Keine Aufhebung der Minderjährigenadoption nach
Volljährigkeit des Kindes; Voraussetzungen einer Analogie;
Verfassungsmäßigkeit
BGH, Beschluss vom 12. März 2014 -
XII ZB 504/12 - OLG Karlsruhe
Fundstelle:
NJW 2014, 1663
BGHZ 200, 310
Amtl. Leitsatz:
Das zu einem Minderjährigen
begründete Annahmeverhältnis ist nach dem Eintritt der Volljährigkeit des
Kindes auch bei schwersten Verfehlungen eines Beteiligten (hier: sexueller
Missbrauch der Adoptivtochter durch den Adoptivvater) nicht mehr aufhebbar.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung des (furchtbaren) Falles ist vor
allem methodisch für Fragen der Analogie sowie in Bezug auf die Prüfung der
Verfassungsmäßigkeit der Rechtslage von besonderem Interesse.
©sl 2014
Gründe:
I.
1 Das Verfahren betrifft die Aufhebung einer Minderjährigenadoption.
2 Die Mutter der Antragstellerin heiratete im Jahre 1992 den Antragsgegner.
Sie brachte die im Februar 1991 geborene Antragstellerin in die Ehe mit, die
von einem anderen Mann abstammte und von dem Antragsgegner im Jahre 1994
adoptiert wurde. Aus der Ehe des Antragsgegners mit der Mutter der
Antragstellerin gingen noch vier gemeinsame Kinder hervor, darunter die im
Jahre 1997 geborene Tochter L.
3 Sowohl die Antragstellerin als auch ihre leibliche Halbschwester L. wurden
seit ihrem sechsten Geburtstag (1997 bzw. 2003) von dem Antragsgegner bis zu
seiner vorläufigen Festnahme im Jahre 2008 fortwährend sexuell missbraucht.
Im Jahre 2009 wurde der Antragsgegner deswegen zu einer Freiheitsstrafe von
neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Antragstellerin befindet sich
in laufender psychotherapeutischer Behandlung, war zeitweise in einer
psychiatrischen Klinik untergebracht und unternahm kurz nach ihrem 18.
Geburtstag einen Suizidversuch.
4 Im November 2009 beantragte die zu diesem Zeitpunkt bereits volljährige
Antragstellerin die Aufhebung der Adoption. Der Antragsgegner hat sich dem
Aufhebungsantrag angeschlossen. Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer zugelassenen
Rechtsbeschwerde.
II.
5 Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Mit Recht und mit
zutreffender Begründung hat das Beschwerdegericht entschieden, dass die
Aufhebung einer Minderjährigenadoption nach geltendem Recht nicht möglich
ist, sobald das angenommene Kind volljährig geworden ist.
6 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen das Folgende ausgeführt: Eine Aufhebung der Adoption von Amts
wegen aus Gründen des Kindeswohls gemäß § 1763 BGB scheide aus, weil diese
Vorschrift nur für die Minderjährigenadoption und nur solange gelte, wie das
Kind minderjährig sei. Auch gemäß § 1771 Satz 1 BGB könne die Adoption nicht
aufgehoben werden, weil diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur für
Annahmeverhältnisse gelte, welche zu einem Volljährigen begründet worden
seien. Die Vorschrift könne auch nicht analog angewendet werden, weil es an
einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Selbst in Fällen krassen
materiellen Unrechts komme eine entsprechende Anwendung von § 1771 Satz 1
BGB nicht in Betracht, zumal der Gesetzgeber das Adoptionsrecht mehrfach
reformiert habe, ohne dieser Problematik mit einer Änderung der Vorschrift
Rechnung zu tragen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die aktuelle
Rechtslage, soweit sie einer Aufhebung der Adoption der Antragstellerin
entgegenstünden, seien nicht zu erheben.
7 2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
8 a) Auf die in § 1759 BGB iVm §§ 1760, 1763 BGB enumerierten Gründe
für die Aufhebung einer Minderjährigenadoption kann sich die Antragstellerin
nicht stützen. Die in § 1760 BGB benannten schwerwiegenden Mängel
bei der Begründung des Annahmeverhältnisses bestehen nicht. Eine
amtswegige Aufhebung der Adoption aus wichtigem Grund zum Wohle des Kindes
sieht § 1763 Abs. 1 BGB ausdrücklich nur während der Minderjährigkeit des
Kindes vor, wobei auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der
letzten Tatsacheninstanz abzustellen ist (MünchKommBGB/Maurer 6.
