IPR: Abstammungsstatut (Art. 19 I EGBGB) bei
bigamischer Ehe; Vorfrage wirksam bestehender Ehe; keine Anwendung des
deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens auf deutsch-iranische
Doppelstaater; Anerkennung Auslandsscheidung (§ 107 FamFG); Fehlerfolgen bei
bigamischer Ehe: "ärgeres Recht" und Angleichung bei Ergebniswiderspruch;
analoge Anwendung von § 1593 S. 3 BGB bei Konkurrenz von Vaterschaften
(doppelte Vaterschaft)
BGH, Beschluss vom 8. März 2023 - XII ZB 565/20 - OLG
Hamburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt für
BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsätze:
a) Mehrstaater mit sowohl
deutscher als auch iranischer Staatsangehörigkeit fallen nicht in den
persönlichen Anwendungsbereich des
deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens.
b) Ist unter deutschem Sachrecht als Abstammungsstatut bei der Anwendung von
§ 1592 Nr. 1 BGB die Frage zu klären, ob der Vaterschaftsprätendent zum
Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war, wird die Vorfrage nach
der formellen und materiellen Wirksamkeit dieser Ehe
grundsätzlich selbständig angeknüpft und richtet sich daher nach dem von
Art. 11 EGBGB und Art. 13 EGBGB berufenen Sachrecht (Fortführung des
Senatsbeschlusses BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251).
c) Stellt sich in
diesem Zusammenhang bei der Prüfung von Ehehindernissen die weitere Vorfrage
nach dem Fortbestand der früheren Ehe eines der beiden Verlobten, wird diese
grundsätzlich unselbständig angeknüpft, d.h. aus der Sicht der Rechtsordnung
(einschließlich ihres Kollisionsrechts) beantwortet, deren Sachrecht über
die materiellen Voraussetzungen für die wirksame Eingehung der neuen Ehe
entscheidet.
d) Kommt es dabei auf die wirksame Auflösung der Vorehe
eines Verlobten durch eine im Ausland durchgeführte Scheidung an, ist eine
solche Scheidung nur dann beachtlich, wenn sie in Deutschland im Verfahren
vor der Landesjustizverwaltung nach § 107 FamFG anerkannt worden ist;
insoweit wird das kollisionsrechtliche Verweisungsergebnis vom
verfahrensrechtlichen Anerkennungserfordernis überlagert (Fortführung des
Senatsbeschlusses vom 10. Januar 2001 - XII ZR 41/00 - FamRZ 2001, 991).
e) Leidet die Ehe nach beiden durch Art. 13 Abs. 1 EGBGB berufenen
Heimatrechtsordnungen der Verlobten unter dem Mangel der Doppelehe,
bestimmt sich die Fehlerfolge grundsätzlich nach dem ärgeren Recht, d.h.
nach dem Recht, welches die schärferen Rechtsfolgen an die Mangelhaftigkeit
der Ehe knüpft (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 4. Oktober 1990 - XlI
ZB 200/87 - FamRZ 1991,300). Ausnahmsweise kann im Einzelfall eine wertende
Korrektur durch Heranziehung des milderen Rechts, d.h. des Rechts, welches
an den Mangel der Doppelehe die am wenigsten schädlichen Rechtsfolgen für
die bigamische Ehe knüpft, geboten sein, wenn die Anwendung der strengeren
Fehlerfolge zu einem Ergebnis führt, welches keiner der beiden beteiligten
Rechtsordnungen bei deren isolierter Betrachtung entspricht.
f)
Besteht infolge einer Doppelehe der Mutter nach § 1592 Nr. 1 BGB eine
Vaterschaftsvermutung für zwei Ehemänner, ist § 1593 Satz 3 BGB analog
anzuwenden, so dass die Vaterschaft dem Ehemann der späteren Ehe zugeordnet
wird.
