Erlöschen von
Forderungen durch Konfusion; Konfusion bei Gesamtgläubigern (§ 429 II BGB);
keine Konfusion bei dinglichen Rechten an Grundstücken (§ 889 BGB); keine
Anwendbarkeit von § 429 II bei dinglichen Rechten - Eigentümergrundschuld.
BGH, Beschluss vom 15.
April 2010 - V ZR 182/09
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die Regelung in § 429 Abs. 2 BGB
findet keine Anwendung, wenn einer von mehreren Gesamtgläubigern einer
Grundschuld Eigentümer des belasteten Grundstücks wird.
Zentrale Probleme:
Eine ganz kurze Entscheidung (es ging um eine
Nichtzulassungsbeschwerde), die aber im Hinblick auf die (selten
vorkommende) Gesamtgläubigerschaft und das Grundschuldrecht lehrreich ist.
Bei der Gesamtgläubigerschaft kann der Schuldner beliebig an einen Gläubiger
leisten, jeder Gläubiger kann die ganze Leistung an sich fordern, ist dann
aber nach § 430 BGB den anderen zum Ausgleich verpflichtet.
Diese Konstellation ist deshalb selten, weil dann
häufig ein Gesamthandsverhältnis (z.B. BGB-Gesellschaft,
Erbengemeinschaft etc.) zwischen den Gläubigern besteht. Dann gilt § 428
BGB nicht, s. dazu Medicus/Lorenz, SchuldR I, Allgeneiner Teil, Rn. 837.
Forderungen erlöschen, ohne daß dies im Gesetz
ausdrücklich geregelt ist, wenn sich Gläubiger und Schuldner in einer Person
vereinigen (sog. Konfusion). Hieraus erklärt sich § 429 II BGB: Im Falle der
Gesamtgläubigerschaft genügt für diesen Fall Konfusion in der Person eines
einzigen der Gesamtgläubiger. Der Schuldner/Gläubiger hat gleichsam an sich
selbst als Gesamtgläubiger erfüllt, muß aber den anderen nach § 430 BGB
Augleich leisten.
Bei dinglichen Rechten an Grundstücken gilt das nach § 889
BGB nicht: So kann man etwa originär oder im Wege der Rechtsnachfolge eine
Grundschuld am eigenen Grundstück haben (Eigentümergrundschuld, § 1196 BGB).
Diese entsteht auch, wenn z.B. der Hypothekengläubiger das belastete
Grundstück erwirbt bzw. der Grundstückseigentümer die Hypothek ohne die
Forderung erwirbt, z.B. wenn diese erlischt, s. § 1163 I S. 2 BGB (§ 1177
BGB). Deshalb tritt bei Gesamtgläubigerschaften bei dinglichen Rechten die
Wirkung des § 429 II BGB nicht ein.
©sl 2010
Gründe:
1 1. Der von der Klägerin einzig geltend gemachte Zulassungsgrund der
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung liegt nicht vor. Hätte das
Berufungsgericht die Begründetheit des Klageanspruchs unter Berücksichtigung
der Vorschrift des § 429 Abs. 2 BGB geprüft, wäre sein Ergebnis nicht anders
ausgefallen.
2 2. Zwar gilt das Rechtsinstitut der Gesamtgläubigerschaft auch im
Sachenrecht (s. nur Senat, BGHZ 46, 253, 255). Dementsprechend ist eine
Gesamtgläubigerberechtigung bei der Grundschuld rechtlich möglich (Senat,
Urteil vom 20. Dezember 1974, V ZR 72/73, WM 1975, 135, 136). Aber das
hat nicht zur Folge, dass die Vorschrift des § 429 Abs. 2 BGB anwendbar ist,
nach welcher bei der Vereinigung von Forderung und Schuld in der Person
eines Gesamtgläubigers die Rechte der übrigen Gläubiger gegen den Schuldner
erlöschen.
3 Während im Schuldrecht der unumstößliche Grundsatz gilt, dass niemand
gegen sich selbst eine Forderung haben kann, gilt dies nach § 889 BGB im
Immobiliarsachenrecht nicht. Es erlaubt deshalb sowohl die originäre
Bestellung als auch den nachträglichen Erwerb einer Grundschuld an dem
eigenen Grundstück (Eigentümergrundschuld, §§ 1177 Abs. 1, 1196 Abs. 1 BGB).
Die Identität von Grundschuldgläubiger und Grundstückseigentümer berührt
nicht den Bestand und den Inhalt der Grundschuld. Es tritt keine
Konsolidation mit rechtserlöschender Wirkung ein. Für die
Gesamtgläubigerschaft an einer Grundschuld bedeutet dies, dass dann, wenn
einer der Gesamtgläubiger Eigentümer des belasteten Grundstücks wird, die
Grundschuld für ihn als Eigentümergrundschuld und für die anderen
Gesamtgläubiger als Fremdgrundschuld bestehen bleibt (zu allem Heilbron,
SächsArch 1933, 353, 355 ff.; vgl. auch Senat, Urteil vom 20. Dezember 1974,
V ZR 72/73, WM 1975, 135, 136 zur Bestellung einer Grundschuld durch
Bruchteilseigentümer an ihren Anteilen für sich als Gesamtgläubiger).
Denn es handelt sich nicht um eine einzige, mehreren Personen zustehende
Grundschuld, sondern um eine Mehrheit von Rechten, die allerdings nicht
unabhängig voneinander bestehen, sondern nach § 428 BGB in der Weise
miteinander verbunden sind, dass jeder Gläubiger ein eigenes
Befriedigungsrecht hat, die Befriedigung eines einzigen jedoch gegen alle
wirkt (Senat, BGHZ 46, 253, 255).
4 3. Nach alledem hat der Eigentumserwerb von F. D. nicht das Erlöschen der
Rechte der Beklagten zur Folge gehabt. Gläubiger der Grundschuld sind nach
wie vor F. D. und die Beklagte.
5 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Gegenstandswert
des Beschwerdeverfahrens nimmt der Senat mit 40 % des Nennbetrags der
Grundschuld an (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rdn. 16 "Löschung"). |