Schuldnerschutz bei der Zession; Erhalt der
Aufrechnungsmöglichkeit (§ 406 BGB); kein allgemeines
Verschlechterungsverbot für den Schuldner; kein "Verbesserungsverbot";
Geltung des Aufrechnungsverbots gegen Unterhaltsleistungen (§ 394 BGB i.V.m.
§ 850b I Nr. 2 ZPO) auch gegenüber Sozialhilfeträger
BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013 - XII
ZB 192/11 - OLG Dresden
Fundstelle:
NJW 2013, 2592
Amtl. Leitsatz:
Das Aufrechnungsverbot des §
394 BGB i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt auch zugunsten von Trägern
öffentlicher Sozialleistungen, soweit diese Leistungen der Sozialhilfe oder
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende erbracht haben und der Unterhaltsanspruch des
Hilfeempfängers auf sie übergegangen ist.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ist von allgemeinem Interesse für das
Zessionsrecht: Dieses enthält außerhalb der §§ 404, 406 BGB kein allgemeines
Verschlechterungsverbot für den Schuldner im Falle einer Zession (s. dazu
BGH NJW 2002, 2865). Der Senat
präzisiert hier aber, dass es auch kein "Verbesserungsverbot" gibt, d.h. dass
durchaus möglich ist, dass zB ein gegenüber dem Zedenten bestehendes
Aufrechnungsverbot gegenüber dem Zessionar nicht mehr gilt. Hier ging es um
eine Unterhaltsforderungen, die nach Überleitungsanzeige auf den
Sozialhilfeträger übergegangen war (Legalzession i.S.v. § 412 BGB). Das
insoweit gegenüber dem Unterhaltsberechtigten bestehende gesetzliche
Aufrechnungsverbot aus § 394 BGB i.V.m. § 850b I Nr. 2 ZPO gilt aber nach
Auffassung des Senats auch im Falle der Überleitung auf den
Sozialhilfeträger. Anders als in der Vorinstanz wird das aber nicht aus
einem "Verbesserungsverbot", sondern aus spezifisch sozialrechtlichen
Überlegungen begründet: Das Aufrechnungsverbot gegen Unterhaltsansprüche
schütze nicht nur den Unterhaltsberechtigten, sondern auch öffentliche
Kassen, die häufig "einspringen" müssten.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Der Antragsgegner ist Vater eines am
5. Januar 2007 nicht ehelich geborenen Kindes. An die Kindesmutter, die von
dem Antragsgegner getrennt lebt und das Kind allein betreut, zahlte er
während der ersten drei Lebensjahre des Kindes keinen Betreuungsunterhalt.
2 Im Zeitraum zwischen dem 1. September 2007 und dem 31. Januar 2010
erbrachte der Antragsteller an die Kindesmutter Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem SGB II in einer Gesamthöhe von 11.678,01 €.
Zwischen den Beteiligten ist außer Streit, dass der als Rechtsanwalt
selbständig tätige Antragsgegner in diesem Zeitraum unterhaltsrechtlich
leistungsfähig war und die Kindesmutter gegen ihn einen Unterhaltsanspruch
mindestens in Höhe der von dem Antragsteller gewährten Leistungen hatte.
3 Der Antragsteller verlangt von dem Antragsgegner aus
übergegangenem Recht der Kindesmutter Zahlung von Betreuungsunterhalt im
Umfang der von ihm im Zeitraum von September 2007 bis Januar 2010 erbrachten
Sozialleistungen. Der Antragsgegner hat die Aufrechnung mit
einer Forderung gegen die Kindesmutter wegen der Rückzahlung eines ihr in
den Jahren 2005 und 2006 gewährten Darlehens in Höhe von 12.500,00 €
erklärt. Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zur
Zahlung verpflichtet. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners
hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
4 Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen
Rechtsbeschwerde, mit der er sein Begehren auf vollständige Zurückweisung
des Zahlungsantrages weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
5 Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I.
6 Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung, deren Leitsätze in FamRZ
2011, 1681 veröffentlicht sind, im Wesentlichen wie folgt begründet: Der
Antragsgegner könne gegenüber dem Antragsteller nicht die Aufrechnung mit
der „unstreitigen" Darlehensforderung gegenüber der Kindesmutter erklären.
