Immobiliarsachenrecht: Gutgläubiger einredefreier
Erwerb von Grundschulden; Ausschluss des gutgläubigen einredefreien Erwerbs
von Sicherungsgrundschulden nach § 1192 Ia BGB
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2013 - V
ZR 147/12 - OLG Brandenburg
Fundstelle:
NJW 2014, 550
Amtl. Leitsatz:
Ist eine
Sicherungsgrundschuld, gegen die dem Eigentümer eine Einrede auf Grund des
Sicherungsvertrags mit einem früheren Gläubiger zustand, vor dem für die
Anwendbarkeit von § 1192 Abs. 1a BGB maßgeblichen Stichtag von einem Dritten
gutgläubig einredefrei erworben worden, führt eine weitere Abtretung an
einen Dritten nach dem Stichtag nicht dazu, dass die Einrede wieder erhoben
werden kann.
Zentrale Probleme:
Eigentlich handelt es sich bei der vorliegenden Entscheidung um ein
Spezialproblem der intertemporalen Anwendbarkeit von
§ 1192 Abs. 1a BGB. Die Entscheidung ist dennoch
sehr lehrreich. Im Mittelpunkt steht der gutgläubige einredefreie Erwerb von
Grundschulden. Grundschulden können als nichtakzessorische Sicherungsrechte
auch dann bestehen, wenn die zu sichernde Forderung nicht entstanden ist
oder erloschen ist (§ 1192 Abs. 1 BGB). Der Sicherungsgeber hat in diesen
Fällen gegen den Sicherungsnehmer aber eine Einrede aus dem
Sicherungsvertrag, wenn dieser die Grundschuld geltend macht. An sich lässt
§ 1192 Abs. 1 in Verbindung mit § 1157 S. 2 BGB in diesen Fällen einen
gutgläubigen einredefreien Erwerb zu. § 1192 Abs. 1 a BGB schließt dies aber
bei einer Sicherungsgrundschuld aus. Hier war eine Sicherungsgrundschuld
zunächst gutgläubig einredefrei erworben worden, weil zum Zeitpunkt der
Abtretung der Grundschuld § 1192 Abs. 1a BGB noch nicht galt. Die
Grundschuld wurde dann ein weiteres Mal abgetreten, und das zu einem
Zeitpunkt, in dem § 1192 Abs. 1a BGB bereits in Kraft war. Der Senat legt
zutreffend dar, dass die Veräußerung eines Rechts durch eine Person, die
dieses Recht gutgläubig erworben hatte, die Veräußerung durch einen
Berechtigten darstellt, d.h. der Zweiterwerber beim Erwerb grundsätzlich
nicht gutgläubig gewesen sein muss (str. ist das etwa beim Rückerweb des
Nichtberechtigten von einem, der zuvor von ihm gutgläubig erworben hatte).
Dies ist über den entschiedenen Fall hinaus von Bedeutung. Überdies wird
dargelegt, dass § 1192 Abs. 1a BGB entgegen seinem zu engen Wortlaut nicht
nur Einreden betrifft, die der Eigentümer gegen den ursprünglichen
Grundschuldgläubiger hatte, sondern auch solche, die gegenüber einem
Zwischenerwerber bestanden.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Kläger erwarben im Jahr 2000 ein
Hausgrundstück und bestellten zu Gunsten von G. M. eine Buchgrundschuld in
Höhe von
200.000 DM. Dieser trat die Grundschuld noch an demselben Tag zur Sicherung
einer Finanzierung an die H. GmbH & Co. KG Bankhaus (im Folgenden: Bankhaus)
ab. Die Grundschuld wurde in das Grundbuch eingetragen; die Eintragung der
Abtretung erfolgte im Jahr 2001. Das Bankhaus seinerseits trat die
Grundschuld nach Ablösung des Kredits im Jahr 2003 an den Beklagten ab.
Diese Abtretung wurde erst am 22. September 2008 in das Grundbuch
eingetragen.
2 Der Beklagte betreibt die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Kläger
behaupten, die Grundschuld habe ein Darlehen des G. M. sichern sollen, das
nur zum Schein vereinbart und tatsächlich nicht ausgezahlt worden sei. Ihre
darauf gestützte Vollstreckungsgegenklage hat in den Tatsacheninstanzen
Erfolg gehabt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren
Zurückweisung die Kläger beantragen, will der Beklagte die Abweisung der
Klage erreichen.