Zentrale Probleme:
Ein wunderbarer IPR-Fall, wie aus dem Lehrbuch:
A. Die Ausgangslage: (1) Die Kindesmutter war zunächst
ausschließlich iranische Staatsangehörige und heiratete 1996 im Iran ihren
ersten Ehemann (den Bet. zu 2.). Seit 2002 waren die Ehegatten auch deutsche
Staatsangehörige und lebten in Deutschland. Diese Ehe wurde 2006 im Iran
geschieden, jedoch wurde diese Scheidung nicht nach § 107 I 1 FamFG im
Inland anerkannt (da beide auch Deutsche waren, galt das Privileg für
Heimatstaatenscheidungen nach § 107 I 2 FamFG nicht). Damit galt die Ehe im
Inland zunächst weiter als bestehend. (2) Im Mai 2009 heiratete die
Kindesmutter im Iran einen (nur) iranischen Staatsangehörigen (den Bet. zu
3). In den Jahren 2010 und 2013 gebar sie jeweils ein Kind. Als Vater wurde der Bet.
zu 3 eingetragen. (3) Im Jahr 2014 wurde die erste Ehe der Kindesmutter
mit dem Bet. zu 2. in Deutschland (nochmals) gerichtlich geschieden.
B. Die
Hauptfrage Wer ist der rechtliche Vater der Kinder?
C. Die Prüfung:
(1) Ausgangspunkt für die Hauptfrage
ist Art. 19 EGBGB. Die Regelungen des deutsch-iranischen
Niederlassungsabkommen aus dem Jahr 1929 finden deshalb keine Anwendung,
weil die Kindesmutter deutsch-iranische Doppelstaaterin ist (s. dazu Rn. 14
- 17).
(2) Damit gem. Art. 19
I 1 EGBGB das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Kinder, mithin
deutsches materielles Recht anwendbar.
(3) Im Rahmen von § 1592 Nr.
1 BGB kommt es jetzt auf eine wirksame Ehe der Mutter an. War sie zur Zeit
der Geburt der Kinder mit dem Bet. zu 2 oder dem Bet. zu 3 wirksam
verheiratet?
(4) Diese Frage ist als Vorfrage selbständig
anzuknüpfen, d.h. nach Art. 13 EGBGB (materielle Wirksamkeit) und Art. 11
EGBGB (formelle Wirksamkeit) ist das auf die Eheschließung anwendbare Recht
zu ermitteln. Eine unselbständige Anknüpfung käme zu demselben Ergebnis,
weil die Hauptfrage deutschem Recht unterliegt. Ausgangspunkt ist also in
jedem Fall das deutsche IPR.
(5) Formell ist die
Ehe mit dem Bet. zu 3 wirksam geschlossen, weil die Ortsform des iranischen
Rechts gewahrt wurde.
(6) Materiell ist es komplizierter:
a)
Für die Ehefrau (Kindesmutter) kommt (wegen Art. 5 I 2 EGBGB) gem. Art. 13
I EGBGB deutsches Recht zur Anwendung, weil sie bei der Eheschließung
(auch) deutsche Staatsangehörige war. Danach lag das Ehehindernis der
Doppelehe (§ 1306 BGB) vor, denn die Vorehe galt mangels Anerkennung der
iranischen Ehescheidung nach § 107 I FamFG in Deutschland als weiterhin
wirksam (dass sie später geschieden wurde, ist dabei irrelevant, weil das
Ehehindernis damit nicht geheilt wird). Fehlerfolge ist danach aber nicht
die Unwirksamkeit der Ehe, sondern lediglich deren Aufhebbarkeit (§ 1314 I
Nr. 2 BGB).
b) Für den Ehemann gilt nach Art. 13 I EGBGB iranisches
Recht. Dieses nimmt die Gesamtverweisung (Art. 4 I EGBGB) an. Danach besteht
ebenfalls ein Eheverbot, wenn die Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung
noch verheiratet war. Dafür kommt es darauf an, ob die Scheidung der Ehe mit
dem Bet. zu 2. im Jahr 2006 wirksam war. Das bezeichnet der Senat nicht zu
unrecht als "Vorfrage in der Vorfrage". Aus der Sicht des iranischen Rechts
wäre das sicher zu bejahen, da diese Scheidung im Iran stattgefunden hat.
Aus der Sicht des deutschen Rechts wäre das zu verneinen, weil keine
Anerkennung nach § 107 I FamFG vorliegt. An sich wäre diese Frage jetzt
unselbständig, d.h. aus iranischer Sicht anzuknüpfen (arg.: Art. 13 II
EGBGB). Das aber macht der Senat nicht mit, weil die - inzidente -
Anerkennung der Scheidung als wirksam einen Widerspruch gegen § 107 I FamFG,
d.h. die prozessuale Nichtanerkennung der Ehescheidung darstellen würde.
