Unsicherheitseinrede
nach § 321 BGB; (kein) Erfordernis der Geltendmachung zum Ausschluß des
Verzugs
BGH, Urt. vom 11. Dezember
2009 - V ZR 217/08
Fundstelle:
NJW 2010, 1272
Amtl. Leitsatz:
a) Auch ein vorübergehendes
Leistungshindernis auf Seiten des Vorleistungsberechtigten kann ein
Leistungsverweigerungsrecht des Vorleistungsverpflichteten gemäß § 321 Abs.
1 Satz 1 BGB begründen.
b) Das Bestehen eines solchen Leistungsverweigerungsrechts schließt den
Verzug des Vorleistungsverpflichteten aus.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die
Unsicherheitseinrede nach § 321 BGB. Von besonderer Bedeutung ist dabei die
Frage, ob - wie bei § 320 BGB - bereits das Bestehen der Einrede den Verzug
des Schuldners ausschließt, oder ob es einer Geltendmachung bedarf. Der
Senat entscheidet sich für ersteres.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Mit notariellem Vertrag vom 24. Februar 2006 (UR-Nr.
47/2006) kaufte die Klägerin von der Beklagten die jeweils mit einem
Mietshaus bebauten Grundstücke E straße 17 und S allee 70 für 3.050.000 €.
In Nr. II. dieses Vertrags heißt es:
"2. Von dem Kaufpreis ist ein
Teilbetrag von 300.000 € auf ein vom Notar errichtetes Notar-Anderkonto
eingezahlt. Die Parteien weisen den Notar an, hiervon einen Teilbetrag
von 100.000 € an den Verkäufer zur Auszahlung zu bringen. [...] Der
Verkäufer tritt zur Sicherheit die ihm zustehende Grundschuld über
447.380,39 €
[.] ab. [.]
Der weitergehende Kaufpreis von 2.750.000 € ist fällig und zahlbar bis
zum 30.05.2006 und bis dahin auf das Notar-Anderkonto einzuzahlen.
3. [.] Der auf dem Notar-Anderkonto hinterlegte Kaufpreis ist von dem
beurkundenden Notar an den Verkäufer bzw. die Gläubiger auszuzahlen,
wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: [.]
c) Dem Notar liegen die Löschungsbewilligungen für sämtliche nicht
übernommenen Belastungen in Abteilung II und III vor und zwar
auflagenfrei oder nur unter der Auflage der Zahlung von Ablösebeträgen,
die insgesamt nicht höher als der Kaufpreis sind. Die Aufhebung der
Zwangsverwaltung muss sichergestellt sein.
[.]
9. Ist der Kaufpreis nicht binnen zwei Wochen nach Fälligkeit geleistet
worden, so schuldet der Käufer die auf dem Notaranderkonto zu
hinterlegende Anzahlung als pauschalierten Schadensersatz. Die Parteien
weisen den amtierenden Notar an, in diesem Fall den hinterlegten Betrag
an den Verkäufer auszukehren [...]".
2 Ferner war vereinbart, dass Besitz,
Nutzen und Lasten mit Wirkung vom Monatsersten nach vertragsgerechter
Hinterlegung des Kaufpreises auf den Käufer übergehen sollten.
3 Mit notariellen Verträgen desselben Tages erwarb die Klägerin von der
Beklagten drei weitere mit Mietshäusern bebaute Grundstücke, darunter das
Grundstück P Straße 14, für insgesamt 12,5 Mio. € (UR-Nr. 46/2006) sowie von
einer Grundstücksverwaltungsgesellschaft (nachfolgend: GmbH), deren
alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Beklagte ist, das
Grundstück T straße 55 für 950.000 € (UR-Nr. 48/2006). Der jeweilige
Kaufpreis war bis zum 28. April 2006 auf ein Notaranderkonto zu zahlen.
4 Alle verkauften Grundstücke unterlagen der Zwangsverwaltung und waren mit
Grundpfandrechten belastet, die aus den Kaufpreisen abgelöst werden sollten.
