Materiellrechtliche
Einwendungen im Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung nach Art. 38 ff
EuGVO ("Brüssel I-VO"); Reichweite des Verbots der "revision au fond";
Einwand der Erfüllung
BGH, Beschluss vom 14. März
2007 - XII ZB 174/04
Fundstelle:
noch nicht bekannt
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) Im Verfahren der
Vollstreckbarerklärung nach der Brüssel I-VO haben die Gerichte des
Vollstreckungsstaates bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens
uneingeschränkt zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die ausländische
Entscheidung im Ursprungsstaat bereits aufgehoben worden ist.
b) Der Schuldner kann mit einem Rechtsbehelf nach Art. 43 Brüssel I-VO keine
sachlichen Einwendungen gegen einen titulierten Unterhaltsanspruch erheben,
die im Wege einer Abänderungsklage geltend zu machen wären (Fortführung des
Senatsurteils vom 31. Januar 1990 - XII ZR 38/89 - FamRZ 1990, 504 ff.)
c) Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO beschreibt den Prüfungsrahmen, in dem die
Rechtsbehelfsgerichte des Vollstreckungsstaates zum einen den materiellen
Gehalt der ausländischen Entscheidung und zum anderen ihr Zustandekommen zum
Anlass für eine Versagung oder Aufhebung der Vollstreckbarerklärung nehmen
dürfen; diese Vorschrift schließt es dagegen nicht aus, die ausländische
Entscheidung wegen solcher Umstände nicht zur Zwangsvollstreckung im Inland
zuzulassen, die erst nachträglich entstanden sind und daher bei der
Entscheidungsfindung im Erststaat nicht berücksichtigt werden konnten.
d) Im Verfahren über einen Rechtsbehelf nach Art. 43 Brüssel I-VO kann der
Schuldner auf der Grundlage des § 12 AVAG einwenden, dass die im
Ursprungsstaat titulierte Forderung nachträglich ganz oder teilweise erfüllt
worden sei. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der von dem Schuldner erhobene
Erfüllungseinwand unstreitig ist.
Gründe:
I.
1 Die Parteien streiten um die Vollstreckbarerklärung eines italienischen
Unterhaltstitels.
2 1. Die Parteien sind geschiedene Eheleute italienischer
Staatsangehörigkeit; der Antragsgegner hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland. In einem am 18. September 2000 in Italien eingeleiteten
Unterhaltsrechtsstreit ist der Antragsgegner durch Urteil des Tribunale
(Landgericht) di Pordenone vom 24. September 2002 verurteilt worden, an die
Antragstellerin einen monatlichen Scheidungsunterhalt in Höhe von 700 € und
einen monatlichen Beitrag zum Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn
Alessandro in Höhe von 1.000 € zu zahlen, wobei die Unterhaltsrenten auch
ohne entsprechenden Antrag einer jährlichen Anpassung entsprechend dem
Lebenshaltungskostenindex des italienischen staatlichen Amtes für Statistik
(ISTAT) unterliegen sollten.
3 Durch einen bei dem Landgericht München I angebrachten "Antrag auf
Klauselerteilung nach der EuGVO" vom 11. August 2003 begehrte die
Antragstellerin, das Urteil des Tribunale di Pordenone mit der deutschen
Vollstreckungsklausel zu versehen, wobei die Höhe des monatlichen Unterhalts
ab Januar 2003 aufgrund der Anpassungsklausel für den Scheidungsunterhalt
auf 718,90 € und für den Kindesunterhalt auf 1.027 € gestiegen war. Am 5.
November 2003 erteilte der Vorsitzende der zuständigen Zivilkammer bei dem
Landgericht die Klausel zur Zwangsvollstreckung für einen "monatlichen
Unterhalt in Höhe von 1.700,00 € für die Zeit vom Oktober 2002 bis Dezember
2002 und in Höhe von 1.745,90 € ab Januar 2003".
4 Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde des Antragsgegners. Im
Beschwerdeverfahren machte er geltend, dass die Corte di Appello
(Berufungsgericht) di Trieste durch Urteil vom 2. Mai 2003 auf die Berufung
des Antragsgegners gegen die im Urteil des Tribunale di Pordenone
ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Scheidungsunterhalt entschieden
habe, dass der Antragstellerin nur ein Scheidungsunterhalt in monatlicher
Höhe von 500 € zustehe. Den durch Urteil des Tribunale di Pordenone
zuerkannten Kindesunterhalt habe er stets unaufgefordert und pünktlich
gezahlt. Ferner hätten sich die Verhältnisse seit Erlass des
Berufungsurteils im italienischen Unterhaltsrechtsstreit insoweit verändert,
als der Antragsgegner am 12. Februar 2004 in Deutschland erneut Vater
geworden und seit diesem Zeitpunkt sowohl dem Kind als auch der Kindesmutter
zum Unterhalt verpflichtet sei.