Entscheidungsgründe (Auszug):
I.
3 Das Berufungsgericht sieht es als erwiesen an, dass die Grundschuld als
Sicherungsgrundschuld bestellt wurde, das zu sichernde Darlehen niemals zur
Auszahlung gelangte und das Bankhaus als Zwischenerwerber insoweit
gutgläubig war. Es meint, die Kläger könnten gleichwohl die auf der
fehlenden Valutierung beruhende Einrede auf Grund der zwischen ihnen und G.
M. getroffenen Sicherungsabrede gemäß § 1192 Abs. 1a BGB auch dem Beklagten
entgegenhalten. Diese Norm sei anwendbar, weil der dingliche Rechtserwerb
erst nach dem 19. August 2008 erfolgt sei (Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB).
4 Ein gutgläubiger Erwerb durch das Bankhaus vor dem 19. August 2008 stehe
dem nicht entgegen. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut von § 1192 Abs. 1a
BGB komme es nur darauf an, dass die Grundschuld zur Sicherung eines
Anspruchs verschafft worden sei. Aufgrund besonderer Umstände sei die
Vorschrift auch noch aus einem anderen Aspekt heraus anwendbar. Es müsse
nämlich davon ausgegangen werden, dass die Abtretung an den Beklagten auf
Geheiß des G. M. erfolgt sei. Es handele sich also nur um eine abgekürzte
Abtretungskette, bei der der Erwerb wirtschaftlich von dem bösgläubigen
Sicherungsnehmer erfolgt sei. Ob der Beklagte bösgläubig gewesen sei oder
sogar mit G. M. kollusiv zusammengewirkt habe, könne
offen bleiben.
II.
5 Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand. Nach den bislang getroffenen Feststellungen können die
Kläger sich nicht auf die Einrede der unterbliebenen Valutierung berufen.
6 1. Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei hält das Berufungsgericht §
1192 Abs. 1a BGB für anwendbar. Dieser Bestimmung zufolge können Einreden,
die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem bisherigen
Gläubiger gegen eine Sicherungsgrundschuld zustehen oder sich aus dem
Sicherungsvertrag ergeben, auch jedem Erwerber der Grundschuld
entgegengesetzt werden; § 1157 Satz 2 BGB, der auf die Vorschriften über den
guten Glauben verweist, findet insoweit keine Anwendung. Zu den Einreden,
die dem Eigentümer auf Grund des Sicherungsvertrags mit dem vorherigen
Gläubiger zustehen - die also im Zeitpunkt des Übergangs bereits
verwirklicht sind - zählt unter anderem die fehlende Valutierung
(BT-Drucks. 16/9821, S. 17; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 1192 Rn. 3).
In zeitlicher Hinsicht findet § 1192 Abs. 1a BGB nach der maßgeblichen
Übergangsbestimmung (Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB) Anwendung, weil der
Beklagte die Grundschuld nach dem 19. August 2008 erworben hat; sein
dinglicher Rechtserwerb ist nämlich erst am 22. September 2008 durch die
Eintragung in das Grundbuch vollendet worden.
7 2. Auch trifft es grundsätzlich zu, dass die Kläger dem Beklagten gemäß §
1192 Abs. 1a Satz 1 BGB Einreden aus dem mit G. M. geschlossenen
Sicherungsvertrag entgegensetzen könnten, obwohl der Beklagte die
Grundschuld von dem Bankhaus erworben hat. Denn es besteht Einigkeit
darüber, dass § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB weit auszulegen ist, soweit der
Sicherungsvertrag „mit dem bisherigen Gläubiger" maßgeblich ist; darunter
ist ein früherer Grundschuldgläubiger zu verstehen, der nicht zugleich
Veräußerer der Grundschuld sein muss (Palandt/Bassenge, BGB, 72.
Aufl., § 1192 Rn. 3; Wellenhofer, JZ 2009, 1077, 1081).
