Verschuldensunabhängige
Haftung für anfängliche Mängel beim Mietvertrag gem. § 536a I BGB;
Voraussetzungen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte;
Haftungsbegrenzung durch AGB, überraschende Klausel
BGH, Urteil vom 21. Juli
2010 - XII ZR 189/08
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) War ein Bauteil der Mietsache
aufgrund seiner fehlerhaften Beschaffenheit bei Vertragsschluss bereits in
diesem Zeitpunkt für ihren Zweck ungeeignet und damit unzuverlässig, liegt
ein anfänglicher Mangel der Mietsache vor.
b) Auch dritte, an einem Mietvertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen
können in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen werden. Ihnen gegenüber
ist der Schuldner zwar nicht zur Leistung, wohl aber unter Umständen zum
Schadensersatz verpflichtet (im Anschluss an BGHZ 49, 350).
c) Ein Überraschungseffekt im Sinne von § 305 c BGB kann sich aus der
Stellung der Klausel im Gesamtwerk der allgemeinen Geschäftsbedingungen
ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sie in einem systematischen
Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht
(im Anschluss an das Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 - XII ZR 109/08 - NJW
2010, 671).
Zentrale Probleme:
Eine überaus lehrreiche Entscheidung zum Mietrecht, die
ein klassischer Klausurfall sein könnte. Im Mittelpunkt steht die
verschuldensunabhängige Haftung nach § 536a I BGB (hier war noch die
gleichlautende Vorschrift des alten Mietrechts anwendbar, § 538 BGB a.F.).
Wichtig ist die Abgrenzung zwischen einem anfänglichen und einem
nachträglichen Mangel, da die verschuldensunabhängige Haftung nur für den
ersteren besteht. Entscheidend ist, ob der Mieter bei Kenntnis des Zustands
der Mietsache von dem Vermieter Abhilfe verlangen könnte. Da die strenge
Haftung aber dispositiven Rechts ist, stellte sich die Frage der Wirksamkeit
des Haftungsausschlusses durch AGB. An § 309 Nr. 7a BGB konnte er nicht
scheitern, weil es dort um den Ausschluß der Haftung für Verschulden geht.
Im konkreten Fall war die Klausel so in einer anders überschriebenen Klausel
versteckt, daß sie an der Einbeziehungskontrolle nach § 305c BGB scheiterte.
Deshalb konnte ein Verstoß gegen § 307 I BGB offen gelassen werden.
Weiter legt die Entscheidung schulmäßig die Voraussetzungen des Vertrags mit
Schutzwirkung für Dritte dar. Lesen!
©sl 2010
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten im Revisionsverfahren um Feststellung
der Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 4 aus einem Unfallgeschehen am
15. August 1996.
2 Die Klägerin war Angestellte der F. GmbH, die ihren Geschäftsbetrieb
mittlerweile eingestellt hat. Die Geschäftsräume, in denen die Klägerin für
die GmbH tätig war, waren von der Beklagten zu 4 angemietet. In § 6 des
Formularmietvertrages war folgendes geregelt:
"§ 6 Aufrechung, Zurückbehaltung
1. Der Mieter kann ein Minderungsrecht am Mietzins nur ausüben, wenn er
dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit dem Vermieter schriftlich
angekündigt hat. Der Mieter hat die Mietsache eingehend besichtigt, ihm
stehen Mietminderungsansprüche wegen etwaiger Mängel im Zeitpunkt der
Überlassung nicht zu. Eine Aufrechnung und Zurückbehaltung des Mieters
gegenüber Forderungen auf Mietzins und Nebenkosten ist nur mit
unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig.
2. Zurückbehaltung und Aufrechnung wegen Ansprüchen aus einem anderen
Schuldverhältnis sind ausgeschlossen, es sei denn, es handele sich um
unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen.
Ersatzansprüche nach § 538 BGB sind ausgeschlossen, es sei denn, der
Vermieter hat vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt. Gleiches gilt
für Schadensersatzansprüche des Mieters bei nicht rechtzeitiger
Freimachung oder Fertigstellung der Mietsache."
3 Die Mieträume waren 1990 fertig gestellt und wurden im Juli
1991 von der GmbH bezogen.
