Zuständigkeit deutscher
Gerichte für eine Verbandsklage nach §§ 4a UKlaG: Verwendung unwirksamer AGB
als "unerlaubte Handlung" i.S.v. Art. 5 Nr. 3 EuGVO; Verbandsklagebefugnis
bei der Verwendung von AGB durch ausländische Anbieter im Inland; Anknüpfung
des Unterlassungsanspruchs (deliktische Qualifikation nach Art. 4 I
Rom-II-VO)
und Anknüpfung der Frage der Wirksamkeit der verwendeten AGB
(Vertragsstatut); (kein) Eingriffsnormcharakter des deutschen AGB-Rechts.
BGH, Urteil vom 9. Juli
2009 - Xa ZR 19/08
Fundstelle:
NJW 2009, 3371
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Für die Klage eines
Verbraucherschutzvereins, mit der dieser von einem Luftverkehrsunternehmen
mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften begehrt, die
Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in
der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen, sind die deutschen Gerichte
international zuständig.
b) Wird ein innergemeinschaftlicher Verstoß gegen Gesetze zum Schutz der
Verbraucherinteressen durch Verwendung missbräuchlicher Klauseln in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen behauptet, ist das anwendbare Sachrecht
nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) zu bestimmen. Maßgeblich
ist das Recht des Staats, in dem nach dem Klagevortrag die kollektiven
Verbraucherinteressen durch Verwendung der Klausel beeinträchtigt worden
sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Für die Beurteilung der
Wirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedarf es bei
grenzüberschreitenden Sachverhalten einer gesonderten kollisionsrechtlichen
Anknüpfung nach dem Vertragsstatut.
c) Nach § 4a UKlaG kann auf Unterlassung in
Anspruch genommen werden, wer in der Bundesrepublik Deutschland Allgemeine
Geschäftsbedingungen verwendet, die gegen Gesetze eines anderen
Mitgliedstaats zum Schutz der Verbraucher im Sinn von Art. 3 Buchst. b der
Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit
zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen
nationalen Behörden verstoßen.
d) Bei Verträgen über die Luftbeförderung von Personen ist der
Verbraucherschutz als solcher kein Umstand, der im Sinn des Art. 28 Abs. 5
EGBGB engere Verbindungen mit einem anderen Staat als demjenigen begründet,
mit dem der Vertrag auf Grund der Vermutung nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB die
engsten Verbindungen aufweist.
Zentrale Probleme:
Eine hochinteressante, komplexe Entscheidung
zum AGB-Recht und zum IPR: Es geht zunächst um die Zuständigkeit deutscher
Gerichte für eine Unterlassungsklage nach § 4a UKlaG (Verbandsklage) eines
Verbraucherschutzverbandes gegen ein im Ausland ansässiges
Luftfahrtunternehmen wegen der Verwendung unwirksamer AGB. Der Senat bejaht
die Zuständigkeit aufgrund der deliktischen Natur des (behaupteten)
Anspruchs (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO). Beim anwendbaren Recht ist das auf den
Unterlassungsanspruch selbst anwendbare Recht (Hauptfrage) von der sich
innerhalb dieses Anspruchs stellenden Vorfrage der Wirksamkeit der AGB zu
unterscheiden. Der Unterlassungsanspruch unterlag hier nach Art. 4 I der
Rom-II-VO
deutschem Recht, weil er auch insoweit deliktisch zu qualifizieren ist. Die
Wirksamkeit der AGB richtete sich aber nach lettischem Recht als
Vertragsstatut der von den Verbrauchern mit dem Unternehmen geschlossenen
Verträge. Dies war hier das lettische Recht. Der BGH verneint zutreffend die
Anwendung deutschen AGB-Rechts als sog. Eingriffsnorm i.S.v. Art. 34 EGBGB.
Insoweit finden sich hier grundsätzliche Aussagen zu den Voraussetzungen der
Qualifikation einer Norm als Eingriffsnorm.
©sl 2009
Tatbestand:
1 Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG
eingetragener Verein, begehrt von der Beklagten, einem
Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in Lettland, die Unterlassung der
Verwendung einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Beklagte
führt, plant und organisiert ihren Flugbetrieb und vertreibt ihre
Beförderungsleistungen von ihrem Geschäftssitz aus. Sie bietet unter anderem
Flüge ab und nach B. an; in B.unterhält sie ein Stadtbüro. Die Kunden können
über das Internet unter der Domain "www.a. .de", die im Wesentlichen in
deutscher Sprache gehalten ist, Flüge der Beklagten mit dem Abflugort B.
buchen.
2 Der Internetauftritt der Beklagten enthält in der Rubrik "Steuern und
Gebühren" unter anderem folgende Formulierung:
"Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Steuern und Gebühren, die noch
nicht berechnet wurden, gezahlt werden müssen."
3 Der Kläger begehrt die Unterlassung der Verwendung dieser Klausel
gegenüber Personen, die nicht als Unternehmer handeln.
4 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin
hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen
richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
5 I. Das Berufungsgericht hat das Landgericht B. für international und
örtlich zuständig gehalten. Die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte ergebe sich aus Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom
22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung
und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. 2001
Nr. L 12 S. 1 (im Folgenden: EuGVVO). Art. 5 Nr. 3 EuGVVO erfasse unter
anderem Angriffe auf die Rechtsordnung durch die Verwendung missbräuchlicher
Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und somit Unterlassungsklagen
von Verbraucherschutzverbänden wegen Verwendung oder Empfehlung vermeintlich
unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Auf den Eintritt eines
konkreten Schadens komme es ebenso wenig an wie auf die Kenntnis von einem
beabsichtigten Vertragsschluss oder das Vorliegen einer konkreten
Verbraucherbeschwerde. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folge aus
§ 1 UKlaG i.V.m. § 309 Nr. 1 BGB. Anzuwenden sei gemäß Art. 28 Abs. 1, Art.