Bei der Vorbereitung der Ablösung traten Schwierigkeiten auf: Die
Hauptgläubigerin, der Grundpfandrechte an fünf der sechs Grundstücke
zustanden, erteilte Ende März 2006 Löschungsbewilligungen, versah diese
jedoch mit der einheitlichen Treuhandauflage der vollständigen Erfüllung
sämtlicher gesicherter Ansprüche. Das Grundstück P Straße 14 war mit einer
Briefgrundschuld in Höhe von 1,5 Mio. DM zugunsten der Beklagten belastet;
der Brief war jedoch nicht auffindbar. Die Beklagte teilte dies dem Notar am
10. April 2006 mit; ferner beantragte sie, den Brief für kraftlos erklären
zu lassen.
5 Die Klägerin zahlte am 20. und 23. Juni 2006 insgesamt 2.750.605,50 € auf
das Notaranderkonto zu dem Vertrag UR-Nr. 47/2006. Zahlungen auf die beiden
anderen Verträge leistete sie nicht.
6 Im August 2006 erklärten die Beklagte und die GmbH den Rücktritt von allen
drei Verträgen. Mit Schreiben vom 30. August 2006 setzte die Klägerin der
Beklagten und der GmbH eine Frist bis zum 15. September 2006, um die
Voraussetzungen für die vertragsgemäße Eigentumsumschreibung der Grundstücke
zu schaffen, und erklärte unter dem 4. Oktober 2006 den Rücktritt von den
Verträgen. Die Grundstücke wurden noch im Oktober 2006 anderweitig
veräußert.
7 Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung des gemäß Nr. II.
2. des Vertrages UR-Nr. 47/2006 ausgezahlten Betrages von 100.000 € Zug um
Zug gegen Erteilung der Löschungsbewilligung für die abgetretene Grundschuld
sowie die Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung der sich auf dem
Notaranderkonto befindlichen weiteren Anzahlung von 200.000 €. Die Beklagte
macht im Wege der Widerklage Verzugszinsen in Höhe von 252.738,79 € geltend;
ferner verlangt sie die Abgabe einer Löschungsbewilligung für die
vorgenannte Grundschuld sowie die Zustimmung der Klägerin zur Auszahlung der
auf dem Notaranderkonto hinterlegten 200.000 € an sich.
8 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und
die Widerklage weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der
Revision.
Entscheidungsgründe:
I.
9 Das Berufungsgericht meint, die Klägerin sei gemäß §§ 323, 346 ff. BGB
wirksam von den Kaufverträgen zurückgetreten. Dass sie ihre Leistung nicht
innerhalb der vereinbarten Fristen erbracht habe, sei unschädlich. Aufgrund
der sich bereits im März 2006 abzeichnenden Abwicklungsschwierigkeiten sei
es ihr nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zumutbar gewesen, die
Kaufpreise ohne Vertragsänderung zu hinterlegen. Grundlage der vertraglichen
Gestaltungen sei der zeitnahe Übergang des Besitzes und der Nutzungen der
Mietshäuser auf die Klägerin gewesen. Hiermit sei aufgrund der nur
einheitlich erteilten Treuhandauflage der Hauptgläubigerin, an die rund 13
Mio. € auszuzahlen gewesen wären, und der Probleme mit der Löschung der
Eigentümerbriefgrundschuld nicht in vertretbarer Zeit zu rechnen gewesen.
Für diese Hindernisse habe die Beklagte einzustehen. Folge des Rücktritts
sei die Rückgewähr der demnach auch nicht fälligen Leistungen, so dass es
auf die Frage des pauschalierten Schadensersatzes nicht ankomme. Da sich die
Klägerin nicht in Verzug befunden habe, bestünden die mit der Widerklage
geltend gemachten Ansprüche nicht.
II.
10 Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
11 Klage
12 Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Klägerin die
geleistete Anzahlung von 300.000 € gemäß § 346 Abs. 1 BGB zurückverlangen
kann, so dass die Beklagte verpflichtet ist, die erhaltenen 100.000 €
zurückzuzahlen und ihre Zustimmung zur Auszahlung der sich auf dem
Notaranderkonto befindlichen 200.000 € zu erteilen.