Deutsche Gerichte müssten dann nämlich - je nach Kontext - die Scheidung
sowohl für unwirksam als auch für wirksam halten. Das widerspricht nach dem
Senat dem Gebot des internen Entscheidungseinklangs, weil der Fall starken
Inlandsbezug hat. Daher kommt der Senat dazu, dass die Ehe auch aus der
Sicht des iranischen Rechts gegen das Verbot der Doppelehe
des iranischen Rechts verstößt. Dies als Ergebnis der Anwendung "iranischen
Rechts" zu bezeichnen ist deshalb etwas perplex, weil ein iranisches Gericht die
zweite Ehe
für wirksam erachten würde, weil der Iran natürlich seine eigenen
Ehescheidungen anerkennt, wir aber eben das wegen § 107 I FamFG nicht
mitmachen.
c) Dann stellt sich die Frage der Fehlerfolge: Nach
deutschem Recht ist die (zweite) Ehe nur auflösbar, nach iranischem nichtig,
d.h. ipso iure unwirksam. Eigentlich gilt in solchen Konstellation das
"ärgere Recht", d.h. die Rechtsordnung, welche die strengere Rechtsfolge
vorsieht. Damit wäre die 2. Ehe nicht nur aufhebbar, sondern nichtig.
Ergebnis wäre, dass rechtlicher Vater der Bet. zu 2., also der erste Ehemann
ist.
d) Und jetzt kommt der "Zaubertrick", der alles wieder ins Lot setzt
(Rn. 31): Der Senat erkennt, dass dieses Ergebnis widersprüchlich ist,
weil beide Rechtsordnungen, wären sie jeweils allein auf den Fall anwendbar
wären, zur rechtlichen Vaterschaft des 2. Ehemanns (des Bet. zu 3) kämen: Das
iranische Recht mittelbar, weil es die Scheidung der 1. Ehe und damit die
Wirksamkeit der 2. Ehe bejahen würde. Das deutsche Recht deshalb, weil die
2. Ehe nur aufhebbar gewesen wäre und es deshalb zu einer Vaterschaft sowohl
des Bet. zu 2 als auch des Bet. zu 3 käme. Diese doppelte Vaterschaft wäre
aber analog § 1593 S. 3 BGB zugunsten einer Vaterschaft des Bet. zu 3
aufzulösen. Dieser Wertungswiderspruch ist im Wege der Angleichung
dadurch aufzulösen, dass wegen der Besonderheiten des Falls für die
Fehlerfolge des Ehehindernisses nicht das ärgere (iranische) Recht, sondern
das (mildere) deutsche Recht zu gelten hat.
©sl 2023
Gründe:
A. 1 Das Verfahren
betrifft die Berichtigung der Geburtenregistereinträge für die beiden
betroffenen Kinder in Bezug auf ihre väterliche Abstammung.
2 Die
Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Kindesmutter) ist die Mutter
der betroffenen Kinder und besaß ursprünglich nur die iranische
Staatsangehörigkeit. Im Februar 1996 heiratete sie in Iran
den Beteiligten zu 2, der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ausschließlich
iranischer Staatsangehöriger und in Deutschland als Asylberechtigter
anerkannt war. Die Ehegatten lebten seit der Eheschließung in
Deutschland und erwarben durch Einbürgerung im Jahr 2002 beide
zusätzlich auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde
im März 2006 in Iran durch eine vom Scheidungsnotariat
registrierte Verstoßung (talaq) geschieden. Nachdem ein von
dem Beteiligten zu 2 bei der Landesjustizverwaltung im März 2012 gestellter
Antrag, die in Iran erfolgte Privatscheidung im Verfahren gemäß § 107 FamFG
für den deutschen Rechtsbereich anerkennen zu lassen, durch Entscheidung im
gerichtlichen Verfahren im Dezember 2012 rechtskräftig abgelehnt worden war,
wurde die Ehe zwischen der Kindesmutter und dem Beteiligten zu 2 im
Juli 2014 durch ein deutsches Amtsgericht geschieden.
3
Bereits im Mai 2009 hatte die Kindesmutter in Iran in zweiter Ehe
den Beteiligten zu 3, einen ausschließlich iranischen Staatsangehörigen,
geheiratet. Anschließend gebar sie in den Jahren 2010 und 2013 die
betroffenen Kinder, die seit ihrer Geburt in Deutschland leben. Als
Vater der Kinder wurde der Beteiligte zu 3 in den deutschen
Geburtenregistern eingetragen.