31 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht. Auf Grund der in Art. 28 Abs. 2 EGBGB
aufgestellten Vermutung sei an sich zwar das am Ort der gewerblichen
Hauptniederlassung der Beklagten in Riga geltende Recht maßgeblich, weil die
Beklagte mit der Beförderung die für den abzuschließenden Vertrag
charakteristische Leistung erbringe und sie in Deutschland nur eine
Geschäftsstelle, nicht aber eine Niederlassung unterhalte. Allerdings gelte
diese Vermutung gemäß Art. 28 Abs. 5 EGBGB nicht, weil die
Luftbeförderungsverträge auf Grund der Gesamtumstände eine engere Verbindung
mit Deutschland aufwiesen. Der Internetauftritt unter der Top-Level-Domain
".de" richte sich gezielt an in Deutschland lebende Kunden. Der
Bestimmungsort der angestrebten Luftbeförderung liege in zahlreichen Fällen
in Deutschland. Zu berücksichtigen sei weiter der mit der Kontrolle
Allgemeiner Geschäftsbedingungen bezweckte Schutz. Der Verbraucher, der in
Deutschland in seiner Sprache zu einem Vertragsschluss über eine auch in
Deutschland zu erbringende Leistung aufgefordert werde, dürfe auf die
Geltung des in Deutschland geltenden Schutzstandards vertrauen. Auch wenn
Art. 29 Abs. 2 EGBGB wegen der in Art. 29 Abs. 4 Nr. 1 EGBGB geregelten
Ausnahme für Beförderungsverträge nicht gelte, könne dieser Schutzgedanke im
Rahmen des Art. 28 Abs. 5 EGBGB herangezogen werden. Die beanstandete
Klausel stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar; unerheblich sei gemäß
§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass die Beklagte die Regelung nicht in die
gesonderten Beförderungsbedingungen, sondern in die Rubrik
"Reiseinformationen" eingestellt habe. Gemäß § 309 Nr. 1 BGB sei die Klausel
unwirksam, weil sie eine kurzfristige Preiserhöhung erlaube.
6 II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
7 1. Ob das Berufungsgericht die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts B.
zu Recht bejaht hat, ist im Revisionsverfahren nicht nachzuprüfen (§ 545
Abs. 2 ZPO).
8 2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der
deutschen Gerichte bejaht.
9 a) Der Senat hat als Revisionsgericht die internationale Zuständigkeit
der deutschen Gerichte zu prüfen. Die Vorschrift des § 545 Abs. 2 ZPO steht
dem nicht entgegen. Diese Regelung bezieht sich ungeachtet ihres weit
gefassten Wortlauts nicht auf die internationale Zuständigkeit (BGHZ
153, 82, 84 ff.).
10 b) Die deutschen Gerichte sind nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO für die
Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig.
11 Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat
verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die
einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer
solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem
Gericht des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder
einzutreten droht.
12 Die Klage einer qualifizierten Einrichtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG
auf Unterlassung der Verwendung angeblich missbräuchlicher Klauseln in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch einen Gewerbetreibenden in Verträgen
mit Privatpersonen hat im Sinn des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO eine unerlaubte
Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt
ist, zum Gegenstand. Der Begriff des "schädigenden Ereignisses" im
Sinn dieser Bestimmung erfasst unter anderem Angriffe auf die Rechtsordnung
durch die Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen, deren Verhinderung die Aufgabe von Organisationen wie
derjenigen des Klägers ist (EuGH, Urt. v. 1.10.2002 - Rs. C-167/00, Slg.
2002 I S. 8126 = NJW 2001, 3617 Tz. 40 ff. - Verein für
Konsumenteninformation/Karl Heinz Henkel, noch zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, jedoch
mit dem Hinweis unter Tz. 49, dass Art. 5 Nr. 3 EuGVVO entsprechend
auszulegen sei; Lindacher in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl.,
§ 6 UKlaG Rdn. 14 m.w.N.). Auf den Eintritt eines konkreten Schadens
kommt es dabei ebenso wenig an wie auf die Kenntnis von einem beabsichtigten
Vertragsschluss oder das Vorliegen einer konkreten Verbraucherbeschwerde.
13 Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen
Gerichte ist nicht maßgeblich, ob die von der Beklagten verwendete
"Reiseinformation" nach deutschem Recht zu beurteilen ist. Die
Anwendbarkeit deutschen Sachrechts ist keine Voraussetzung für die Eröffnung
der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (Zöller/Geimer,
ZPO, 27. Aufl., Anh. I Art. 5 EuGVVO Rdn. 24). Dies gilt auch für die Klage
eines Verbraucherschutzvereins auf Unterlassung der Verwendung angeblich
missbräuchlicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch einen
Gewerbetreibenden in Verträgen mit Privatpersonen. Ein Gleichlauf zwischen
der internationalen Zuständigkeit und dem anzuwendenden Sachrecht entspräche
nicht der Zielsetzung der Richtlinie 93/13 (EWG) des Rates vom 5. April 1993
über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993 Nr. L 95 S.