5 Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und
ausgesprochen, dass das Urteil des Tribunale di Pordenone mit der
Vollstreckungsklausel zu versehen sei, soweit der Antragsgegner darin zur
Zahlung von Kindesunterhalt in monatlicher Höhe von 1.000 € im Zeitraum von
Oktober 2002 bis Dezember 2002 und in monatlicher Höhe von 1.027 € für die
Zeit ab Januar 2003 sowie zur Zahlung von Scheidungsunterhalt in monatlicher
Höhe von 700 € im Zeitraum von Oktober 2002 bis Dezember 2002 und in
monatlicher Höhe von 718,90 € im Zeitraum von Januar 2003 bis April 2003
verurteilt wurde. Darüber hinaus hat es das Urteil der Corte di Appello di
Trieste vom 2. Mai 2003 durch Erteilung der Vollstreckungsklausel wegen der
Zahlung des - auf monatlich 500 € verringerten - Scheidungsunterhalts für
den Zeitraum ab Mai 2003 für vollstreckbar erklärt.
6 Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Antragsgegner nur gegen die
Erteilung der Vollstreckungsklausel für das erstinstanzliche Urteil des
Tribunale di Pordenone. Er will erreichen, dass insoweit sämtliche von ihm
vorgebrachten Einwendungen im Rechtsbehelfsverfahren Berücksichtigung
finden.
7 2. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung auszugsweise in EuLF 2004,
199 wiedergegeben ist, hat ausgeführt, dass die Vorschriften der Verordnung
(EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, ABl. EG 2001, Nr. L 12, 1 - im Folgenden:
Brüssel I-VO) anzuwenden seien. Die Antragstellerin habe ein Wahlrecht, ob
sie ihren Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel auf die
Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und
Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (BGBl 1986
II, 826 - im Folgenden: HUVÜ 73) oder auf die Vorschriften der Brüssel I-VO
stützen wolle.
8 Der Antragsgegner könne sich im Beschwerdeverfahren nur darauf berufen,
dass das Urteil des Tribunale di Pordenone in der Berufungsinstanz durch die
Corte di Appello di Trieste bezüglich des Scheidungsunterhalts abgeändert
worden sei. Eine weitergehende Prüfung ausländischer Titel könne nicht
erfolgen; insbesondere könne sich der Antragsgegner nicht auf § 12 Abs. 1
AVAG berufen, da Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO den Prüfungsmaßstab
allgemeinverbindlich festlege und § 12 Abs. 1 AVAG insoweit gegen
höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoße. Den Erfüllungseinwand könne der
Antragsgegner daher nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nach § 767
ZPO geltend machen. Soweit der Antragsgegner die Abänderung der
Unterhaltshöhe wegen der Geburt seines weiteren Kindes am 12. Februar 2004
und sonstiger in diesem Zusammenhang stehender Umstände begehre, könne er
allenfalls Abänderungsklage vor dem international zuständigen Gericht
erheben.
II.
9 Die in zulässiger Weise auf die Klauselerteilung für das erstinstanzliche
italienische Urteil beschränkte Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist
gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit Art. 44 Brüssel I-VO und § 15
Abs. 1 AVAG statthaft. Sie ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO), weil der
Rechtssache im Hinblick darauf grundsätzliche Bedeutung zukommt, ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang unter der Geltung der Brüssel I-VO nach
Erlass des ausländischen Titels entstandene sachliche Einwendungen gegen den
titulierten Anspruch im Vollstreckbarerklärungsverfahren zu berücksichtigen
sind.
III.
10 In der Sache hat die Rechtsbeschwerde teilweise Erfolg.
11 1. Das Oberlandesgericht geht im Grundsatz zutreffend davon aus, dass
die italienische Unterhaltsentscheidung im vorliegenden Fall sowohl auf der
Grundlage der Brüssel I-VO als auch auf der Grundlage des HUVÜ 73 in
Deutschland anerkannt und vollstreckt werden kann.
12 Allerdings hat das Oberlandesgericht dabei verkannt, dass die
Vorschriften der Brüssel I-VO hier nicht unmittelbar anwendbar sind. Gemäß
Artt. 66 Abs. 1, 76 Brüssel I-VO gilt die Verordnung nur für solche Klagen,
die nach dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. März 2002 erhoben worden
sind, was hier angesichts des bereits im Jahre 2000 anhängig gewordenen
Unterhaltsrechtsstreits nicht der Fall ist. Indessen werden gemäß Art. 66
Abs. 2 lit. a Brüssel I-VO Entscheidungen, die - wie hier - nach
Inkrafttreten der Verordnung in einem durch Klagerhebung vor diesem
Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren ergangen sind, nach Maßgabe des
Kapitels III (Art. 32 ff. Brüssel I-VO) anerkannt und vollstreckt, wenn die
Klage im Ursprungsmitgliedstaat zu einem Zeitpunkt erhoben wurde, nachdem
das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom
27. September 1968 (BGBl. 1972 II, 774 - im Folgenden: EuGVÜ) sowohl im
Ursprungsmitgliedstaat als auch im ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war.
