Unterscheidung Öffentliches Recht/Privatrecht:
Grundstückskaufvertrag zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung
BGH, Beschluss vom 19. September 2012
- V ZB 86/12
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
An der privatrechtlichen Natur eines
Grundstückskaufvertrags ändert sich nicht dadurch etwas, dass auf beiden
Seiten Träger öffentlicher Verwaltung beteiligt sind und der Verkäufer mit
der Gewährung eines Preisnachlasses einen öffentlichen Zweck verfolgt.
Für Streitigkeiten aus einem solchen Vertrag ist der Rechtsweg zu den
ordentlichen Gerichten gegeben.
Zentrale Probleme:
Eine schöne - in die Rechtswegproblematik
eingekleidete - Entscheidung zur Abgrenzung von
öffentlichem Recht und Privatrecht. Zwar sind an dem Rechtsverhältnis zwei
Hoheitsträger beteiligt, die sich dabei aber der Mittel des Privatrechts
bedienen. Dass Sie dabei uU bestimmten öffentlich-rechtlichen Bindungen
unterliegen, hindert nicht die Qualifikation des Rechtsverhältnisses als
privatrechtlich.
©sl 2012
Tatbestand:
1 Mit notariellem Vertrag vom
12. Dezember 1994 verkaufte die Klägerin - die Bundesrepublik Deutschland -
dem beklagten Land ein Grundstück. Von dem vereinbarten Kaufpreis,
der sich am Verkehrswert des Grundstücks orientierte, gewährte die Klägerin
einen Abschlag von 75%. Dieser beruhte auf einem Erlass des
Bundesfinanzministeriums vom 26. März 1993 (VI A 1 - VV 2400 - 1/93); dessen
Intention ist es, sicherzustellen, dass die Länder und Gemeinden in den
neuen Bundesländern eine angemessene Erstausstattung an Grundstücken für
unmittelbare Verwaltungszwecke erhalten. Nach dem Erlass ist die
zweckentsprechende Mittelverwendung durch vertragliche Abreden zu
gewährleisten. Dem entsprechend verpflichtete sich das beklagte Land
in dem notariellen Vertrag, binnen eines Zeitraumes von drei Jahren mit der
Errichtung eines Verwaltungszentrums bzw. einer Justizvollzugsanstalt auf
dem erworbenen Grundstück zu beginnen und es nach Erstellung 15 Jahre lang
für diesen Zweck zu nutzen. Für den Fall, dass das Land der Verpflichtung
nicht nachkommen oder das Grundstück veräußern sollte, ist die Klägerin
berechtigt, die Nachzahlung des Verbilligungsabschlages zu verlangen. Das
beklagte Land zahlte den reduzierten Kaufpreis.
2 Die Klägerin, die der Meinung ist, die Zweckbindung des Kaufvertrages sei
nicht eingehalten worden, begehrt mit der Klage die Nachzahlung des
Verbilligungsabschlages. Auf die Rüge des beklagten Landes hat das
Landgericht vorab festgestellt, dass der Rechtsweg zur ordentlichen
Gerichtsbarkeit eröffnet ist. Die hiergegen gerichtete Beschwerde
hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen
Rechtsbeschwerde erstrebt das Land weiterhin die Verweisung des
Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht.
II.
3 Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist der Rechtsweg zu den ordentlichen
Gerichten eröffnet, weil es sich um eine bürgerlich-rechtliche
Streitigkeit handele. Die Parteien hätten einen privatrechtlichen
Vertrag geschlossen mit der schuldrechtlichen Verpflichtung zur
Eigentumsverschaffung gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und der
dinglichen Einigung über den Eigentumsübergang. Zwar stelle der vereinbarte
Verbilligungsabschlag eine Subvention dar, die ihrer Natur nach dem
öffentlichen Recht zuzuordnen sei. Die Gewährung eines Preisnachlasses und
die bedingte Möglichkeit der Nachforderung bildeten in dem Gefüge von
kaufvertraglichen Rechten und Pflichten aber lediglich einen Bestandteil zur
Bestimmung des Umfanges der Leistungspflicht des beklagten Landes und
stellten nicht den Hauptzweck des Vertrages dar. Da die Subvention
und die Möglichkeit ihrer Rückforderung Bestandteile eines privatrechtlichen
Grundstückskaufvertrags seien, leite sich der Zahlungsanspruch auf den
Restkaufpreis aus dem Grundstückskaufvertrag als bürgerlichem
Rechtsverhältnis ab.
III.
