Keine Mutterschaft (§ 1591 BGB) eines
Mann-zu-Frau Transsexuellen nach Zeugung eines Kindes (§ 11 I TSG)
BGH, Beschluss vom 29. November 2017
- XII ZB 459/16 - Kammergericht Berlin
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle, mit deren
konserviertem Spendersamen ein Kind gezeugt wurde, das nach rechtskräftiger
Entscheidung über die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit geboren worden
ist, kann abstammungsrechtlich nur die Vater- und nicht die Mutterstellung
erlangen (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 6. September 2017 - XII ZB
660/14 - FamRZ 2017, 1855).
b) Eine von ihr gleichwohl erklärte Mutterschaftsanerkennung ist unwirksam.
Zentrale Probleme:
Eine Mann-zu-Frau Transsexuelle, von der ein Kind
biologisch abstammt, kann nicht deren Mutter, sondern nur Vater sein (§
11 Satz 1 TSG). Das gilt auch, wenn das Kind nach der
rechtlichen Änderung des Geschlechts gezeigt wurde.
©sl 2018
Gründe:
I.
1 Die Beteiligten streiten über den Geburtseintrag des betroffenen Kindes.
2 Das Kind wurde im Juni 2015 von der Beteiligten zu 2 geboren. Die
Beteiligte zu 1 ist Mann-zu-Frau-Transsexuelle und deutsche
Staatsangehörige. Nach ihrem von den Vorinstanzen nicht geprüften
Vortrag ist das Kind mit ihrem Samen gezeugt worden.
Der Beschluss über die Feststellung ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen
Geschlecht ist seit August 2012 rechtskräftig. In einer notariellen Urkunde
ihres zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten erkannte sie mit
Zustimmung der Beteiligten zu 2 vorgeburtlich an, Mutter des Kindes zu sein.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben im September 2015 eine
eingetragene Lebenspartnerschaft begründet.
3 Das Standesamt hat die Geburt des Kindes mit dem Inhalt beurkundet, dass
die Beteiligte zu 2 dessen Mutter ist. Die Eintragung der
Beteiligten zu 1, die ebenfalls als Mutter eingetragen werden will, hat es
abgelehnt.
4 Der Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 sowie des durch sie vertretenen
Kindes, das Standesamt nach § 49 PStG dazu anzuweisen, auch die Beteiligte
zu 1 - mit ihrem weiblichen Vornamen - als Mutter einzutragen, ist in beiden
Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen
sie ihr Begehren weiter.
II.
5 Die nach § 70 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm § 51 Abs. 1 PStG
statthaften und auch sonst zulässigen Rechtsbeschwerden haben in der Sache
keinen Erfolg.
6 1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die
Beteiligte zu 1 gemäß § 1591 BGB nicht die Mutter des Kindes sei, weil sie
es nicht geboren habe. Eine Anerkennung der Mutterschaft sehe das anwendbare
deutsche Recht nicht vor. Eine analoge Anwendung von § 1592 Nr. 2 BGB sei
mangels einer bestehenden Gesetzeslücke nicht zulässig. Der Gesetzgeber habe
die Feststellung der Mutterschaft an das objektiv feststellbare und
unabänderliche Merkmal geknüpft, wer das Kind geboren habe. Eine neben der
Adoption bestehende Möglichkeit, die Mutterschaft durch Rechtsakt zu
begründen, habe er bewusst verneint. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass
die rechtliche Abstammung nicht im Widerspruch zu den Erfordernissen der
biologischen Zeugung auf zwei Mütter oder zwei Väter verweisen solle.
7 Eine Gesetzeslücke liege auch dann nicht vor, wenn die anerkennende Frau
vor oder nach gerichtlicher Feststellung ihres weiblichen Geschlechts an der
Zeugung des Kindes als Spender des Samens und damit biologisch als Vater
beteiligt gewesen sei. Der Gesetzgeber habe diese Konstellation ebenfalls
bedacht und die Zuordnung von leiblichen Kindern in § 11 TSG dahin gehend
geregelt, dass die Entscheidung, der Antragsteller sei als dem anderen
Geschlecht zugehörig anzusehen, dessen Rechtsverhältnis zu seinen Kindern
unberührt lasse. Das gelte ausweislich der Gesetzesmaterialien auch für nach
Rechtskraft der Entscheidung nach §§ 8, 10 TSG geborene Kinder. Die Regelung
zur Angabe des Vornamens in § 5 Abs. 2 TSG führe ebenfalls nicht zu einem
Widerspruch innerhalb des Gesetzes und damit zu einer Unklarheit.