4 Das Standesamt (Beteiligte
zu 4) hat in dem vorliegenden Verfahren beantragt, die Geburtseinträge für
die betroffenen Kinder dahingehend zu berichtigen, dass anstelle des
Beteiligten zu 3 jeweils der Beteiligte zu 2 als deren Vater eingetragen
wird. Das Amtsgericht hat die Anträge, denen die Standesamtsaufsicht
(Beteiligter zu 5) beigetreten ist, zurückgewiesen. Die dagegen
gerichteten Beschwerden des Standesamts und der Standesamtsaufsicht sind
ohne Erfolg geblieben. Hiergegen richtet sich die zugelassene
Rechtsbeschwerde der Standesamtsaufsicht.
B.
5 Die
Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I. 6 Das Beschwerdegericht hat
seine in FamRZ 2021, 956 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
7 Die Geburtseinträge für die Kinder seien nicht zu berichtigen. Der
Beteiligte zu 3 sei darin nach Maßgabe des von Art. 19 Abs. 1 EGBGB
berufenen Rechts zutreffend als deren Vater eingetragen.
8 Eine
Anknüpfung der Vaterschaft an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der
betroffenen Kinder nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB führe zur Anwendbarkeit
deutschen Sachrechts. Danach gelte der Beteiligte zu 3
aufgrund seiner Ehe mit der Kindesmutter nach § 1592 Nr. 1 BGB als Vater der
beteiligten Kinder. Dies setze das Bestehen einer wirksamen Ehe voraus,
wobei sich diese Vorfrage für die Feststellung der Abstammung nach dem
hierfür maßgeblichen deutschen Kollisionsrecht beurteile. Die Eheschließung
der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 3 sei in Iran nach dem gemäß Art. 11
Abs. 1 Alt. 2 EGBGB anwendbaren iranischen Ortsrecht formal wirksam erfolgt.
Die materielle Wirksamkeit der Eheschließung (Art. 13 Abs. 1 EGBGB)
beurteile sich für die deutsch-iranische Kindesmutter wegen Art. 5 Abs. 1
Satz 2 EGBGB nach deutschem Sachrecht. Aus Sicht des deutschen Rechts sei
ihre erste Ehe mit dem Beteiligten zu 2 nicht geschieden worden, weil die in
Iran durchgeführte Verstoßungsscheidung in Deutschland nicht anerkannt
worden sei. Daher liege ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelehe (§ 1306
BGB) vor. Aufgrund der ausschließlich iranischen Staatsangehörigkeit des
Beteiligten zu 3 sei für die Frage der Wirksamkeit der Eheschließung
demgegenüber das iranische Eheschließungsrecht maßgeblich. Dieses Recht
verbiete - allerdings nur bezogen auf die Ehefrau - zwar auch eine mehrfache
Eheschließung. Aus Sicht des iranischen Rechts sei die Ehe der Kindesmutter
mit dem Beteiligten zu 2 im Jahr 2006 aber wirksam in Iran geschieden
worden. Selbst wenn die Scheidung der Vorehe aus Sicht des ausländischen
Heimatrechts des Verlobten wirksam erfolgt sei, müsse eine Berücksichtigung
der im Ausland erfolgten Scheidung durch deutsche Gerichte und Behörden aber
in jedem Fall ausscheiden, solange diese nicht gemäß § 107 FamFG anerkannt
worden sei. Daher sei auch hier davon auszugehen, dass die Kindesmutter bei
Eheschließung mit dem Beteiligten zu 3 im Jahr 2009 noch mit dem Beteiligten
zu 2 verheiratet gewesen sei und deshalb ein Ehehindernis nach iranischem
Recht bestanden habe.
9 Die Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten
zu 3 sei aber trotzdem wirksam und begründe deshalb seine Vaterschaft.
Denn die Fehlerfolge der Doppelehe richte sich vorliegend nicht nach
iranischem, sondern nach deutschem Recht, weil die Wirkung des § 107 FamFG
keine weitergehende Rechtsfolge erzwinge, als sie die deutsche Rechtsordnung
vorsehe. Nach deutschem Recht sei die Doppelehe nach § 1314
Abs. 1 Nr. 2 BGB lediglich aufhebbar und nicht - wie nach iranischem Recht -
nichtig. Die Kindesmutter sei damit im Zeitpunkt der Geburt der betroffenen
Kinder sowohl mit dem Beteiligten zu 2 als auch mit dem Beteiligten zu 3
verheiratet gewesen. Dies führe gemäß § 1592 Nr. 1 BGB zu einer doppelten
Vaterschaftsvermutung, die entsprechend § 1593 Satz 3 BGB dahingehend
aufzulösen sei, dass lediglich der Beteiligte zu 3 - als Ehemann der neueren
Ehe - als rechtlicher Vater der beiden Kinder gelte.
