IPR/IZPR: Anerkennung von Privatscheidungen;
(k)ein Erfordernis eines zwingenden und konstitutiven Anerkennungsverfahrens
nach § 107 I FamFG
BGH, Beschluss vom 28. November 2018
- XII ZB 217/17 - KG Berlin
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die sich in einem
behördlichen oder gerichtlichen Verfahren stellende Vorfrage der Anerkennung
einer im Ausland erfolgten Privatscheidung ausländischer Staatsangehöriger
ist inzident zu prüfen. Die vorherige Durchführung eines zulässigen
Anerkennungsverfahrens kann von den Beteiligten insoweit nicht verlangt
werden.
Zentrale Probleme:
Es geht um die Frage, ob die Anerkennung einer
ausländischen Privatscheidung (im Inland ist eine solche nach Art. 17 Abs. 3
EGBGB nicht möglich und damit auch nicht anerkennungsfähig) zwingend im
Verfahren nach § 107 Abs. 1 FamFG erfolgen muss. Der Senat verneint das,
weil es sich bei einer reinen Privatscheidung ohne staatliche Registrierung
nicht um eine "Entscheidung" handelt. Die Prüfung muss also in jedem
Verfahren (so auch in dem vorliegenden) inzident festgestellt werden. All
das ist unbeeinflusst von der Aussage des EuGH im Fall Sahyouni (EuGH
Rs. C.372/16). Dort hatte der EuGH nur festgestellt, dass in Bezug auf
Privatscheidungen die kollisionsrechtlichEuScheidungsVO sachlich nicht
anwendbar ist (die dadurch entstanden kollisionsrechtliche Lücke wurde
zwischenzeitlich durch Art. 17 II EGBGB geschlossen). Generell zur
Anerkennung ausländischer Privatscheidungen s. die Anm. zu BGH v. 28.5.2008 - XII ZR 61/06.
©sl 2019
Gründe:
I.
1 Die
Beteiligten streiten über den Geburtseintrag für das betroffene Kind, das im
August 2011 in Ägypten geboren wurde.
2 Die Kindesmutter (Beteiligte
zu 2) ist ägyptische Staatsangehörige und lebt in Ägypten. Sie war mit einem
ägyptischen Staatsangehörigen verheiratet. Im Mai 2006 entband sie
diesen von seinen Pflichten ihr gegenüber, erklärte zur Beurkundung durch
den ägyptischen Standesbeamten den Verzicht auf Unterhaltsansprüche sowie
den gestundeten Teil der Brautgabe und bat ihren Ehemann, die
Verstoßungsformel auszusprechen. Dieser erklärte darauf die Verstoßung.
Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts stellte der
Standesbeamte die unwiderrufliche Scheidung der Ehe fest, welche im Mai 2006
im Scheidungsregister eingetragen wurde.
3 Der Beteiligte zu 1, der
die ägyptische Staatsangehörigkeit besaß und 2008 die deutsche
Staatsangehörigkeit erworben hat, hat im November 2012 die
Vaterschaft zu dem Kind anerkannt. Er und die Kindesmutter
haben die Nachbeurkundung der Geburt beantragt, welche vom Standesamt
(Beteiligter zu 3) abgelehnt worden ist. Auf Antrag der
Beteiligten zu 1 und 2 hat das Amtsgericht das Standesamt angewiesen, die
Beurkundung der Geburt nicht aus dem Grund abzulehnen, dass der
Familienstand der Mutter nicht nachgewiesen sei. Das
Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Standesamtsaufsicht (Beteiligte zu
4) zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
4 Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
5 1. Nach
Auffassung des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung in StAZ 2018, 24
veröffentlicht ist, steht der Anerkennung der Vaterschaft nicht die - vom
deutschen Recht (§ 1594 Abs. 2 BGB) und ägyptischen Recht übereinstimmend
vorgesehene - Anerkennungssperre aufgrund gesetzlicher Vaterschaft des
Ehemanns der Mutter entgegen. Denn der Nachweis über die Scheidung der Ehe
sei erbracht worden.
6 Einer vorherigen Entscheidung der
Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz gemäß § 107 FamFG bedürfe
es hierfür nicht. Sogenannte Heimatstaatenentscheidungen bedürften nach §
107 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht der Anerkennung durch die zuständige
Landesjustizverwaltung. Über deren Anerkennung habe die
damit befasste deutsche Verwaltungsbehörde oder das deutsche Gericht
inzident selbst zu befinden.