Dies ergebe sich aber entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung
nicht aus § 394 BGB i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Zwar sei der
Betreuungsunterhaltsanspruch einer Mutter nach § 1615 l BGB in der Regel
unpfändbar, was zum Verbot der Aufrechnung führe. Diese
Pfändungsschutzvorschriften dienten allerdings nur dazu, dem
Unterhaltsberechtigten eine sichere Lebensgrundlage zu verschaffen. Dieser
besondere Schutz sei nicht mehr erforderlich, wenn der Unterhaltsanspruch
auf einen Dritten übergegangen sei, der Unterhalt anstelle des eigentlichen
Schuldners geleistet habe. In der Person dieses Dritten lägen keine Gründe
vor, die eine Fortdauer des Pfändungsschutzes rechtfertigen könnten.
7 Nichts anderes könne gelten, wenn der Unterhaltsanspruch auf einen
Sozialleistungsträger übergegangen sei. Es sei nicht zu erkennen, dass § 850
b Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 394 BGB in einem solchen Fall auch oder sogar
vorrangig der Entlastung der Sozialsysteme dienten. Ein Schutz der
Sozialsysteme sei nicht erforderlich, weil eine Pfändung der auf einen
Sozialleistungsträger übergegangenen Forderung kaum im Raum stehen dürfte.
Es sei auch kein Bedürfnis dafür erkennbar, dass der Sozialleistungsträger
die auf ihn übergegangene Forderung nicht abtreten dürfe; dies wäre jedoch
nach § 400 BGB eine Konsequenz, wenn man der übergegangenen
Unterhaltsforderung weiter den Schutz des § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO
zubilligen wollte.
8 Eine Benachteiligung des Sozialleistungsträgers werde allerdings durch die
Vorschriften über die Abtretung und Aufrechnung verhindert. Nach §§
406, 412 BGB könne der Schuldner im Falle des gesetzlichen
Forderungsübergangs eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende
Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen. Diese Vorschrift
diene dem Schutz des Schuldners, der durch den Forderungsübergang, auf den
er keinen Einfluss habe, in seiner Position als Schuldner nicht
verschlechtert werden solle. § 406 BGB regele daher eine Ausnahme vom
Gegenseitigkeitsprinzip, die dem Schuldner die Möglichkeit gebe, trotz
fehlender Gegenseitigkeit der Forderungen auch gegenüber dem neuen Gläubiger
aufzurechnen. Voraussetzung sei allerdings, dass der Schuldner auch
gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger habe aufrechnen können, denn § 406
BGB diene lediglich dem Schutz des Schuldners vor einer Verschlechterung
seiner Rechtslage; die Vorschrift solle demgegenüber keine Verbesserung
seiner Rechtslage durch eine Abtretung oder einen gesetzlichen
Forderungsübergang bewirken. Es könne daher mit § 406 BGB nicht begründet
werden, dass eine gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger unpfändbare und
damit durch Aufrechnung nicht zu beseitigende Forderung durch den
Forderungsübergang aufrechnungsfähig werde. Dann müsse es beim
Erfordernis der Gegenseitigkeit beider Forderungen bleiben, so dass der
Antragsgegner im Verhältnis zum Antragsteller die Aufrechnung mit einer
Forderung gegen die Kindesmutter nicht wirksam habe erklären können.
II.
9 Dies hält der rechtlichen Nachprüfung zwar nicht in der
Begründung, wohl aber im Ergebnis stand.
10 1. Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des
Beschwerdegerichts, dass die von dem Antragsgegner erklärte Aufrechnung von
vornherein an der fehlenden Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 BGB)
scheitern müsste.
11 a) Dabei ist es im rechtlichen Ausgangspunkt richtig, dass der
Antragsteller als (Neu-) Gläubiger der nach § 33 SGB II auf ihn
übergegangenen Unterhaltsansprüche (Hauptforderung) nicht gleichzeitig der
Schuldner der von dem Antragsgegner geltend gemachten und gegen die
Kindesmutter gerichteten Gegenforderung auf Darlehensrückzahlung ist.