10 Auch
eine Anknüpfung der Vaterschaft an das Heimatrecht der Elternteile nach Art.
19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB führe vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. In
diesem Fall sei aufgrund der iranischen Staatsangehörigkeit der Beteiligten
zu 2 und 3 das iranische Abstammungsrecht anwendbar. Nach Art. 1158
des iranischen Zivilgesetzbuches gelte als Vater eines Kindes der Mann, der
mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet gewesen sei. Auch
insoweit richte sich die Vorfrage der Wirksamkeit der Ehe - wie bereits im
Rahmen der Anknüpfung an das Aufenthaltsstatut nach Satz 1 des Art. 19 Abs.
1 EGBGB - nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB. Deshalb sei auch hier vom Bestehen
wirksamer Ehen der Kindesmutter mit den Beteiligten zu 2 und 3 zum Zeitpunkt
der Geburt der Kinder auszugehen. In diesem Fall gelte entsprechend Art.
1160 des iranischen Zivilgesetzbuches nur der Beteiligte zu 3 - als zweiter
Ehemann - als Vater der Kinder.
11 Schließlich führe auch eine
Anknüpfung der Vaterschaft an das Recht des Ehewirkungsstatuts nach Art. 19
Abs. 1 Satz 3 EGBGB zu keiner anderen rechtlichen Vaterschaft. Denn in
diesem Fall gelange ebenfalls nur deutsches oder iranisches Sachrecht zur
Anwendung.
II.
12 Dies hält rechtlicher Überprüfung im
Ergebnis und auch in den wesentlichen Punkten der Begründung stand.
Die Geburtenregister sind nicht unrichtig im Sinne des § 48 PStG, weil der
dort als Vater eingetragene Beteiligte zu 3 als zweiter Ehemann der
Kindesmutter der rechtliche Vater der betroffenen Kinder ist.
13 1.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht das für die Frage nach
der rechtlichen Abstammung maßgebliche Sachrecht anhand der Kollisionsnormen
des autonomen Rechts bestimmt, mithin nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB.
14
Einer Anwendung von Art. 19 EGBGB stehen das fortgeltende
Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich
Persien vom 17. Februar 1929 (RGBl. 1930 II S. 1006; im Folgenden: Abkommen)
und das Schlussprotokoll hierzu (RGBl. II 1930 S. 1012) trotz der iranischen
Staatsangehörigkeit aller beteiligten Personen hier nicht entgegen. Zwar
enthält Art. 8 Abs. 3 des Abkommens eine eigenständige staatsvertragliche
Kollisionsregel, die wegen Art. 3 Nr. 2 EGBGB innerhalb ihres
Anwendungsbereichs dem autonomen deutschen Kollisionsrecht - und damit auch
Art. 19 EGBGB - vorgeht (vgl. Senatsurteil BGHZ 160, 332 = FamRZ 2004, 1952,
1953). Unter den hier obwaltenden Umständen ist indessen nur der sachliche,
nicht aber auch der persönliche Anwendungsbereich des Abkommens eröffnet.
15 a) Art. 8 Abs. 3 Satz 1 des Abkommens bestimmt, dass die
Angehörigen jedes der vertragschließenden Staaten in Bezug auf das
„Personen-, Familien-und Erbrecht“ im Gebiet des anderen Staates
grundsätzlich den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen bleiben.
Das Abkommen sichert damit - im Gegenzug zur Unterstellung der in Iran
lebenden Deutschen unter deutsches Recht - die Behandlung von Iranern in
Deutschland nach ihrem iranischen Heimatrecht zu. Zu den familienrechtlichen
Materien, die in sachlicher Hinsicht von dieser Zusicherung erfasst werden,
gehören ausweislich des Schlussprotokolls, dessen Erklärung „einen
wesentlichen Teil des Abkommens selbst bildet“, insbesondere Angelegenheiten
der „Vaterschaft“ und der „Abstammung“.