4 Die Rechtsbeschwerde ist nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthaft und auch
im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Der Rechtsweg zur
ordentlichen Gerichtsbarkeit ist eröffnet. Rechtsfehlerfrei hat das
Beschwerdegericht angenommen, dass es sich um eine bürgerliche Streitigkeit
gemäß § 13 GVG handelt.
5 1. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder
bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine gesetzliche
Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem
der Klageanspruch hergeleitet wird. Die Natur eines durch Vertrag
begründeten Rechtsverhältnisses bestimmt sich danach, ob der
Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen
ist (GmS-OBG, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OBG 1/85, BGHZ 97,
312, 314 mwN). Für die Zuordnung ist maßgeblich, ob die
Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich- oder privatrechtlich
ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge
gibt (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2005 - III ZB 47/04, BGHZ 162,
78, 80 f; Senat, Beschluss vom 6. Juli 2000 - V ZB 50/99, WM 2000, 2118,
2119; BGH, Urteil vom 12. November 1991 - KZR 22/90, BGHZ 116, 339, 342;
BVerwGE 92, 56, 59; BVerwGE 22, 138, 140).
6 2. Der Schwerpunkt des zwischen den Parteien geschlossenen
Vertrages ist dem Zivilrecht zuzuordnen (zu ähnlichen Verträgen
vgl. Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 63/09, NVwZ 2010, 531 Rn. 9;
Urteil vom 21. Juli 2006 - V ZR 158/05, WM 2006, 2101 Rn. 22; für einen
Verbilligungsabschlag im Rahmen sog. „Einheimischenmodelle": Urteil vom 29.
November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 96 f. mwN; BVerwGE 92, 56, 58
f.).
7 a) Der Vertrag ist seinem wesentlichen Inhalt nach auf die
Übertragung des Eigentums an dem Grundstück der Klägerin gegen Zahlung des
vereinbarten Kaufpreises gerichtet und damit ein Grundstückskaufvertrag, der
dem Zivilrecht (§ 433, § 311b Abs. 1 BGB) zuzurechnen ist. An der
privatrechtlichen Natur ändert sich auch dann nichts, wenn auf einer oder
beiden Seiten Träger öffentlicher Verwaltung beteiligt sind
(Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl., § 14 Rn. 10; Schlette, Die
Verwaltung als Vertragspartner, S. 132; vgl. auch Senat, Beschluss vom 2.
Oktober 2003 - V ZB 8/03, NJW-RR 2004, 142, 143). Entgegen der
Auffassung der Rechtsbeschwerde erhält der Grundstückskaufvertrag dadurch,
dass der erwerbende Verwaltungsträger - was regelmäßig der Fall sein wird -
das Grundstück für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben nutzen will, nicht
einen öffentlich-rechtlichen Charakter. Denn die fiskalische Beschaffung der
erforderlichen Mittel für die Aufgabenerfüllung vollzieht sich grundsätzlich
nach den Regeln des Privatrechts (GmS-OBG, Beschluss vom 10. April
1986 - GmS-OBG 1/85, BGHZ 97, 312, 315 f. mwN; Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl.,
§ 13 Rn. 62 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 40 Rn. 25b; Schlette, aaO
S. 149).
8 b) Der Umstand, dass zu dem Grundstückskauf ein weiterer
Regelungsgegenstand in Form des Verbilligungsabschlags hinzutritt, mit
dessen Gewährung die Klägerin den öffentlichen Zweck verfolgte, dem
beklagten Land zu einer angemessenen Ausstattung an Grundstücken für
unmittelbare Verwaltungszwecke zu verhelfen, führt nicht dazu, dass der
Grundstückskaufvertrag als öffentlich-rechtlich anzusehen wäre. Die
Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in der Gestaltungsform
des Privatrechts hat zwar zur Folge, dass die Normen des Privatrechts durch
Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert
werden können (Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 63/09,
NVwZ 2010, 531, 532; BGH, Urteil vom 7. Februar 1985 - III ZR 179/83, BGHZ
93, 372, 381). Solche, auch von den ordentlichen Gerichten zu
berücksichtigende (Senat, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09,
NJW 2010, 3505, 3506 mwN), öffentlich-rechtlichen Bindungen ändern
aber nichts an der Rechtsnatur des von den Parteien geschlossenen
Grundstückskaufvertrages als privatrechtlichem Vertrag.
IV.
9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Gegenstandswert der
Rechtswegentscheidung hat der Senat gemäß § 3 ZPO auf ein Fünftel des
Hauptsachewertes festgesetzt (vgl. Senat, Beschluss vom 18. September 2008 -
V ZB 40/08, NJW 2008, 3572, 3574 mwN).
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