Geschäftsgrundlage und Vertragsrisiko (§ 313 BGB)
BGH, Urteil vom 23. Mai 2014 - V ZR
208/12 - OLG Frankfurt/Main
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
baurechtlich zulässige Ausnutzung des Erbbaugrundstücks ist für das
Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung eines
Erbbaurechtsvertrages regelmäßig ein wesentlicher Umstand; als solcher kann
sie Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB sein.
b) Bestimmt sich die vertraglich zulässige bauliche Nutzung des
Erbbaurechtsgrundstücks nach dem öffentlich-rechtlichen Bauplanungsrecht
(sog. dynamische Verweisung), führt eine Erhöhung der zulässigen Nutzung
grundsätzlich nicht zu einer Störung des Äquivalenzverhältnisses und damit
nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Anders kann es ausnahmsweise
liegen, wenn sich das Maß der baulichen Nutzung in einem von den Parteien
nicht erwarteten Umfang erhöht.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung behandelt an einem Fall aus dem
Erbbaurecht wesentliche Grundfragen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§
313 BGB), Lektüre sehr empfehlenswert!
©sl 2014
Tatbestand:
1 Die Kläger sind die Erben der im
Verlauf des Rechtsstreits verstorbenen A. H. . Diese bestellte der Beklagten
mit notariellem Vertrag vom 6. Juni 1964 an einem 104 m2 großen, im
Innenstadtbereich einer Großstadt gelegenen Grundstück ein Erbbaurecht mit
einer Laufzeit von 50 Jahren bis zum 31. Dezember 2014.
2 Zum Inhalt des Erbbaurechts wurde in § 2 des Vertrags u.a.
bestimmt, dass die Beklagte berechtigt sei, das auf dem Grundstück
vorhandene Haus abbrechen zu lassen und durch ein neues Gebäude zu ersetzen,
für dessen Gestaltung ausschließlich die baurechtlichen Vorschriften
verbindlich seien. Der Erbbauzins betrug nach dem Vertrag 33.000 DM
jährlich (§ 7 Abs. 1). Solange die damaligen Mieter den Mietbesitz nicht
aufgegeben und das Grundstück geräumt hatten, sollte ein Erbbauzins in Höhe
der Miete gezahlt werden (§ 7 Abs. 2). In einer weiteren Bestimmung (§ 7
Abs. 4) wurde ein Anspruch auf eine Anpassung des Erbbauzinses nach dem
Grundgehalt eines Landgerichtspräsidenten vereinbart. Der Erbbauberechtigte
ist nach dem Vertrag berechtigt, spätestens zum 30. September des Jahres, in
dem das Erbbaurecht enden würde, eine Verlängerung des Erbbaurechts um
jeweils weitere 15 Jahre zu den bisherigen Bedingungen zu verlangen (§ 8
Abs. 5). Der Vertrag wurde vollzogen.
3 Zur Zeit des Vertragsschlusses gab es für das Gebiet keinen Bebauungsplan.
Das Erbbaugrundstück war mit einem Gebäude mit zwei Obergeschossen und einem
Dachgeschoss bebaut. Ein 1966 von der Stadt beschlossener Bebauungsplan sah
eine bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks mit einer Geschossflächenzahl von
3,0 vor. Im Jahr 2008 beschloss die Stadt einen auf das Vorhaben der
Beklagten - einen Neubau auf mehreren Grundstücken unter Einbeziehung des
Erbbaugrundstücks - bezogenen Bebauungsplan, der die Geschossflächenzahl
nicht mehr begrenzt und lediglich eine maximale Firsthöhe von 22,5 m
vorsieht. Die Beklagte errichtete einen Neubau mit zwei Tief- und fünf
Obergeschossen.
