Eigentümer-Besitzer-Verhältnis: Nutzungsherausgabe nach Rechtshängigkeit
gem. § 987 BGB: Rechtshängigkeit eines Grundbuchberichtigungsanspruchs
BGH, Urteil
vom 11. März 2005 - V ZR 160/04
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Leitsatz:
Eine Klage auf Zustimmung zur Berichtigung
des Grundbuchs durch Eintragung des Eigentümers steht einer Klage auf
Herausgabe eines Grundstücks im Sinne von § 987 Abs. 1 BGB nicht gleich,
wenn der Besitzer ein Recht zum Besitz in Anspruch nimmt, das von der Frage
des Eigentums unabhängig ist.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung betrifft einen sehr
komplexen Sachverhalt mit schwierigen Rechtsfragen des Vermögensrechts.
Dabei wird aber eine grundlegende Frage des Sachenrechts erörtert, die für
die Ausbildung von Interesse ist (s. die fett markierten Passagen).
Nach § 987 BGB schuldet der nichtberechtigte Besitzer dem Eigentümer u.a. ab
dem Zeitpunkt Nutzungsersatz, in welchem der Herausgabeanspruch rechtshängig
geworden ist. Dies rechtfertigt sich daraus, daß der verklagte Besitzer,
auch wenn er sich für den Eigentümer hält (Eigenbesitzer) dann gewarnt ist
und nicht mehr darauf vertrauen darf, wirklich Eigentümer zu sein. Aus
diesem Grund wird im Falle des nichtberechtigten Eigenbesitzers auch die
Rechtshängigkeit eines Grundbuchberichtigungsanspruchs (§ 894 BGB) für
ausreichend erachtet, weil darin für den Besitzer dieselbe Warnung (nämlich
möglicherweise entgegen der eigenen Überzeugung gar nicht Eigentümer zu
sein) zum Ausdruck kommt. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Besitzer ein
(tatsächlich nichtberechtigter) Fremdbesitzer ist, sich also gar nicht für
den Eigentümer hält, sondern sich aufgrund anderer Umstände (etwa eines
Mietvertrags) für besitzberechtigt hält. In diesem Fall warnt ihn die bloße
Grundbuchberichtigungsklage nicht, denn diese hat mit einem Besitzrechts
nichts zu tun.
©sl 2005
Tatbestand:
Die Kläger sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer zweier Ende des
19. Jahrhunderts mit einer Fabrikantenvilla bebauter Grundstücke in S.
(Thüringen). Die Grundstücke wurden 1948 als volkseigen gebucht und die
frühere Gemeinde S. als Rechtsträgerin eingetragen. Nach der
Wiedervereinigung Deutschlands wurden die Grundstücke der Beklagten
zugeordnet. Im September 1998 erhoben die Kläger gegen die Beklagte Klage
mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, der Berichtigung des Grundbuchs
dahin zuzustimmen, daß sie als Eigentümer einzutragen seien. Die Beklagte
wurde antragsgemäß verurteilt. Am 30. Mai 2002 wurden die Kläger
eingetragen.
Die Gemeinde S. hatte das Gebäude seit 1959 als Kindergarten genutzt und
hierzu nach Behauptung der Beklagten bauliche Veränderungen vorgenommen. Die
Nutzung als Kindergarten setzte die Beklagte nach ihrer Wiedererrichtung
fort. Mit Schreiben vom 12. September 2002 forderten die Kläger sie zur
Zahlung von Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 1. Oktober 1998 bis
zum 30. September 2002 und zum Abschluß eines Mietvertrags auf. Dies wies
die Beklagte mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 zurück. In diesem Schreiben
heißt es unter anderem:
"Ein Vertrag für die Ausübung des vorläufigen Besitzrechts durch den
öffentlichen Nutzer bedarf es nicht; wenn allerdings das Ankaufsrecht
ausgeübt werden soll, ist ein notariell beurkundetes Kaufvertragsangebot
erforderlich, welches dann der Grundstückseigentümer durch ebenso zu
beurkundende Erklärung annehmen muß".
Anschließend holte die Beklagte ein Sachverständigengutachten zum
Ankaufspreis der Grundstücke ein. Unter Hinweis hierauf anerkannte sie mit
Schreiben vom 29. Oktober 2002 den Anspruch auf Nutzungsentschädigung in
Höhe eines Teilbetrags von 3.232,14 € und bezahlte im November 2002 diesen
Betrag.