8 3. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht
das Bankhaus im Hinblick auf die Einrede als gutgläubig ansieht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats reicht allein die Kenntnis von
dem Sicherungscharakter der Grundschuld nicht aus, um die Bösgläubigkeit
hinsichtlich der fehlenden Valutierung zu begründen (Senat, Urteil
vom 21. April 1972 - V ZR 52/70, BGHZ 59, 1 ff.; Urteil vom 15. Januar 1988
- V ZR 183/86, BGHZ 103, 72, 82, jeweils mwN).
9 4. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, gemäß §
1192 Abs. 1a BGB müsse sich der Beklagte die fehlende Valutierung der
Grundschuld entgegenhalten lassen, obwohl das Bankhaus als Zedentin die
Grundschuld vor dem 19. August 2008 gutgläubig einredefrei erworben hat (§
1192 Abs. 1, § 1157 Satz 2, § 892 BGB).
10 a) Ob eine Einrede trotz eines gutgläubigen Erwerbs vor dem 19. August
2008 bei einer erneuten Abtretung nach diesem Tag wieder erhoben werden
kann, wird allerdings uneinheitlich beurteilt. Teilweise wird vertreten, ein
Gläubiger, der die Grundschuld samt Forderung nach dem Stichtag erworben
habe, sei auch solchen Einreden aus dem Sicherungsvertrag mit einem
bisherigen Gläubiger ausgesetzt, die sich sein Rechtsvorgänger aufgrund
eines gutgläubigen Erwerbs vor dem Stichtag nicht entgegenhalten lassen
musste (Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2009], § 1192 Rn. 49). Andere meinen
dagegen, es bleibe bei der Einredefreiheit (Lemke/Regenfus, Immobilienrecht,
§ 1192 BGB Rn. 6).
11 b) Die letztere Auffassung hält der Senat für richtig.
Zwar schließt § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB hinsichtlich der in der Norm
aufgeführten Einreden einen gutgläubigen Erwerb gemäß § 1157 Satz 2, § 892
Abs. 1 Satz 1 BGB aus. Seit dem Erwerb durch das Bankhaus war die
Grundschuld indes einredefrei. Demzufolge hat der Beklagte die Grundschuld
so erworben, wie sie (jetzt) ist, nämlich einredefrei; dazu bedurfte es des
guten Glaubens nicht (mehr). Dies entspricht dem allgemein
anerkannten sachenrechtlichen Grundsatz, dass ein einmal vollendeter
einredefreier Erwerb des dinglichen Rechts auch für einen weiteren - selbst
einen bösgläubigen - Rechtsnachfolger fortwirkt (RGZ 135, 357, 361
ff.; Senat, Urteil vom 4. Juli 1986 - V ZR 238/84, NJW-RR 1987, 139, 140
unter II. 1a) a.E.; BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 - XI ZR 41/00, NJW-RR
2001, 1097 f.; Erman/Wenzel, 13. Aufl., § 1157 Rn. 6; MünchKomm-BGB/Kohler,
6. Aufl., § 892 Rn. 71; MünchKomm-BGB/ Eickmann, 6. Aufl., § 1157 Rn. 14; zu
- hier nicht einschlägigen - Ausnahmen siehe MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl.,
§ 892 Rn. 39 mwN). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber
von diesem Grundsatz abweichen wollte; die auf Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB
bezogene Gesetzesbegründung weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass
Grundschuldveräußerungen aus der Zeit vor Inkrafttreten der Rechtsänderung
nicht einbezogen würden, weil es sich um bereits abgeschlossene Tatbestände
handele, in die nicht nachträglich eingegriffen werden solle (BT-Drucks.
16/9821, S. 18).
12 5. Auch die hilfsweise angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts
tragen das Ergebnis nicht. Selbst wenn der Beklagte die
Sicherungsgrundschuld auf Geheiß des G. M. als dem bösgläubigen
Sicherungsnehmer erworben haben sollte, war sie zu diesem Zeitpunkt
einredefrei.