13 1. Die Klägerin war gemäß § 323 Abs. 1 BGB berechtigt, von dem
Kaufvertrag zur UR-Nr. 47/2006 zurückzutreten, nachdem sie der Beklagten
zuvor erfolglos eine angemessene Frist bestimmt hatte, die Voraussetzungen
für die Übertragung lastenfreien Eigentums zu schaffen. Die Leistung der
Beklagten war fällig, da die Klägerin den - als Vorleistung geschuldeten -
Kaufpreis von 3.050.000 € für die Grundstücke E straße 17 und S allee 70 im
Zeitpunkt der Fristbestimmung auf das Notaranderkonto eingezahlt hatte.
14 2. Eine vollständige Kaufpreiszahlung hätte zwar nicht vorgelegen, wenn
die als Anzahlung geleisteten 300.000 € von der Klägerin gemäß Nr. II. 9.
des Kaufvertrages als pauschalierter Schadensersatz geschuldet, also zu den
im Juni 2006 gezahlten 2.750.605,50 € nicht hinzuzurechnen gewesen wären. So
verhält es sich indessen nicht. Voraussetzung für den vereinbarten Verfall
der Anzahlung als Schadensersatz war, dass der Kaufpreis nicht binnen zwei
Wochen nach Fälligkeit geleistet wurde. Der Kaufpreisanspruch der Beklagten
war jedoch nicht fällig im Sinne dieser Klausel (vgl. BGHZ 55, 198, 200).
Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin den Kaufpreis leisten sollte (30.
Mai 2006), stand ihr ein den Eintritt des Verzuges hinderndes
Leistungsverweigerungsrecht zu.
15 a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarf es zur Begründung
eines solchen Leistungsverweigerungsrechts seit Inkrafttreten des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahr 2002 allerdings keines
Rückgriffs auf den Grundsatz von Treu und Glauben (so noch BGHZ 11, 80, 85;
vgl. Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 321 Rdn. 35). Voraussetzungen und
Folgen eines auf die Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs gestützten
Leistungsverweigerungsrechts des Vorleistungsverpflichteten richten sich
vielmehr nach § 321 BGB. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift kann derjenige,
der aus einem gegenseitigen Vertrag vorzuleisten verpflichtet ist, die ihm
obliegende Leistung verweigern, wenn nach Abschluss des Vertrages erkennbar
wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde
Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird (sog.
Unsicherheitseinrede). Die Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs
braucht, anders als in der früher geltenden Fassung, nicht auf einer
Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Vorleistungsberechtigten zu
beruhen; auch sonstige drohende Leistungshindernisse begründen die
Einrede, wenn sie geeignet sind, die Erbringung der Gegenleistung zu
verhindern oder vertragswidrig zu verzögern, oder wenn eine vertragswidrige
Beschaffenheit der Gegenleistung von einigem Gewicht zu erwarten ist (vgl.
BT-Drucks. 14/6040, S. 179). Die Gefährdung der Gegenleistung muss im
Gegensatz zu der bisherigen Regelung in § 321 BGB nicht nach Vertragsschluss
entstanden sein; es genügt, dass sie erst zu diesem Zeitpunkt erkennbar
geworden ist.
b) Die Voraussetzungen der Unsicherheitseinrede sind hier gegeben.
17 aa) Auf Seiten der Beklagten war ein im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
nicht bekanntes Leistungshindernis aufgetreten. Da sich der für die Löschung
der auf dem Grundstück P Straße 14 lastenden Eigentümergrundschuld
notwendige Grundschuldbrief wider Erwarten nicht im Besitz der Beklagten
befand, konnte diese Belastung in absehbarer Zeit nicht gelöscht werden.
Dies führte nicht nur dazu, dass die Erfüllung der Leistungspflicht der
Beklagten aus dem Kaufvertrag UR-Nr. 46/2006 (mit dem das Grundstück P
Straße verkauft wurde) gefährdet war, sondern auch diejenige aus dem Vertrag
UR-Nr. 47/2006. Aufgrund der einheitlichen Treuhandauflage der
Hauptgläubigerin, die etwa 13 Mio. € zu beanspruchen hatte, konnten die
Voraussetzungen für eine lastenfreie Übertragung der mit dem Vertrag UR-Nr.
