Deliktsrechtlicher Schutz der Ehe (§ 823 I BGB,
Art. 6 I GG): Begrenzung auf den räumlich-gegenständlichen Bereich
BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014 -
XII ZB 45/13 - OLG München
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Ein Verfahren, in dem die Unterlassung einer von
einem Dritten getätigten Äußerung begehrt wird, die geeignet ist, die
persönliche Beziehung zwischen Ehegatten zu beeinträchtigen, ist keine
sonstige Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG.
Zentrale Probleme:
Eigentlich geht es in dieser Entscheidung nur um die Frage der sachlichen
Zust ändigkeit des Familiengerichts nach §
266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Dabei wird aber inzident eine grundsätzliche Frage
des Deliktsrechts angesprochen:
Die Klägerin wendet sich mit einer Unterlassungsklage gegen den Beklagten.
Dieser behauptet offenbar indirekt, mit der verheirateten Klägerin ein
intimes Verhältnis zu haben oder gehabt zu haben. Dass aus einer solchen
Behauptung im Falle ihrer Unwahrheit ein Unterlassungsanspruch aus § 823
Abs. 1, § 1004 BGB wegen einer Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts resultieren kann, steht außer Frage. Der Senat muss
sich hier allerdings im Rahmen der Zuständigkeitsfrage mit der Frage
befassen, ob vorliegend auch ein auf die Verletzung der Ehe gegründeter
Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegeben ist. Es entspricht
ständiger Rechtsprechung, dass die Ehe als absolutes Recht ein „sonstiges
Recht“ im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB ist. Der Schutzbereich umfasst insoweit
allerdings nur den „räumlich-gegenständlichen Bereich“ der Ehe, nicht aber
die Ehe als Gemeinschaft als solche. Die Behauptung der Klägerin, der
Beklagte wolle „ihre Ehe zerstören“, begründet daher keinen auf die
Verletzung der Ehe gestützten Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB
und daher auch keinen darauf gestützten Unterlassungsanspruch aus § 1004
BGB. Selbstverständlich bleibt die Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts, die aber nicht vor den Familiengerichten geltend zu
machen ist.
©sl 2014
Gründe:
1 Die Beteiligten streiten über die
Zuständigkeit des angerufenen Familiengerichts.
2 Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner die Unterlassung der
gegenüber ihrem Ehemann getätigten Äußerung, der Antragsgegner habe nicht am
Tennistraining im Oktober 2011 teilnehmen können, weil er zeitgleich mit der
Antragstellerin zusammen gewesen sei.
3 Das Amtsgericht - Familiengericht - hat sich für unzuständig erklärt und
das Verfahren an die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts verwiesen.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht
zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der
zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 6 GVG iVm § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO statthaft (Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 652/11 -FamRZ
2013, 281 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässig.
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
a) Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen einer sonstigen Familiensache
gemäß § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG verneint und zur Begründung seiner
Entscheidung ausgeführt, durch die Äußerung des Antragsgegners sei
nicht in den räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe eingegriffen worden.
Zwar sei die Ehestörungsklage nur ein Beispiel für eine sonstige
Familiensache iSv § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Eine am Wortlaut und Zweck der
Vorschrift orientierte Auslegung ergebe aber, dass der Anspruch gegen den
Dritten aus der Ehe herrühren müsse. Vorliegend greife der
Antragsgegner durch seine Äußerung zwar in die Ehre der Antragstellerin,
jedoch nicht in deren Ehe als ein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes
sonstiges Recht ein. Eine erweiternde Auslegung des § 266 Abs. 1 Nr. 2
FamFG, nach der es ausreiche, dass die beanstandete Äußerung Einfluss auf
die Ehe der Antragstellerin habe, sei nicht geboten und führe zu einem weit
ausufernden Anwendungsbereich der Vorschrift.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand. Entgegen der
Auffassung der Antragstellerin ist die hier zu beurteilende Streitigkeit
nicht als sonstige Familiensache iSv § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zu
qualifizieren.
aa) Nach dieser Vorschrift sind sonstige Familiensachen, für die die
Zuständigkeit des Familiengerichts begründet ist, Verfahren, die aus
der Ehe herrührende Ansprüche betreffen. Diese
Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Anspruch in der Ehe selbst seine
Grundlage findet. Der bloße Zusammenhang des geltend gemachten
Anspruchs mit einer Ehe genügt hierfür nicht (Zöller/Lorenz ZPO 30. Aufl. §
266 FamFG Rn. 13; Burger FamRZ 2009, 1017, 1018; Heiter FamRB 2010, 121,
122; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S. 263; a. A.
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 72. Aufl. § 266 FamFG Rn. 11).
Neben den aus § 1353 BGB hergeleiteten Ansprüchen
vermögensrechtlicher und persönlicher Art zwischen den Ehegatten werden von
§ 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG die Ansprüche erfasst, die dem Schutz der ehelichen
Lebensgemeinschaft vor Störungen dienen (vgl. Keidel/Giers FamFG
18. Aufl. § 266 Rn. 9). Dazu zählen insbesondere die sich aus §§ 823
Abs. 1, 1004 BGB iVm Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Unterlassungs- und
Beseitigungsansprüche bei Störungen des räumlich-gegenständlichen Bereichs
der Ehe, auch wenn sie sich gegen einen Dritten richten
(Johannsen/Henrich/Jaeger Familienrecht 5. Aufl. § 266 FamFG Rn. 10;
MünchKommFamFG/Erbarth 2. Aufl. § 266 Rn. 77 f.; Schulte-Bunert/Weinreich/Rehme
FamFG 4. Aufl. § 266 Rn. 14; Prütting/Helms/Heiter FamFG 3. Aufl. § 266 Rn.