Die Kläger haben zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 59.120,37 €
als Entschädigung für die Nutzung der Grundstücke im Zeitraum vom 1. Januar
1999 bis zum 31. Dezember 2002 abzüglich des bezahlten Betrags zuzüglich
Zinsen zu verurteilen und festzustellen, daß der Beklagten "keine Rechte
bezüglich des Grundstücks nach dem Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz"
zustehen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger
ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen
Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das
Berufungsgericht meint, das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sei nach
den Vorschriften des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes zu bestimmen.
Danach sei die Beklagte zum Besitz der Grundstücke berechtigt. Die nach der
gesetzlichen Regelung geschuldete Nutzungsvergütung sei bezahlt.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im wesentlichen nicht stand.
II.
1. Die Revision hat allerdings keinen Erfolg, soweit die Klage wegen eines
Betrags von 40.037,96 € zuzüglich Zinsen abgewiesen worden ist, den die
Kläger als Entgelt für die Nutzung der Grundstücke durch die Beklagte im
Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 2001 verlangen.
Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien wegen der Nutzung der Grundstücke
durch die Beklagte in diesem Zeitraum richtet sich nach Art. 233 § 2a Abs. 9
EGBGB. Die Kläger sind Eigentümer der Grundstücke. Die Beklagte, eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts, hat sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben
genutzt. Bis zum Ablauf des 30. September 2001 war die Beklagte daher gem.
Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB zum Besitz der Grundstücke berechtigt (Senatsurt.
v. 24. Mai 1996, V ZR 148/94, WM 1996, 1860, 1862). Damit war die Beklagte
grundsätzlich gem. Art. 233 § 2a Abs. 9 Satz 1 EGBGB zur Zahlung einer
Entschädigung für die Nutzung der Grundstücke verpflichtet. Die Nutzung
eines privaten Grundstücks ohne eine vertragliche Regelung durch einen
Träger öffentlicher Gewalt zu Zwecken der Verwaltung reicht zur Begründung
eines Anspruchs auf Nutzungsersatz allein indessen nicht aus. Nach Art. 233
§ 2a Abs. 9 Satz 3 EGBGB entsteht der Anspruch des Eigentümers vielmehr
erst, wenn er gegenüber dem Nutzer schriftlich geltend gemacht wird. Das ist
nach dem eigenen Vortrag der Kläger erst nach Ablauf des 30. September 2001
mit Schreiben vom 12. September 2002 geschehen. Damit scheidet ein Anspruch
der Kläger auf Nutzungsersatz für den Zeitraum bis zum 30. September 2001
aus.
2. Anders verhält es sich für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2001.
a) Für diesen Zeitraum besteht allerdings kein Anspruch der Kläger auf
Nutzungsentschädigung gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG, weil die Beklagte
den Ankauf der Grundstücke nicht verlangen kann.
Das als Artikel 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes in Kraft
getretene Verkehrsflächenbereinigungsgesetz räumt einem Träger der
öffentlichen Verwaltung ein Recht zum Besitz nur ein, soweit dem Träger das
Recht zum Erwerb des Grundstücks oder das Recht auf Bestellung einer
Dienstbarkeit an dem Grundstück gem. §§ 3, 4 VerkFlBerG zusteht. Die
Bestellung einer Dienstbarkeit kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.
Voraussetzung eines Erwerbsrechts ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
VerkFlBerG, daß auf einem privaten Grundstück ein Verwaltungszwecken
dienendes Gebäude errichtet worden ist. Fehlt es daran, wurde jedoch ein
bereits bestehendes Gebäude Verwaltungszwecken zugeführt, gewährt § 1 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2, Satz 2 VerkFlBerG ein Erwerbsrecht, wenn das Grundstück oder
das Gebäude mit erheblichem baulichen Aufwand für die öffentliche Nutzung
geändert worden ist. So liegt es hier nicht.
aa) Maßnahmen zur Modernisierung und Instandhaltung bedeuten keine
Veränderungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 VerkFlBerG, weil solche
Maßnahmen auch bei einer Fortsetzung der früheren Nutzung angefallen wären
(vgl. Zimmermann in RVI, Loseblattkommentar, Stand September 2004, § 1
VerkFlBerG Rdn. 16; ders. in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der
ehemaligen DDR, Loseblattkommentar, Stand Dezember 2004, § 1 VerkFlBerG Rdn.
19).
bb) Auch wenn die baulichen Maßnahmen des Verwaltungsträgers über
Modernisierungs-, Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen hinausgehen,
folgt hieraus nicht ohne weiteres ein Erwerbsrecht. So verhält es sich
vielmehr nur, wenn die Maßnahmen mit einem erheblichen baulichen Aufwand
verbunden sind. Das Berufungsgericht meint, bei der Auslegung dieses
Tatbestandsmerkmals sei auf den Maßstab abzustellen, der nach § 5 Abs. 1
Buchst. a VermG für den Restitutionsausschluß bei für öffentliche Zwecke
genutzten Gebäuden gilt (so Heller in Prütting/Zimmermann/Heller,
Grundstücksrecht Ost, Loseblattkommentar, Stand 2003, § 1 VerkFlBerG Rdn.