29). Die Wirksamkeit der in Art. 7 dieser Richtlinie vorgesehenen
Verbandsklage auf Unterlassung unzulässiger Klauseln wäre, wie der
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ausgesprochen hat, erheblich
beeinträchtigt, wenn diese Klagen nur im Staat der Niederlassung des
Gewerbetreibenden erhoben werden könnten (EuGH, aaO Tz. 43).
14 Die Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist
vielmehr bereits dann begründet, wenn die Verletzung eines geschützten
Rechtsguts im Inland behauptet wird und diese nicht von vornherein
ausgeschlossen werden kann; die Zuständigkeit ist nicht davon abhängig, dass
eine Rechtsverletzung tatsächlich eingetreten ist (BGH, Urt. v.
13.10.2004 - I ZR 163/02, WRP 2005, 493 - Hotel Maritime, zu Art. 5 Nr. 3
EuGVÜ). Der Kläger hat behauptet, mit der beanstandeten "Reiseinformation"
verwende die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland eine von der
Rechtsordnung missbilligte Allgemeine Geschäftsbedingung. Danach ist das
schädigende Ereignis im Sinn des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO in der Bundesrepublik
Deutschland eingetreten.
15 3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch folge aus § 1 UKlaG, weil die Wirksamkeit der
angegriffenen Klausel nach deutschem Recht zu bestimmen und die Klausel
danach unwirksam sei, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch hat seine Grundlage zwar in
dem anzuwendenden deutschen Sachrecht, hingegen ist die Wirksamkeit der
angegriffenen Bestimmung nach lettischem Recht zu beurteilen.
16 a) Für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung der
Verwendung einer missbräuchlichen Bestimmung in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen ist an das deutsche Sachrecht und damit an die §§ 1, 2,
4a UKlaG anzuknüpfen.
17 aa) Dies folgt aus Art. 4 Abs. 1 der
Verordnung (EG) Nr. 864/2007 vom 11. Juli 2007 über das auf
außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II"), ABl.
2007 Nr. L 199 S. 40 (im Folgenden:
Rom-II-VO). Diese Verordnung ist auf schadensbegründende Ereignisse,
die nach ihrem Inkrafttreten am 11. Januar 2009 eingetreten sind (Art. 1, 31
und 32 Rom-II-VO) und damit ab
diesem Zeitpunkt wegen der in die Zukunft gerichteten Wirkung des geltend
gemachten Unterlassungsanspruchs auf das Streitverhältnis anzuwenden. Nach
Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO ist auf
ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht
des Staats anzuwenden, in dem der Schaden eintritt.
18 Die Klage eines Verbraucherschutzvereins auf Unterlassung der Verwendung
missbräuchlicher Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch einen
Gewerbetreibenden in Verträgen mit Privatpersonen hat keine vertraglichen
Ansprüche, sondern eine unerlaubte Handlung zum Gegenstand. Diese
Beurteilung trifft auch für Art. 4 Abs. 1
Rom-II-VO zu. Die Auslegung
dieser Bestimmung erfolgt autonom und im Einklang mit der Verordnung über
die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Erwägungsgründe 7 und 11 zur
Rom-II-VO), so dass auf die
Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zurückgegriffen werden kann (Schaub
in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl., ROM II Art. 4 Rdn. 4).
19 Anzuknüpfen ist an das Recht des Staats, in dem der Schaden eintritt
(Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO)
oder wahrscheinlich eintritt (Art. 2 Abs. 3 Buchst. b
Rom-II-VO). Dies ist der Ort, an dem
die von der Rechtsordnung missbilligten Allgemeinen Geschäftsbedingungen
verwendet worden sind oder wahrscheinlich verwendet werden, an dem also die
von der Rechtsordnung geschützten kollektiven Interessen der Verbraucher
beeinträchtigt worden sind oder zu beeinträchtigt werden drohen. Diese
Auslegung wird durch Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO bestätigt, wonach auf
außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das
Recht des Staats anzuwenden ist, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen
oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind
oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Dabei kann offenbleiben, ob Art.
6 Abs. 1 Rom-II-VO auf den vorliegenden Fall einer Unterlassungsklage eines
Verbraucherverbands wegen der Verwendung missbräuchlicher Allgemeiner
Geschäftsbedingungen unmittelbar Anwendung findet. Die Erwägung, dass die
Kollisionsnorm die Verbraucher durch Anknüpfung an das Recht des Staates
schützen soll, in dessen Gebiet ihre kollektiven Interessen beeinträchtigt
werden, gilt im Fall der Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzvereins
ebenso für die allgemeine Kollisionsnorm des Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO. Die
Vorschrift des Art. 6 Rom-II-VO stellt keine Ausnahme von der allgemeinen
Regel nach Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO dar, sondern vielmehr eine Präzisierung
derselben (Erwägungsgrund 21 zur Rom-II-VO).
20 Ohne Erfolg rügt die Revision die Annahme des Berufungsgerichts, die
Beklagte habe durch die Wiedergabe der angegriffenen "Reiseinformation" auf
ihren deutschsprachigen Internetseiten diese "Reiseinformation" im Inland
verwendet. Zu Unrecht meint sie, sowohl das einseitige "In-das-Netz-Stellen"
als auch die spätere vertragliche Verwendung erfolgten in Riga. Denn
verwendet wird die "Reiseinformation" auch dort, wo sie (potenziellen)
Fluggästen zur Kenntnis gegeben wird; dies geschieht bei einer Verwendung im
Internet überall dort, wo sich Verbraucher bestimmungsgemäß mit Hilfe des
Internetauftritts über die Bedingungen unterrichten, die die Beklagte den
von ihr angebotenen Beförderungsverträgen zugrunde legen will.