47/2006 verkauften Grundstücke nur geschaffen werden, wenn die Klägerin
(mindestens) auch den aus dem Vertrag UR-Nr. 46/2006 geschuldeten Kaufpreis
von 12,5 Mio. € auf das Notaranderkonto einzahlte, so dass er zur
Befriedigung der Hauptgläubigerin zur Verfügung stand. Selbst wenn die
Klägerin diese Leistung erbracht hätte, wäre eine lastenfreie Übertragung
der durch den Vertrag UR-Nr. 47/2006 verkauften Grundstücke aber nicht
möglich gewesen. Der Notar war nämlich durch Nr. II. 3.c) des Vertrages
UR-Nr. 46/2006 angewiesen, den hinterlegten Kaufpreis von 12,5 Mio. € erst
dann an die Gläubiger auszuzahlen, wenn ihm die Löschungsbewilligungen für
sämtliche von der Klägerin nicht übernommenen Belastungen in Abteilung II
und III vorlagen. Hierzu zählte auch die Eigentümergrundschuld. Insoweit
konnte der Notar aber nicht von dem Vorliegen einer wirksamen
Löschungsbewilligung ausgehen. Da der Grundschuldbrief nicht vorlag und sich
deshalb nicht ausschließen ließ, dass die Grundschuld außerhalb des
Grundbuchs an einen Dritten abgetreten worden war (vgl. §§ 1154 Abs. 1, 1192
BGB), stand nicht fest, wer Grundschuldgläubiger und damit berechtigt war,
die Bewilligung gemäß § 19 GBO abzugeben. Folglich hätten aus dem Kaufpreis
von 12,5 Mio. €, selbst wenn er hinterlegt worden wäre, keine Zahlungen an
die Hauptgläubigerin vorgenommen werden können, was wiederum zur Konsequenz
hatte, dass es der Beklagten nicht möglich war, die zu Gunsten der
Hauptgläubigerin bestehenden Belastungen auf den mit dem Vertrag UR-Nr.
47/2006 verkauften Grundstücken zur Löschung zu bringen.
18 bb) Dass das Leistungshindernis im Hinblick auf das für den
Grundschuldbrief eingeleitete Aufgebotsverfahren (§§ 1162, 1192 BGB)
voraussichtlich ein vorübergehendes war, ist unerheblich. Der Vorschrift
des § 321 Abs. 2 BGB, die dem Vorleistungspflichtigen ein Rücktrittsrecht
einräumt, wenn der andere Teil nicht innerhalb einer ihm gesetzten
angemessenen Frist Zug um Zug gegen die Leistung nach seiner Wahl die
Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit geleistet hat, lässt sich entnehmen,
dass der Vorleistungsverpflichtete keinen den vertraglichen Vereinbarungen
widersprechenden Schwebezustand hinnehmen muss, der Anspruch des
Vorleistungsverpflichteten also auch dann im Sinne der Vorschrift gefährdet
ist, wenn infolge des Leistungshindernisses zu befürchten steht, dass die
Gegenleistung nicht rechtzeitig erbracht werden wird.
19 So liegt es auch hier. Da die Nutzungen der Grundstücke, insbesondere die
Mieterträge, nach der Einzahlung des Kaufpreises auf das Notaranderkonto auf
die Klägerin übergehen sollten, dies aber nicht zu verwirklichen war, weil
es dem Notar angesichts der genannten Hindernisse nicht möglich war, die
Hauptgläubigerin zu befriedigen und so die Aufhebung der Zwangsverwaltungen
zu erreichen, entsprach ein mehrmonatiger Schwebezustand, in dem die
Klägerin den Kaufpreis hätte vorhalten müssen, ohne die Mieterträge zu
dessen Finanzierung einsetzen zu können, nicht den vertraglichen
Vereinbarungen. Eine andere Beurteilung folgt nicht aus den von der Revision
herangezogenen Ausführungen in der Senatsentscheidung BGHZ 174, 61, 68 (Rdn.
25); denn diese betreffen die Vorschrift des § 275 Abs. 1 BGB, also die
Frage der dauernden Unmöglichkeit einer Leistung.