4 Am 15. August 1996 löste sich der in Kippstellung befindliche
Fensterflügel im Arbeitszimmer der Klägerin aus dem Rahmen, traf die
Klägerin auf den Hinterkopf und verletzte sie erheblich. Die Klägerin erlitt
dadurch eine Schädelprellung bzw. ein Schädel-Hirntrauma sowie eine
Peitschenschlagverletzung der HWS und eine Tinnituserkrankung. Mit der im
August 1999 eingegangenen Klage hat die Klägerin Feststellung einer
Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt. Über das Vermögen der Beklagten
zu 2, die die Fenster mit Beschlägen versehen und diese eingebaut hatte, ist
im Februar 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das Verfahren ist
insoweit unterbrochen. Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu
1, 3 und 4 abgewiesen. Die Beklagte zu 3 ist die Herstellerin der
streitgegenständlichen Fensterbeschläge, der Beklagte zu 1 deren
Kommanditist.
5 Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage gegen
die Beklagte zu 3 unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung
stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihr Begehren gegen die Beklagte zu 4 weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat Erfolg und führt zur antragsgemäßen Verurteilung auch der
Beklagten zu 4.
I.
7 Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in ZMR 2008, 787 veröffentlicht
ist, hat die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil
hinsichtlich der Beklagten zu 4 als Vermieterin der Gewerberäume
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Feststellungsklage sei
trotz der Möglichkeit zur teilweisen Bezifferung der Schadensersatz- und
Schmerzensgeldansprüche insgesamt zulässig. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin durch den heruntergefallenen
bzw. herausgebrochenen rechten Flügel des in ihrem Arbeitszimmer
befindlichen Fensters verletzt worden sei. Das Herabfallen des Fensters sei
nicht auf einen Bedienungsfehler der Klägerin, sondern auf die
herausgedrehte Scharnierschraube zurückzuführen. Dies wiederum beruhe auf
einem Konstruktionsfehler, zumal der Beschlagbolzen nicht hinreichend gegen
ein Herausdrehen gesichert gewesen sei. Es sei üblich, einen Bandbolzen
seitlich mittels eines kleinen Bolzens und einer kleinen
Innensechskantschraube zu sichern. Eine solche Sicherung sei dem hier
verwendeten selbstverklemmenden Gewinde vorzuziehen. Der Funktionsverlust
des von der Beklagten zu 3 konstruierten Bandbolzens sei auf das Eindringen
von Flüssigkeit wie Wasser und Fensterputzmittel mit entsprechenden
fettlösenden Eigenschaften zurückzuführen. Die dann einsetzende Korrosion
habe den Reibungswiderstand erhöht und die Funktionsfähigkeit des
Bandbolzenscharniers beeinträchtigt, so dass sich der Bandbolzen im
Gewindeteil gelöst und stückweise bei den Öffnungen des Fensters nach unten
herausgedreht habe. Durch das Unfallgeschehen habe die Klägerin als
Primärverletzung eine Schädelprellung bzw. ein Schädel-Hirntrauma sowie eine
Peitschenschlagverletzung der HWS erlitten. Auch die von der Klägerin
geltend gemachte Tinnituserkrankung sei auf das Unfallgeschehen
zurückzuführen. Ein die Haftungsquote reduzierendes Mitverschulden der
Klägerin sei nicht festzustellen.
8 Die Klage gegen die Beklagte zu 4 habe das Landgericht allerdings zu Recht
abgewiesen. Zwar sei ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 4 aus §
538 Abs. 1 BGB a.F. durchaus zu erwägen. Die Klägerin sei zwar nicht selbst
Partei des Mietvertrages, jedoch in den Schutzbereich des von ihrer
Arbeitgeberin mit der Beklagten zu 4 am 8. Dezember 1992 abgeschlossenen
Mietvertrages mit einbezogen worden. Die Haftung der Beklagten zu 4 sei
allerdings in § 6 Nr. 2 des Mietvertrages wirksam auf die hier unzweifelhaft
nicht vorliegenden Fälle vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handels des
Vermieters beschränkt worden. Die Haftung des Vermieters nach § 538 BGB a.