Aufl. § 1759 Rn. 4 mwN). Im vorliegenden Fall war die Antragstellerin schon
bei der Antragstellung volljährig.
9 b) Nach § 1771 Satz 1 BGB kann das Familiengericht das "zu einem
Volljährigen begründete" Annahmeverhältnis aus wichtigem Grund aufheben,
wenn dies der Annehmende und der Angenommene übereinstimmend beantragen.
10 aa) Es entspricht allgemeiner Meinung, dass die Vorschrift auf
solche Fälle, in denen - wie hier - der Angenommene bei der Adoption
minderjährig war und zwischenzeitlich volljährig geworden ist, schon
angesichts ihres klaren Wortlauts nicht unmittelbar angewendet werden kann
(BayObLG FamRZ 1990, 204 und FamRZ 1990, 1392, 1393; OLG
Zweibrücken FamRZ 1986, 1149 und FamRZ 1997, 577, 578; OLG Karlsruhe FamRZ
1996, 434, 435; OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 300; LG Düsseldorf FamRZ 2001,
648, 649). Danach besteht auch kein Raum für eine gegebenenfalls
verfassungskonforme Auslegung von § 1771 Satz 1 BGB, weil auch eine solche
Auslegung am eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ihre Grenze findet
(vgl. nur BVerfG NJW 1983, 1179, 1181 und NJW 1981, 39, 43; vgl. auch
Senatsurteil vom 24. Juni 2009 - XII ZR 161/08 - FamRZ 2009, 1477 Rn. 28).
11 bb) Das Beschwerdegericht hat ferner - ebenfalls im Einklang mit der
einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm NJW 1981, 2762,
2763; BayObLG FamRZ 1990, 204, 205 und FamRZ 1991, 227, 228; OLG Zweibrücken
FamRZ 1986, 1149 und FamRZ 1997, 577, 578; OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 434,
435; OLG Stuttgart FamRZ 1988, 1096 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 300 f.;
LG Düsseldorf FamRZ 2001, 648, 649) und in der Literatur (Palandt/Götz BGB
73. Aufl. § 1771 Rn. 2; BeckOK BGB/Enders [Stand: Mai 2013] § 1771 Rn. 2;
Staudinger/Frank BGB [2007] § 1771 Rn. 5; MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. §
1771 Rn. 6 mwN) - zutreffend erkannt, dass eine analoge Anwendung
der Vorschrift auf den Fall einer Minderjährigenadoption nach dem Eintritt
der Volljährigkeit des angenommenen Kindes nicht in Betracht kommt. Von
einer planwidrigen Regelungslücke kann nicht ausgegangen werden. Der
Gesetzgeber hat gesehen, dass jede Minderjährigenadoption eines Tages in ein
Annahmeverhältnis zu einem Volljährigen übergehen wird, das dann unaufhebbar
ist. Dies erschließt sich aus der amtlichen Begründung des
Regierungsentwurfs für das Adoptionsgesetz vom 2. Juli 1976 (BGBl. I S.
1749). Unter der Kapitelüberschrift "Keine erleichterte Aufhebung nach
Volljährigkeit des Kindes" ist in der Entwurfsbegründung ausgeführt, dass
die Annahme als Kind nicht nur der Erziehung und Betreuung des
Minderjährigen diene. Vielmehr solle das angenommene Kind "auf Dauer, also
auch nachdem es volljährig geworden ist, der neuen Familie zugeordnet"
bleiben. Der Zweck der Annahme sei deshalb nicht dann erfüllt, wenn das Kind
nicht mehr erziehungsbedürftig ist. Die Familienbindung und die
Zugehörigkeit zu einem Familienverband habe auch für den Erwachsenen eine
erhebliche Bedeutung. Auch bei einem auf Geburt beruhenden
Eltern-Kind-Verhältnis gebe es in Bezug auf die familiäre Zuordnung keine
Einschränkung, nachdem das Kind volljährig geworden ist. Aus diesem
Grunde sehe der Entwurf für die Aufhebung der Adoption "keine vertragliche
oder sonst erleichterte Möglichkeit vor, wenn der Angenommene volljährig
geworden" sei (BT-Drucks. 7/3061, S. 27).