21 Anhaltspunkte für Umstände im Sinn des Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO, die
auf eine offensichtlich engere Verbindung mit dem Recht eines anderen
Staates als dem der Bundesrepublik Deutschland hinweisen, bietet der
festgestellte Sachverhalt nicht. Insbesondere besteht zwischen den Parteien
kein anderes, etwa vertragliches Rechtsverhältnis.
22 bb) Soweit der Kläger von der Beklagten begehrt, es zu unterlassen,
sich bei der Abwicklung vor Inkrafttreten der Rom-II-VO geschlossener
Verträge auf die beanstandete Bestimmung zu berufen, folgt die Anwendbarkeit
deutschen Sachrechts aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Die
kollisionsrechtlichen Vorschriften der Rom-II-VO sind insoweit nach Art. 31
Rom-II-VO nicht anwendbar. Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen
Ansprüche aus unerlaubter Handlung zwar grundsätzlich dem Recht des Staats,
in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Die auf Unterlassung der
Verwendung von der Rechtsordnung missbilligter Klauseln in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen gerichtete Verbandsklage ist als negatorischer Anspruch
auch nach deutschem Internationalen Privatrecht eine unerlaubte Handlung
(Schlosser in: Staudinger, BGB, Bearb. 2006, § 1 UKlaG Rdn. 4). Als Recht
des Handlungsorts wäre lettisches Sachrecht berufen. Der Verletzte kann aber
nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB verlangen, dass das Recht des Staats
angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten, d.h. in dem das geschützte
Rechtsgut oder Interesse verletzt worden ist. Dies ist hier die
Bundesrepublik Deutschland, weil die beanstandete "Reiseinformation" den
(potenziellen) Fluggästen dort bestimmungsgemäß zur Kenntnis gegeben und
damit verwendet worden ist. Der Kläger hat sein Bestimmungsrecht innerhalb
der Frist des Art. 40 Abs. 1 Satz 3 EGBGB stillschweigend ausgeübt, indem er
sich bereits mit der Klageschrift vom 4. September 2006 auf deutsches
Sachrecht berufen und hieran trotz der Rüge der Beklagten in der
Klageerwiderung vom 20. Februar 2007 festgehalten hat. Danach ist auf den
Unterlassungsanspruch deutsches Sachrecht anzuwenden.
23 Demgegenüber greift die Sonderanknüpfung nach Art. 41 EGBGB nicht, denn
eine wesentlich engere Verbindung mit lettischem Recht, insbesondere eine
besondere rechtliche oder tatsächliche Beziehung der Parteien im Sinn des
Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, besteht nicht.
24 b) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt nicht aus § 1 UKlaG.
Danach kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen Bestimmungen verwendet, die nach den §§ 307 bis 309 BGB
unwirksam sind. Dies setzt voraus, dass die Wirksamkeit der angegriffenen
Bestimmung nach deutschem Sachrecht zu beurteilen ist. Im vorliegenden Fall
ist die Wirksamkeit der beanstandeten "Reiseinformation" jedoch nach
lettischem Recht zu beurteilen.
25 aa) Daraus, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch deutschem
Sachrecht unterliegt, folgt nicht zugleich, dass sich auch die Wirksamkeit
der Bestimmung nach deutschem Sachrecht richtet. Die Wirksamkeit unterliegt
vielmehr einer besonderen Anknüpfung (so schon Maidl, Ausländische AGB
im deutschen Recht (2000), S. 264 ff. m.w.N. zum AGBG). Dies ergibt sich
auch aus einer Gesamtschau von § 1 UKlaG und § 4a UKlaG. Während § 1 UKlaG
einen Unterlassungsanspruch für den Fall begründet, dass die angegriffenen
Bestimmungen nach den §§ 307 bis 309 BGB und damit nach deutschem Sachrecht
unwirksam sind, gewährt § 4a UKlaG einen solchen Anspruch auch in bestimmten
Fällen, in denen im Inland gegen verbraucherschützende Normen verstoßen
wird, die nicht zu den in §§ 1, 2 UKlaG aufgeführten Normen des deutschen
Rechts gehören.
26 Nach § 4a UKlaG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer
innergemeinschaftlich gegen Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen im
Sinn von Art. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 vom 27. Oktober
2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der
Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden, ABl. 2004 Nr. L
364 S. 1 (im Folgenden: Verordnung über die Zusammenarbeit im
Verbraucherschutz), verstößt. § 4a Abs. 1 UKlaG ermöglicht über die
Verweisung in Absatz 2 dieser Bestimmung in Verbindung mit § 3 Abs. 1 UKlaG
den dort genannten qualifizierten Einrichtungen ein Vorgehen gegen
grenzüberschreitende Verstöße gegen die im Anhang zur Verordnung über die
Zusammenarbeit im Verbraucherschutz aufgeführten Verordnungen und
Richtlinien in ihrer jeweiligen in das nationale Recht umgesetzten Form. Die
Verbraucherschutzverbände können danach nicht nur inländische Unternehmen in
Anspruch nehmen, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft
gegen verbraucherschützende Normen verstoßen, sondern auch Unternehmen aus
einem anderen Mitgliedstaat, die im Inland die für ihr Handeln maßgeblichen
gemeinschaftsrechtlichen oder auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage
erlassenen Vorschriften ihres Heimatrechts nicht einhalten.