F. könne grundsätzlich vertraglich ausgeschlossen oder begrenzt werden und
zwar
- 7 -
auch durch Formularvertrag wegen Mängeln der Mietsache, die nicht
vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt seien. Der vorliegende
Haftungsausschluss für fahrlässiges Handeln des Vermieters sei im
Gewerberaummietrecht zulässig. Zwar habe der Bundesgerichtshof für die
Wohnraummiete einen Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit für
unwirksam erachtet, wenn es sich um die Verletzung vertragswesentlicher
Pflichten, also um Kardinalpflichten des Vermieters handele, auf deren
Erfüllung der Mieter angewiesen sei. Das sei der Fall, wenn sich der Mieter
von diesem Schadensrisiko nicht durch Abschluss eines allgemein angebotenen
Versicherungsvertrages schützen könne. Davon könne bei
Wohnraummietverträgen, nicht aber bei Gewerberaummietverträgen ausgegangen
werden. Eine Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses in § 6 Nr. 2 Satz 2 des
Mietvertrages ergebe sich auch nicht aus einer Verletzung des in § 307 Abs.
1 Satz 2 BGB geregelten Transparenzgebots. Die mietvertragliche
Ausschlussklausel sei hinreichend klar und verständlich formuliert. Die von
der Klägerin in Bezug genommene Rechtsprechung zu Klauseln, in denen auf
gesetzliche Vorschriften Bezug genommen werde, ohne diese in ihrem Inhalt zu
beschreiben, sei nicht einschlägig. Die Klausel sei nicht einschränkend auf
materielle Folgeschäden unter Ausschluss von Gesundheitsschäden auszulegen.
9 Eine Haftung der Beklagten zu 4 aus § 836 Abs. 1 BGB scheitere daran, dass
sie den ihr gemäß § 836 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Entlastungsbeweis
geführt habe. Sie habe die zur Abwendung der Gefahr im Verkehr erforderliche
Sorgfalt beachtet. Die erstmals in der Berufungsbegründung aufgestellte
Behauptung, die Zeugin M. habe den Hausmeister S. bereits vor dem Unfall
mehrfach darauf hingewiesen, dass sich Fenster gelöst hatten und nur im
letzten Moment aufgefangen werden konnten, sei gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO
nicht mehr zuzulassen.
II.
10 Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
11 1. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist die
Beklagte zu 4 der Klägerin gemäß § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB a.F. (jetzt §
536 a Abs.1 1. Alt. BGB) für den Schaden aus dem Unfallgeschehen vom 15.
August 1996 ersatzpflichtig.
12 a) Die Beklagte zu 4 haftet aus der Garantiehaftung des § 538 Abs. 1
1. Alt. BGB a.F. für die Schäden der Klägerin.
13 aa) Die Fenster in den gemieteten Gewerberäumen waren mit einem
Konstruktionsfehler behaftet, der eine Abweichung der Istbeschaffenheit von
der vertraglich vorgesehenen Sollbeschaffenheit und somit einen Fehler der
Mietsache begründet. Indem der Beschlagbolzen des Fensterflügels durch einen
Konstruktionsfehler nicht hinreichend gegen ein Herausdrehen gesichert war,
war diese Sollbeschaffenheit nicht sicher gestellt. Weil sich der Fehler des
Beschlagbolzens auf die Belüftung der Büroräume und somit auf den konkreten
Mietgebrauch auswirkte, begründete er einen Mangel der Mietsache im Sinne
des § 538 Abs. 1 BGB a.F. (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2008 - XII ZR
1/07 - NJW 2009, 664 Tz. 18 ff.).
14 bb) Der Mangel der Mietsache war bereits bei Fertigstellung und
Übergabe der Mietsache sowie bei Abschluss des Mietvertrages vorhanden.