12 c) Die insbesondere auf Aufsätze von Bosch (FamRZ 1984, 829, 842 und
FamRZ 1986, 1149 f.) zurückgehende Auffassung, dass die Aufhebung einer
Minderjährigenadoption nach Eintritt der Volljährigkeit zumindest in
"krassen Fällen materiellen Unrechts" ausnahmsweise entsprechend § 1771 Satz
1 BGB zugelassen werden sollte (Soergel/Liermann BGB 12. Aufl. § 1771 Rn.
10; Erman/Saar BGB 12. Aufl. § 1759 Rn. 3), fand in der früheren
obergerichtlichen Rechtsprechung einige Male Erwähnung (vgl. etwa BayObLG
FamRZ 1990, 204, 205 und FamRZ 1991, 227, 228; OLG Zweibrücken FamRZ 1997,
577, 578), ohne dass allerdings die den jeweiligen Entscheidungen zugrunde
liegenden Sachverhaltsumstände eine nähere Befassung mit dieser
Rechtsansicht erforderten. Mit Recht weist das Beschwerdegericht in diesem
Zusammenhang darauf hin, dass der Gesetzgeber bei den bisherigen größeren
Teilnovellierungen des Adoptionsrechts, insbesondere durch das Gesetz zur
Änderung adoptionsrechtlicher Vorschriften (AdoptRÄndG) vom 4. Dezember 1992
(BGBl. I S. 1974) und durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (KindRG)
vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942), die bereits seit längerer
Zeit erhobene rechtspolitische Forderung nach einer Aufhebungsmöglichkeit in
Extremfällen nicht aufgegriffen habe. Auch in Fällen, in denen - wie hier -
die Adoption in katastrophaler Weise fehlschlägt, kann daher von einer
planwidrigen Regelungslücke im Gesetz nicht mehr ausgegangen werden
(vgl. nunmehr auch Soergel/Liermann BGB 13. Aufl. § 1771 Rn. 4 und Fn. 10;
Erman/Saar BGB 13. Aufl. § 1759 Rn. 3).
13 Mit dieser Wertung steht es in Einklang, dass der Gesetzgeber keine
rechtliche Möglichkeit zur Aufhebung einer Minderjährigenadoption aus
schwerwiegenden Gründen im Interesse der Adoptiveltern eröffnet hat, und
zwar bewusst auch nicht in Extremfällen "schwerer Kriminalität, die sich
gegen die Eltern richtet" (BT-Drucks. 7/3061, S. 26); jeder
Überlegung, das angenommene Kind sei nicht das eigene Kind, sollte von
vornherein der Boden entzogen werden. Auch dies verdeutlicht, dass dem
Adoptionsgesetz erkennbar das gesetzgeberische Konzept grundsätzlicher
Unauflösbarkeit der Minderjährigenadoption zugrunde liegt, welches die
familiären Bande der Adoptivfamilie in gleicher Weise schicksalhaft "mit
allen sich daraus ergebenden Konsequenzen" miteinander verknüpfen soll, wie
dies auch bei einem durch leibliche Abstammung verbundenen Familienverband
der Fall ist.
14 Im Übrigen lässt sich kein allgemeiner Rechtsgrundsatz dahin
aufstellen, dass jedes familienrechtliche Dauerrechtsverhältnis beim
Vorliegen wichtiger Gründe vorzeitig beendbar sein müsse
(Senatsbeschluss BGHZ 103, 12, 18 = FamRZ 1988, 390, 392). Eine
Aufhebung der Minderjährigenadoption nach Eintritt der Volljährigkeit lässt
sich daher auch in Extremfällen nicht durch beiderseitigen Antrag
entsprechend § 1771 Satz 1 BGB oder - wie die Rechtsbeschwerde meint - von
Amts wegen durch eine analoge Anwendung von § 1763 Abs. 1 BGB erreichen.
15 3. Der Senat sieht keine Veranlassung zu der von der
Rechtsbeschwerde angeregten Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG. Der
Senat hält - ebenso wie das Beschwerdegericht - die geltende Rechtslage,
auch soweit sie unter den hier gegebenen Bedingungen einer Aufhebung der
Adoption entgegensteht, nicht für verfassungswidrig.