7 Die Kindesmutter und ihr
damaliger Ehemann seien ägyptische Staatsangehörige. Die Scheidung sei in
Ägypten vor einer zur Mitwirkung zuständigen Stelle erfolgt und dort
registriert worden. Zweifel an der Wirksamkeit der allein ägyptischem Recht
unterliegenden Scheidung bestünden nicht.
8 Gegen eine inzidente
Anerkennung spreche nicht, dass der Kindesmutter grundsätzlich das Verfahren
nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG offenstehe. Zwar sei dieses bei
ausländischen Privatscheidungen, die unter - irgendeiner - Beteiligung einer
Behörde oder eines Gerichts erfolgten, durchaus möglich. Jedoch sei ein
entsprechendes Verfahren nicht zwingend erforderlich, sondern stehe dem -
geschiedenen - ausländischen Ehegatten lediglich fakultativ zur Verfügung
[Anm.: nach § 108 II FamFG].
9 2. Das hält
rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht haben die Instanzgerichte das
Standesamt angewiesen, die Beurkundung der Geburt nicht aus dem Grund
abzulehnen, dass der Familienstand der Mutter nicht nachgewiesen ist.
10 Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 PStG kann, wenn ein Deutscher im
Ausland geboren ist, der Personenstandsfall auf Antrag im
Geburtenregister beurkundet werden. Antragsberechtigt sind nach § 36 Abs. 1
Satz 4 Nr. 1 PStG bei einer Geburt vor allem die Eltern des Kindes sowie das
Kind selbst. Im Fall der wirksamen Anerkennung der Vaterschaft durch
einen deutschen Staatsangehörigen ergibt sich die deutsche
Staatsangehörigkeit des betroffenen Kindes - bei Anerkennung nach der Geburt
auch rückwirkend - aus §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 StAG (vgl.
BVerfG FamRZ 2014, 449 Rn. 10 mwN; SG Dortmund Urteil vom 25. Oktober 2017 -
S 35 AS 1278/16 WA - juris Rn. 38 f.).
11 In diesem
Zusammenhang ist die Wirksamkeit der ausländischen Privatscheidung als
Vorfrage inzident zu prüfen.
12 a) Das Beschwerdegericht ist
davon ausgegangen, dass sich das deutsche Recht (§ 1594 Abs. 2 BGB) und das
ägyptische Recht hinsichtlich der durch Anerkennung begründeten Vaterschaft
insoweit entsprechen, als nach beiden Rechtsordnungen aus der gesetzlichen
Vaterschaft des mit der Mutter des Kindes verheirateten Mannes gegenüber der
Anerkennung durch einen anderen Mann eine Sperrwirkung folgt. Die insoweit
zum ägyptischen Recht getroffenen Feststellungen sind von der
Rechtsbeschwerde nicht angegriffen worden. Da auf dieser Grundlage
beide hier in Betracht kommenden Rechtsordnungen zum selben Ergebnis
gelangen, konnte das Beschwerdegericht offenlassen, welche Rechtsordnung
gemäß Art. 19 EGBGB Anwendung findet.
13 b) Das
Beschwerdegericht hat seiner Entscheidung in zulässiger Weise zugrunde
gelegt, dass die Ehe der Kindesmutter vor Geburt des Kindes wirksam
geschieden wurde. Zur Beurteilung dieser Vorfrage bedurfte es entgegen der
Auffassung der Rechtsbeschwerde keines vorgeschalteten
Anerkennungsverfahrens gemäß § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
14
aa) Der Durchführung eines Anerkennungsverfahrens hätte allerdings noch
nicht entgegengestanden, dass es sich bei der in Ägypten
vollzogenen Scheidung um eine sogenannte Privatscheidung
handelt.
15 Nach der noch zu Art. 7 § 1 Abs. 1 Satz 1 FamRÄndG
ergangenen Rechtsprechung des Senats fallen Privatscheidungen im
Anerkennungsverfahren jedenfalls dann unter den Begriff der Entscheidungen,
wenn daran eine ausländische Behörde entsprechend den von ihr zu beachtenden
Normen in irgendeiner Form, und sei es auch nur registrierend, mitgewirkt
hat (Senatsbeschluss BGHZ 82, 34 = FamRZ 1982, 44, 45). Da mit der
Übernahme der Regelung in § 107 FamFG insoweit keine inhaltliche Änderung
verbunden war, gilt dies unverändert für die bestehende Rechtslage.