Dies ist im Verhältnis von Deutschland zu Italien seit Februar 1973 der Fall
gewesen, so dass der erweiterte intertemporale Anwendungsbereich der Brüssel
I-VO auch den hier vorliegenden Sachverhalt erfasst.
13 2. Ausgangspunkt für die Prüfung, nach welchen Regelungen sich das
Verfahren der Vollstreckbarerklärung beurteilt, ist Art. 71 Abs. 1 Brüssel
I-VO.
14 Diese Vorschrift verweist auf vorrangige Spezialabkommen, zu denen auch
das zwischen Deutschland und Italien in Kraft befindliche HUVÜ 73 gehört.
Die Verweisung steht jedoch unter der Maßgabe, dass für den Titelgläubiger
in jedem Fall die Möglichkeit besteht, das Verfahren der
Vollstreckbarerklärung nach den Artt. 38 ff. Brüssel I-VO in Anspruch zu
nehmen (Art. 71 Abs. 2 lit. b Satz 3 Brüssel I-VO), wenn das Spezialabkommen
insoweit keinen Vorrang beansprucht. Ist das Spezialabkommen - wie das HUVÜ
73 - im Hinblick auf die Ausgestaltung des Verfahrens offen, besteht keine
Notwendigkeit, dem Gläubiger eines Unterhaltstitels das effektive
Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der Brüssel I-VO vorzuenthalten. Der
Titelgläubiger kann in diesen Fällen das ihm am zweckmäßigsten erscheinende
Verfahren nach seiner freien Entscheidung aus Artt. 38 ff. Brüssel I-VO
einerseits und dem Spezialabkommen andererseits - in Verbindung mit den
jeweiligen Ausführungsgesetzen - auswählen (Geimer/Schütze, Europäisches
Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. Art. 71 EuGVVO Rdn. 22; Thomas/Putzo/Hüßtege,
ZPO, 27. Aufl. Art. 71 EuGVVO Rdn. 5; Kropholler, Europäisches
Zivilprozessrecht, 8. Aufl. Art. 71 EuGVO Rdn. 5; Rauscher/Mankowski,
Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. Art. 71 Brüssel I-VO Rdn. 18: vgl.
bereits zu Art. 57 EuGVÜ: EuGH Urteil vom 27. Februar 1997 - Rs. C-220/95 -
Slg. I 1997, 1147, 1157 Rdn. 26 ff., 1183 Rdn. 17 - van den Boogaard/Laumen;
MünchKomm-ZPO/Gottwald 2. Aufl. Art. 57 EuGVÜ Rdn. 7; Mankowski IPrax 2000,
188, 189; Hohloch FF 2001, 147, 151, 153). Dieses Wahlrecht hat die
Antragstellerin im vorliegenden Fall bei der Antragstellung eindeutig
zugunsten der Brüssel I-VO ausgeübt.
15 3. Auch unter der Geltung der Brüssel I-VO haben die mit den
Rechtsbehelfen nach Art. 43 und Art. 44 Brüssel I-VO befassten Gerichte bis
zum rechtskräftigen Abschluss des Exequaturverfahrens uneingeschränkt zu
prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die ausländische Entscheidung im
Ursprungsstaat bereits aufgehoben worden ist (vgl. bereits BGH Beschluss vom
30. April 1980 - VIII ZB 34/78 - NJW 1980, 2022). Eine im Ursprungsstaat
aufgehobene Entscheidung kann im Inland nicht anerkannt und demzufolge auch
nicht zur Vollstreckung zugelassen werden, weil die ausländische
Entscheidung im Exequaturstaat keine stärkeren Rechtswirkungen entfalten
kann als im Ursprungsstaat. Dieser selbstverständliche Grundsatz (vgl. auch
die ausdrückliche Regelung in § 84 b Satz 2 der österreichischen
Exekutionsordnung) gilt für die Anerkennungsregimes der Brüssel I-VO bzw.
des EuGVÜ und des HUVÜ 73 gleichermaßen (vgl. Baumann, Die Anerkennung und
Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen [1989], S.
149; insbesondere zum HUVÜ 73: Staudinger/Kropholler, BGB [2003] Anhang III
zu Art. 18 EGBGB Rdn. 163; Verwilghen, Bericht zum HUVÜ 73, BT-Drucks.
10/258, S. 44 Rdn. 57).
