Kein Anspruch auf Zustimmung zur
Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB analog) wegen ungerechtfertigter Eintragung
des Anspruchsstellers; Voraussetzungen der Analogie; negative
Feststellungsklage (§ 256 ZPO)
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2017 -
V ZB 59/17 - OLG München
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Die Zulässigkeit einer Beschwerde bemisst sich
auch dann nach § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO, wenn sie nicht direkt gegen eine
Eintragung, sondern gegen die Zurückweisung eines auf eine ursprüngliche
Unrichtigkeit der Eintragung gestützten Berichtigungsantrags gerichtet ist.
b) Wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine Eintragung als Eigentümer im
Grundbuch, um die Wiedereintragung des früheren Eigentümers zu erreichen,
ist die Beschwerde gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO unzulässig.
c) Macht der Beschwerdeführer geltend, ihm stehe das im Grundbuch
eingetragene Recht nicht zu, so kann er nicht in analoger Anwendung von §
894 BGB Berichtigung des Grundbuchs beanspruchen (insoweit Bestätigung des
Senatsurteils vom 17. Juni 2005 - V ZR 78/04, NJW 2005, 2983); infolgedessen
kann er mit der gegen die Eintragung gerichteten Beschwerde nicht gemäß § 71
Abs. 2 Satz 2 GBO verlangen, dass das Grundbuchamt angewiesen wird, einen
Amtswiderspruch einzutragen.
Zentrale Probleme:
Ist das Grundbuch unrichtig, so kann bekanntlich
derjenige, dessen recht von der Eintragung betroffen ist, von dem
Eingetragenen Zustimmung zur Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB verlangen.
Hier war es genau andersherum: Der tatsächlich als Eigentümer Eingetragene
war der Meinung, nicht Eigentümer zu sein. Hier kann § 894 BGB auch nicht
analog angewendet werden. Der Eingetragene kann aber eine negative
Feststellungsklage (§ 256 ZPO) gegen denjenigen führen, den er für den
Eigentümer hält. Mit einem solchen Urteil kann er dann gem. § 22 GBO die
Berichtigung des Grundbuchs herbeiführen.
©sl 2018
Gründe:
I.
1 Im Jahr 2005 kauften die Beteiligten zu 1 und 2 zu hälftigen Bruchteilen
die eingangs bezeichnete, noch zu errichtende Eigentumswohnung von einem
Bauträger. Am 19. November 2007 erklärte der Bauträger im eigenen Namen
sowie in Vollmacht für die Beteiligten zu 1 und 2 die Messungsanerkennung
und die Auflassung. Am 31. Mai 2016 trug das Grundbuchamt - soweit von
Interesse - die Beteiligte zu 1 als Miteigentümerin zu 1/2 ein.
2 Gestützt auf die Behauptung, sie sei schon im Jahr 2014 vom
Kaufvertrag zurückgetreten und habe die Vollmacht widerrufen, will die
Beteiligte zu 1 die Berichtigung des Grundbuchs dahingehend erreichen, dass
wieder der Bauträger als Eigentümer eingetragen wird. Das
Grundbuchamt hat ihren Antrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die
dagegen gerichtete Beschwerde als unzulässig verworfen und insoweit die
Rechtsbeschwerde zugelassen, mit der die Beteiligte zu 1 weiterhin die
Berichtigung des Grundbuchs erreichen will.
II.
3 Das Beschwerdegericht sieht die Beschwerde gemäß § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO
als unzulässig an, da sie gegen eine Eintragung gerichtet ist. Eine solche
Beschwerde sei nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn eine Rechtsänderung
durch gutgläubigen Erwerb nach der Natur des eingetragenen Rechts
auszuschließen sei. Ob dies im Einzelfall angenommen werden könne, wenn der
eingetragene Eigentümer sich gegen die eigene Eintragung wende, bedürfe
keiner Entscheidung, da eine Weiterveräußerung an einen Dritten hier nicht
gänzlich auszuschließen sei. Nachdem die Beteiligte zu 1 früher ihre
Eintragung als Eigentümerin betrieben habe, sei nicht offensichtlich, dass
sie sich jeglicher Verfügungen über Grundstücksrechte enthalte. Auf die
Eintragung eines Amtswiderspruchs gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO könne die
Beschwerde nicht gerichtet werden, weil es insoweit an der
Beschwerdeberechtigung fehle. Der Beteiligten zu 1 stehe ein
Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB nicht zu, so dass sie die
Eigentumsverhältnisse im Wege einer Feststellungsklage klären lassen müsse.