43; Horndasch/ Viefhues/Cremer FamFG 3. Aufl. § 266 Rn. 20; Keidel/Giers
FamFG 18. Aufl. § 266 Rn. 10; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 34. Aufl. § 266 FamFG
Rn. 4; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S. 262 f.).
Eine Verletzung des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe ist
durch die von der Antragstellerin behauptete Äußerung des Antragsgegners
jedoch nicht gegeben. Der Schutzbereich des "räumlich-gegenständlichen
Bereichs der Ehe" beschränkt sich auf den äußeren Bereich der
Lebensgestaltung der Ehegatten, der die Grundlage für das gemeinsame Ehe-
und Familienleben bildet und zugleich den einzelnen Familienmitgliedern die
Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen soll (BGHZ 6, 360, 365
f. = NJW 1952, 975). Er umfasst daher insbesondere die Ehewohnung in
dem Bestand, in dem sie die Eheleute gemeinsam nutzen (Staudinger/Voppel
BGB [2012] § 1353 Rn. 115; MünchKommFamFG/Erbarth 2. Aufl. § 266 Rn. 78).
Ehestörungen, die unmittelbar die innere Lebens- und
Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten berühren, sind dagegen als
innerehelicher Vorgang nicht in den Schutzzweck der deliktischen
Haftungstatbestände einbezogen (Senatsurteil vom 19. Dezember 1989
- IV b ZR 56/88 - FamRZ 1990, 367, 369).
Im vorliegenden Fall sieht die Antragstellerin die Ehestörung darin, dass
der Antragsgegner mit seinem Verhalten das Ziel verfolgt habe, die
Ehe der Antragstellerin zu zerstören. Aus diesem Vortrag der Antragstellerin
ergibt sich kein Eingriff in deren äußeren ehelichen Lebensbereich, sondern
eine Beeinträchtigung der persönlichen Beziehung der Eheleute untereinander,
die vom Schutzbereich des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe als
einem sonstigen Recht iSv § 823 Abs. 1 BGB nicht erfasst wird.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde entsprechen daher die für die
Zuständigkeitsbestimmung maßgeblichen Umstände nicht gleichzeitig den
notwendigen Tatbestandsmerkmalen des geltend gemachten Anspruchs (sogenannte
doppelt relevante Tatsachen, vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 5.
Dezember 2012 - XII ZB 652/11 - FamRZ 2013, 281 Rn. 33). Da die von
der Antragstellerin behauptete Äußerung des Antragsgegners nicht in den
Schutzbereich des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe eingreift, kann
sich ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin lediglich aufgrund einer
Verletzung ihrer persönlichen Ehre nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB ergeben.
Das Beschwerdegericht konnte daher schon allein aufgrund des Sachvortrags
der Antragstellerin darüber entscheiden (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 5.
Dezember 2012 - XII ZB 652/11 - FamRZ 2013, 281 Rn. 20 ff.), ob eine
sonstige Familiensache iSv § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG gegeben ist.
Eine Beweiserhebung über die Behauptung der Antragstellerin, der
Antragsgegner habe - wie bereits mehrfach in der Vergangenheit hinsichtlich
fünf weiterer Ehen -mit seinem Verhalten das Ziel verfolgt, auch die Ehe der
Antragstellerin zu zerstören, war daher im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung
nicht veranlasst.
bb) Schließlich kann die hier zu beurteilende Streitigkeit nicht aus anderen
Gründen als sonstige Familiensache iSv § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG qualifiziert
werden.
Der Gesetzgeber hat mit § 266 FamFG den Zuständigkeitsbereich der
Familiengerichte deutlich erweitert ("Großes Familiengericht"). Damit sollen
bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu
familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem
Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen,
ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium dabei ist nach der
Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum
Verfahrensgegenstand. Im Interesse aller Beteiligten soll es dem
Familiengericht möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und
Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden
(Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2012 - XII ZB 652/11 -FamRZ 2013, 281 Rn.
25; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S. 168 f.).
Zu Recht weist das Beschwerdegericht daher darauf hin, dass
Ehestörungsverfahren nur ein Beispiel für eine sonstige Familiensache iSv §
266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG sind. Die mit der Erweiterung der Zuständigkeit der
Familiengerichte durch die Neuregelung in § 266 FamFG verfolgte
gesetzgeberische Absicht erfordert es jedoch nicht, Verfahren, die nur
mittelbar Auswirkung auf eine bestehende Ehe haben, als Familiensachen zu
qualifizieren. Ein solches Verständnis des § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG würde zu
einem weit ausufernden Anwendungsbereich der Vorschrift führen, weil sich
dieser dann auch auf Verfahren erstrecken würde, deren Einordnung als
Familiensache nicht mehr mit der Sachnähe der Familiengerichte zum
Verfahrensgegenstand gerechtfertigt werden kann.
So liegen die Dinge hier. Eine besondere Sachnähe des Familiengerichts zum
Verfahrensgegenstand besteht nicht. Die Antragsgegnerin verfolgt
einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB aufgrund einer
behaupteten ehrverletzenden Äußerung des Antragsgegners. Das
Verfahren weist damit keine Besonderheiten auf, die eine Entscheidung durch
das Familiengericht erfordern. Dass die Äußerung möglicherweise Auswirkungen
auf die persönliche Beziehung der Antragstellerin zu ihrem Ehemann hat und
der Fortbestand ihrer Ehe dadurch gefährdet worden ist, genügt als
mittelbare Folge nicht, um eine Zuständigkeit des Familiengerichts nach §
266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zu begründen.
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