In solchen Fällen, in denen die Hauptforderung durch Abtretung oder
- wie hier - im Wege der Legalzession auf einen neuen Gläubiger übergeht,
wird indessen das Prinzip der Gegenseitigkeit der Forderungen bei der
Aufrechnung durch § 406 BGB (i.V.m. § 412 BGB) insoweit durchbrochen, als
die Gegenseitigkeit von Hauptforderung und Gegenforderung trotz des
Gläubigerwechsels als weiterbestehend behandelt wird (BGH Urteil
vom 22. Dezember 1995 - V ZR 52/95 - NJW 1996, 1056, 1057; BGHZ 58, 327, 329
= NJW 1972, 1193, 1194; BGHZ 19, 153, 157 = NJW 1956, 257).
12 Noch zutreffend hat das Beschwerdegericht weiter erkannt, dass
der Bestimmung des § 406 BGB - ebenso wie im Falle des § 404 BGB - der
Gedanke des Schuldnerschutzes zugrunde liegt. Der Schuldner soll durch die
Abtretung bzw. den Forderungsübergang nicht benachteiligt, also gegenüber
dem neuen Gläubiger nicht ungünstiger gestellt werden, als er gegenüber
seinem alten Gläubiger stand (BGH Urteil
vom 26. Juni 2002 - VIII ZR 327/00 - NJW 2002, 2865; BGHZ 58, 327, 329 =
NJW 1972, 1193, 1194; BGHZ 19, 153, 156 = NJW 1956, 257). Dem
Schuldner soll die Aufrechnung gegenüber dem Zessionar mit einer
Gegenforderung gegen den Zedenten grundsätzlich immer dann gestattet werden,
wenn er ohne die Abtretung der gegen ihn gerichteten Hauptforderung damit
rechnen durfte, diese nicht erfüllen zu müssen, sondern durch Aufrechnung
tilgen zu können (BGHZ 19, 153, 157 = NJW 1956, 257).
13 b) Diese Grundsätze rechtfertigen aber nicht den vom
Beschwerdegericht gezogenen Umkehrschluss, dass mit der Erstreckung der
Aufrechnungsmöglichkeit auf das Verhältnis zwischen dem Zessionar und dem
Schuldner eine Besserstellung des Schuldners nicht verbunden sein dürfe.
14 Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit dem Gläubigerwechsel bei
der Abtretung der Hauptforderung kein generelles Verschlechterungsverbot
zugunsten des Schuldners aufstellen wollen, so dass es der Schuldner
beispielsweise hinnehmen muss, dass er höchstpersönliche Einreden, die ihm
gegenüber dem Zedenten zustanden, gegenüber dem Zessionar nicht geltend
machen kann (vgl. dazu Schwarz AcP 203 [2003], 241, 270 f.).
Auch muss sich der Schuldner damit abfinden, dass er sich - wie es
auch unter den hier obwaltenden Umständen der Fall sein dürfte - durch den
Gläubigerwechsel einem möglicherweise "unangenehmeren" Gläubiger gegenüber
sieht. Dann aber lässt sich umgekehrt auch ein generelles
Verbesserungsverbot nicht begründen, so dass keine grundsätzlichen
Erwägungen dagegen streiten, die Aufrechnung des Schuldners gegenüber dem
Zessionar mit einer Gegenforderung gegen den Zedenten unter Umständen auch
dann zuzulassen, wenn erst durch die Abtretung ein zuvor bestehendes
Aufrechnungsverbot beseitigt wird (RGRK/Weber BGB 12. Aufl. § 406
Rn. 2). Wäre die Rechtsansicht des Beschwerdegerichts richtig,
müsste sich folgerichtig aus § 406 BGB ein allgemeiner Grundsatz dergestalt
herleiten lassen, dass eine Aufrechnung, die dem Schuldner gegenüber dem
Zedenten gesetzlich versagt war, auch gegenüber dem Zessionar stets
unstatthaft sein müsste; dies trifft freilich nicht zu (RGZ 140,
43, 46; BGHZ 35, 317, 327 = NJW 1961, 1966, 1968).
15 2. Die Entscheidung erweist sich allerdings im Ergebnis aus anderen
Gründen als richtig, weil das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB i.V.m.
§ 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO auch zugunsten von Trägern öffentlicher
Sozialleistungen gilt, wenn und soweit diese Leistungen der Sozialhilfe oder
im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts erbracht haben und der Unterhaltsanspruch des
Hilfeempfängers auf sie übergegangen ist.