16 b) Im Bereich des
Familienrechts ist Art. 8 Abs. 3 des Abkommens in personaler Hinsicht nur
dann anwendbar, wenn sämtliche Beteiligten des maßgeblichen
Rechtsverhältnisses gemeinsam entweder die iranische oder die
deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. Senatsurteile BGHZ 160,
332 = FamRZ 2004, 1952, 1954 und vom 15. Januar 1986 - IVb ZR 75/84 - FamRZ
1986, 345, 346 mwN). Allerdings fallen Mehrstaater mit sowohl
deutscher als auch iranischer Staatsangehörigkeit nach zutreffender Ansicht
nicht in den persönlichen Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 3 des Abkommens
(vgl. OLG Hamburg FamRZ 2020, 741, 742; OLG München FamRZ 2010, 1280, 1281;
Staudinger/Henrich BGB [2019] Anhang zu Art. 4 EGBGB Rn. 869;
MünchKommBGB/Dutta 8. Aufl. Art. 75 EuErbVO Rn. 10; Hausmann in
Hausmann/Odersky Internationales Privatrecht in der Notar- und
Gestaltungspraxis 4. Aufl. § 11 Rn. 14; NK-BGB/Kroiß 4. Aufl. Art. 25 EGBGB
Rn. 4; BeckOK BGB/Lorenz [Stand: 1. Februar 2023] Art. 25 EGBGB Rn. 8;
Wurmnest IPrax 2016, 447, 449; Schotten/Wittkowski FamRZ 1995, 264, 265 f.;
vgl. auch BVerfG FamRZ 2007, 615). Wie sich insbesondere aus Art. 3 Abs. 1
(Gewerbe- und Berufsfreiheit), Art. 5 (Steuergleichheit) und Art. 8 Abs. 1
(Rechtsschutzgleichheit) des Abkommens ergibt, verfolgt das gesamte Abkommen
den primären Zweck, den Staatsangehörigen eines Vertragspartners im
Staatsgebiet des jeweils anderen Vertragsstaates bezüglich des vom Abkommen
geregelten Bereichs des Niederlassungsrechts grundsätzlich die gleichen
Rechte und den gleichen Schutz wie den eigenen Staatsangehörigen zukommen zu
lassen. Besitzt die betroffene Person aber sowohl die deutsche als auch die
iranische Staatsangehörigkeit, genießt sie bereits aufgrund dieser doppelten
Staatsangehörigkeit Rechte und Schutz beider Staaten und bedarf deshalb
keines besonderen Schutzes durch das Abkommen mehr. Als „Angehörige der
vertragschließenden Staaten“ im Sinne des Abkommens sind daher
nur ausschließlich deutsche oder ausschließlich iranische Staatsangehörige
anzusehen. Dies gilt insbesondere auch für die Kollisionsregel in Art. 8
Abs. 3 des Abkommens, weil nicht davon auszugehen ist, dass die
Vertragsparteien innerhalb ein und desselben Abkommens und dort sogar
innerhalb ein und derselben Vorschrift (Art. 8 Abs. 1 und Abs. 3 des
Abkommens) unterschiedliche Staatsangehörigkeitsbegriffe verwenden wollten
(vgl. Schotten/Wittkowski FamRZ 1995, 264, 266). Ob Doppelstaater dann unter
den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens fallen, wenn sie neben der
(effektiven) deutschen oder iranischen Staatsangehörigkeit noch die
(ineffektive) Staatsangehörigkeit eines Nichtvertragsstaats besitzen (vgl.
AG Hamburg-St. Georg FamRZ 2016, 670, 671; MünchKommBGB/Dutta 8. Aufl. Art.
75 EuErbVO Rn. 10; Wurmnest IPrax 2016, 447, 449), bedarf vorliegend keiner
Erörterung, weil dies hier bei keiner der beteiligten Personen der Fall ist.
17 c) Gemessen daran kommt die Kollisionsregel in Art. 8 Abs. 3 Satz 1
des Abkommens bereits dann nicht zur Anwendung, wenn nur eine der am
maßgebliehen Rechtsverhältnis - hier der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung -
beteiligten Personen sowohl die deutsche als auch die iranische
Staatsangehörigkeit besitzt. So liegt der Fall hier, weil die Kindesmutter,
an deren Ehe die rechtliche Vaterschaft für die betroffenen Kinder
angeknüpft werden soll, deutsch-iranische Doppelstaaterin ist und die
betroffenen Kinder aufgrund der auch deutschen Staatsangehörigkeit ihrer
Mutter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG ebenfalls (auch) die deutsche
Staatsangehörigkeit erlangt haben dürften.