Damit handelt es sich um einen anfänglichen Mangel im Sinne des § 538 Abs. 1
1. Alt. BGB a.F., der eine Garantiehaftung des Vermieters auslöst.
Entscheidend für die Einstufung als anfänglicher Mangel ist nicht, wann
durch den vorhandenen Mangel ein Schaden entstanden ist, sondern ob der
Mangel selbst bereits bei Vertragsschluss vorhanden war. Das ist auch dann
der Fall, wenn der Mangel und die daraus folgende Gefahr der Mieterin bei
Vertragschluss noch nicht bekannt waren (RGZ 81, 200, 202). Die
Abgrenzung zwischen der auf einem anfänglichen Mangel beruhenden
Garantiehaftung und der verschuldensabhängigen Haftung aufgrund eines
nachträglich entstandenen Mangels kann allerdings schwierig sein, wenn - wie
hier - ein Bauteil der Mieträume erst später funktionsuntüchtig geworden
ist. Beruht dies allein auf Alterungs- oder Verschleißprozessen, entsteht
der Mangel erst später mit dem Verschleiß. Nicht jedes später
funktionsuntüchtig werdende Bauteil kann also bereits als im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses latent mangelhaft angesehen werden. War ein Bauteil
aufgrund seiner fehlerhaften Beschaffenheit bei Vertragsschluss allerdings
bereits in diesem Zeitpunkt für die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache
ungeeignet und damit unzuverlässig, liegt ein anfänglicher Mangel vor
(Hübner/ Griesbach/Schreiber in Lindner-Figura/Opree/Stellmann
Geschäftsraummiete 2. Aufl. Kap. 14 Rdn. 316; Staudinger/Emmerich BGB [2006]
§ 536 a Rdn. 3, 8; BGH Urteil vom 27. März 1972 - VIII ZR 177/70 - NJW 1972,
944, 945; BVerfG NJW-RR 1999, 519, 520).
15 Anfänglich ist ein Mangel also dann, wenn sich die Schadensursache in
die Zeit vor Vertragsschluss zurückverfolgen lässt. Ein Baufehler ist auch
dann ein anfänglicher Mangel, wenn er den Mietgebrauch erst später konkret
beeinträchtigt oder für einen Schaden des Mieters ursächlich wird (vgl.
BGH Urteil vom 22. Januar 1968 - VIII ZR 195/65 - NJW 1968, 885, 886;
Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts
10. Aufl. Rdn. 332; Bub/Treier/Kraemer Handbuch der Geschäfts- und
Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. III Rdn. 1380). Ausreichend ist mithin, wenn
bei Vertragsschluss die Gefahrenquelle vorhanden war oder die
Schadensursache vorlag (Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 9. Aufl.
§ 536 a Rdn. 7). Wenn der Mieter bei Kenntnis des Zustands der Mietsache
von dem Vermieter Abhilfe verlangen könnte, liegt bereits in diesem
Zeitpunkt ein Mangel vor.
16 Danach lag im vorliegenden Fall ein anfänglicher Mangel vor, weil das
spätere Schadensereignis und die Verletzung der Klägerin auf einen
Konstruktionsmangel zurückzuführen sind, der dem Beschlag des Fensterflügels
schon bei Vertragsschluss anhaftete. Das Schadensereignis ist nicht etwa
auf bloßen Verschleiß zurückzuführen, sondern darauf, dass die Konstruktion
zwangsläufig zu dem späteren Schaden führte und lediglich der
Schadenseintritt noch ungewiss war. Insoweit unterscheidet sich der Fall von
dem der Entscheidung des BGH vom 26. März 1957 (VIII ZR 6/56 - LM Nr. 3 zu §
538 BGB) zugrunde liegenden Fall. Dort lag allein durch die unzweckmäßige
Verlegung der Wasserleitung für sich genommen noch kein Mangel vor.
17 cc) Weil der Schadensersatzanspruch somit auf der Garantiehaftung der
Vermieterin aus § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB a.F. beruht, kommt es nicht darauf
an, ob die Beklagte zu 4 auch ein Verschulden an dem Mangel der Mietsache
trifft.
18 b) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 538 Abs. 1
BGB a.F. zu, obwohl sie selbst nicht Mieterin der Gewerberäume der Beklagten
zu 4 ist. Denn sie ist als Angestellte der Mieterin in den Schutzbereich
des Mietvertrages mit der Beklagten zu 4 einbezogen.
19 aa) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch dritte, an einem
Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen in den Schutzbereich des
Vertrages einbezogen werden können. Ihnen gegenüber ist der Schuldner zwar
nicht zur Leistung, wohl aber unter Umständen zum Schadensersatz
verpflichtet. Zu den Verträgen mit Schutzwirkung für Dritte gehört
insbesondere auch der Mietvertrag (BGHZ 49, 350, 353 = WM 1968, 438, 439
m.w.N.). Die Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung eines Vertrages
beruht darauf, dass die dritte Person wie der Mieter selbst mit der Leistung
des Vermieters in Berührung kommt, also eine gewisse Leistungsnähe
vorliegt. Weiter ist erforderlich, dass der Mieter der dritten Person etwa
aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Schutz und Fürsorge zu gewährleisten
hat, was ein Einbeziehungsinteresse des Dritten begründet und dies
für den Vermieter erkennbar ist. Dann entspricht es Sinn und Zweck
des Vertrages sowie Treu und Glauben, dass dem Dritten der Schutz des
Vertrages in gleicher Weise zugute kommt wie dem Gläubiger selbst (BGHZ
49, 350, 353 f. = NJW 1968, 885, 887; Schmidt-Futterer/Eisenschmid aaO § 536
a Rdn. 77).