4 Die Parteien verhandelten danach ohne Erfolg über eine Anpassung des
Erbbauzinses. Die Erbbaurechtsausgeberin hat - für das Revisionsverfahren
noch von Interesse - Klage auf Zahlung eines erhöhten Erbbauzinses in einer
noch zu beziffernden Höhe, mindestens jedoch von 156.000 € jährlich für die
Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2014 sowie auf eine Nachzahlung von
mindestens 68.992,88 € für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Dezember
2010 erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der von dem Senat
zugelassenen Revision verfolgen die Kläger die Zahlungsanträge weiter. Die
Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
5 Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch auf Anpassung des
Erbbauzinses an die geänderte bauliche Nutzung des Grundstücks. Dem
Erbbaurechtsvertrag könne ein solcher Anspruch nicht im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung entnommen werden, weil dieser nicht ansatzweise erkennen
lasse, dass die Parteien eine Verknüpfung des Erbbauzinses mit dem Umfang
der tatsächlichen baulichen und wirtschaftlichen Ausnutzung des
Erbbaugrundstücks gewollt hätten. Ein Anpassungsanspruch wegen Wegfalls der
Geschäftsgrundlage bestehe ebenfalls nicht, weil die Parteien ein
Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der wirtschaftlichen Nutzbarkeit des
Grundstücks und der Höhe des Erbbauzinses nicht vorgesehen hätten, die
vertragliche Bestimmung über die Höhe des Erbbauzinses die Zahlungspflicht
der Beklagten abschließend regele und ein von den Parteien nicht bedachter
Umstand nicht Geschäftsgrundlage sein könne. Es habe deshalb keiner
Beweisaufnahme zu der Behauptung der Klägerseite bedurft, beide
Vertragsparteien hätten bei Vertragsschluss an die Möglichkeit einer
erheblich höheren baulichen Nutzbarkeit des Erbbaugrundstücks nicht gedacht.
II.
6 Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
7 1. Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht allerdings einen
Anspruch der Kläger auf Zahlung eines höheren Erbbauzinses unter dem
rechtlichen Gesichtspunkt einer ergänzenden Vertragsauslegung (§
157 BGB).
8 a) Eine solche Vertragsergänzung setzt eine planwidrige
Regelungslücke im Vertrag voraus. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die
Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten,
das aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist
(Senat, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJW-RR 2013, 494
Rn. 9). Hat das Berufungsgericht - wie hier - eine solche Regelungslücke
verneint, ist dies revisionsrechtlich nur darauf überprüfbar, ob Auslegungs-
oder Ergänzungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder
wesentliche Umstände nicht beachtet worden sind (Senat, Urteil vom 30. März
1990 - V ZR 113/89, BGHZ 111, 110, 115). Solche Fehler liegen nicht vor.
9 b) Die Annahme, es bestehe keine Regelungslücke ist rechtlich nicht zu
beanstanden.
10 aa) Die tatrichterliche Würdigung, dem Vertrag könne nicht
entnommen werden, dass die Vertragsparteien eine Bemessung des Erbbauzinses
nach dem Umfang der tatsächlichen baulichen und wirtschaftlichen Ausnutzung
des Erbbaugrundstücks gewollt hätten, verstößt nicht gegen Auslegungsregeln.
An einem Rechtsfehler des Berufungsgerichts fehlt es schon deshalb, weil
sich aus den Vereinbarungen der Parteien über die Höhe des Erbbauzinses (§ 7
Abs. 1), über dessen Anpassung (§ 7 Abs. 4) und über die Begrenzung der
Zahlungspflicht der Beklagten nach den Mieteinnahmen zum Beginn der
Vertragszeit (§ 7 Abs. 2) kein bestimmtes Regelungskonzept für den
Erbbauzins herleiten lässt. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, dass der
vereinbarte Erbbauzins (was für einen Erbbaurechtsvertrag untypisch wäre)
sich nach den Mieteinkünften des Erbbauberechtigten bemessen oder von der
baurechtlich zulässigen oder von der von dem Erbbauberechtigten ausgeübten
baulichen Nutzung abhängen sollte.