18 2. Nach Art. 19 Abs. 1
Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates,
in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Aufenthaltsstatut). Sie
kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Verhältnis zu jedem Elternteil
auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil
angehört (Personalstatut), oder, wenn die Mutter verheiratet ist, gemäß Art.
19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EGBGB nach dem Recht, dem die allgemeinen
Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Art. 14 EGBGB unterliegen
(Ehewirkungsstatut). Das Personalstatut und das Ehewirkungsstatut sind nach
der ständigen Rechtsprechung des Senats dem Aufenthaltsstatut grundsätzlich
gleichwertige Zusatzanknüpfungen (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 215, 271 =
FamRZ 2017, 1687 Rn. 12 und vom 3. August 2016 - XII ZB 110/16 -FamRZ 2016,
1847 Rn. 8 mwN).
19 a) Zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt,
dass eine Anknüpfung der Vaterschaft an das Aufenthaltsstatut nach Art. 19
Abs. 1 Satz 1 EGBGB allein zu einer rechtlichen Vaterschaft des Beteiligten
zu 3 als dem zweiten Ehemann der Kindesmutter führt.
20 Bei dieser
Anknüpfungsalternative richtet sich die Abstammung nach deutschem Sachrecht,
so dass es gemäß § 1592 Nr. 1 BGB für die rechtliche Vaterschaft des
Beteiligten zu 3 auf dessen wirksame Ehe mit der Kindesmutter ankommt. Die
zweite Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 3 ist formwirksam in Iran
zustande gekommen. Sie verstößt zwar in materiell-rechtlicher Hinsicht
sowohl aus Sicht des für die Kindesmutter maßgeblichen deutschen Rechts als
auch aus Sicht des für den Beteiligten zu 3 maßgeblichen iranischen
Rechts gegen das Verbot der Doppelehe. Die Ehe ist aber lediglich als
aufhebbar und demnach als wirksam anzusehen und begründet deshalb die
rechtliche Vaterschaft des Beteiligten zu 3. Hingegen führt die Vorehe der
Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 2 trotz Bestehens einer doppelten
Vaterschaftsvermutung in analoger Anwendung von § 1593 Abs. 3 BGB nicht zu
dessen rechtlicher Vaterschaft.
21 aa) Nach dem Aufenthaltsstatut
unterliegt die Abstammung vorliegend dem deutschen Sachrecht, weil die
betroffenen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Nach
§ 1592 Nr. 1 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der
Geburt mit der Mutter verheiratet gewesen ist. Dies setzt eine wirksame Ehe
zum Zeitpunkt der Geburt voraus. Diese Vorfrage ist nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich selbständig anzuknüpfen
(vgl. Senatsbeschluss BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 31 mwN)
und richtet sich daher nach dem von Art. 11 EGBGB und Art. 13
EGBGB berufenen Sachrecht. Soweit teilweise in der Literatur eine
unselbständige Anknüpfung dieser Vorfrage befürwortet wird, wonach es
genügend, aber auch erforderlich sei, dass die Elternehe dem von Art. 19
Abs. 1 Satz 1 EGBGB berufenen Recht einschließlich dessen Kollisionsrecht
entspricht (vgl. Staudinger/Hen-rich BGB [2019] Art. 19 EGBGB Rn. 34;
MünchKommBGB/Helms 8. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 49 ff.), bedarf dies
vorliegend keiner abschließenden Erörterung. Denn auch hiernach würde die
Vorfrage nach der formellen und materiellen Wirksamkeit der Ehe zwischen der
Kindesmutter und dem Beteiligten zu 3 aus Sicht des deutschen
Kollisionsrechts und damit nach Maßgabe von Art. 11 EGBGB und Art. 13 EGBGB
zu beurteilen sein, weil als Abstammungsstatut deutsches Recht maßgeblich
ist.
22 bb) Die formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen
für die in Iran erfolgte Eheschließung zwischen der Kindesmutter
und dem Beteiligten zu 3 liegen vor. Hierfür ist nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2
EGBGB ausreichend, dass die Eheschließung die Formerfordernisse des Rechts
des Staates erfüllt, in dem sie vorgenommen worden ist. Nach den vom
Beschwerdegericht zum ausländischen Recht getroffenen und von der
Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen sind die nach
iranischem Ortsrecht geltenden Formerfordernisse der Eheschließung
eingehalten worden.