20 bb) Auf der Grundlage dieser ständigen Rechtsprechung ist die Klägerin in
den Schutzbereich des Vertrages ihrer Arbeitgeberin mit der Beklagten zu 4
einbezogen. Als Arbeitnehmerin hatte sie zu den angemieteten Büroräumen eine
ebenso starke Leistungsnähe wie die Vermieterin selbst. Die Mieterin ist ihr
aufgrund des Dienstverhältnisses zu Schutz und Fürsorge verpflichtet, was
ein Interesse an der Einbeziehung der Klägerin in die Schutzwirkungen des
Vertrages begründet. Schadensersatzansprüche nach § 538 Abs. 1 BGB a.F.
stehen somit auch der Klägerin persönlich zu.
21 2. Die Garantiehaftung der Beklagten zu 4 aus § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB
a.F. ist entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht wirksam
vertraglich ausgeschlossen worden.
22 a) Zwar ist § 538 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt § 536 a Abs. 1 BGB)
dispositiv, so dass individualvertraglich abweichende Abreden in den Grenzen
der §§ 540 BGB a.F. (jetzt § 536 d BGB), 138, 242 BGB zulässig sind
(Staudinger/ Emmerich aaO § 536 a Rdn. 44; Schmidt-Futterer/Eisenschmid aaO
§ 536 a Rdn. 101; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 536 a Rdn. 36). Die
verschuldensunabhängige Garantiehaftung des § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB a.F.
(jetzt § 536 a Abs. 1 1. Alt. BGB) kann nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs auch durch Formularverträge wirksam abbedungen werden
(Senatsurteile vom 3. Juli 2002 - XII ZR 327/00 - NJW 2002, 3232, 3233; vom
27. Januar 1993 - XI ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 519, 520 und vom 4. Oktober
1990 - XII ZR 46/90 - NJW-RR 1991, 74, 75; Staudinger/Emmerich aaO § 536 a
Rdn. 45; Blank/Börstinghaus aaO § 536 a Rdn. 36). Darauf, ob im
Gewerberaummietrecht die verschuldensabhängige Haftung nach § 538 Abs. 1 2.
Alt. BGB a.F. (jetzt § 536 a Abs. 1 2. Alt. BGB) ebenfalls durch
Formularverträge ausgeschlossen werden kann oder dies besonderen Schranken
unterliegt (zum Wohnungsmietrecht vgl. BGHZ 149, 89 96 ff. = NJW 2002, 673,
675 und Staudinger/Emmerich aaO § 536 a Rdn. 45), kommt es hier nicht an,
weil die Beklagte zu 4 verschuldensunabhängig auf der Grundlage der
Garantiehaftung des § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB a.F. haftet.
23 b) Der im Vertrag zwischen der Beklagten zu 4 und der Arbeitgeberin der
Klägerin vereinbarte - grundsätzlich zulässige - Haftungsausschluss
scheitert hier bereits an § 3 AGBG a.F. (jetzt § 305 c BGB).
24 Die grundsätzlich zulässige Abänderung dispositiver gesetzlicher
Regelungen durch allgemeine Geschäftsbedingungen findet ihre Grenzen in den
Vorschriften des früheren AGB-Gesetzes (jetzt §§ 305 ff. BGB). Zwar sind die
Klauselverbote der §§ 10, 11 AGBG a.F. (jetzt §§ 308, 309 BGB) nach § 24
Satz 1 AGBG a.F. (jetzt § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht anwendbar, wenn sie
im Rahmen eines gewerblichen Mietvertrages gegenüber einem Unternehmer
verwendet werden. Auch in solchen Fällen kann die Inhaltskontrolle nach § 9
AGBG a.F. (jetzt § 307 BGB) allerdings zur Unwirksamkeit einer allgemeinen
Geschäftsbedingung führen, insbesondere wenn sich die Regelung noch weiter
als im Rahmen der mietrechtlichen Praxis erforderlich vom gesetzlichen
Leitbild entfernt und zu einer unangemessenen Verschärfung der vertraglichen
Pflichten zu Lasten des Mieters führt oder wenn ein Verstoß gegen das
Transparenzgebot des § 9 AGBG a.F. (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Gesetz 9.