24; Zimmermann in RVI, aaO, § 1 VerkFlBerG Rdn. 17; ders. in Rädler/Raupach/
Bezzenberger, aaO, § 1 VerkFlBerG Rdn. 20; Stavorinus, NotBZ 2001, 349, 353;
Trimbach/Matthiessen, VIZ 2002, 1, 3), und nicht auf den strengeren Maßstab,
der auf diese Frage im Bereich der Sachenrechtsbereinigung Anwendung findet
(so Eickmann/Purps, Sachenrechtsbereinigung, Loseblattkommentar, Stand April
2004, § 1 VerkFlBerG Rdn. 25). Welcher Maßstab anzuwenden ist, kann
dahingestellt bleiben, weil die von der Beklagten zur Umgestaltung des
Grundstücks und des Gebäudes behaupteten Maßnahmen auch die Voraussetzungen
von § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG nicht erfüllen.
cc) Ob die Restitution gem. § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG ausgeschlossen ist,
weil ein erheblicher baulicher Aufwand vorliegt, ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Wege einer vergleichenden
Gesamtbetrachtung zu klären. Dabei sind der frühere und der veränderte
Zustand des Grundstücks oder des Gebäudes einander gegenüberzustellen.
Ergibt diese Betrachtung, daß das Anwesen nach der Verkehrsanschauung
infolge der Baumaßnahmen und der hiermit verbundenen Nutzungsänderung nicht
mehr dasselbe ist, ist ein erheblicher baulicher Aufwand anzunehmen. Bei der
notwendigen vergleichenden Betrachtung haben die Kosten, der Umfang und die
Art der Baumaßnahmen ebenso indizielle Bedeutung wie die Veränderungen im
Erscheinungsbild des Gebäudes, ohne daß aber einer dieser Faktoren für sich
allein ausschlaggebend wäre (BVerwG, VIZ 1996, 147; 2001, 367, 369; 2003,
130, 132). Die Vergleichsbetrachtung setzt einen konkreten Sachvortrag des
öffentlichen Nutzers voraus. Erforderlich sind die detaillierte Darlegung
der vorgefundenen Bausubstanz und die ebensolche Darlegung von Art und
Umfang der jeweiligen Baumaßnahmen einschließlich der dadurch bedingten
Veränderungen im Erscheinungsbild des Gebäudes sowie - falls möglich - der
mit den Maßnahmen verbundenen Kosten.
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beklagten nicht. Die seit
1959 vorgenommene schrittweise Erweiterung des Kindergartens auf die von den
jeweiligen Mietern in dem Gebäude aufgegebenen Räume ist insoweit ohne
Bedeutung. Eine Nutzungsänderung ist nicht notwendig mit baulichen
Veränderungen verbunden und besagt daher hierüber nichts. Ebenso sind die
von der Beklagten behaupteten Instandsetzungen und Neuanschaffungen zur
Beheizung und Stromversorgung des Gebäudes ohne Belang. Bei diesen Maßnahmen
handelt es sich zwar um bauliche Maßnahmen. Es ist jedoch nicht erkennbar,
daß die Maßnahmen nicht auch bei einer Fortsetzung der Nutzung des Gebäudes
zu Wohnzwecken erforderlich geworden wären und über eine Modernisierung
hinausgehen.
Aufwendungen, die in einem spezifischen Zusammenhang mit der Nutzung des
Grundstücks und des Gebäudes als Kindergarten stehen, behauptet die Beklagte
nur insoweit, als sie ausführt, einen Spielplatz angelegt, die Anzahl der
Toiletten und Waschmöglichkeiten vermehrt, die Ausstattung der Küche dem
Bedarf einer Vielzahl von Kindern angepaßt und einzelne Räume zur Schaffung
von Turnräumen "entkernt" zu haben. Die Anlage eines Spielplatzes auf
Nebenflächen eines Grundstücks kann für sich genommen kein
Recht zum Erwerb eines durch seine Bebauung geprägten Grundstücks bilden.