11 Der Vereinbarung, dass der jährliche Erbbauzins 33.000 DM betrage, lässt
sich nicht entnehmen, nach welcher Bezugsgröße die Vertragsparteien die Höhe
des Erbbauzinses bestimmt haben. Die für die Anpassung des Erbbauzinses im
Vertrag gewählte Bezugsgröße (das Grundgehalt eines Landgerichtspräsidenten)
spricht gegen die von den Klägern geltend gemachte Regelungsvorstellung. Sie
orientiert sich weder an den von dem Erbbauberechtigten tatsächlich
gezogenen Mieteinnahmen noch an der Entwicklung des Werts der baulichen
Nutzung des Erbbaugrundstücks. Eine Anpassung des Erbbauzinses nach Löhnen
und Gehältern führt zu der Entwicklung des Lebensstandards angepassten
Einkünften des Erbbaurechtsausgebers. Eine solche Anpassungsklausel dient
gerade nicht der Bewahrung der Äquivalenz zwischen dem Erbbauzins und dem
Wert der baulichen Nutzung des Grundstücks (vgl. Lemke/Czub,
Immobilienrecht, § 9 ErbbauRG Rn. 27).
12 Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Vorinstanzen die Bestimmung
über die anfängliche Begrenzung des Erbbauzinses (§ 7 Abs. 2) als eine auf
die bei Abschluss des Vertrags bestehende Sondersituation beschränkte
Vereinbarung angesehen haben, die nicht den Schluss auf eine generelle
Bemessung des Erbbauzinses nach den aus dem Grundstück von dem
Erbbauberechtigten erzielten Nutzungen zulässt.
13 Dasselbe gilt schließlich für die von der Revision in der mündlichen
Verhandlung angesprochene Regelung in § 3 Abs. 2 des Erbbaurechtsvertrags,
nach der der Erbbauberechtigte ausnahmsweise eine Minderung des Erbbauzinses
bis auf die Hälfte des vereinbarten Betrags verlangen kann, wenn das Bauwerk
zerstört wird und dem Erbbauberechtigten ein Wiederaufbau auf Grund
besonderer Verhältnisse (wie in der Zeit zwischen dem Kriegsende 1945 und
der Währungsreform 1948) nicht möglich oder unzumutbar sein sollte. Auch
insofern handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, welche die für die
allgemeine Bemessung des Erbbauzinses nach den Vorstellungen der Parteien
maßgebenden Faktoren nicht erkennen lässt.
14 bb) Das Berufungsgericht hat auch keinen wesentlichen Auslegungsstoff
übergangen. Die Verfahrensrüge der Revision ist - soweit es um einen
Anspruch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung geht - unbegründet. Das
Berufungsgericht musste nicht dem unter Beweis gestellten Vorbringen der
Kläger nachgehen, dass die Vertragsschließenden damals die Möglichkeit einer
höheren baulichen Nutzung nicht bedacht haben und dass sie - wenn sie daran
gedacht hätten - eine Anpassung des Erbbauzinses auch für den Fall einer
höheren baulichen Ausnutzung des Erbbaugrundstücks vereinbart hätten. Diesem
Vortrag lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Lücke in den vertraglichen
Regelungen entnehmen, da er über die für die Bemessung des Erbbauzinses
wesentlichen Regelungsvorstellungen der Parteien nichts besagt.
15 2. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch einen
Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB)
.
16 a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist ein solcher
Anspruch nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil dem Erbbaurechtsvertrag
ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der Nutzbarkeit des
Erbbaugrundstücks und der Höhe des Erbbauzinses nicht zu entnehmen ist. Das
ist gerade Voraussetzung für einen Anspruch nach § 313 Abs. 1 BGB.
Geschäftsgrundlage eines Vertrags kann nicht sein, was die Parteien
vereinbart haben, sondern lediglich das, was sie ihrer Vereinbarung zugrunde
gelegt haben (vgl. Senat, Urteil vom 27. September 1991 - V ZR
191/90, NJW-RR 1992, 182; BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - VII ZR 13/10, BGHZ
190, 212 Rn. 21). Die Grundsätze über den Wegfall der
Geschäftsgrundlage können nur einschlägig sein, wenn die Parteien zur
Abhängigkeit des Erbbauzinses von der baulichen Nutzung des
Erbbaugrundstücks nichts vereinbart haben.
17 b) Weiter verkennt das Berufungsgericht, dass die im Zeitpunkt
des Vertragsschlusses baurechtlich zulässige Ausnutzung des
Erbbaugrundstücks für das Äquivalenzverhältnis von Leistung und
Gegenleistung eines Erbbaurechtsvertrages regelmäßig ein wesentlicher
Umstand ist und als solcher Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 BGB sein
kann.