20 cc) Entgegen der Auffassung der Revision schadet es schließlich nicht,
dass sich die Klägerin erstmals Ende August 2006 auf ein
Leistungsverweigerungsrecht wegen der Gefährdung ihres
Gegenleistungsanspruchs berufen hat. Allerdings ist umstritten, ob schon
das Bestehen des Einrederechts gemäß § 321 Abs. 1 Satz 1 BGB den Verzug des
Vorleistungsverpflichteten ausschließt oder ob es hierfür der Erhebung der
Einrede bedarf.
21 (1) Ein Teil der Literatur nimmt eine den Verzugseintritt hindernde
Wirkung der Unsicherheitseinrede erst dann an, wenn der
Vorleistungspflichtige seine Absicht, die ihm obliegende Leistung wegen der
Gefährdung der Gegenleistung zu verweigern, dem Vorleistungsberechtigten
mitgeteilt und diesem damit Gelegenheit gegeben hat, die Gegenleistung zu
bewirken oder Sicherheit zu leisten und so das Leistungsverweigerungsrecht
des Vorleistungspflichtigen auszuräumen (Soergel/Gsell, BGB, 13. Aufl.,
§ 321 Rdn. 49; ebenso für § 321 BGB a.F.: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, §
15 IV 6 a; U. Huber, Leistungsstörungen, Band I, § 13 II 5; H. Roth, Die
Einrede des Bürgerlichen Rechts, S. 192).
22 (2) Für § 321 BGB a.F. hat der Senat demgegenüber angenommen, dass der
bloße Bestand der Einrede einen Verzug des einredeberechtigten Vertragsteils
ausschließt (Urt. v. 15. April 1959, V ZR 21/58, WM 1959, 624, 625;
ebenso schon RGZ 51, 170, 171 f.; offen gelassen von BGH, Urt. v. 27.
September 1961, VIII ZR 94/60, WM 1961, 1372, 1373; ebenso Soergel/Wiedemann,
BGB, 12. Aufl., § 321 Rdn. 37; Kast, Die Einrede des nichter-füllten
Vertrages, S. 110). Hieran hält er auch nach der Neufassung der
Vorschrift fest (ebenso Staudinger/Otto, BGB [2004], § 321 Rdn. 35;
Bamberger/Roth/Grothe, BGB, 2. Aufl., § 321 Rdn. 9; Jauernig/Stadler, BGB,
13. Aufl., § 321 Rdn. 7; differenzierend MünchKomm-BGB/Emmerich, 5. Aufl., §
321 Rdn. 23 u. PWW/Medicus, BGB, 4. Aufl., § 321 Rdn. 10).
23 Die Unsicherheitseinrede des § 321 BGB betrifft Leistungspflichten aus
gegenseitigen Verträgen, also solche, die von vornherein in wechselseitiger
Abhängigkeit von einander stehen. Dieses Gegenseitigkeitsverhältnis ist der
Grund dafür, dass schon das Bestehen der Einrede des nichterfüllten
Vertrages (§ 320 BGB) nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
und nahezu einhelliger Ansicht im Schrifttum den Eintritt des
Schuldnerverzugs hindert (Senat, BGHZ 113, 232, 236; 116, 244, 249; Urt.
v. 23. Mai 2003, V ZR 190/02, NJW-RR 2003, 1318 f.; BGH, Urt. v. 24. Oktober
2006, X ZR 124/03, NJW-RR 2007, 325, 327 f.; Urt. v. 24. November 2006, LwZR
6/05, NJW 2007, 1269, 1272; MünchKomm-BGB/Emmerich, BGB, 5. Aufl., § 320 Rdn.
46; Staudinger/Otto, BGB [2004], § 320 Rdn. 46, jeweils m.w.N.).
Entsprechendes gilt für das Einrederecht aus § 321 BGB. Die Verpflichtung zu
einer Vorleistung betrifft lediglich die Modalitäten der
Vertragsdurchführung und hebt die wechselseitige Abhängigkeit der
Leistungspflichten aus dem gegenseitigen Vertrag nicht auf.