16 a) Das Oberlandesgericht hat den Tenor des in der Berufungsinstanz
ergangenen Urteils der Corte di Appello di Trieste vom 2. Mai 2003 dahin
ausgelegt, dass wegen des auf monatlich 500 € verringerten
Scheidungsunterhaltes seit Mai 2003 nur noch aus dem Urteil der Corte di
Appello vollstreckt werden könne, mithin das italienische Berufungsgericht
hinsichtlich des Scheidungsunterhalts für den Zeitraum ab Mai 2003 die
erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und den eigenen Ausspruch an deren
Stelle gesetzt habe. Diese Auslegung und die darauf beruhende Auffassung des
Berufungsgerichts, dass das in der ersten Instanz ergangene Urteil des
Tribunale di Pordenone insoweit für den Zeitraum ab Mai 2003 nicht mehr
anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden könne, lässt Rechtsfehler zum
Nachteil des Antragsgegners nicht erkennen. Soweit es allerdings
hinsichtlich des Scheidungsunterhalts für den Zeitraum ab Mai 2003 das im
Berufungsrechtszug ergangene Urteil der Corte di Appello di Trieste mit der
Vollstreckungsklausel versehen hat, begegnet dies schon deshalb rechtlichen
Bedenken, weil eine Vollstreckbarerklärung von Amts wegen nicht stattfindet
(vgl. Geimer/Schütze aaO Art. 38 EuGVVO Rdn. 30) und es bezüglich der
Vollstreckbarerklärung des italienischen Berufungsurteils an einem
verfahrenseinleitenden Antrag der Antragstellerin fehlt. Insoweit ist die
Entscheidung des Oberlandesgerichts allerdings von dem Antragsgegner zufolge
der Beschränkung seines Rechtsmittels nicht angegriffen worden.
17 b) Ferner geht das Oberlandesgericht - im Einklang mit den
übereinstimmenden Ausführungen der Parteien im Beschwerdeverfahren - davon
aus, dass die Entscheidung der Corte di Appello di Trieste das angefochtene
Urteil des Tribunale di Pordenone wegen des Scheidungsunterhalts von Oktober
2002 bis April 2003 auch hinsichtlich der in erster Instanz zugesprochenen
Höhe von monatlich 700 € bzw. 718,90 € unberührt gelassen habe. Hiergegen
erinnert die Rechtsbeschwerde nichts.
18 4. Die Durchführung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach der
Brüssel I-VO richtet sich in Deutschland nach den Vorschriften des AVAG (§ 1
Abs. 1 Nr. 2 AVAG in der ab 1. März 2005 geltenden Fassung; früher § 1 Abs.
1 Nr. 2 lit. b AVAG a.F.). Gemäß § 12 Abs. 1 AVAG kann der Verpflichtete mit
der Beschwerde, die sich gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus
einer Entscheidung richtet (Art. 43 Brüssel I-VO, §§ 11 ff. AVAG), auch
Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die
Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass der Entscheidung im
Ursprungsstaat entstanden sind.
19 a) Soweit der Antragsgegner indessen geltend macht, dass sich infolge der
durch die Geburt seiner Tochter im Jahre 2004 neu entstandenen
Unterhaltspflichten die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen
Verhältnisse verändert hätten, gehört dieses Vorbringen von vornherein nicht
zu den Einwendungen, die nach § 12 Abs. 1 AVAG berücksichtigt werden können.
20 Das Hinzutreten weiterer Unterhaltsgläubiger stellt einen
Abänderungsgrund im Sinne des § 323 ZPO dar (Wendl/Thalmann, Das
Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 8 Rdn.
159). Auch in den Fällen der Vollstreckbarerklärung von ausländischen
Unterhaltstiteln werden als "Einwendungen gegen den Anspruch selbst" im
Sinne des § 12 Abs. 1 AVAG aber nur solche Einwendungen behandelt, welche
die Rechtskraft des ausländischen Urteils unberührt lassen, den
rechtskräftig zuerkannten Anspruch aber nachträglich vernichten oder in
seiner Durchsetzbarkeit hemmen, also die eigentlichen rechtsvernichtenden
oder rechtshemmenden Einwendungen im Sinne von § 767 Abs. 1 ZPO (vgl.
Baumann aaO S. 151 f.). Der Senat hat bereits im Jahre 1990 für das
Ausführungsgesetz zu einem bilateralen Anerkennungs- und
Vollstreckungsabkommen entschieden, dass aus diesem Grunde schon
rechtssystematisch die Möglichkeit ausscheidet, im Exequaturverfahren den
titulierten Anspruch auf prognosewidrige Veränderungen der
rechtsbegründenden Tatsachen zu überprüfen. Denn eine solche Überprüfung
würde auf eine Durchbrechung der Rechtskraft der ausländischen Entscheidung
zielen (Senatsurteil vom 31. Januar 1990 - XII ZR 38/89 - FamRZ 1990,
504, 506; vgl. auch KG FamRZ 1990, 1376, 1377 mit krit. Anm. Gottwald aaO S.
1377; OLG Köln InVo 1996, 105, 106; OLG Köln FamRZ 2001, 177; OLG Düsseldorf
FamRZ 2002, 1422; Kropholler aaO Art. 43 EuGVO, Rdn. 28).