Aufl. § 9 Rdn. 87 ff.; jetzt § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vorliegt. Außerdem
müssen sich allgemeine Geschäftsbedingungen an § 3 AGBG a.F. (jetzt § 305 c
BGB) messen lassen, wonach überraschende oder mehrdeutige Klauseln nicht
Vertragsbestandteil werden. Die nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts vorliegende Formularvereinbarung verstößt gegen diese
Vorschriften.
25 aa) Eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen ist überraschend
im Sinne von § 3 AGBG a.F. (jetzt § 305 c Abs. 1 BGB), wenn sie nach ihrem
Inhalt oder nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren
Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich ist, dass der
Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihr zu rechnen brauchte.
26 Der Ausschluss der Garantiehaftung für anfängliche Mängel der Mietsache
ändert zwar die gesetzlich in § 538 Abs. 1 1. Alt. BGB a.F. vorgegebene
Rechtslage ab. Eine solche vertragliche Vereinbarung ist aber - wie auch
der Rechtsprechung des Senats zu entnehmen ist - durchaus gebräuchlich und
nicht ungewöhnlich. Der Bundesgerichtshof und auch der Senat haben
wiederholt über die Wirksamkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen mit
Ausschluss der Garantiehaftung für anfängliche Mängel der Mietsache
entschieden (Senatsurteile vom 3. Juli 2002 - XII ZR 327/00 - NJW 2002,
3232, 3233; vom 27. Januar 1993 - XI ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 519, 520 und
vom 4. Oktober 1990 - XII ZR 46/90 - NJW-RR 1991, 74, 75). Die Arbeitgeberin
der Klägerin als Mieterin musste folglich bei Abschluss des Vertrages auch
mit einer solchen Klausel rechnen, was der in den Schutzbereich des
Mietvertrages einbezogenen Klägerin zuzurechnen ist.
27 Ein Überraschungseffekt im Sinne von § 3 AGBG a.F. (jetzt § 305 c BGB)
kann sich aber auch aus der Stellung der Klausel im Gesamtwerk der
allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben. Dabei kommt es allerdings
nicht darauf an, an welcher Stelle des Klauselwerks die entsprechende
Klausel steht, weil alle Bestimmungen grundsätzlich gleich bedeutsam sind
und nicht durch die Platzierung einer Vorschrift im Klauselwerk auf deren
Bedeutung geschlossen werden kann. Aus der Stellung der Klausel kann sich
ein Überraschungseffekt vielmehr dann ergeben, wenn diese in einem
systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu
erwarten braucht (Senatsurteil vom 9. Dezember 2009 - XII ZR 109/08 -
NJW 2010, 671 Tz. 16 f.). Das ist hier allerdings der Fall. Der Ausschluss
der Garantiehaftung für anfängliche Mängel ist in § 6 Nr. 2 des
Formularmietvertrages geregelt, der mit "§ 6 Aufrechnung, Zurückbehaltung"
überschrieben ist. In Nummer 1 der Vorschrift ist eine Mietminderung für
vorhandene Mängel ausgeschlossen und das Recht der Mieterin zur Aufrechnung
und Zurückbehaltung des Mietzinses geregelt. Nummer 2 der Vorschrift
schränkt ergänzend auch das Zurückbehaltungsrecht und die Aufrechnung mit
streitigen und noch nicht rechtskräftig festgestellten Forderungen aus einem
anderen Rechtsverhältnis ein. Innerhalb dieses Regelungszusammenhangs sind
sodann auch "Ersatzansprüche nach § 538 BGB" a.F. ausgeschlossen. Diese
Stellung ist so ungewöhnlich, dass die Mieterin als Vertragspartnerin des
Verwenders der AGB nicht damit rechnen musste. Nach § 305 c Abs. 1 BGB ist
die Vorschrift deswegen nicht Vertragsbestandteil geworden.
