalten, weil die Klägerin die beanstandeten Äußerungen in einem
rechtsstaatlich geregelten Verfahren zur Rechtsverteidigung bzw. gegenüber
den Strafverfolgungsbehörden gemacht hat.
7 1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats
besteht für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung
dienen, in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis (Senatsurteil vom
11. Dezember 2007 - VI ZR 14/07, VersR 2008, 357 Rn. 12 mwN; vgl. auch
BVerfG, NJW-RR 2007, 840 f. mwN; BGH, Urteil vom 9. April 1987 - I ZR 44/85,
WRP 1987, 627, 628 - Gegenangriff). Das sogenannte Ausgangsverfahren
soll nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran
Beteiligten beeinträchtigt werden (vgl. Senatsurteile vom 17.
Dezember 1991 - VI ZR 169/91, VersR 1992, 443 mwN; vom 16. November 2004 -
VI ZR 298/03, VersR 2005, 277 f.). Vielmehr müssen die Parteien in
einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur
Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre
eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll
allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren
geprüft werden. Der von der ehrkränkenden Äußerung
Betroffene kann weder Unterlassungs- noch Widerrufsansprüche geltend machen
(vgl. Senatsurteile vom 10. Juni 1986 - VI ZR 154/85, NJW 1986,
2502, 2503 mwN.; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03, aaO, S. 278; vom 11.
Dezember 2007 - VI ZR 14/07, aaO Rn. 13). Dies trägt dem Recht der
Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG
in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches
Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung (vgl. BVerfG, NJW 1991, 29;
NJW-RR 2007, 840, 841; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR
1404/04, juris Rn. 17, jeweils mwN). Die Rechte des Betroffenen
werden hinreichend dadurch gewahrt, dass ihm bereits im Ausgangsverfahren
prozessual wie materiell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz
seiner Interessen bereitstehen; er kann schon in diesem Verfahren die
Behauptung des Prozessgegners zur Nachprüfung durch das Gericht stellen
(vgl. Senatsurteile vom 14. November 1961 - VI ZR 89/59, NJW 1962, 243, 244;
vom 10. Juni 1986 - VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vom 11. Dezember
2007 - VI ZR 14/07, aaO Rn. 13, 16).
8 Diese Grundsätze gelten entsprechend für Äußerungen gegenüber
Strafverfolgungsbehörden (Senatsurteile vom 14. November 1961 - VI
ZR 89/59, NJW 1962, 243, 245; vom 10. Juni 1986 - VI ZR 154/85, NJW 1986,
2502, 2503; vgl. auch BVerfGE 74, 257, 258, 262 f.; BVerfG, NJW 1991, 29,
30; Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17).
Wer der Staatsanwaltschaft oder der Polizei seinen Verdacht mitteilt, dass
ein anderer eine strafbare Handlung begangen habe, berührt zwangsläufig die
Ehre des anderen. Das kann ihm nicht verwehrt werden; denn mit der
Erstattung der Anzeige übt er ein jedem Staatsbürger zustehendes Recht aus.
Die Strafanzeige eines Bürgers liegt darüber hinaus grundsätzlich im
allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der
Aufklärung von Straftaten; der Rechtsstaat kann darauf bei der
Strafverfolgung nicht verzichten (vgl. Senatsurteil vom 14.
November 1961 - VI ZR 89/59, aaO; BVerfGE 74, 257, 262). Aus diesen
Gründen muss der Anzeigende im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
grundsätzlich das vorbringen dürfen, was er nach seinem Ermessen zur
Aufklärung der Sache für erforderlich hält. Den berechtigten Belangen des in
seiner Ehre Betroffenen ist durch die Bestimmung des § 164 StGB (falsche
Verdächtigung), die Kostenregelung in § 469 StPO für den Fall einer
vorsätzlich oder leichtfertig erstatteten unwahren Anzeige sowie die
rechtsstaatliche Ausgestaltung des Ermittlungsverfahrens hinreichend
Rechnung getragen. Für zivilrechtliche Abwehransprüche ist dagegen in aller
Regel kein Raum (vgl. Senatsurteile vom 14. November 1961 - VI ZR
89/59, aaO; vom 10. Juni 1986 - VI ZR 154/85, aaO; BVerfGE 74, 257, 262;
Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR 1404/04, aaO).