18 aa) Bei den gegenseitigen, entgeltlichen Verträgen gehört der
Gedanke der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zur
Geschäftsgrundlage, auch wenn dies bei den Vertragsverhandlungen nicht
besonders angesprochen oder bedacht worden ist (vgl. Senat, Urteil
vom 14. Oktober 1959 - V ZR 9/58, NJW 1959, 2203; BGH, Urteil vom 2.
November 1961 - II ZR 126/59, NJW 1962, 250, 251; Urteil vom 6. April 1995 -
IX ZR 61/94, BGHZ 129, 236, 253; Urteil vom 8. Mai 2002 - XII ZR 8/00, NJW
2002, 2384, 2385; Urteil vom 27. Oktober 2004 - XII ZR 175/02, NJW-RR 2005,
236, 237;
Bamberger/Roth/Unberath, BGB, 3. Aufl., § 313 Rn. 34; NK-BGB/Krebs, 2.
Aufl., § 313 Rn. 62; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 313 Rn. 25).
Die Vertragspartei, die eine Anpassung des Vertrags wegen einer
durch unvorhergesehene Umstände eingetretenen schwerwiegenden
Äquivalenzstörung verlangt, muss deshalb - anders als die
Revisionserwiderung meint - nicht vortragen oder beweisen, dass der
Gedanke der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zu den auch für
die andere Partei erkennbaren Vorstellungen gehörte, auf denen sich ihr
Vertragswille aufbaute. Davon kann grundsätzlich
ausgegangen werden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hier
ausnahmsweise anders verhalten haben könnte (die Grundstückseigentümerin
also der Beklagten das Erbbaurecht teilweise unentgeltlich oder aber zu
einem günstigen, unter dem üblichen Entgelt liegenden Erbbauzins bestellen
wollte), sind weder festgestellt noch ersichtlich.
19 bb) Die baurechtlich zulässige Nutzung des Erbbaugrundstücks ist ein für
das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wesentlicher Umstand. Der
Erbbauzins ist das von dem Erbbauberechtigten zu zahlende Entgelt für die
Bestellung des Erbbaurechts (vgl. Senat, Urteil vom 15. März 2013 - V ZR
201/11, NJW-RR 2013, 1319 Rn. 27; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 - IX ZR
145/04, NJW-RR 2006, 188 Rn. 10; Urteil vom 19. April 2007 - IX ZR 59/06,
NJW 2007, 2325 Rn. 10), dessen wesentlicher Inhalt die Befugnis zur Nutzung
des fremden Grundstücks als Baugrund ist (Senat, Urteil vom 20. Dezember
1985 - V ZR 263/83, BGHZ 96, 385, 387).
20 cc) Die Äquivalenz der in einem Erbbaurechtsvertrag vereinbarten
gegenseitigen Leistungen ist dann gegeben, wenn der Erbbauzins dem Wert des
Erbbaurechts entspricht. Der Erbbauzins ist dem Recht zur baulichen
Nutzung wirtschaftlich gleichwertig, wenn sich seine Höhe an dem Wert der
dem Erbbauberechtigten gewährten Nutzungsmöglichkeit ausrichtet (vgl.
Alberty, Rpfleger 1956, 330; v. Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts,
5. Aufl., 6. Kapitel Rn. 6.65). Wird der Erbbauzins Änderungen der baulichen
Nutzbarkeit des Grundstücks nicht angepasst, tritt eine Verschiebung der
Werte zwischen dem Erbbaugrundstück und dem Erbbaurecht ein (vgl. dazu Nr.
4.3.3.2 Wertermittlungsrichtlinien 2006).
21 c) Die für das Äquivalenzverhältnis von Leistung und
Gegenleistung maßgeblichen Umstände hätten sich hier nach Vertragsschluss im
Jahr 1964 schwerwiegend verändert, wenn der - mangels anderer Feststellungen
hierzu im Revisionsverfahren zugrunde zu legende - Vortrag der Kläger
zutrifft, dass sich auf Grund des Vorhaben bezogenen Bebauungsplans aus dem
Jahre 2008 die bauplanungsrechtlich zulässige (und von der Beklagten mit dem
Neubau auch in Anspruch genommene) bauliche Ausnutzung um den Faktor 2,5
erhöht hat.