III.
4 Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht sieht
das Beschwerdegericht die Beschwerde als unzulässig an.
5 1. Soweit sich die Beteiligte zu 1 gegen ihre Eintragung als Eigentümerin
wendet, ergibt sich die Unzulässigkeit der Beschwerde aus § 71 Abs. 2 Satz 1
GBO. Nach dieser Bestimmung ist eine Beschwerde gegen eine
Eintragung unzulässig.
6 a) Entgegen einer früher vertretenen Auffassung (vgl. Otte, NJW 1964, 634,
636 f.; Köstler, JR 1987, 402 f.) bemisst sich die Zulässigkeit einer
Beschwerde auch dann nach § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO, wenn sie nicht direkt
gegen eine Eintragung, sondern - wie hier - gegen die Zurückweisung eines
auf eine ursprüngliche Unrichtigkeit der Eintragung gestützten
Berichtigungsantrags gerichtet ist (vgl. BayObLGZ 1972, 267, 268; OLG
München, FGPrax 2014, 15 f.; OLG Hamm, FGPrax 2012, 54; OLG Rostock, FGPrax
2009, 208 f.; Meikel/ Schmidt-Räntsch, GBO, 11. Aufl., § 71 Rn. 77;
Demharter, GBO, 30. Aufl., § 71 Rn. 30). Denn in beiden Fällen soll das
Beschwerdegericht die Vornahme der Eintragung in das Grundbuch überprüfen,
was nur in den Grenzen des § 71 Abs. 2 GBO zulässig ist.
7 Richtig ist zwar, dass die Prüfungskompetenz des Grundbuchamts bei einem
solchen Berichtigungsantrag - wie auch bei der Vornahme einer Eintragung -
weiter geht als die des Beschwerdegerichts. Entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde ist dies aber nicht systemwidrig. Vielmehr entspricht es
der gesetzlichen Ausgestaltung des Rechtsmittelzugs, dass die Entscheidung
des Grundbuchamts, eine unter dem öffentlichen Glauben stehende Eintragung
vorzunehmen (bzw. sie nicht im Wege der Berichtigung zu beseitigen), in der
Beschwerdeinstanz nur in den von § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO vorgegebenen Grenzen
überprüft werden kann; dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das
Beschwerdegericht - anders als das Grundbuchamt - nicht ohne weiteres prüfen
kann, ob die Eintragung einen gutgläubigen Erwerb nach sich gezogen hat
(vgl. Hügel/Kramer, GBO, 3. Aufl., § 71 Rn. 96).
8 b) Die Anwendung von § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO ist auch nicht deshalb
ausgeschlossen, weil sich die Beschwerdeführerin gegen ihre Eintragung als
Eigentümerin im Grundbuch wendet.
9 aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Beschwerdebeschränkung des
§ 71 Abs. 2 Satz 1 GBO nach ihrem Sinn und Zweck auf diejenigen
Grundbucheintragungen anwendbar, die - wie die hier in Rede stehende
Eintragung des Eigentums - unter dem Schutz des öffentlichen Glaubens des
Grundbuchs stehen (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 1975 - V ZB 22/74,
BGHZ 64, 194, 196 mwN). Auch greift die Beschränkung im Allgemeinen nicht
erst dann ein, wenn im Einzelfall ein gutgläubiger Erwerb stattgefunden hat
oder droht, sondern schon dann, wenn eine bloß abstrakte Möglichkeit
gutgläubigen Erwerbs besteht. Allerdings hat der Senat die
Beschwerdebeschränkung unter der Voraussetzung für unanwendbar gehalten,
dass eine Rechtsänderung durch gutgläubigen Erwerb nach dem konkreten Inhalt
des Grundbuchs rechtlich ausgeschlossen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16.
April 1975 - V ZB 22/74, BGHZ 64, 194, 198 ff.). In dieser Entscheidung ging
es um eine Zwangshypothek, hinsichtlich derer das Grundbuchamt einen
Amtswiderspruch eingetragen hatte. Da die Zwangshypothek nur durch
Grundbucheintragung übertragen oder verpfändet werden kann, war ein
gutgläubiger Erwerb für die Vergangenheit wegen der fehlenden Eintragung
einer Übertragung oder Verpfändung und für die Zukunft wegen des
Amtswiderspruchs ausgeschlossen (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 1975 -
V ZB 22/74, BGHZ 64, 194, 198 ff.).