21 An dieser Auffassung hält der Senat uneingeschränkt fest. Unter der
Geltung der Brüssel I-VO verbietet sich eine Berücksichtigung von
Abänderungsgründen im Exequaturverfahren im Übrigen auch aus Erwägungen des
Gläubigerschutzes. Mit Recht weist das Oberlandesgericht auf den
Gesichtspunkt hin, dass eine Abänderungsklage nur vor dem international
zuständigen Gericht erhoben werden kann. Das Gericht im Exequaturstaat darf
sich demgegenüber ohne Rücksicht auf die Zuständigkeitsvorschriften der
Brüssel I-VO nicht als befugt ansehen, das im Ursprungsstaat ergangene
Urteil daraufhin zu überprüfen, ob der zuerkannte Unterhalt angesichts
geänderter Verhältnisse noch angebracht sei (vgl. zum EuGVÜ bereits
Schlosser, Bericht zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den
Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs
Großbritannien und Nordirland zum EuGVÜ sowie zum Protokoll betreffend die
Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof, ABl. EG 1979 Nr. C
59/71, 105 Rdn. 105 f.). Im System der internationalen Zuständigkeiten nach
der Brüssel I-VO ist der Gerichtsstand des Unterhaltsberechtigten besonders
geschützt. Da der Unterhaltsschuldner auf Art. 22 Nr. 5 Brüssel I-VO keinen
internationalen Gerichtsstand für eine Abänderungsklage im Exequaturstaat
stützen kann, darf der Unterhaltsberechtigte grundsätzlich darauf vertrauen,
nicht nur als Kläger (Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO), sondern auch als
(Abänderungs-)Beklagter (Art. 2 Abs. 1 Brüssel I-VO) stets sein Recht vor
dem sachnäheren Gericht seines Wohnsitzes verfolgen zu können. Mit diesem
Schutzzweck wäre es nicht zu vereinbaren, wenn im Rahmen eines
Beschwerdeverfahrens nach Art. 43 Brüssel I-VO, §§ 11 ff. AVAG auch
Abänderungsgründe zur Überprüfung gestellt würden, obwohl - wie ersichtlich
auch im vorliegenden Fall - im Exequaturstaat keine internationale
Zuständigkeit für eine Abänderungsklage des Unterhaltsverpflichteten gegeben
wäre (vgl. zum EuGVÜ: Österreichischer OGH, Beschluss vom 18. Juli 2002 - 3
Ob 20/02s - IPrax 2004, 117, 119 mit zust. Anm. Heiderhoff IPrax 2004, 99).
22 b) Insoweit liegt die Sache im Hinblick auf den vom Antragsgegner
geltend gemachten Erfüllungseinwand anders, weil es sich dabei um eine echte
rechtsvernichtende Einwendung im Sinne des § 767 ZPO handelt, die im Rahmen
des § 12 Abs. 1 AVAG grundsätzlich zur Überprüfung durch das
Exequaturgericht gestellt ist.
23 aa) Ob § 12 AVAG indessen im Vollstreckbarerklärungsverfahren auf der
Grundlage der Brüssel I-VO überhaupt anwendbar ist, wird in Rechtsprechung
und Literatur unterschiedlich beurteilt.
24 Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass § 12 AVAG
gemeinschaftsrechtswidrig sei, weil Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO den
Prüfungsrahmen für das Exequaturgericht in einer abschließenden und keiner
ergänzenden Auslegung zugänglichen Weise festlege. Die mit dem Rechtsbehelf
nach Art. 43 Brüssel I-VO befassten Gerichte dürften danach ausschließlich
die Anerkennungshindernisse nach Artt. 34 und 35 Brüssel I-VO, aber auf
keinen Fall materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch
prüfen. Diese Einwendungen könnten nur im Wege einer
Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden (vgl. OLG
Koblenz OLGR 2005, 276, 277; OLG Oldenburg NdsRPfl. 2006, 274 f.; Thomas/Putzo/Hüßtege
aaO Art. 45 Rdn. 3; MünchKomm-ZPO/Gottwald aaO Aktualisierungsband Art. 43
EuGVO Rdn. 7 und Art. 45 EuGVVO Rdn. 4; Gottwald FamRZ 2002, 1423; Micklitz/Rott
EuZW 2002, 15, 22; HK-ZPO/Dörner Art. 45 EuGVVO Rdn. 4; Heiderhoff aaO S.
101; noch weiter Hub NJW 2001, 3145, 3147, wonach Art. 45 Abs. 1 Brüssel
I-VO auch der Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage im Exequaturstaat
entgegenstünde).
25 Demgegenüber will eine abweichende Auffassung eine Anwendung des § 12
AVAG auch im Rechtsbehelfsverfahren nach der Brüssel I-VO zulassen, da Art.