22 d) Ein Anpassungsanspruch der Kläger ist nicht deswegen ausgeschlossen,
weil der Erbbaurechtsvertrag keine Anpassungsregelung für den Fall einer
Störung der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung als Folge von
Änderungen der gemeindlichen Bauleitplanung enthält. Für die
Berücksichtigung einer Störung der Geschäftsgrundlage wäre allerdings kein
Raum, wenn sich damit ein Risiko verwirklicht hätte, das nach der
vertraglichen Regelung in den Risikobereich einer Partei (hier der
Grundstückseigentümerin) fiele (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 1979
- V ZR 80/77, BGHZ 74, 370, 373; BGH, Urteil vom 25. Februar 1993 - VII ZR
24/92, BGHZ 121, 378, 392 mwN). In einem solchen Fall muss sich die
Partei, die dieses Risiko nach den vertraglichen Regelungen übernommen hat,
an dem Vertrag festhalten lassen.
23 aa) Eine Risikoübernahme liegt nicht schon darin, dass der Vertrag nur
eine Anpassung des Erbbauzinses nach dem Grundgehalt eines
Landgerichtspräsidenten vorsieht. Diese Bestimmung ist nicht in dem Sinne
abschließend, dass andere Anpassungen des Erbbauzinses an veränderte
Umstände ausgeschlossen sind. Die hiervon abweichende Auslegung des
Berufungsgerichts hält auch den für eine Prüfung der tatrichterlichen
Auslegung individualvertraglicher Abreden durch das Revisionsgericht
geltenden Maßstäben (vgl. Senat, Urteil vom 16. September 2011 - V ZR
236/10, NJW-RR 2012, 218 Rn. 5; Urteil vom 8. November 2013 - V ZR 95/12, WM
2014, 481 Rn. 9 jeweils mwN) nicht stand.
24 Die Annahme, die Vereinbarung über die Anpassung des Erbbaurechts sei
abschließend, ist bereits mit dem Grundsatz unvereinbar, dass
maßgeblich für die Auslegung vertraglicher Vereinbarungen in erster Linie
der gewählte Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte
Parteiwille ist (BGH, Urteil vom 10. Dezember 1992 - I ZR 186/90,
BGHZ 121, 14, 16). Nach dem Wortlaut der Regelung über die Anpassung des
Erbbauzinses (§ 7 Abs. 4 des Vertrags) haben die Parteien der Bemessung des
Erbbauzinses die (damalige) Kaufkraft der Mark zugrunde gelegt und daher das
Nachfolgende vereinbart. Zweck der Regelung über die Anpassung des
Erbbauzinses in § 7 Abs. 4 war es nach der Präambel, Vorsorge gegen eine
Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung durch den
Geldwertschwund zu treffen. Für eine Auslegung, dass die
Parteien Anpassungen des Erbbauzinses bei anderen, unvorhergesehenen
Störungen des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung ausschließen
wollten, gibt diese Vereinbarung jedoch nichts her.