16 a) Der von der Rechtsbeschwerde reklamierte Verstoß gegen Art. 3
GG liegt nicht vor. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wesentlich Gleiches gleich und
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG FamRZ 2010,
2050 Rn. 44 mwN). Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede
Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitssatz ist vor allem dann
verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen
Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die
ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG FamRZ 1999, 990
und NJW 1992, 2213, 2214 mwN).
17 aa) Nach diesen Maßgaben kann ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht
damit begründet werden, dass eine Minderjährigenadoption während der
Minderjährigkeit des Kindes nach § 1763 Abs. 1 BGB von Amts wegen aus
schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes aufgehoben werden kann, während
für ein zwischenzeitlich volljährig gewordenes Kind eine solche Möglichkeit
nicht mehr besteht (ebenso bereits BayObLG FamRZ 1991, 227, 229).
Der Grund für diese Ungleichbehandlung von minderjährigen und volljährigen
Kindern liegt darin, dass die Aufhebung einer Adoption in Zeiten der
Minderjährigkeit des angenommenen Kindes erforderlich sein kann, um es dem
minderjährigen Kind zu seinem Wohl zu ermöglichen, in einer neuen
Familienbindung mit seinen leiblichen Eltern oder mit neuen Adoptiveltern
aufzuwachsen (vgl. BT-Drucks. 7/3061 S. 26). Insoweit steht § 1763
Abs. 1 BGB insbesondere in einem untrennbaren systematischen Zusammenhang
zum Verbot der sogenannten Kettenadoption gemäß § 1742 BGB
(MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1763 Rn. 3; Staudinger/Frank BGB [2007] §
1771 Rn. 5; vgl. auch § 1763 Abs. 3 lit. b BGB), wonach ein
minderjähriges Adoptivkind ohne vorherige Aufhebung des bisherigen
Annahmeverhältnisses nicht erneut adoptiert werden kann, um ein
"Herumreichen" des angenommenen Kindes zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 7/3061
S. 31).
18 Die für die Schaffung des § 1763 Abs. 1 BGB tragenden Erwägungen zum
besonderen Schutzbedürfnis minderjähriger Kinder können für ein volljährig
gewordenes Adoptivkind nicht Raum greifen. Ein Volljähriger bedarf
keiner Pflege und Erziehung mehr, so dass die Integration in einen neuen
Familienverband für ihn nicht mehr die gleiche grundlegende Bedeutung hat
wie für ein minderjähriges Kind. Da das Verbot der Kettenadoption
für die Annahme von Volljährigen nicht gilt (§ 1768 Abs. 1 Satz 2 BGB in der
durch das AdoptRÄndG geänderten Fassung), wird das volljährig gewordene Kind
durch das Fehlen einer § 1763 Abs. 1 BGB entsprechenden Möglichkeit zur
Aufhebung des in Zeiten seiner Minderjährigkeit begründeten
Annahmeverhältnisses nicht daran gehindert, sich erneut adoptieren zu lassen
und insbesondere durch eine sogenannte Rückadoption wieder statusrechtliche
Eltern-Kind-Beziehungen zu seinen leiblichen Eltern zu begründen (vgl.
Senatsbeschluss vom 15. Januar 2014 - XII ZB 443/13 - juris Rn. 17).
19 bb) Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz kann auch nicht darin erblickt
werden, dass der Gesetzgeber die durch § 1771 Satz 1 BGB geschaffene
Möglichkeit einer einvernehmlichen Aufhebung der Adoption aus wichtigem
Grund auf die Fälle der mit "schwachen" Wirkungen ausgestatteten
Volljährigenadop-tion beschränkt hat. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der
ihm zustehenden rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in verfassungsrechtlich
(vgl. auch BVerfG NJW 2013, 847 Rn. 94) und konventionsrechtlich (vgl. EGMR
FamRZ 2008, 377 Rn. 80) nicht zu beanstandender Weise dafür entschieden, die
Annahme minderjähriger Kinder als Volladoption auszugestalten, bei der die
Rechtsbeziehungen zur leiblichen Familie erlöschen (§ 1755 BGB). Bei
der Volljährigenadoption mit "schwachen" Wirkungen ist dies gemäß § 1770
Abs. 2 BGB nicht der Fall, weil lediglich ein zusätzliches rechtliches
Verwandtschaftsverhältnis zu dem Annehmenden begründet wird. Diese
unterschiedlichen rechtlichen Wirkungen der Adoption gebieten auch eine
unterschiedliche Behandlung der Aufhebungsmöglichkeiten. Denn der
Gesetzgeber musste insbesondere in Erwägung ziehen, dass den (ehemaligen)
leiblichen Verwandten des Kindes, zu denen die Rechtsbeziehungen durch die
Volladoption zerschnitten worden waren, durch die späte Aufhebung einer
Minderjährigenadoption nach Jahren oder Jahrzehnten eine möglicherweise
nicht mehr erwünschte Verwandtschaftsbeziehung aufgedrängt werden könnte
(vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 1986, 1149; LG Düsseldorf FamRZ 2001,
648, 650; vgl. auch Staudinger/Frank BGB [2007] § 1771 Rn. 5). § 1772 Abs. 2
Satz 1 BGB schließt aus diesem Grunde sogar die Aufhebung einer
Volljährigenadoption mit "starken" Wirkungen nach § 1771 Satz 1 BGB aus.