8 Schließlich erfordere auch das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner
Abstammung nicht, die Beteiligte zu 1 mit weiblichem Geschlecht und unter
ihrem geänderten Namen als (weitere) Mutter in den Geburtseintrag
aufzunehmen. Das Personenstandsrecht beziehe sich auf die rechtliche
Elternschaft, die zu der Beteiligten zu 1 jedenfalls nicht als Mutter
begründet werde. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung richte
sich auf Kenntnisverschaffung von Tatsachen und sei nicht durch das
Personenstandsregister zu gewährleisten.
9 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Der vom
Standesamt vorgenommene Geburtseintrag entspricht § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG.
10 a) Nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG sind die Vornamen und Namen der Eltern des
Kindes im Geburtenregister zu beurkunden. Die Vorschrift bezieht sich
übereinstimmend mit der Definition des Personenstands (§ 1 Abs. 1 Satz 1
PStG) auf die rechtliche Elternschaft (vgl. Senatsbeschluss
BGHZ 203, 350 = FamRZ 2015, 240 Rn. 63).
11 aa) Mutter des Kindes ist nach § 1591 BGB die Frau, die das Kind
geboren hat. Das deutsche bürgerliche Recht kennt nur die Zuordnung
einer einzigen Mutter kraft Gesetzes. Damit hat der
Gesetzgeber andere mögliche Formen der abstammungsrechtlichen
Mutter-Kind-Zuordnung, insbesondere die Mutterschaft der Eizellspenderin im
Fall der Leihmutterschaft, bewusst ausgeschlossen (vgl.
Senatsbeschluss BGHZ 203, 350 = FamRZ 2015, 240 Rn. 35 ff.). Eine
Mutterschaftsanerkennung sieht das geltende Recht nicht vor.
Weitere Formen der Entstehung einer beiderseits weiblichen Elternschaft
kraft Abstammung, etwa die Mit- oder Co-Mutterschaft bei konsentierter
heterologer Insemination (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016,
1251 Rn. 30 ff.), sind im deutschen Recht ebenfalls nicht vorgesehen
.
12 bb) Aufgrund des - rechtsbeschwerderechtlich zu unterstellenden -
Fortpflanzungsbeitrags der Beteiligten zu 1 durch Samenspende ist mithin nur
die Begründung der Vaterschaft möglich. Dass diese
ungeachtet der Zugehörigkeit der Beteiligten zu 1 zum weiblichen Geschlecht
möglich ist, ergibt sich aus
§
11 Satz 1 TSG. Das Beschwerdegericht hat mit Recht und im
Einklang mit der inzwischen ergangenen Senatsrechtsprechung (Senatsbeschluss
vom 6. September 2017 - XII ZB 660/14 - FamRZ 2017, 1855 Rn. 15) darauf
hingewiesen, dass § 11 Satz 1 TSG auch Sachverhalte erfasst, in
denen das leibliche Kind eines Transsexuellen - wie hier - zeitlich erst
nach der gerichtlichen Entscheidung über die Änderung der elterlichen
Geschlechtszugehörigkeit geboren wird (vgl. auch BT-Drucks. 8/2947
S. 16). Nach § 11 Satz 1 TSG sollte nach den Vorstellungen des
Gesetzgebers der Status des Transsexuellen als Vater oder als Mutter
unberührt bleiben, und zwar insbesondere für die Vaterschaftsfeststellung
und die Ehelichkeitsanfechtung (vgl. Senatsbeschluss vom 6.
September 2017 - XII ZB 660/14 - FamRZ 2017, 1855 Rn. 15 ff.; BT-Drucks.
8/2947 S. 16).
13 Die Beteiligte zu 1 könnte mithin abstammungsrechtlich
übereinstimmend mit dem von ihr geleisteten Fortpflanzungsbeitrag nur die
Stellung eines rechtlichen Vaters einnehmen (vgl. OLG Köln FamRZ
2010, 741, 742 f.). Die Vaterschaft hat die anwaltlich beratene
Beteiligte zu 1 indessen nicht anerkannt. Dass sie stattdessen eine
ausdrückliche Mutterschaftsanerkennung erklärt hat, beruht auf dem damit
bewusst verfolgten Ziel ihrer abstammungsrechtlichen Etablierung als weitere
Mutter. Schon weil die mit der Mutterschaft verbundenen
statusrechtlichen Rechtsfolgen gegenüber denen der Vaterschaft
grundverschieden sind, kann die Erklärung der Beteiligten zu 1 auch nicht in
eine Vaterschaftsanerkennung umgedeutet werden (vgl.
Senatsbeschluss vom 20. Juli 2016 - XII ZB 609/14 - FamRZ 2016, 1761 Rn. 8,
14).
14 b) Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die
Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung.