27 § 4a UKlaG wurde durch das Gesetz über die Durchsetzung der
Verbraucherschutzgesetze bei innergemeinschaftlichen Verstößen vom 21.
Dezember 2006 (BGBl. I S. 3317) in das Unterlassungsklagengesetz eingefügt.
Dieses Gesetz dient der Durchführung der Verordnung über die Zusammenarbeit
im Verbraucherschutz. Die Zusammenarbeit der nationalen Behörden sah der
Gesetzgeber nach der Verneinung der Aktivlegitimation deutscher Verbände für
die Geltendmachung der Verletzung ausländischen Rechts (BGH, Urt. v.
26.11.1997 - I ZR 148/95, WRP 1998, 386 - Gewinnspiel im Ausland) dadurch
behindert, dass für qualifizierte Einrichtungen (u.a. Verbraucherverbände)
keine Möglichkeit bestanden habe, gegen grenzüberschreitend tätige
Unternehmen mit Sitz im Inland vorzugehen, die gegen die rechtlichen
Interessen der Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten auf den dortigen
Märkten verstießen (BT-Drucks. 16/2930 S. 16). Ziel des Gesetzgebers
war es, durch Schaffung eines materiellrechtlichen Unterlassungsanspruchs
die Inanspruchnahme von Unternehmen mit Sitz im Inland zu ermöglichen
(BT-Drucks. 16/2930 S. 16 und 26).
28 Auf diesen Anwendungsfall ist der den qualifizierten Einrichtungen im
Sinn des § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG eingeräumte Unterlassungsanspruch nach dem
Wortlaut der Vorschrift jedoch nicht beschränkt. Voraussetzung ist
vielmehr nur ein innergemeinschaftlicher Verstoß gegen Gesetze zum Schutz
der Verbraucherinteressen im Sinn von Art. 3 Buchst. b der Verordnung über
die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz. Ein solcher Verstoß kann auch darin
liegen, dass ein Unternehmen im Inland gegen verbraucherschützende Normen
verstößt, die nicht die in §§ 1, 2 UKlaG aufgeführten Normen des deutschen
Rechts sind (vgl. Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl.,
§ 4a UKlaG Rdn. 4). Dies entspricht dem Zweck der Verbandsklage. Sie ergänzt
den individualrechtlichen Schutz vor unwirksamen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen und Geschäftspraktiken, die gegen verbraucherschützende
Rechtsnormen verstoßen. Die Verbände sollen im Allgemeininteresse dafür
sorgen, dass der Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen freigehalten wird und die Interessen der Verbraucher
gewahrt werden (BGHZ 109, 29, 33; Köhler, aaO, Einf. UKlaG Rdn. 1).
Dieser Zweck der Verbandsklage erfordert in den Fällen, in denen im Inland
gegen verbraucherschützendes Recht verstoßen wird, ein Klagerecht unabhängig
davon, ob dieses verbraucherschützende Recht das deutsche oder ein anderes
nationales Verbraucherschutzrecht ist. Demgemäß enthält § 2 UKlaG jedenfalls
keine ausdrückliche Beschränkung seines Anwendungsbereichs auf deutsches
Verbraucherschutzrecht. Er kann lediglich deshalb im Streitfall die
Verbandsklagebefugnis nicht begründen, weil § 2 Abs. 1 UKlaG voraussetzt,
dass in anderer Weise als durch Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen einem Verbraucherschutzgesetz zuwidergehandelt wird.
Weder § 2 noch § 4a UKlaG kann jedoch ein Argument dafür entnommen werden,
dass der Schutz der Verbraucherinteressen davon abhängig zu machen ist, ob
er durch deutsches Recht oder das Verbraucherschutzrecht eines anderen
Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaften gewährleistet wird.
29 Besteht somit nach deutschem Sachrecht ein Klagerecht unabhängig davon,
ob gegen deutsches oder ein anderes, von § 4a UKlaG erfasstes nationales
Verbraucherschutzrecht verstoßen wird, zwingt dies zu einer selbstständigen
kollisionsrechtlichen Anknüpfung zu dessen Bestimmung. Für die
Beurteilung der Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist das
Vertragsstatut maßgeblich.
30 bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts richtet sich die
Wirksamkeit der beanstandeten "Reiseinformation" nach lettischem Sachrecht.
Dies folgt aus Art. 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 EGBGB.
31 (1) Wegen der in Art. 29 Abs. 4 Nr. 1 EGBGB geregelten Ausnahme für
Beförderungsverträge ist das auf die von der Beklagten geschlossenen
Luftbeförderungsverträge anzuwendende Recht nicht nach Art. 29 Abs. 2 EGBGB
zu bestimmen, wonach sich bei Verbraucherverträgen mangels einer Rechtswahl
eine Anknüpfung am Recht des Staats ergäbe, in dem der Verbraucher seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat.