16 a) Die Frage, ob ein Aufrechnungsverbot im Rahmen des § 406 BGB
zugunsten des Neugläubigers auch noch nach der Abtretung bzw. nach einem
gesetzlichen Übergang der Hauptforderung gilt, ist nach dem Zweck des
Aufrechnungsverbots zu entscheiden (BGHZ 35, 317, 327 = NJW 1961,
1966, 1968; BGHZ 95, 109, 117 = NJW 1985, 2820, 2822). Durch den
Forderungsübergang auf einen Sozialleistungsträger wird die Rechtsnatur
eines Unterhaltsanspruches nicht geändert (Senatsurteile vom 1.
Juli 1987 - IVb ZR 74/86 -FamRZ 1987, 1014, 1015 und vom 9. Oktober 1991 -
XII ZR 171/90 - FamRZ 1992, 306, 307).
17 b) Darüber, ob sich auch ein Sozialleistungsträger wegen der auf ihn
übergegangenen Unterhaltsansprüche gegenüber dem Unterhaltsschuldner auf das
Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO berufen
kann, besteht in Rechtsprechung und Schrifttum keine Einigkeit.
18 Teilweise wird hierzu - mit dem Beschwerdegericht - die Auffassung
vertreten, dass sich ein Träger öffentlicher Sozialleistungen wegen der auf
ihn übergegangenen Unterhaltsansprüche nicht auf ein Aufrechnungsverbot
berufen könne, weil auch der Pfändungsschutz nach § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO
mit dem Anspruchsübergang entfallen sei (LG Heilbronn FamRZ 1990, 795;
Palandt/Grüneberg BGB 72. Aufl. § 394 Rn. 1; Staudinger/Gursky BGB
[Bearbeitungsstand: 2011] § 394 Rn. 55; Erman/Wagner BGB 13. Aufl. § 394 Rn.
5; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis
8. Aufl. § 8 Rn. 77; Günther in: Schnitzler Münchener Anwaltshandbuch
Familienrecht 3. Aufl. § 12 Rn. 185; Born in Heiß/Born Unterhaltsrecht
[Bearbeitungsstand: 2012] 27. Kap. Rn. 98; Scholz in Scholz/Kleffmann/Motzer
Praxishandbuch Familienrecht [Bearbeitungsstand: 2012] Teil L Rn. 91).
19 Eine andere Ansicht will demgegenüber auch dem
Sozialleistungsträger zubilligen, sich gegenüber dem Unterhaltsschuldner
wegen einer übergegangenen Unterhaltsforderung, die bei dem Hilfeempfänger
dem Pfändungsschutz nach § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO unterlag, auf das
Aufrechnungsverbot zu berufen (OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 1532 f.;
AG Gummersbach FamRZ 1998, 177 f. mit zust. Anm. Plascher FamRZ 1998, 178;
Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl.
§ 6 Rn. 302; Niep-mann/Schwamb Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts
12. Aufl. Rn. 284; Friederici in: Schnitzler Münchener Anwaltshandbuch
Familienrecht 3. Aufl. § 5 Rn. 63; Meller-Hannich in:
Kindl/Meller-Hannich/Wolf Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung 2. Aufl. §
850 b ZPO Rn. 39; wohl auch LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 23. April 2009 -
L 5 AS 81/07 - juris Rn. 23 aE).
20 c) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung für den Fall,
dass der Sozialleistungsträger an den Unterhaltsberechtigten Leistungen der
Sozialhilfe oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende erbringt und der Unterhaltsanspruch nach §
94 Abs. 1 SGB XII bzw. nach § 33 Abs. 1 SGB II im Wege der Legalzession auf
ihn übergeht.