20 b) Die geltende Rechtslage verstößt auch nicht gegen das
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 GG),
soweit es das durch die Minderjährigenadoption begründete
Verwandtschaftsverhältnis zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind nach dem
Erreichen der Volljährigkeit des Kindes als unabänderlich ausgestaltet hat
.
21 aa) Mit seiner Entscheidung, die Aufhebung einer Minderjährigenadoption
nach Volljährigkeit des angenommenen Kindes nicht mehr zuzulassen, verfolgt
der Gesetzgeber den legitimen und im Hinblick auf die in Art. 6 Abs. 1 GG
enthaltene Institutsgarantie der (Adoptiv-)Familie verfassungsrechtlich
unbedenklichen Zweck, die Grenzen der Familienauflösung so eng wie möglich
zu ziehen und damit auch die Rechtsstellung von leiblichen und
adoptierten minderjährigen Kindern so vollständig wie möglich einander
anzugleichen (vgl. auch LG Düsseldorf FamRZ 2001, 648, 650).
22 bb) Die verfassungsrechtliche Legitimation für die Wahl dieser
rechtlichen Gestaltung entfällt auch dann noch nicht, wenn die Adoption -
wie es unter den hier obwaltenden Umständen der Fall ist - in krasser Weise
fehlschlägt. Denn der Gesetzgeber musste zusätzlich in Erwägung ziehen, dass
durch die Aufhebung einer Volladoption die erloschenen
Verwandtschaftsverhältnisse zu der leiblichen Familie des Adoptivkindes
wieder aufleben und die damit verbundenen unterhalts- und
erbrechtlichen Folgen verfassungsrechtlich geschützte Rechte Dritter
beeinträchtigen können. Es ist in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass den staatlichen Organen bei der
Wahl, welche Maßnahmen sie zum Schutz des Persönlichkeitsrechts ergreifen,
ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zusteht, der
auch die Abwägung einander gegenüberstehender Grundrechte erfordert (BVerfG
FamRZ 1997, 869, 870 f.).
23 Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen des ihm insoweit eröffneten
Gestaltungsspielraums dafür entschieden, das zu einem Minderjährigen
begründete Annahmeverhältnis auch in den Fällen, in denen die
statusrechtliche Zuordnung zum Verband der Adoptivfamilie für das volljährig
gewordene Adoptivkind zu einer schweren Belastung geworden ist, unauflösbar
zu gestalten und das adoptierte Kind zur Milderung dieser
Belastungen auf die freie Gestaltung seiner tatsächlichen familiären
Beziehungen (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 227, 229), die
Möglichkeit der Durchtrennung des namensrechtlichen Bandes (§ 3
NamÄndG) und der Abwehr unerwünschter unterhaltsrechtlicher (§ 1611
BGB) und erbrechtlicher (§§ 2333, 2339 BGB) Folgen der Adoption zu
verweisen, wie sie auch einem leiblichen Kind in der gleichen Situation -
hier der Schwester der Antragstellerin - zu Gebote stehen würden.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, eine Volladoption auch bei gravierendem
Fehlverhalten eines Beteiligten grundsätzlich unauflösbar zu gestalten, mag
nicht zwingend gewesen (vgl. auch Staudinger/Frank BGB [2007] § 1771 Rn. 14)
und rechtspolitisch diskussionswürdig sein.
Den ihm von Verfassungs wegen eröffneten Gestaltungsspielraum hat der
Gesetzgeber mit den geltenden Regelungen aber nicht verlassen.
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