10 bb) In Erweiterung dieser Rechtsprechung hält das Oberlandesgericht Hamm
§ 71 Abs. 2 Satz 1 GBO auch dann nicht für anwendbar, wenn sich der
Eigentümer gegen seine eigene Eintragung wendet und die Wiedereintragung der
vor ihm eingetragenen Person anstrebt; eine Beeinträchtigung der Rechte
eines gutgläubigen Erwerbers sei praktisch ausgeschlossen (OLG Hamm, FGPrax
2016, 8, 9; ebenso Budde in Bauer/v.Oefele, GBO, § 71 Rn. 40, 64). Dagegen
hat das Beschwerdegericht bereits in einer früheren Entscheidung auch in
einer solchen Fallkonstellation die Beschwerde für unzulässig gehalten (OLG
München, FGPrax 2010, 232, 233).
11 cc) Der Senat sieht eine Beschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer
gegen seine Eintragung als Eigentümer im Grundbuch (bzw. - wie hier - gegen
die Ablehnung eines darauf bezogenen Berichtigungsantrags) wendet, um die
Wiedereintragung des früheren Eigentümers zu erreichen, gemäß § 71 Abs. 2
Satz 1 GBO als unzulässig an.
12 (1) Wie der Senat bereits entschieden hat, kommt es im Ausgangspunkt für
die Reichweite der Beschwerdebeschränkung des § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO auf
eine generalisierende Betrachtungsweise an. Eine Einzelfallbetrachtung liefe
nämlich einer klaren und überschaubaren Beurteilung der Zulässigkeitsfra-ge
sowie dem Gebot der Formenstrenge des Grundbuchrechts zuwider. Im
Allgemeinen greift die Beschränkung des Beschwerderechts nicht erst dann
ein, wenn im Einzelfall ein gutgläubiger Erwerb stattgefunden hat oder
droht, sondern schon dann, wenn eine bloß abstrakte Möglichkeit gutgläubigen
Erwerbs besteht (Senat, Beschluss vom 16. April 1975 - V ZB 22/74, BGHZ 64,
194, 197 f.).
13 (2) Daran gemessen ist die Beschwerde unzulässig. Die abstrakte
Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs besteht zweifellos. Wer als Eigentümer
eingetragen ist, kann Verfügungen vornehmen, an die sich ein gutgläubiger
Erwerb anschließen kann. Rechtlich ausgeschlossen wird dies nicht dadurch,
dass der Eigentümer selbst die Eintragung für unzutreffend hält und darauf
bezogene Rechtsbehelfe ergreift. Ob eine lebensnahe Betrachtung dafür
spricht, dass er solche Verfügungen über das Bucheigentum unterlassen wird,
ist unerheblich; entscheidend ist, dass er die hierfür erforderliche
Rechtsmacht innehat. Zudem ist kein Bedürfnis für eine Beschwerde gegen die
eigene Eintragung ersichtlich. Der Bucheigentümer kann die
Eigentumsverhältnisse im Zivilverfahren klären lassen, indem er auf
Feststellung des Eigentums des wahren Berechtigten klagt (vgl. Senat, Urteil
vom 17. Juni 2005 - V ZR 78/04, NJW 2005, 2983). Mit dem rechtskräftigen
Urteil kann er die Berichtigung gemäß § 22 GBO herbeiführen (vgl.
OLG München, FGPrax 2010, 232, 233; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 894 Rn.
67; BeckOGK/Hertel, BGB [1. Dezember 2016], § 894 Rn. 44). Das formalisierte
Grundbuchverfahren ist ohnehin meist ungeeignet für eine abschließende
Klärung der materiellen Richtigkeit von Eintragungen, die unter dem
öffentlichen Glauben stehen (vgl. Meikel/Schmidt-Räntsch, GBO, 11. Aufl., §
71 Rn. 77 a.E.).
14 2. Mit zutreffender Begründung verneint das Beschwerdegericht die
Zulässigkeit der Beschwerde auch im Hinblick auf die hilfsweise begehrte
Eintragung eines Amtswiderspruchs gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO. Danach ist
die gegen eine Eintragung gerichtete Beschwerde zwar insoweit zulässig, als
das Grundbuchamt angewiesen werden soll, nach § 53 GBO einen Widerspruch
einzutragen. Die Beteiligte zu 1 ist aber nicht
beschwerdeberechtigt. Die Beschwerdeberechtigung setzt nämlich - wie sich
aus der Verknüpfung mit § 53 GBO ergibt - voraus, dass dem Beschwerdeführer
ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB zusteht (vgl.