9 2. Zutreffend hat das Berufungsgericht diese Grundsätze auf Klagen
auf Zahlung einer Geldentschädigung übertragen, die auf ehrkränkende
Äußerungen in einem anderen Gerichtsverfahren bzw. gegenüber den
Strafverfolgungsbehörden gestützt werden. Auch für solche Klagen
besteht in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die
Äußerungen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienten oder in
Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder Pflichten gemacht wurden
(vgl. Senatsurteile vom 5. November 1963 - VI ZR 216/62, MDR 1964, 136; vom
10. Juni 1986 - VI ZR 154/85, aaO; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearbeitung
1999, § 823 Rn. C 138; Münch-KommBGB/Rixecker, 6. Aufl., Anh. § 12 Rn. 191
f.; Helle, GRUR 1982, 207, 215 f.). Dies gilt auch dann, wenn das
andere Verfahren bereits abgeschlossen ist. Denn mit dem Rechtsstaatsprinzip
(Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs. 1 GG) ist es nicht vereinbar, wenn redliche Äußerungen in einem
Zivilprozess oder die redliche Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und
Pflichten im Straf(ermittlungs)verfahren aus Gründen des Ehrenschutzes zu
rechtlichen Nachteilen führen, weil die Behauptung sich später im Prozess
oder nach behördlicher Prüfung als unrichtig oder unaufklärbar erweist
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17
mwN). Ein wirkungsvoller gerichtlicher Rechtsschutz in
bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten setzt voraus, dass der Rechtsuchende,
ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, gegenüber den Organen der
Rechtspflege alle Handlungen vornehmen kann, die nach seiner von gutem
Glauben bestimmten Sicht geeignet sind, sich im Prozess zu behaupten
(vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - VI ZR 14/07, aaO Rn. 16; BVerfG,
NJW-RR 2007, 840, 841 mwN). In entsprechender Weise führte es zu
einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden,
unzumutbaren Beschränkung des Einzelnen und zu einer nicht mehr hinnehmbaren
Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege, wenn
derjenige, der in gutem Glauben eine Strafanzeige erstattet hat, befürchten
müsste, wegen seiner Äußerungen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden mit
einer Schadensersatzklage wegen Ehrverletzung überzogen zu werden
(vgl. BVerfGE 74, 257, 263; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR
1404/04, juris Rn. 17 mwN). Soweit dem Senatsurteil vom 10. Juni
1986 (VI ZR 154/85, aaO unter 5.) insoweit etwas anderes entnommen werden
könnte, wird daran nicht festgehalten.
10 3. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht das
Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage zu Recht verneint.
11 a) Die Äußerungen der Klägerin im Vorprozess standen in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Verfahrens und waren dazu bestimmt
und geeignet, den Standpunkt der Klägerin darzulegen und zu rechtfertigen.
Nachdem der Beklagte die Klägerin auf Feststellung ihrer Leistungspflicht
aus dem Lebensversicherungsvertrag in Anspruch genommen hatte, musste er in
Kauf nehmen, dass die näheren Umstände des plötzlichen Ablebens seiner
Ehefrau eingehend erörtert werden. Die Klägerin war in diesem
Zusammenhang grundsätzlich berechtigt, im Prozess all das vorzutragen, was
ihr für die Entscheidung über die Voraussetzungen der Leistungsfreiheit
gemäß § 170 Abs. 1 VVG a.F. erheblich erschien, auch wenn es sich dabei um
Äußerungen handelte, die geeignet waren, sich abträglich auf das Ansehen des
Beklagten auszuwirken.
12 Auf die Frage, ob der Beweis ihres Vorbringens möglich oder von
Anfang an ausgeschlossen erschien, kommt es dabei entgegen der Auffassung
der Revision nicht an (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - VI
ZR 14/07, aaO Rn. 20). Es ist die ureigenste Aufgabe des mit dem
Vorprozess befassten Gerichts, die ihm zur Rechtfertigung des Klagebegehrens
und zur Rechtsverteidigung unterbreiteten Tatsachen zu prüfen und ihren
Wahrheitsgehalt im Falle des Bestreitens durch eine Beweisaufnahme zu
klären. Mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Recht auf Gewährung rechtlichen
Gehörs wäre es unvereinbar, wenn eine Partei in einem Zivilprozess dem
Ansehen des Gegners abträgliche Tatsachen zur Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung nur dann vortragen dürfte, wenn diese nach vorläufiger
Würdigung beweisbar erscheinen (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember
2007 - VI ZR 14/07, aaO Rn. 16; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1
BvR 1404/04, juris Rn. 17 mwN). Dies gilt entgegen der Auffassung
der Revision auch dann, wenn das beanstandete Vorbringen - wie im Streitfall
- eine schwere Straftat zum Gegenstand hat und die Staatsanwaltschaft ein
wegen des Verdachts dieser Straftat eingeleitetes Ermittlungsverfahren
mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO
eingestellt hat. Denn eine derartige Einstellungsverfügung der
Staatsanwaltschaft entfaltet keine Bindungswirkung für den Zivilprozess.
Vielmehr haben die Zivilgerichte grundsätzlich selbständig und aufgrund
freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) über die Voraussetzungen des vor ihnen
geltend gemachten Anspruchs zu befinden. Sie sind in der Regel selbst an
Feststellungen in einem Strafurteil nicht gebunden (vgl. BGH, Urteile vom 9.
Juli 1951 - IV ZR 3/50, BGHZ 3, 65, 69 f.; vom 22. September 1982 - IVb ZR
576/80, BGHZ 85, 32, 36 ff.; vom 26. Januar 1989 - X ZR 100/87, juris Rn.