15 aa) Wie der Senat bereits für den umgekehrten Fall der Geburt des Kindes
durch einen Frau-zu-Mann-Transsexuellen ausgeführt hat, verstößt es
nicht gegen Grundrechte der transsexuellen Person, dass ihr das geltende
Abstammungsrecht ungeachtet des Umstands, dass sie nunmehr als dem anderen
Geschlecht zugehörig gilt, den sich aus dem früheren Geschlecht und dem
diesem entsprechenden spezifischen Fortpflanzungsbeitrag ergebenden
rechtlichen Elternstatus zuweist. Die gesetzliche Regelung
verletzt die transsexuelle Person nicht in ihrem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG.
Auch wenn es die Anerkennung der geschlechtlichen Identität eines
transsexuellen Elternteils beeinträchtigen kann, wenn ihm im Verhältnis zu
einem nach der Entscheidung gemäß § 8 Abs. 1 TSG geborenen oder gezeugten
Kind ein rechtlicher Status - Vater oder Mutter - zugewiesen ist, welcher
der geschlechterbezogenen Elternrolle seines selbstempfundenen und rechtlich
zugewiesenen Geschlechts nicht entspricht, ist die
Persönlichkeitsentfaltung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in die Schranken der
verfassungsmäßigen Ordnung gestellt. Darunter sind alle
Rechtsnormen zu verstehen, die sich formell und materiell mit dem
Grundgesetz im Einklang befinden. Dies ist bei den §§ 1591, 1592 BGB und §
11 Satz 1 TSG der Fall, und zwar auch auf der Grundlage der vom Senat für
zutreffend befundenen Auslegung von § 11 Satz 1 TSG (Senatsbeschluss vom 6.
September 2017 - XII ZB 660/14 - FamRZ 2017,1855 Rn. 23 f.).
16 Die an der Senatsrechtsprechung geäußerte Kritik (Wapler FamRZ 2017,
1861) verkennt bereits, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner für die
bestehende Rechtslage grundlegenden Rechtsprechung von einer klaren, den
biologischen Umständen entsprechenden rechtlichen Zuordnung von Kindern zu
einem Vater und einer Mutter ausgegangen ist (BVerfGE 128, 109 = NJW 2011,
909 Rn. 77). Das Bundesverfassungsgericht hat es unter Hinweis auf die
Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 30. November 2009 (FamRZ 2010,
741), die ebenfalls den Fall eines nach Feststellung der Zugehörigkeit des
Elternteils zum anderen Geschlecht (§ 8 TSG) geborenen Kindes betraf, als
sichergestellt angesehen, dass den betroffenen Kindern trotz der rechtlichen
Geschlechtsänderung eines Elternteils rechtlich immer ein Vater und eine
Mutter zugewiesen bleiben bzw. werden (BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909 Rn.
77). Dem entspricht die gesetzliche Regelung in § 11 TSG und §§ 1591 ff.
BGB.
17 bb) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017
(1 BvR 2019/16 - juris) führt zu keiner anderen Bewertung. Die vorliegende
Fallkonstellation ist von der dortigen grundlegend verschieden, zumal die
Geschlechtszuordnung durch §§ 8 ff. TSG jeweils eindeutig ist. Dass der
Gesetzgeber Statuswirkungen trotz rechtlichen Geschlechtswechsels an den
früheren Status knüpft, entspricht nicht zuletzt dem vom Gesetz besonders
geschützten Interesse des Kindes an einer Abbildung der spezifischen
Fortpflanzungsbeteiligung des jeweiligen Elternteils (vgl. BVerfGE 128, 109
= NJW 2011, 909 Rn. 77; BVerfG Beschluss vom 17. Oktober 2017 - 1 BvR 747/17
- juris).
18 c) Auch einen Verstoß gegen den aus Art. 8 EMRK hergeleiteten Anspruch
transsexueller Personen auf Verwirklichung der rechtlichen Anerkennung ihrer
selbstempfundenen geschlechtlichen Identität hat der Senat unter Hinweis auf
die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und das
von diesem den Staaten grundsätzlich eingeräumte weite Ermessen verneint
(vgl. auch EGMR FamRZ 2017, 936). Dieses Ermessen hat Deutschland nicht
überschritten, indem es die Zuordnung eines von einer transsexuellen Person
nach der rechtlichen Geschlechtsänderung geborenen oder gezeugten Kindes
entweder als "Vater" oder als "Mutter" an die Fortpflanzungsfunktion und
nicht an das rechtlich zugewiesene geänderte Geschlecht des transsexuellen
Elternteils anknüpft (Senatsbeschluss vom 6. September 2017 - XII ZB 660/14
- FamRZ 2017, 1855 Rn. 45).
|