Auch im Zusammenwirken mit den weiteren Behauptungen der Beklagten folgt
hieraus nichts anderes. Die zur Feststellung eines erheblichen Aufwands
notwendige Gegenüberstellung des vorgefundenen Zustands und des Zustands des
Gebäudes am 3. Oktober 1990 fehlt. Daß das Gebäude aufgrund der baulichen
Maßnahmen nicht mehr als Wohngebäude erscheint, ist dem pauschalen Vortrag
der Beklagten nicht zu entnehmen. Die Kläger haben im ersten Rechtszug unter
Hinweis auf das im Auftrag der Beklagten erstellte Gutachten ausgeführt, das
Gebäude habe seit 1945 im wesentlichen keine Änderungen erfahren. Die
geringfügigen von der Beklagten vorgenommenen Maßnahmen seien nicht
geeignet, das Merkmal erheblichen baulichen Aufwands zu erfüllen. Sie haben
hierzu die Bauzustandsbeschreibung eines Architekten vorgelegt. Die
Berufungsbegründung rügt ausdrücklich, es fehle an einem ein Erwerbsrecht
rechtfertigenden Aufwand, das Landgericht habe sich auf die Übernahme von
Schlagworten beschränkt.
dd) Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Beklagten
erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe sie auf die Notwendigkeit der
Ergänzung ihres Vortrags hinweisen müssen, trifft im Hinblick auf das
Vorbringen der Kläger weder zu, noch ist die Rüge zulässig ausgeführt.
Ohnehin bestand für das Berufungsgericht keine Hinweispflicht, weil
einerseits die Defizite des Beklagtenvortrags von den Klägern in erster
Instanz und in der Berufungsbegründung deutlich angesprochen worden sind und
weil das Gericht andererseits den Vortrag der Beklagten als ausreichend
erachtet hat. Darüber hinaus läßt die Rüge nicht erkennen, um welchen
Vortrag die Beklagte ihr Vorbringen bei einem Hinweis des Berufungsgerichts
ergänzt hätte, was zur Zulässigkeit einer Rüge der Verletzung der
Hinweispflicht gehört (BGH, Urt. v. 8. Oktober 1987, VII ZR 45/87, WM 1988,
197, 199; u. v. 9. Dezember 1987, VIII ZR 374/86, WM 1988, 432, 434). Aus
diesem Grund bestand für den Senat auch keine Veranlassung, die Sache wegen
dieses Punktes an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um der Beklagten
Gelegenheit zur Ergänzung des Vortrags zu geben. Ihr war - wie auch ihr
Revisionsanwalt eingeräumt hat -klar, daß es möglicherweise an ausreichenden
Tatsachenfeststellungen für ein Erwerbsrecht fehlte. Darauf wies schon die
Revisionsbegründung deutlich hin.
ee) Fehlt es an baulichen Maßnahmen, die zu einer Berechtigung der Beklagten
zum Erwerb der Grundstücke führen, scheidet ein Recht der Beklagten zum
Besitz der Grundstücke seit Ablauf des 30. September 2001 aus. Auf die von
der Revision aufgeworfene Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des durch das
Verkehrsflächenbereinigungsgesetz begründeten Rechts zum Erwerb bebauter
Grundstücke kommt es nicht an.
b) Für die Zeit seit dem 1. Oktober 2001 können die Kläger jedoch nach §
988 BGB Herausgabe der Nutzungen verlangen, die die Beklagte als
rechtsgrundlose Besitzerin des Grundstücks erlangt hat. Die Zuordnung
des Bucheigentums an die Beklagte bildet keinen Rechtsgrund für den Besitz
der Grundstücke gegenüber den Klägern, § 2 Abs. 1 Satz 3 VZOG.
§ 987 BGB findet auf den Anspruch der Kläger keine Anwendung. Die Kläger
haben den Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks gegen die Beklagte bis
heute nicht rechtshängig gemacht. Die von ihnen erhobene Klage auf
Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs steht der Erhebung einer
Herausgabeklage nicht gleich. Die Klage des Eigentümers gegen den
Bucheigentümer auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs aus § 894 BGB
erfüllt zwar grundsätzlich die Warnfunktion, auf der die verschärfte Haftung
des Eigenbesitzers ab Eintritt der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs
beruht (vgl. RGZ, 121, 335, 336; 158, 40, 45; Bamberger/Roth/Fritzsche,
BGB, § 987 Rdn. 63; Erman/Ebbing, BGB, 11. Aufl., § 987 Rdn. 5;
MünchKomm-BGB/Medicus, 4. Aufl., § 987 Rdn. 7; Staudinger/Gursky, BGB
[1999], § 987 Rdn. 2; ferner Senat, Urt. v. 29. April 1964, V ZR 119/63, LM
§ 989 BGB Nr. 10). So verhält es sich jedoch nicht, wenn der Besitzer
unabhängig von der Frage des Eigentums zum Besitz eines Grundstücks
berechtigt ist. Das Bestehen des in Anspruch genommenen Besitzrechts wird in
diesem Fall von der Klage auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs
nicht berührt. So liegt es hier. Die Beklagte war bis zum Ablauf des 30.