28 bb) Ob die genannte Klausel auch der Inhaltskontrolle des § 9 AGBG (jetzt
§ 307 BGB) standhält, kann deswegen dahinstehen.
29 (1) Allerdings sind nach § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB)
Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den
Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen benachteiligen. Eine solche unangemessene Benachteiligung kann
sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich
ist (Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Gesetz aaO § 9 Rdn. 87 ff., jetzt § 307 Abs.
1 Satz 2 BGB; zum Verhältnis zu § 305 c Abs. 1 BGB Staudinger/Köster BGB
[2006] § 307 Rdn. 172, 208). Nach diesem Transparenzgebot sind Verwender
allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und
Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst
klar und durchschaubar darzustellen (Palandt/Grüneberg BGB 69. Aufl. § 307
Rdn. 17). Dazu gehört auch, dass allgemeine Geschäftsbedingungen
wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies
nach den Umständen gefordert werden kann (BGHZ 164, 11, 16 = NJW-RR 2005,
1496, 1498 und 165, 12, 21 f. = NJW 2006, 996, 997 f. m.w.N.; Fuchs in
Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht 10. Aufl. § 307 BGB Rdn. 335). Bei der
Bewertung der Transparenz ist auf die Erwartungen und
Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des
Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (Senatsurteile vom
9. Dezember 2009 - XII ZR 109/08 - NJW 2010, 671 Tz. 22; vom 7. Mai 2008 -
XII ZR 5/06 -GuT 2008, 339 Tz. 18; vom 16. Mai 2007 - XII ZR 13/05 - NZM
2007, 516 Tz. 14 und vom 12. Juli 2006 - XII ZR 39/04 - NJW 2006, 3057 Tz.
14 f.). Dabei sind allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven
Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von
verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen
der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (Senatsurteil BGHZ
178, 158 = NJW 2008, 3772 Tz. 14).
30 Zwar ist das Transparenzgebot im Geschäftsverkehr mit Unternehmen nicht
in gleicher Strenge wie gegenüber Verbrauchern anzuwenden. Insbesondere kann
bei Unternehmen aufgrund ihrer Geschäftserfahrung sowie aufgrund der
Maßgeblichkeit von Handelsgewohnheiten und Handelsbräuchen von einer
besseren Erkenntnis- und Verständnismöglichkeit ausgegangen werden
(Senatsurteil vom 16. Mai 2007 - XII ZR 13/05 - NZM 2007, 516 Tz. 19; Fuchs
in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht aaO § 307 BGB Rdn. 371 ff.). Deswegen
kann ihnen aber nicht zugleich ein umfassendes juristisches Verständnis
unterstellt werden.
31 Ob eine Formularklausel der gebotenen Transparenz nur dann stand hält,
wenn sie aus sich heraus verständlich ist (OLG Schleswig NJW 1995, 2858,
2859; OLG Köln 6 U 72/97 veröffentlicht bei juris; OLG Düsseldorf NJW-RR
1997, 1150, 1152; Schmidt-Futterer/Blank aaO § 545 Rdn. 31; vgl. auch Fuchs
in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht aaO § 307 BGB Rdn. 338) und lediglich
ergänzend die gesetzliche Vorschrift hinzufügt (vgl. insoweit BGH Urteil vom
15. Mai 1981 - VIII ZR 38/90 - NJW 1991, 1750, 1751) oder der bloße
Ausschluss von „Ersatzansprüchen" unter Bezug auf eine gesetzliche
Vorschrift dem Transparenzgebot genügt, kann hier dahinstehen.
32 (2) Ebenso kann dahinstehen, ob der Ausschluss der Haftung für leicht
fahrlässig verursachte spätere Mängel der Mietsache auch hinsichtlich
typischer Gefahren für Leben und Gesundheit wirksam ist und das Verbot einer
geltungserhaltenden Reduktion zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führt.
33 3. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Beklagte zu 4 der in den
Schutzbereich des Mietvertrages einbezogenen Klägerin für die auf dem
anfänglichen Mangel der Mietsache beruhenden Schäden ersatzpflichtig. Der
Anspruch ist durch die Formularklausel des § 6 Nr. 2 Satz 2 nicht wirksam
abbedungen. Die Feststellungsklage hat deswegen auch gegen die Beklagte zu 4
Erfolg. |