25 bb) Eine solche Risikoübernahme durch die Grundstückseigentümerin
kann sich jedoch - wie auch von dem Berufungsgericht nicht verkannt
- daraus ergeben, dass die Beklagte nach § 2 des
Erbbaurechtsvertrags, auf dem Erbbaugrundstück einen Neubau nach Maßgabe des
öffentlichen Baurechts errichten durfte (zur sachenrechtlichen
Zulässigkeit solcher Bestimmungen: Senat, Urteile vom 12. Juni 1987 - V ZR
91/86, BGHZ 101, 143, 145 f. und vom 22. April 1994 - V ZR 183/93, BGHZ 126,
12, 13). Bestimmt sich das Maß der nach dem Erbbaurechtsvertrag
zulässigen baulichen Nutzung nach dem öffentlich-rechtlichen
Bauplanungsrecht (sog. dynamische Verweisung), berechtigen Erhöhungen des
Maßes der baurechtlich zulässigen Nutzung des Erbbaugrundstücks den
Grundstückseigentümer in der Regel grundsätzlich nicht dazu, eine Anpassung
des Erbbauzinses nach der Vorschrift über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
zu verlangen. Die Parteien können nämlich in der Regel nicht davon
ausgehen, dass sich eine von dem gemeindlichen Bauplanungsrecht abhängige
zulässige bauliche Nutzung des Erbbaugrundstücks während der gesamten
Laufzeit eines Erbbaurechtsvertrags (also über viele Jahrzehnte) nicht
ändern wird. Vorhersehbare Umstände, die im Vertrag durch eine ihnen
Rechnung tragende Anpassungsklausel hätten berücksichtigt werden können,
schließen einen Anpassungsanspruch nach § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich aus,
weil in der Regel davon auszugehen ist, dass die Parteien das Risiko ihres
Eintritts übernommen haben (vgl. Senat, Urteil vom 18. Oktober 1968
- V ZR 93/65, WM 1969, 64, 65; Urteil vom 10. März 1972 - V ZR 87/70, WM
1972, 656, 657; Urteil vom 9. Januar 2009 - V ZR 168/07, NJW 2009, 1348;
Urteil vom 21. Februar 2012 - V ZR 6/13, juris Rn. 21; Bamberger/Roth/Unberath,
BGB, 3. Aufl., § 313 Rn. 30; Erman/Hohloch, BGB, 13. Aufl., § 313 Rn. 24;
MünchKomm-BGB/Finkenauer, 6. Aufl., § 313 Rn. 74; NK-BGB/Krebs, 2. Aufl., §
313 Rn. 48).
26 Anders verhält es sich jedoch, wenn die Parteien - wie von den Klägern
vorgetragen - bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags nicht von Änderungen
des Maßes der zulässigen baulichen Nutzung in einem für den Wert des Rechts
wesentlichem Umfang ausgegangen sind. Dieses Vorbringen ist erheblich, weil
nicht schon die Vorhersehbarkeit eines Fortfalls der Geschäftsgrundlage,
sondern dessen bewusste Inkaufnahme einen Anspruch auf Anpassung des
Vertrags ausschließt (Senat, Urteil vom 23. April 1976 - V ZR 167/74, WM
1976, 1034; Urteil vom 27. März 1981 - V ZR 19/80, NJW 1981, 1668; Urteil
vom 28. September 1990 - V ZR 109/89, BGHZ 112, 259, 261). Daran
fehlte es, wenn das Risiko einer völligen Veränderung des zulässigen Maßes
der baulichen Nutzbarkeit des Erbbaugrundstücks zwar bestand, die
Verwirklichung dieses Risikos von den Parteien aber angesichts der damals
vorhandenen Bebauung des Erbbaugrundstücks, der benachbarten Grundstücke und
der damaligen bauplanerischen Festsetzungen für die Vertragszeit nicht
erwartet wurde. War eine Erhöhung der baulichen Nutzung, wie sie
auf Grund des Bebauungsplans aus dem Jahre 2008 realisiert worden ist, im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht zu erwarten, kann auch dem Umstand,
dass der Erbbauberechtigte nach dem Vertrag einen Neubau errichten darf,
eine Übernahme des Risikos von Störungen des Gleichgewichts zwischen dem
Erbbauzins und dem Wert des Erbbaurechts durch Erweiterungen der baulichen
Nutzbarkeit nicht entnommen werden.
III.
27 Die Revision ist danach begründet. Das angefochtene Berufungsurteil ist
aufzuheben und die Sache - mangels Entscheidungsreife - an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs.1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
28 Das Berufungsgericht wird dem unter Beweisantritt gestellten Vortrag der
Kläger zu der von den Vertragsparteien 1964 erwarteten künftigen baulichen
Nutzung des Erbbaugrundstücks nachzugehen haben. Erweist sich dieser Vortrag
als wahr, was - wie ausgeführt - auch anhand der objektiven Umstände (das
Maß der damaligen Bebauung in der Umgebung; die seinerzeitigen
Bebauungspläne der Stadt; das damalige Bauplanungsrecht, welches das
Instrument eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht kannte) zu würdigen
sein wird, käme eine Anpassung der Vereinbarung über den Erbbauzins nach der
Vorschrift über die Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht.
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