21 aa) Die Annahme, dass das aus § 394 BGB i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO
folgende Aufrechnungsverbot ausnahmslos auf den bisherigen
Unterhaltsgläubiger beschränkt bleiben müsse, lässt sich nicht zwangsläufig
aus dem Zweck des Gesetzes herleiten. Es ist zwar richtig, dass die von §
394 BGB in Bezug genommenen Pfändungsverbote der Zivilprozessordnung in
erster Linie dem Schutz des Unterhaltsberechtigten davor dienen, dass ihm
und seiner Familie die zur Sicherung des Existenzminimums benötigten
Vermögenswerte nicht entzogen werden (vgl. BT-Drucks. 8/693, S. 45;
MünchKommZPO/Smid, 3. Aufl. § 850 Rn. 1; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 850
Rn. 1) und dieser Gedanke gegenüber einem Dritten, der die Forderung von dem
schutzbedürftigen ursprünglichen Unterhaltsgläubiger erwirbt, nicht ohne
weiteres zum Tragen kommt. In der Sicherung der Existenz des
Forderungsinhabers und seiner Angehörigen erschöpft sich der Zweck des
Aufrechnungsverbotes nach § 394 BGB allerdings nicht. Angesichts des
heutigen Umfangs der Sozialleistungssysteme dient das Aufrechnungsverbot
(zumindest) auch dem Schutz der öffentlichen Kassen, die für die
Existenzsicherung des ursprünglichen Gläubigers einzustehen hätten
(vgl. MünchKommBGB/Schlüter 6. Aufl. § 394 Rn. 1; RGRK/Weber BGB 12. Aufl. §
394 Rn. 1; Staudinger/Gursky BGB [Bearbeitungsstand: 2011] § 394 Rn. 4;
Gernhuber Die Erfüllung und ihre Surrogate 2. Aufl. § 12 VI 4; vgl. auch BAG
NJW 2001, 1443 zu § 400 BGB). Schon vor Inkrafttreten des früheren
Bundessozialhilfegesetzes und im Einklang mit den Motiven zum Entwurf des
BGB (vgl. Motive II S. 113, zitiert bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. II S. 62) war es in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung anerkannt, dass die sich aus § 394 BGB und aus §§ 400, 1274
Abs. 2 BGB ergebenden materiell-rechtlichen Einschränkungen der
Verkehrsfähigkeit unpfändbarer Forderungen auch im Interesse des
Allgemeinwohls erlassen worden sind, um den ursprünglichen Gläubiger nicht
der "öffentlichen Fürsorge und Armenpflege" anheimfallen zu lassen (vgl.
BGHZ 4, 153, 154 f.; RGZ 106, 205, 206 und 133, 249, 256).
22 bb) Das Bundesarbeitsgericht hat zu § 394 BGB i.V.m. § 850 c ZPO
bezüglich der Unzulässigkeit der Aufrechnung gegen unpfändbares
Arbeitseinkommen mehrfach erkannt, dass das Aufrechnungsverbot in bestimmten
Fällen auch einem Sozialversicherungsträger zugutekommen kann, auf den kraft
Gesetzes die Entgeltansprüche eines bei ihm versicherten Arbeitnehmers
übergegangen sind. Diese Rechtsprechung betraf die Fälle, in denen der
Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Lohnzahlung bzw. zur Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall nicht nachgekommen war, und die für den Arbeitnehmer durch
Leistung von Arbeitslosengeld bzw. von Krankengeld einstehenden
Sozialversicherungsträger durch gesetzlichen Forderungsübergang nach den
seinerzeit geltenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (§ 137 Abs.
4 AFG bzw. § 182 Nr. 10 RVO aF) Gläubiger der aus dem Arbeitsverhältnis
herrührenden Lohn- bzw. Lohnfortzahlungsansprüche des Arbeitnehmers geworden
waren (BAG NZA 1985, 186 f. und DB 1979, 1848, 1850). Zur Begründung hat das
Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass sich in diesen, wegen des
Anspruchsüberganges nunmehr einheitlich in § 115 SGB X geregelten Fällen
bereits aus der gesetzlichen Anordnung des Forderungsüberganges erschließe,
dass den Träger der gesetzlichen Arbeitslosen- bzw. Krankenversicherung
lediglich eine vorläufige Einstandspflicht treffe, um die Lebensgrundlage
des Arbeitnehmers für den Zwischenzeitraum sicherzustellen, in dem der
Arbeitgeber seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt. Wenn sich die
Sozialversicherungsträger in diesen Fällen nicht auf das
Aufrechnungsprivileg des § 394 BGB berufen könnten, würde sich der
Arbeitgeber durch die Nichterfüllung seiner Entgelt- bzw.
Entgeltfortzahlungspflicht auf Kosten der Allgemeinheit bzw. der
Solidargemeinschaft einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen können
(vgl. BAG NZA 1985, 186, 187 und DB 1979, 1848, 1850).
23 cc) Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlagen sind die Grundsätze
dieser Rechtsprechung auch dann anwendbar, wenn ein Sozialleistungsträger
Hilfen zum Lebensunterhalt gewährt, weil ein Unterhaltsschuldner seiner
Leistungspflicht nicht nachkommt.