45 Abs. 1 Brüssel I-VO nur im Regelungsbereich der Brüssel I-VO gelte. Zu
den nachträglich entstandenen materiell-rechtlichen Einwendungen verhalte
sich die Brüssel I-VO nicht, so dass es den einzelnen Mitgliedstaaten
überlassen bleibe, wie sie mit dieser Regelungslücke umgingen und welche
Rechtsbehelfe sie dem Schuldner zur Verfügung stellten (vgl. Kropholler aaO
Art. 43 Rdn. 27 f. und Art. 45 Rdn. 6; Schack, Internationales
Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl. Rdn. 955; Wagner IPrax 2002, 75, 83; Roth
RabelsZ 2004, 379, 384). Diese Ansicht wird auch mit der Modifikation
vertreten, dass § 12 AVAG ge-meinschaftsrechtskonform zu reduzieren sei und
nur solche "liquiden" Einwendungen zugelassen werden könnten, die entweder
unstreitig oder rechtskräftig festgestellt sind (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR
2005, 933, 934 f. und FamRZ 2006, 803, 804; OLG Köln OLGR 2004, 359, 360;
Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. Art. 45 EG-VO Zivil- und Handelssachen Rdn. 1;
Geimer/Schütze aaO Art. 45 EuGVVO Rdn. 11; Geimer IPrax 2003, 337, 339;
Münzberg in FS Geimer [2002], S. 745, 751 f.; Musielak/Lackmann ZPO 5. Aufl.
Art. 45 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Rdn. 2 und § 12 AVAG Rdn. 2; wohl auch
Rauscher/Man-kowski aaO Art 45 Brüssel I-VO Rdn. 6 und 6 a; Baumbach/Lauterbach/Albers/
Hartmann ZPO 63. Aufl. Art. 45 EuGVVO Rdn. 1; Schlosser,
EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl. Art. 43 Rdn. 14).
26 bb) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung, wobei es unter den
hier obwaltenden Umständen keiner näheren Erörterung bedarf, ob der Kreis
der zulässigen Einwendungen generell auf "liquide" Einwendungen beschränkt
werden muss, weil die von dem Antragsgegner geltend gemachte Erfüllung des
Kindesunterhalts bis einschließlich August 2003 von der Antragstellerin
ausdrücklich zugestanden worden und dieser Einwand demzufolge "liquide" ist.
27 (1) Nach Art. 45 Abs. 1 Brüssel I-VO darf die Vollstreckbarerklärung
einer ausländischen Entscheidung von dem mit einem Rechtsbehelf nach Art. 43
Brüssel I-VO befassten Gericht im Exequaturstaat nur aus den in Artt. 34, 35
Brüssel I-VO enumerierten Anerkennungsversagungsgründen verweigert werden.
Damit legt die Brüssel I-VO allerdings nur den Prüfungsrahmen fest, in dem
das Exequaturgericht einerseits den materiellen Gehalt der ausländischen
Entscheidung und andererseits ihr Zustandekommen überprüfen darf; im Übrigen
gilt das Verbot der Nachprüfung in der Sache (révision au fond; Art. 45 Abs.
2 Brüssel I-VO). Die Behandlung von nachträglichen rechtsvernichtenden oder
rechtshemmenden Einwendungen, die dem Gericht im Ursprungsstaat vor Erlass
der Entscheidung nicht zur Überprüfung gestellt werden konnten und deren
Berücksichtigung im Exequaturverfahren demzufolge auch keinen Verstoß gegen
das Verbot der révision au fond darstellen würde, fällt nicht in den
Regelungsbereich der Brüssel I-VO. Aus dem Wortlaut des Art. 45 Abs. 1
Brüssel I-VO lässt sich daher nicht ohne weiteres herleiten, dass die
Berücksichtigung solcher Vollstreckungsgegeneinwände im
Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 Brüssel I-VO schlechthin unzulässig wäre
und § 12 Abs. 1 AVAG schon deshalb gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht
verstieße.
28 (2) Die Annahme, dass im Rechtsbehelfsverfahren nach der Brüssel I-VO
grundsätzlich auch Vollstreckungsgegeneinwände zur Überprüfung gestellt
werden können, steht auch im Übrigen im Einklang mit Gemeinschaftsrecht.
29 (a) Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung nach Artt. 38 ff. Brüssel
I-VO ist dem Klauselerteilungsverfahren nach Artt. 31 ff. EuGVÜ nachgebildet
worden. In den Sachverständigenberichten zur Auslegung des EuGVÜ war es
anerkannt, dass der Schuldner den Rechtsbehelf nach Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ
auch auf Tatsachen stützen könne, die nach Erlass des ausländischen Urteils
eingetreten sind, was insbesondere für den Nachweis der Erfüllung der
titulierten Forderung gelte (vgl. Jenard, Bericht zum EuGVÜ, ABl. EG 1979
Nr. C 59/1, 51 zu Art. 37 EuGVÜ; kritisch hierzu allerdings Nelle, Anspruch,
Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr [2000], S. 440 f.,
Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im internationalen Rechtsverkehr [1997],
S. 269 f., 285; vgl. auch Schlosser-Bericht aaO S. 134, Rdn. 220). Der EuGH
hat zwar mehrfach ausgesprochen, dass für die Klauselerteilung nach dem
EuGVÜ ein sehr summarisches Verfahren vorgesehen sei und die Anwendung von
Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsstaates zur Ausführung des
Übereinkommens das Ziel der Verfahrensvereinfachung und damit die praktische
Wirksamkeit der Regelungen des Übereinkommens nicht beeinträchtigen dürfe
(EuGH Urteil vom 2. Juli 1985 - Rs. C-148/84 - Slg. 1985, 1987, 1992 Rdn. 16
ff. - Deutsche Genossenschaftsbank/Brasserie du pêcheur und Urteil vom 4.