Senat, Beschluss vom 12. Januar 1989 - V ZB 1/88, BGHZ 106, 253, 255 f.;
KEHE/Briesemeister, Grundbuchrecht, § 71 GBO Rn. 58; Demharter, GBO, 30.
Aufl., § 71 Rn. 69). Einen solchen Anspruch der Beschwerdeführerin verneint
das Berufungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats;
infolgedessen kann sie mit der gegen die Eintragung gerichteten Beschwerde
nicht gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO verlangen, dass das Grundbuchamt
angewiesen wird, einen Amtswiderspruch einzutragen.
15 a) Macht der Beschwerdeführer geltend, ihm stehe das im Grundbuch
eingetragene Recht nicht zu, so entspricht es der Rechtsprechung des Senats,
dass er nicht gemäß § 894 BGB Grundbuchberichtigung verlangen kann. Diese
Norm erfasst nicht die Konstellation, in der der Anspruchsteller geltend
macht, dass ihm das im Grundbuch eingetragene Recht nicht zusteht, sondern
regelt den Sachverhalt, dass ein dem Anspruchsteller zustehendes Recht im
Grundbuch nicht oder nicht richtig eingetragen ist. Wegen dieser
grundlegenden Unterschiede scheidet auch eine analoge Anwendung der
Vorschrift aus (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juni 2005 - V ZR 78/04,
NJW 2005, 2983).
16 b) Ohne Erfolg wendet die Rechtsbeschwerde (im Anschluss an Piekenbrock,
JuS 2006, 679 ff.) ein, der Senat habe in der genannten Entscheidung die
Erkenntnisse der modernen Methodenlehre außer Acht gelassen. Die
Voraussetzungen für eine Analogie liegen nicht vor. Weder enthält das Gesetz
eine planwidrige Regelungslücke noch sind die Sachverhalte vergleichbar
(vgl. zu den Voraussetzungen einer Analogie nur BGH, Urteil vom 4. Dezember
2014 - III ZR 61/14, NJW 2015, 1176 Rn. 9 mwN). Der im Sachenrecht
geregelte Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB beruht auf dem
dinglichen Recht. Der Rechtsinhaber soll vor dem Verlust des Rechts
geschützt werden, indem er dessen korrekte Verlautbarung im Grundbuch
herbeiführen kann (vgl. Mot III 236; Staudinger/Gursky, BGB [2013],
§ 894 Rn. 11). Darin liegt der von dem Senat bereits betonte grundlegende
Unterschied (vgl. Urteil vom 17. Juni 2005 - V ZR 78/04, NJW 2005, 2983) zu
einem Buchberechtigten, der nicht den Verlust eines dinglichen Rechts
abzuwehren sucht, sondern gerade in Abrede nimmt, dass ihm das zu seinen
Gunsten verlautbarte Recht zusteht. Die aus dem Recht folgenden dinglichen
Ansprüche wie der Grundbuchberichtigungsanspruch stehen nicht dem
Buchberechtigten, sondern dem wirklichen Rechtsinhaber zu. Es fehlt
zudem an einem Bedürfnis für eine analoge Anwendung von § 894 BGB.
Wie oben bereits ausgeführt, kann der Buchberechtigte Klage auf
Feststellung der Eigentümerstellung des wirklichen Berechtigten erheben und
mit dem rechtskräftigen Urteil gemäß § 22 GBO die Berichtigung des
Grundbuchs herbeiführen. Anders als der nicht (oder nicht richtig)
eingetragene Rechtsinhaber, der einen Widerspruch eintragen lassen kann (§
899 BGB), bedarf der Buchberechtigte auch keiner vorläufigen Sicherung, weil
ihm ein Rechtsverlust nicht droht.
IV.
17 Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des
Gegenstandswerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GNotKG.
|