24 Die sich aus dem Gesetz ergebende (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB XII bzw.
§ 9 Abs. 1 SGB II) Subsidiarität der Sozialhilfe und der Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II soll durch den
Anspruchsübergang nach § 94 Abs. 1 SGB XII bzw. § 33 Abs. 1 SGB II
verwirklicht werden, indem sie den Sozialleistungsträger grundsätzlich in
die Lage versetzt, durch Eintritt in die Gläubigerposition des
Leistungsempfängers den Zustand nachträglich herzustellen, der dem vom
Gesetz gewollten Vorrang der Verpflichtung anderer (hier: des
Unterhaltsschuldners) entspricht, die dem Leistungsempfänger die
erforderliche Hilfe hätten gewähren müssen (vgl. bereits BVerwG NJW
2000, 601 und NJW 1990, 3288 zu § 90 BSHG). Könnte sich der
Sozialleistungsträger auf das Aufrechnungsverbot nach § 394 Abs. 1 BGB i.V.m.
§ 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht berufen, wäre es dem Unterhaltsschuldner in
die Hand gegeben, den Unterhaltsberechtigten durch Nichtleistung des
geschuldeten Unterhalts zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu
veranlassen, um anschließend private Forderungen gegen den
Unterhaltsgläubiger zu Lasten der Allgemeinheit durchsetzen zu können.
Für eine solche Besserstellung des säumigen Unterhaltsschuldners findet sich
keine Rechtfertigung.
25 dd) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass nach § 400 BGB eine
Forderung grundsätzlich nicht abgetreten werden kann, soweit sie - wie
gesetzliche Unterhaltsansprüche gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO - der
Pfändung nicht unterworfen ist. Es entspricht allerdings der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes, dass eine Abtretung der Unterhaltsforderung
jedenfalls dann erfolgen kann, wenn die Forderung nicht mehr dem
Unterhaltsberechtigten, sondern aufgrund gesetzlichen Forderungsübergangs
einem Dritten zusteht, der keines Pfändungsschutzes nach § 850 b Abs. 1 Satz
2 ZPO bedarf (BGH Urteil vom 24. September 1981 - IX ZR 80/80 - FamRZ 1982,
50, 51); dieser Dritte kann auch ein Sozialleistungsträger sein
(Senatsurteil vom 3. Juli 1996 - XII ZR 99/95 - FamRZ 1996, 1203, 1204).
Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts würde eine Privilegierung des
Sozialleistungsträgers in Bezug auf das Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB
nicht zwangsläufig zu der - nicht im Einklang mit dieser Rechtsprechung
stehenden - Schlussfolgerung nötigen, dass der Sozialleistungsträger die auf
ihn im Wege der Legalzession übergegangene Unterhaltsforderung auch nicht
abtreten darf. Obwohl die durch §§ 394, 400 BGB bewirkte Einschränkung der
Verkehrsfähigkeit einer unpfändbaren Forderung letztlich auf den gleichen
gesetzgeberischen Erwägungen beruht, gibt es keinen unbedingten Gleichlauf
bei der Anwendung beider Vorschriften. So ist es anerkannt, dass sich der
Schutzzweck des Abtretungsverbots in den Fällen erledigt hat, in denen der
Zessionar seinerseits dem Zedenten die (wirtschaftlich gleichwertige)
Leistung erbringt, die ihm § 400 BGB sichern will (BGHZ 59, 109, 115 = NJW
1972, 1703, 1705; BGHZ 127, 354, 356 = NJW 1995, 323 mwN; BAG NJW 2001,
1443). Dies gilt auch für die Abtretung von Unterhaltsansprüchen (vgl. OLG
Bremen FamRZ 2002, 1189), so dass eine Unterhaltsforderung durch den
Unterhaltsgläubiger durchaus abgetreten werden kann, obwohl sie bei ihm
(weiterhin) dem Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr.
2 ZPO unterliegt.
26 d) Für die Aufrechnung mit einer Gegenforderung des Antragsgegners wegen
Rückzahlung eines der Kindesmutter gewährten Darlehens ist daher kein Raum,
so dass es bei der Zurückweisung der Beschwerde gegen die zutreffende
Entscheidung des Amtsgerichts bleibt.
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