32 (2) Für das anzuwendende Sachrecht ist auch Art. 34 EGBGB nicht
maßgeblich. Den §§ 307 bis 309 BGB lässt sich ein ohne Rücksicht auf das
auf den Vertrag anzuwendende Recht international zwingender
Geltungsanspruch, wie er bei sogenannten Eingriffsnormen in Betracht kommt,
nicht entnehmen. Für die Anwendung des Art. 34 EGBGB ist grundsätzlich
erforderlich, dass die betreffende Vorschrift nicht nur dem Schutz und
Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragsparteien und somit
Individualbelangen dient, sondern daneben auch öffentliche
Gemeinwohlinteressen verfolgt (BGH, Urt. v. 13.12.2005 - XI ZR 82/05,
NJW 2006, 762, 763 f.; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl., §
3 II 3; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 34 EGBGB Rdn. 12). Die §§ 307
bis 309 BGB bezwecken demgegenüber den Schutz des strukturell unterlegenen
Vertragspartners des Verwenders vor den mit der Verwendung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen typischerweise verbundenen Gefahren. Die einseitige
Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit durch die Verwendung
vorformulierter und die Richtigkeitsgewähr beeinträchtigender Bedingungen
soll verhindert werden (Stoffels, AGB-Recht, 2. Aufl., Rdn. 81 ff.,
insbesondere Rdn. 89 m.w.N.). Gemeinwohlinteressen werden durch die
genannten Bestimmungen allenfalls reflexartig geschützt; dies reicht für die
Anwendung von Art. 34 EGBGB jedoch nicht aus (MünchKomm/Sonnenberger,
BGB, 4. Aufl., Einl. IPR Rdn. 61; MünchKomm/Spellenberg, BGB, Art. 31 EGBGB
Rdn. 11; vgl. auch BGH, NJW 2006, 762, 764 zum Verbraucherkreditgesetz).
Ein internationaler Geltungsanspruch der §§ 307 bis 309 BGB ist auch nicht
aus dem gemeinschaftsrechtlichen Ursprung dieser Vorschriften herzuleiten.
Jedenfalls dann, wenn die zugrunde liegende Richtlinie keine ausdrückliche
kollisionsrechtliche Regelung enthält und lediglich einen Mindeststandard
vorgibt, kann über diesen Mindeststandard hinausgehenden Umsetzungsnormen
ein international zwingender Charakter nicht beigemessen werden (BGH,
NJW 2006, 762, 764). Die hier maßgebliche Vorschrift des § 309 Nr. 1 BGB
ist eine solche überschießende Umsetzungsnorm. Ihr Schutz reicht über den
nicht verbindlichen Hinweis in Nr. 1 Buchst. l des Anhangs zur Richtlinie
93/13/EWG hinaus (EuGH, Urt. v. 7.5.2002 - Rs. C-478/99, Slg. 2002 I S.
4147 = EuZW 2002, 465 Kommission/Königreich Schweden; Palandt/Grüneberg,
BGB, 68. Aufl., § 310 Rdn. 28 und 40).
33 (3) Mangels Rechtswahl ergibt sich das anzuwendende Recht aus Art. 28
Abs. 1, Art. 31 Abs. 1 EGBGB. Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt
der Vertrag dem Recht des Staats, mit dem er die engsten Verbindungen
aufweist. Dies ist hier Lettland.
34 Für Verträge über die Luftbeförderung von Personen fehlt eine besondere
Regelung im deutschen Internationalen Privatrecht. Somit wird gemäß Art. 28
Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB vermutet, dass der Vertrag die engsten
Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, die in Ausübung
ihrer gewerblichen Tätigkeit die charakteristische Leistung zu erbringen
hat, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihre Hauptniederlassung hat.
Charakteristische Leistung bei Verträgen über die Luftbeförderung von
Personen ist die Beförderung (Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 28 EGBGB
Rdn. 40 und 44), hier also die Leistung der Beklagten, die ihre
Hauptniederlassung in Lettland hat. An die Existenz eines Stadtbüros in B.
ist nicht anzuknüpfen. Unselbstständige Geschäftsstellen, die lediglich
Flugscheine ausgeben, sind nicht als Niederlassung im Sinn des Art. 28 Abs.
2 Satz 2 EGBGB anzusehen (MünchKomm/ Martiny, BGB, 4. Aufl., Art. 28 Rdn.
268). Nach der Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB weisen somit die Verträge,
die gegebenenfalls unter Verwendung der beanstandeten Klausel abgeschlossen
werden sollen, die engsten Verbindungen zu Lettland auf.
35 Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Sie gälte nach Art. 28 Abs. 5 EGBGB
nur dann nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergäbe, dass der
Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist. Die in Art. 28
Abs. 2 bis 4 EGBGB aufgestellten Vermutungen sollen ein gewisses Maß an
Rechtssicherheit gewährleisten und die Rechtsanwendung erleichtern; deshalb
ist nur in Ausnahmefällen auf Art. 28 Abs. 5 EGBGB zurückzugreifen. Dies ist
dann angezeigt, wenn Anknüpfungsgesichtspunkte, die das von der Vermutung
verwendete Anknüpfungsmoment an Gewicht deutlich übertreffen, zu einem
anderen als dem vermuteten Recht führen und sich ein anderes Zentrum des
Leistungsaustauschs eindeutig ermitteln lässt (BGH, Urt. v. 26.7.2004 - VIII
ZR 273/03, NJW-RR 2005, 206, 209; Kropholler, aaO, § 52 III 4). Umstände,
die in ihrer Gesamtheit derart gewichtig sind, dass sie entgegen der
Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB die Anwendung deutschen Rechts begründen,
liegen nicht vor.
36 Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung hat das Berufungsgericht
zunächst zutreffend die Art und Weise der beabsichtigten Vertragsanbahnung
berücksichtigt. Dass sich der in deutscher Sprache gehaltene
Internetauftritt der Beklagten unter der Top-Level-Domain ".de" gezielt an
in Deutschland lebende Kunden richtet, weist durchaus auf eine Verbindung
zur Bundesrepublik Deutschland hin. Diese Art des Vertragsschlusses allein
genügt jedoch nicht, um eine engere Verbindung im Sinn des Art. 28 Abs. 5
EGBGB zu begründen (Martiny, aaO, Art. 28 Rdn. 113 und 417 m.w.N.; a.A.