16 Dem steht auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
(Urteil vom 20. Dezember 2017 - FamRZ 2018, 169 - Sahyouni) nicht
entgegen. Denn der Europäische Gerichtshof hat nur zur Anwendbarkeit der
Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 (Rom III-VO) entschieden und eine solche unter
Berücksichtigung der Verordnung (EG) 2201/2003 (Brüssel IIa-VO) verneint.
Dies steht einer Anerkennung im Verfahren nach § 107 FamFG nicht im Weg.
17 bb) Die Durchführung des Anerkennungsverfahrens war hier
jedoch nicht zwingend.
18 Vereinzelt wird in Rechtsprechung
und Literatur angenommen, dass das Anerkennungsverfahren im Fall von
Privatscheidungen auch bei Auslandsscheidungen gemäß § 107 Abs. 1 Satz 2
FamFG vorrangig durchgeführt werden müsse und sich eine Inzidentfeststellung
der Wirksamkeit der Scheidung verbiete (OLG Nürnberg FamRZ 2017,
360; OLG Frankfurt FamRZ 2005, 989; Zöller/Geimer ZPO 32. Aufl. § 107 FamFG
Rn. 7).
19 Das trifft indes nicht zu. Der
Gesetzgeber hat in § 107 Abs. 1 FamFG eine differenzierende Regelung
getroffen, welche im Heimatstaat der Ehegatten durchgeführte
Auslandsscheidungen vom obligatorischen Anerkennungsverfahren ausnimmt.
Während nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG Entscheidungen nur anerkannt werden,
wenn die Landesjustizverwaltung festgestellt hat, dass die Voraussetzungen
für die Anerkennung vorliegen, hängt die Anerkennung nach § 107 Abs. 1 Satz
2 FamFG nicht von einer Feststellung der Landesjustizverwaltung ab, wenn ein
Gericht oder eine Behörde des Staates entschieden hat, dem beide Ehegatten
zur Zeit der Entscheidung angehört haben. Eine unterschiedliche Bedeutung
des Begriffs der Entscheidung in § 107 Abs. 1 Satz 1und Satz 2 FamFG besteht
entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde (vgl. auch OLG Frankfurt FamRZ
2005, 989) nicht. Vielmehr schließt eine Einbeziehung von Privatscheidungen
in die Anerkennung von Entscheidungen nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG
notwendigerweise auch eine Einbeziehung in den Anwendungsbereich von § 107
Abs. 1 Satz 2 FamFG ein.
20 Allein die allgemeine Zielsetzung des
Anerkennungsverfahrens, welche in der Vermeidung der Gefahr sich
widersprechender Entscheidungen besteht, rechtfertigt es nicht, die
beiden Tatbestände gemäß § 107 Abs. 1 FamFG entgegen der ausdrücklichen
gesetzlichen Regelung gleichzustellen. Ob ein Anerkennungsverfahren
durchgeführt wird, unterliegt in Fällen des § 107 Abs. 1 Satz 2 FamFG der
freien Entscheidung der geschiedenen Ehegatten als Antragsberechtigten.
Anders als in Fällen nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG besteht mithin kein
Zwang zur Durchführung des Anerkennungsverfahrens, so dass den Beteiligten
auch eine Inzident-Entscheidung über die Anerkennung nicht verweigert werden
darf. Dass dabei die Standesämter mitunter schwierige Fragen des
ausländischen Rechts beurteilen müssen, ist nicht ungewöhnlich. Das Gesetz
erwartet dies auch in anderen Zusammenhängen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 210,
59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 22) und trägt bestehenden Schwierigkeiten dadurch
Rechnung, dass es den Standesämtern die Befugnis einräumt, in Zweifelsfällen
nach § 49 Abs. 2 PStG eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.
21 cc) Das Beschwerdegericht hat entsprechend diesen Maßstäben die Vorfrage
der Scheidung inzident geprüft und auf die Scheidung, die keinen
Auslandsbezug aufgewiesen hat, zutreffend das ägyptische Recht angewendet.
Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, das Beschwerdegericht habe
keine Feststellungen zur Scheidung und deren Registrierung getroffen, ist
unbegründet. Denn die notwendigen Feststellungen ergeben sich aus der
angefochtenen Entscheidung. Sie beruhen auf der Urkunde über die
Scheidungserklärung und dem Auszug aus dem ägyptischen Scheidungsregister,
die vom Beteiligten zu 1 vorgelegt worden sind. Weitere auf die Anwendung
des ausländischen Rechts bezogene Beanstandungen hat die Rechtsbeschwerde
nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich (vgl. auch Senatsurteil
BGHZ 160, 332 = FamRZ 2004, 1952, 1955).
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