September 2001 gem. Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB zum Besitz des Grundstücks
berechtigt. Das wurde nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Kläger
Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs verlangten. Seit der
Beendigung des von dem Moratorium gewährten Besitzrechts nimmt die Beklagte
ein "öffentliches Nutzungsverhältnis" als Recht zum Besitz der Grundstücke
für sich in Anspruch, das sie aus dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz
herleitet. Eine Herausgabeklage hat das Vertrauen der Beklagten in dieses
Recht bisher nicht erschüttert.
Der Senat kann jedoch nicht feststellen, ob der Anspruch der Kläger über die
von der Beklagten für die Nutzung der Grundstücke seit dem 1. Oktober 2001
gezahlte Entschädigung hinausgeht, weil das Berufungsgericht - von seinem
Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der von der
Beklagten gezogenen Nutzungen getroffen hat. Dies ist nachzuholen.
3. Das Feststellungsverlangen der Kläger ist zulässig und begründet.
a) Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt. Zwar fehlt es an der
grundsätzlich gebotenen Individualisierung des zur gerichtlichen Überprüfung
gestellten Rechtsverhältnisses, da sich der Antrag nach seinem Wortlaut auf
sämtliche möglichen Rechte nach dem Grundstücksrechtsbereinigungsgesetz
bezieht und damit nicht Gegenstand einer zulässigen Klage sein kann. Dieser
Mangel kann jedoch durch Auslegung des Antrags behoben werden. Die
notwendige Auslegung kann der Senat selbst vornehmen (Senat, Urt. v. 2. Juli
2004, V ZR 290/03, FamRZ 2004, 1712 f m.w.N.). Hierzu sind über den Wortlaut
der prozessualen Erklärung hinaus die Begleitumstände und die
Klagebegründung heranzuziehen (vgl. BGH, Urt. v. 1. Dezember 1997, II ZR
312/96, NJW-RR 1998, 1005; Urt. v. 7. Juni 2001, I ZR 21/99, NJW 2001, 3789
f).
Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß Gegenstand des Feststellungsantrags
das Fehlen sowohl des von der Beklagten in Anspruch genommenen Besitzrechts
aus § 9 Abs. 1 Satz 4 VerkFlBerG als auch eines Erwerbsrechts nach § 3 Abs.
1 VerkFlBerG ist. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen
Verhandlung vor dem Landgericht erklärt, den Klägern gehe es "um die freie
Verfügbarkeit über ihr Eigentum". Weder das Bestehen eines Besitzrechts noch
das Bestehen eines Erwerbsrechts der Beklagten stehen zwar einer Verfügung
über die Grundstücke entgegen, jedes der beiden Rechte würde sich aber bei
einem Verkauf wirtschaftlich zum Nachteil der Kläger auswirken. Das ist
gemeint. Das Interesse der Kläger geht dahin, beide Rechte zu verneinen. Das
Recht zum Besitz der Grundstücke gem. § 9 Abs. 1 Satz 4 VerkFlBerG nimmt die
Beklagte zur Rechtsverteidigung gegen das Zahlungsverlangen der Kläger in
Anspruch. Eines Erwerbsrechts hat sie sich in ihrem Schreiben vom 8. Oktober
2002 berühmt. Hiervon ist sie bis heute nicht in einer Weise abgerückt, die
das Interesse der Kläger an der Feststellung, daß ein solches Recht nicht
besteht, entfallen läßt.
Soweit das Klagebegehren auf die Verneinung des Besitzrechts nach § 9 Abs. 1
VerkFlBerG gerichtet ist, bedarf es der gesonderten Prüfung des
Feststellungsinteresses ohnehin nicht. Die Kläger verneinen insoweit ein
Rechtsverhältnis, das für den Erfolg des Zahlungsantrags vorgreiflich ist.
In diesem Umfang bedeutet die Feststellungsklage eine
Zwischenfeststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 2 ZPO, bei der das
Feststellungsinteresse aus der Vorgreiflichkeit des festzustellenden
Rechtsverhältnisses für die Hauptentscheidung folgt (BGH, Urt. v. 17. Mai
1977, VI ZR 174/74, NJW 1977, 1637).
c) Die verlangte Feststellung ist zu treffen, weil es, wie vorstehend 2
ausgeführt, an einer Berechtigung der Beklagten zum Erwerb und zum Besitz
der Grundstücke fehlt.
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