Pfeiffer, NJW 1997, 1207, 1214). Hierfür spricht auch der von der Beklagten
ins Feld geführte Umstand, dass eine abweichende Betrachtung zu einer
Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit führen müsste.
37 Der Ort der tatsächlichen Leistungserbringung weist nicht auf eine
Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland hin. Zunächst bewirbt die Beklagte
mit ihrem Internet-Auftritt nicht nur Flüge, die von der Bundesrepublik
Deutschland ausgehen oder in dieser enden, sondern die gesamte Palette ihres
Flugprogramms. Die charakteristische Leistung bei der Luftbeförderung von
Personen wird zudem gleichermaßen über die gesamte Strecke erbracht und
lässt sich bei grenzüberschreitenden Flügen nicht einem bestimmten Land
schwerpunktmäßig eindeutig zuordnen. Allenfalls ließe sich ein
wirtschaftlicher Schwerpunkt der Vertragsleistung für den Ort des Abflugs
bejahen, weil dort mit der Bereitstellung des Flugzeugs und einer
einsatzfähigen Besatzung, der Fluggastaufnahme und dem planmäßigen Start
wesentliche Voraussetzungen für die Beförderungsleistung erbracht werden;
eindeutig ist dies jedoch nicht (vgl. die Vorlage zur Vorabentscheidung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1
Buchst. b EuGVVO durch BGH, Beschl. v. 22.4.2008 - X ZR 76/07, NJW 2008,
2121 f., und das Urteil des Gerichtshofs v. 9.7.2009 - C-204/08 Tz. 39-43 -
Rehder/Air Baltic). Das vom Berufungsgericht herangezogene Kriterium des
Orts der vertraglich vereinbarten letzten Landung (Bestimmungsorts) bietet
im vorliegenden Fall ebenfalls keinen eindeutigen Hinweis auf eine
Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland. Zwar ist das Angebot der
Beklagten unter der Top-Level-Domain ".de" auf deutsche Kunden
zugeschnitten. Hieraus folgt aber nicht zwingend, dass diese immer von
Deutschland aus einen Hin- und Rückflug buchen. Möglich ist auch eine
getrennte Buchung. Auch der Bestimmungsort kann daher ohne Weiteres
außerhalb Deutschlands liegen.
38 Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts vermag der von der Kontrolle
Allgemeiner Geschäftsbedingungen bezweckte Schutz, insbesondere der Schutz
des Verbrauchers, eine engere Verbindung zum deutschen Recht nicht zu
begründen. Die Überlegung, der Verbraucher dürfe auf die Anwendung des an
seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort geltenden Rechts vertrauen, spiegelt den
Normzweck des die Anknüpfung bei Verbraucherverträgen regelnden, aber nach
Abs. 4 Satz 1 auf Beförderungsverträge nicht anwendbaren Art. 29 Abs. 2
EGBGB wider (Martiny, aaO, Art. 28 Rdn. 38). Anders als zukünftig nach Art.
5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17. Juni 2008 über das auf
vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom I"), ABl. 2008 Nr.
L 177 S. 6 (dazu Mankowski, TranspR 2008, 339, 348 ff.), haben der
Gesetzgeber des Art. 29 Abs. 4 Nr. 1 EGBGB und die Vertragsparteien des
zugrunde liegenden Art. 5 Abs. 4 Buchst. a des EWG-Übereinkommens vom 19.
Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
dem Verbraucherschutz für Beförderungsverträge ausdrücklich maßgebliche
Bedeutung nicht beigemessen. Diese gesetzliche Wertung würde durch eine
Heranziehung des Verbraucherschutzgedankens als tragendes Anknüpfungsmerkmal
für die Bestimmung der engeren Verbindung im Sinn des Art. 28 Abs. 5 EGBGB
unterlaufen.
39 Für eine Anwendung der Ausweichklausel des Art. 28 Abs. 5 EGBGB ist somit
kein Raum, weil nach der gebotenen Gesamtabwägung die Anknüpfungspunkte, die
auf eine Verbindung zum deutschen Recht hinweisen, nicht deutlich stärker
ins Gewicht fallen als das der Vermutung in Art. 28 Abs. 2 EGBGB zugrunde
liegende Anknüpfungsmoment. Die gegenteilige Auffassung des
Berufungsgerichts begründet daher auch dann einen im Revisionsverfahren
nachprüfbaren Rechtsfehler, wenn man unterstellt, dass es sich bei der
gebotenen Gesamtabwägung um eine tatrichterliche Entscheidung handelt. Denn
es unterliegt jedenfalls revisionsrechtlicher Nachprüfung, ob das Gericht
alle Umstände berücksichtigt hat, die für die Bestimmung der engsten
Verbindung von Bedeutung sein können (BGH, NJW-RR 2005, 206, 210). Dies muss
umgekehrt auch dann gelten, wenn das Berufungsgericht Umstände herangezogen
hat, die nicht berücksichtigungsfähig sind.