13 a) Richtig ist zwar, dass zwischen den Klägern und G. M. weiterhin der
schuldrechtliche Sicherungsvertrag besteht. Hätte das Bankhaus die
Grundschuld zunächst an G. M. abgetreten und wäre die Abtretung in das
Grundbuch eingetragen worden, hätten die Kläger ihm die fehlende Valutierung
(erneut) entgegenhalten können. Hätte G. M. seinerseits die Grundschuld nach
dem 19. August 2008 an den Beklagten abgetreten, wäre er als „bisheriger
Gläubiger" im Sinne von § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB anzusehen gewesen; dann
hätten die Kläger dem Beklagten die Einrede auch dann entgegensetzen können,
wenn dieser insoweit gutgläubig gewesen wäre. Ein (erneuter) dinglicher
Rechtserwerb des G. M. hat aber - davon geht auch das Berufungsgericht aus -
nicht stattgefunden; er ist nicht nochmals Grundschuldgläubiger im Sinne von
§ 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB geworden. Infolgedessen war die Grundschuld bei
der nach dem 19. August 2008 erfolgten Abtretung nicht (erneut)
einredebehaftet.
14 b) Auch wenn das Bankhaus die Abtretung an den Beklagten in Erfüllung des
Rückgewähranspruchs des G. M. und auf dessen Weisung vorgenommen hat, können
wertende Überlegungen die Anwendung von § 1192 Abs. 1a Satz 1 BGB nicht
rechtfertigen. Dafür spricht zunächst, dass es an einer abgekürzten
Abtretungskette schon dann fehlt, wenn der Rückgewähranspruch - wie es
häufig der Fall ist - abgetreten worden ist. Entscheidend ist jedoch, dass
das Immobiliarsachenrecht aus Gründen der Rechtsklarheit und
Rechtssicherheit in besonderer Weise formalisiert ist, soweit der dingliche
Rechtserwerb - wie es bei einer Buchgrundschuld der Fall ist - die
Eintragung in das Grundbuch erfordert. Ein unterbliebener dinglicher
Rechtserwerb kann deshalb - abgesehen von dem Sonderfall einer vorsätzlichen
sittenwidrigen Schädigung (§§ 242, 826 BGB) - nicht durch Wertungen ersetzt
werden. Nichts anderes lässt sich aus dem von den Klägern in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat herangezogenen Geheißerwerb bei beweglichen Sachen
herleiten. Dabei wird die Übergabe einer beweglichen Sache (§ 929 Satz 1
BGB) an den Erwerber durch die Übergabe an einen Dritten „auf Geheiß" des
Erwerbers vorgenommen. Folge ist ein dinglicher Rechtserwerb des Anweisenden
(BGH, Urteil vom 9. November 1998 - II ZR 144/97, NJW 1999, 425; Hassold,
Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis [1981], S. 74 f.). Dagegen kann es
einen dinglichen Zwischenerwerb bei einer Buchgrundschuld nur infolge der
Eintragung in das Grundbuch geben, an der es gerade fehlt.
15 6. Schließlich muss sich der Beklagte die Einrede nach den bisherigen
Feststellungen auch nicht gemäß § 242 BGB entgegenhalten lassen. Ist § 1192a
Abs. 1 Satz 1 BGB - wie ausgeführt - nicht anwendbar, so muss er die Einrede
im Grundsatz selbst dann nicht gegen sich gelten lassen, wenn er Kenntnis
von der Nichtvalutierung gehabt haben sollte. Anders läge es nur
dann, wenn er mit G. M. kollusiv zusammengewirkt haben sollte, um die Kläger
vorsätzlich und sittenwidrig zu schädigen (§§ 826, 242 BGB; vgl.
Senat, Urteil vom 4. Juli 1986 - V ZR 238/84, NJW-RR 1987, 139, 140 unter
II. 1a)). Ob eine solche Sachlage gegeben ist - entsprechend der Würdigung
des Landgerichts, das den Beklagten als „Strohmann" von G. M. angesehen hat
-, ist von dem Berufungsgericht aber gerade offen gelassen worden.
16 7. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif; sie ist zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs. 1 und 3 ZPO), das Feststellungen zu den Voraussetzungen der §§ 242,
826 BGB aufgrund eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Beklagten und
G. M. - von seinem Standpunkt aus folgerichtig -bislang nicht getroffen hat.
IV.
17 Für den Fall, dass es in dem weiteren Verfahren auf die Auszahlung des
Darlehens durch G. M. ankommen sollte, weist der Senat vorsorglich darauf
hin, dass das Berufungsgericht - wie der Beklagte mit der Revision zu Recht
rügt - verfahrensfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auszahlung sei
unterbliebe ... (wird ausgeführt)
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