24 (3) Allerdings ist zu bedenken, dass der Vorleistungsberechtigte nicht
immer zu erkennen vermag, ob die Vorleistung wegen einer Gefährdung des
Gegenleistungsanspruchs zurückgehalten wird. Nur wenn er dies weiß, kann er
aber von der ihm durch § 321 Abs. 1 Satz 2 BGB eingeräumten Möglichkeit
Gebrauch machen, die Einrede durch Sicherheitsleistung oder durch das
Bewirken seiner Leistung abzuwenden (so zutreffend Soergel/Gsell, BGB, 13.
Aufl., § 321 Rdn. 49). Das zwingt indes nicht dazu, die aus dem Bestehen
der Einrede folgenden Wirkungen abweichend von § 320 BGB zu behandeln. Die
Interessen des Vorleistungsberechtigten werden dadurch gewahrt, dass es dem
anderen Vertragsteil auf Nachfrage oder auf eine Aufforderung zur Leistung
hin obliegt, den Grund der Leistungsverweigerung zu nennen (vgl.
Staudinger/Otto, BGB [2004], § 321 Rdn. 35 a.E. u. 36). Erfährt der
Vorleistungsberechtigte, dass die Vorleistung wegen Gefährdung der
Gegenleistung zurückgehalten wird, hat er Gelegenheit, die Einrede
abzuwenden. Äußert sich sein Vertragspartner nicht, kann er nach § 323 Abs.
1 BGB vorgehen und sich von dem Vertrag lösen. Dem
Vorleistungsverpflichteten ist es dann verwehrt, nachträglich die Einrede
des § 321 BGB zu erheben; dies folgt aus dem Verbot widersprüchlichen
Verhaltens (§ 242 BGB).
25 Entgegen der Ansicht der Revision ist daher keine "unbefristete
Schwebelage" bei dem Vollzug des Vertrages zu befürchten. Der
Vorleistungsberechtigte kann, wenn die Gegenseite die Vorleistung nicht
erbringt und sich nicht spätestens mit der Leistungsaufforderung gemäß § 323
Abs. 1 BGB auf die Einrede des § 321 Abs. 1 BGB beruft, von dem Vertrag
zurücktreten. Umgekehrt ist es dem Vorleistungsverpflichteten, dessen
Gegenleistung gefährdet ist, möglich, den Schwebezustand zu beenden, indem
er dem Vorleistungsberechtigten eine angemessene Frist bestimmt, in welcher
dieser Zug um Zug gegen die Leistung nach seiner Wahl die Gegenleistung zu
bewirken oder Sicherheit zu leisten hat; nach erfolglosem Ablauf der Frist
kann er sich von dem Vertrag lösen (§ 321 Abs. 2 BGB).
26 (4) In dem hier zu beurteilenden Sachverhalt ist es der Klägerin schon
deshalb möglich, sich nachträglich auf die Einrede des § 321 Abs. 1 Satz 1
BGB zu berufen, weil der Beklagten das aus der Nichtauffindbarkeit des
Grundschuldbriefs folgende (zeitweilige) Leistungshindernis und die damit
verbundene Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs der Klägerin bekannt
waren. Die Beklagte macht im Übrigen auch nicht geltend, dass sie die
Einrede, hätte die Klägerin sie bereits vor der vereinbarten Fälligkeit der
Kaufpreiszahlung erhoben, durch Sicherheitsleistung oder durch Erbringung
der Gegenleistung hätte abwenden wollen.
27 Widerklage
28 Das Berufungsgericht nimmt ferner zu Recht an, dass die Widerklage
unbegründet ist. Verzugszinsen wegen verspäteter bzw. unterbliebener
Einzahlung der geschuldeten Kaufpreise kann die Beklagte nicht verlangen,
weil der Klägerin aus den zu II. 2. b) dargelegten Gründen hinsichtlich
aller drei Verträge ein Leistungsverweigerungsrecht zustand und sie sich
daher mit der Erbringung ihrer Vorleistung nicht in Verzug befand. Demgemäß
ist die Anzahlung der Klägerin von 300.000 € auch nicht nach Nr. II. 9. des
Vertrags UR-Nr. 47/2006 oder entsprechender Vereinbarungen in den beiden
anderen Verträgen verfallen.
III.
29 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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