40 c) Das angefochtene Urteil ist auch nicht deshalb im Ergebnis zutreffend,
weil die Beklagte, wie das Berufungsgericht in einer Hilfsbegründung
angenommen hat, mit der angegriffenen Klausel gegen § 6 Abs. 3 Nr. 5 des
anzuwendenden lettischen Verbraucherschutzgesetzes (Patërëtāju tiesTbu
aizsardzTbas likums) verstößt. Allerdings bestände im Fall eines derartigen
Verstoßes der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 4a Abs. 1 UKlaG
in Verbindung mit §§ 4a Abs. 2, 3 Abs. 1 UKlaG. Diese Bestimmung ist trotz
ihres Inkrafttretens nach Rechtshängigkeit des Verfahrens anwendbar; bei
Unterlassungsansprüchen ist wegen ihrer in die Zukunft gerichteten Wirkung
auf das zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende Recht
abzustellen.
Ein Verstoß der angegriffenen "Reisebestimmung" gegen § 6 Abs. 3 Nr. 5 des
lettischen Verbraucherschutzgesetzes stellte einen innergemeinschaftlichen
Verstoß gegen ein Gesetz zum Schutz der Verbraucherinteressen im Sinne von
Art. 3 Buchst. b der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz
dar. Ob die angegriffene Bestimmung allerdings gegen § 6 Abs. 3 Nr. 5 des
lettischen Verbraucherschutzgesetzes verstößt, kann auf der Grundlage der
Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.
41 aa) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die vom Kläger in einer
englischen Übersetzung einer von der lettischen Regierung eingesetzten
Übersetzungsstelle für Dokumente von europäischer Bedeutung vorgelegte
Bestimmung des lettischen Verbraucherschutzgesetzes gehöre zu den
Regelungen, die zur Umsetzung der Richtlinie 93/13 (EWG) des Rates vom 5.
April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen erlassen
worden seien. Sie entspreche nahezu wörtlich Nr. 1 Buchst. l des Anhangs zu
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie. Die angegriffene Klausel verstoße gegen diese
Bestimmung, da sie für den Verbraucher kein Lösungsrecht vorsehe. Es handele
sich auch um eine Geschäftsbedingung im Sinn des § 6 Abs. 3 des lettischen
Verbraucherschutzgesetzes, da sie nicht ausgehandelt sei. Feststellungen zur
Anwendung der Bestimmung in Lettland seien nicht erforderlich. Da die Norm
eine nahezu wörtliche Umsetzung der Richtlinie darstelle, sei sie
richtlinienkonform anzuwenden; eine etwa abweichende Rechtspraxis sei
unbeachtlich.
42 bb) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe gegen § 184 GVG
verstoßen, weil es seiner Beurteilung eine englische Übersetzung des
lettischen Verbraucherschutzgesetzes zugrunde lege. Zu Unrecht habe es auch
auf weitere Feststellungen zu den lettischen Sachnormen und deren Anwendung
verzichtet. Zum einen fordere § 6 Abs. 3 Nr. 5 des lettischen
Verbraucherschutzgesetzes nur dann ein Rücktrittsrecht des Verbrauchers,
wenn der Endpreis unangemessen hoch sei; dies sei jedoch nicht festgestellt.
Zum anderen sei nicht festgestellt, ob die Steuern und Gebühren, deren
Zahlung die angegriffene Bestimmung vorsehe, überhaupt als Preis i.S. des §
6 Abs. 3 Nr. 5 des lettischen Verbraucherschutzgesetzes anzusehen seien.
Schließlich habe das Berufungsgericht den unter Beweis gestellten Vortrag
der Beklagten übergangen, dass die angegriffene "Reiseinformation" nach
lettischem Recht keine Vertragsbedingung darstelle, weil sie nicht in die
Allgemeinen Beförderungsbedingungen aufgenommen worden sei.
43 cc) Mit den beiden letztgenannten Rügen dringt die Revision durch.
Zunächst hat das Berufungsgericht nicht aufgeklärt, ob es sich bei der
angegriffenen Bestimmung über die Zahlung von Steuern und Gebühren nach
lettischem Recht um eine Preisabrede im Sinn des § 6 Abs. 3 Nr. 5 des
lettischen Verbraucherschutzgesetzes handelt oder um eine Preisnebenabrede,
die gegebenenfalls einem anderen Kontrollmaßstab unterliegt. Weiter hat das
Berufungsgericht die angegriffene "Reiseinformation" unter Berufung auf §
305 Abs. 1 Satz 2 BGB als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinn des
Bürgerlichen Gesetzbuchs qualifiziert, obwohl diese nicht in die Allgemeinen
Reisebedingungen aufgenommen wurde. Für das deutsche Recht entspricht dies
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 133, 184, 187 f.). Ob
es sich jedoch auch um Vertragsbedingungen (līguma noteikumi) im Sinn von §
6 des lettischen Verbraucherschutzgesetzes handelt, hat das Berufungsgericht
nicht aufgeklärt.
44 III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache ist zu neuer
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
45 Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Berufungsgericht zu beachten
haben, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach
Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nur soweit reicht, als die unerlaubte Handlung in der
Bundesrepublik Deutschland begangen worden ist (vgl. EuGH, Urt. v. 7.3.1995,
C-68/93, Slg. 1995, I-415 = NJW 1995, 1881 Tz. 33 - Fiona Shevill/Presse
Alliance SA); dies entspricht dem auf die Bundesrepublik Deutschland
beschränkten Geltungsanspruch des der Klage zugrunde liegenden
Unterlassungsanspruchs nach § 4a UKlaG. Ungeachtet ihrer
materiellrechtlichen Beurteilung nach lettischem Recht kann die Verwendung
der Reiseinformation durch die deutschen Gerichte der Beklagten daher nur
für die Bundesrepublik Deutschland untersagt werden. |