18). Dies gilt umso mehr für Feststellungen in einer Einstellungsverfügung
gemäß § 170 Abs. 2 StPO. Denn ihr kommt keinerlei Rechtskraftwirkung zu; das
Ermittlungsverfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden (vgl. RGSt 67,
315, 316; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 170 Rn. 9; Karlsruher
Kommentar/Schmid, StPO, 6. Aufl., § 170 Rn. 23). Die
Unschuldsvermutung wird hierdurch entgegen der Auffassung der Revision nicht
verletzt.
13 Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht in Hinblick auf die -
den Grundsatz freier richterlicher Überzeugungsbildung einschränkende und
über § 823 Abs. 2 BGB ins Zivilrecht transformierte (vgl.
Senatsurteil vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 216 -
Wehrmachtsoffizier; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 190 Rn. 4; Lenckner/Eisele
in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 190 Rn. 4) - Beweisregel des
§ 190 Satz 2 StGB geboten. Ihre Anwendbarkeit scheitert in
Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Ermittlungsverfahren gemäß § 170
Abs. 2 Satz 1 StPO eingestellt worden ist, schon daran, dass der
Beschuldigte vor der inkriminierten Behauptung nicht - wie in der Bestimmung
vorausgesetzt - vom Vorwurf der Tatbegehung freigesprochen worden ist.
Abgesehen davon kommt diese Beweisregel im Zivilverfahren nur im Rahmen von
Klagen wegen Ehrverletzung, nicht hingegen im Deckungsprozess zwischen
Versicherer und Versicherungsnehmer zur Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 9.
Juli 1985 - VI ZR 214/83, aaO S. 216 - Wehrmachtsoffizier).
14 b) Es kann dahingestellt werden, ob das Rechtsschutzbedürfnis zu
bejahen wäre, wenn die Äußerungen der Klägerin im Vorprozess bewusst unwahr
oder auf der Hand liegend falsch gewesen wären oder eine Schmähung
dargestellt hätten (vgl. Senatsurteile vom 14. November 1961 - VI
ZR 89/59, NJW 1962, 243, 244; vom 10. Juni 1986 - VI ZR 154/85, NJW 1986,
2502, 2503; vom 11. Dezember 2007 - VI ZR 14/07, aaO Rn. 17; BVerfG, NJW-RR
2007, 840 Rn. 14; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR 1404/04,
Rn. 18). Denn eine derartige Fallkonstellation ist nach den vom
Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht gegeben.
Die Klägerin hatte keine eigene Kenntnis von den Umständen des Ablebens der
Ehefrau des Beklagten.
Zur Begründung ihres Vorwurfs, der Beklagte habe den Tod seiner Frau
vorsätzlich herbeigeführt, hatte sie eine Reihe von Verdachtsmomenten
vorgetragen, die das Landgericht als zur Überzeugungsbildung ausreichend
angesehen hatte. Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht eine
wissentliche Unrichtigkeit oder auf der Hand liegende Unhaltbarkeit der
Vorwürfe mit Recht verneint. Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf,
die zu einer anderen Beurteilung des Vorbringens der Klägerin führen würden.
Soweit die Revision in diesem Zusammenhang beanstandet, das Berufungsgericht
habe die Akten des Vorprozesses verfahrensfehlerhaft nicht beigezogen,
bleibt der Rüge der Erfolg versagt. Es fehlt an den erforderlichen
Darlegungen dazu, dass das Berufungsurteil auf diesem Mangel beruht (vgl.
Senatsurteil vom 13. Juli 1956 - VI ZR 150/55, LM Nr. 6 zu § 280 ZPO;
Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 551 Rn. 14).
15 Die beanstandeten Äußerungen stellen auch keine Schmähung dar
(vgl. zum Begriff der Schmähung: Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 - VI ZR
14/07, aaO Rn. 22 mwN). Im Vordergrund des Vorbringens der Klägerin stand
ersichtlich die Auseinandersetzung in der Sache, nämlich die Abwehr des
gerichtlich geltend gemachten Anspruchs auf Feststellung der
Leistungspflicht aus dem Lebensversicherungsvertrag, und nicht die
Diffamierung der Person des Beklagten.
16 c) Das Berufungsgericht hat das Rechtsschutzbedürfnis auch insoweit
zutreffend verneint, als die Klage auf das "Initiieren" und "In-Gang-Halten"
des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die Klägerin gestützt ist.
Insoweit hat die Klägerin von ihrem staatsbürgerlichen Recht Gebrauch
gemacht, den Strafverfolgungsbehörden den Verdacht einer Straftat
mitzuteilen. Dass die Klägerin hierbei wissentlich unwahre oder leichtfertig
unhaltbare Behauptungen aufgestellt oder Äußerungen gemacht hätte, die in
keinem inneren Zusammenhang mit dem von ihr verfolgten berechtigten Anliegen
stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 - 1 BvR 1404/04, juris,
Rn. 18), ist weder ersichtlich noch dargetan.
17 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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