Februar 1988 - Rs. C-145/86 - Slg. 1988, 645, 669 f., Rdn. 28 f. = NJW 1989,
663 ff. - Hoffmann/Krieg). Aus diesen Erwägungen hat der EuGH in der
Entscheidung Deutsche Genossenschaftsbank/Brasserie du pêcheur hergeleitet,
dass Art. 36 Abs. 1 EuGVÜ die Rechtsbehelfsmöglichkeiten abschließend regele
und das nationale Recht einem am Klauselerteilungsverfahren nicht
beteiligten Dritten keine zusätzlichen Rechtsbehelfe gegen das Exequatur
einräumen könne (EuGH Urteil vom 2. Juli 1985 aaO).
30 Bei § 12 Abs. 1 AVAG ist der Sachverhalt jedoch - auch im Hinblick auf
die Interessen des Titelgläubigers - grundsätzlich anders gelagert. Denn
diese Vorschrift eröffnet keinen neuen Rechtsbehelf im
Klauselerteilungsverfahren, sondern erweitert die Prüfungskompetenz des mit
dem Rechtsbehelf befassten Gerichts, indem es Gegenstände des dem autonomen
Verfahrensrecht vorbehaltenen Zwangsvollstreckungsrechts in das
Rechtsbehelfsverfahren nach der Brüssel I-VO bzw. dem EuGVÜ vorverlagert.
Zwar wird dem Schuldner dadurch ermöglicht, die ansonsten in das autonome
Zwangsvollstreckungsverfahren verwiesenen sachlichen Einwendungen und
Einreden bereits in einem Verfahrensstadium geltend zu machen, in dem der
Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nur zur Sicherung ergreifen darf
(Art. 47 Abs. 3 Brüssel I-VO). Da aber dem Schuldner die ihm möglichen
sachlichen Einwendungen gegen den Anspruch im Rechtsbehelfsverfahren nicht
nur gestattet, sondern vielmehr unter Präklusionsandrohung (§ 14 Abs. 1
AVAG) abverlangt werden, ermöglicht § 12 AVAG dem Titelgläubiger nach
Abschluss des Exequaturverfahrens eine wesentlich vereinfachte
Zwangsvollstreckung im Inland.
31 (b) Der EuGH hat in einer späteren Entscheidung ausdrücklich keine
Bedenken dagegen getragen, im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 EuGVÜ zu
überprüfen, ob aus einem ausländischen Titel "wegen Begleichung der Schuld
oder aus einem anderen Grund" im Exequaturstaat noch vollstreckt werden
könne (EuGH Urteil vom 29. April 1999 - Rs. C 267/97 - Slg. I 1999, 2543,
2570 Rdn. 24, 2572 Rdn. 32 = IPrax 2000, 18 ff. - Coursier/Fortis Bank, dort
insbesondere Schlussantrag des Generalanwalts La Pergola Slg. I 1999 aaO S.
2553 Rdn. 15; vgl. dazu auch Paulus EWiR 1999, 951, 952; Linke IPrax 2000,
8, 9). Daran anknüpfend hat auch der Bundesgerichtshof im
Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 EuGVÜ den Einwand zugelassen, dass die
titulierte Forderung durch eine im Ausland erteilte Restschuldbefreiung
erloschen sei (BGH Be-schluss vom 18. September 2001 - IX ZB 51/00 - NJW
2002, 960 f.).
32 (3) Auch in anderen europäischen Rechtsordnungen, die keine dem AVAG
vergleichbaren Ausführungsbestimmungen kennen, wurde unter der Geltung des
EuGVÜ der Einwand der Erfüllung im Exequaturverfahren mit unterschiedlichen
Begründungen zugelassen.
33 In England, Wales und Gibraltar wurde die nachgewiesene Erfüllung der
titulierten Forderung mit der Begründung berücksichtigt, dass durch die
Erfüllung die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsstaat und damit
eine wesentliche Voraussetzung für die Registrierung weggefallen sei (vgl.
O’Malley/ Layton, European Civil Practice [1989], Tz. 10.37).
34 Nach französischer Rechtspraxis führt die vollständige und unstreitige
Erfüllung der in der ausländischen Entscheidung titulierten Forderung zu
einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für das Exequaturverfahren (Cour
de Cassation, Ch. Civ. 1e, Entscheidung vom 19. November 1996, Rev. crit. dr.
internat. privé 1997, 94 mit Anm. B. Ancel).
35 In der Schweiz wird im Anwendungsbereich des Luganer Übereinkommens die
Berücksichtigung von materiellen Vollstreckungsgegeneinwänden auf einen
Rechtsbehelf im Exequaturverfahren weitgehend befürwortet, obwohl deren
Prüfung an sich einem nachgeschalteten Beitreibungs- bzw.
Rechtsöffnungsverfahren vorbehalten ist (vgl. Walter ZZP 107 [1994], 301,
325 und 340; Meier SJZ 1993, 282, 283 f.); teilweise wird auch hier eine
Beschränkung auf "liquide" Einwendungen empfohlen (vgl. Donzallaz, La
Convention de Lugano du 16 septembre 1988 concernant la compétence
judiciaire et l´exécution des décisions en matière civile et commerciale,
Vol. II [1997], Par. 3362 ff., 3365).
36 (4) Schließlich lässt auch der Vorschlag der EU-Kommission für eine
Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in
Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von
Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich von
Unterhaltspflichten vom 15. Dezember 2005 (KOM/2005/649 endg.; vgl.
BR-Drucks. 30/06) erkennen, dass die Prüfung von nachträglich entstandenen
sachlichen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch im Exequaturverfahren
durch die Gerichte des Vollstreckungsstaates nicht als
gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen ist. Nach dem Kommissionsvorschlag
sollen EU-Unterhaltstitel künftig ipso jure in allen Mitgliedstaaten
vollstreckbar sein, ohne dass es dazu - wie bisher - eines
Zwischenverfahrens zur Vollstreckbarerklärung bedarf. Obwohl sich die
Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltstitel weiterhin nach dem autonomen
Recht des Vollstreckungsstaates richten soll (Art. 27 des
Kommissionsentwurfs), hat der Entwurf einen besonderen europäischen
Rechtsbehelf vorgesehen, mit dem der Unterhaltspflichtige im
Vollstreckungsstaat neue oder dem Erstgericht im Zeitpunkt der Entscheidung
nicht bekannte Umstände geltend machen kann; besonders genannt ist der
Einwand, dass der Unterhaltspflichtige seine Schuld bereits getilgt habe
(Art. 33 lit. a und lit. c des Kommissionsentwurfs). Dann ist es aber nicht
einzusehen, dass im derzeitigen Vollstreckbarerklärungsverfahrennach der
Brüssel I-VO eine - zumal unstreitige - Erfüllung auch auf einen
Rechtsbehelf nach Art. 43 Brüssel I-VO hin unberücksichtigt bleiben soll.
37 cc) Danach kann das Urteil des Tribunale di Pordenone hinsichtlich des
Kindesunterhalts für den Zeitraum bis einschließlich August 2003 wegen
Erfüllung der titulierten Forderung in Deutschland nicht mehr für
vollstreckbar erklärt werden.
38 5. Eine Vorlage gemäß Artt. 68, 234 EGV an den EuGH hält der Senat nicht
für angezeigt. Eine Vorlagepflicht besteht dann nicht, wenn das
letztinstanzliche nationale Gericht in dem bei ihm schwebenden Verfahren
feststellt, dass die betreffende entscheidungserhebliche
gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand der Auslegung durch den
EuGH war oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig
ist, und damit für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH
Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - Slg. 1982, 3415, 3430 Rdn. 16 =
NJW 1983, 1257 - CILFIT/Ministero della sanità; vgl. auch BGHZ 109, 29, 35;
BGH Urteile vom 10. Oktober 2005 - IX ZR 148/03 - NJW 2006, 371, 373 und vom
2. März 2006 - IX ZR 15/05 -NJW 2006, 1806, 1808).
39 So liegt der Fall hier. In der Entscheidung Coursier/Fortis Bank (EuGH
Urteil vom 29. April 1999 aaO) hat sich der EuGH bereits grundlegend dahin
geäußert, dass dem Schuldner im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 36 EuGVÜ
der Einwand eröffnet sei, die ausländische Entscheidung könne wegen
Begleichung der Schuld oder aus einem anderen Grund im Exequaturstaat nicht
mehr vollstreckt werden. Unter der Geltung der Brüssel I-VO unterliegt dies
auch unter Berücksichtigung des besonders betonten Beschleunigungs- und
Effizienzgebotes (vgl. Erwägungsgrund Nr. 17 zur Brüssel I-VO) jedenfalls
dann keiner durchgreifend anderen Beurteilung, wenn wegen des Vorliegens von
aus- schließlich "liquiden" Einwendungen keine Verzögerung des
Rechtsbehelfsverfahrens zu besorgen ist.
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