23 cc) Die materiellen Voraussetzungen
der Eheschließung unterliegen gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB für jeden Verlobten
dem Recht des Staates, dem er bei Eingehung der Ehe (vgl.
Senatsbeschluss vom 14. November 2018 - XII ZB 292/16 - FamRZ 2019, 181 Rn.
11) angehört hat. Insoweit hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei
erkannt, dass sowohl in Bezug auf die Kindesmutter als auch in Bezug auf den
Beteiligten zu 3 ein Verstoß gegen das Verbot einer Doppelehe vorliegt.
24 (1) Die Kindesmutter unterliegt in Bezug auf die materiellen
Eheschließungsvoraussetzungen dem deutschen Sachrecht, weil sie nach den vom
Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen bei Eingehung ihrer Ehe mit dem
Beteiligten zu 3 im Jahr 2009 neben der iranischen auch die deutsche
Staatsangehörigkeit besaß und diese gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB
vorgeht. Aus der insoweit maßgeblichen Sicht der deutschen Rechtsordnung
bestand für sie allerdings das Ehehindernis der Doppelehe (§ 1306 BGB). Denn
ihre Vorehe mit dem Beteiligten zu 2 galt zu diesem Zeitpunkt aus
Perspektive des deutschen Rechts noch nicht als geschieden. Die in Iran
durchgeführte und beurkundete Verstoßung (talaq) im Februar 2006 hätte im
deutschen Rechtsbereich als behördlich registrierte Privatscheidung nur im
Fall ihrer Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung im Verfahren nach §
107 Abs. 1 Satz 1 FamFG Geltung beanspruchen können, weil die Kindesmutter
und der Beteiligte zu 2 bei der Scheidung ihrer Ehe in Iran auch die
deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und deshalb nicht von einer
privilegierten (iranischen) Heimatstaatsentscheidung im Sinne von § 107 Abs.
1 Satz 2 FamFG ausgegangen werden kann (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 226, 365 =
FamRZ 2020, 1811 Rn. 19 f.). Der Privatscheidung der ersten Ehe der
Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 2 ist im Verfahren nach § 107 FamFG
rechtskräftig die Anerkennung in Deutschland versagt worden. Zwar wurde
diese Ehe zusätzlich durch ein deutsches Gericht geschieden; diese im August
2014 rechtskräftig gewordene Scheidung lässt das Ehehindernis der Doppelehe
für die Kindesmutter aber nicht rückwirkend entfallen und beseitigt den der
bigamischen Ehe anhaftenden Mangel nicht (vgl. BGH Urteil vom 22. April 1964
- IV ZR 189/63 - NJW 1964, 1853 f.).
25 (2) Hinsichtlich des
Beteiligten zu 3 verweist Art. 13 Abs. 1 EGBGB für die materiellen
Voraussetzungen der Eheschließung auf das iranische Recht, weil der
Beteiligte zu 3 bei Eingehung der Ehe mit der Kindesmutter
ausschließlich iranischer Staatsangehöriger war. Insoweit handelt es sich
nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB um eine Gesamtverweisung (vgl.
Senatsbeschluss vom 4. Oktober 1990 - XII ZB 200/87 - FamRZ 1991, 300, 302),
die sich neben dem Sachrecht auch auf das Internationale Privatrecht Irans
bezieht. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nimmt das iranische
Kollisionsrecht diese Verweisung an, indem sich aus Art. 963 des iranischen
Zivilgesetzbuchs (abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich Internationales Ehe-
und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Oktober 2002] Länderteil Iran; im Folgenden
iranZGB) ableiten lässt, dass auf die Eheschließungsvoraussetzungen das
materielle Recht desjenigen Landes angewendet wird, dessen Staatsangehöriger
der Mann ist (vgl. Enayat in Berg-mann/Ferid/Henrich Internationales Ehe-
und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Oktober 2002] Länderteil Iran S. 24).
Hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde nichts. Zum Inhalt des iranischen
Sachrechts hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass es den Ehegatten
gemäß Art. 1050 f. iranZGB als zweiseitiges Ehehindernis verboten ist, bei
bestehender Vorehe der Ehefrau eine weitere Ehe zu schließen. Ob die im Mai
2009 geschlossene Zweitehe zwischen Kindesmutter und dem Beteiligten zu 3
nach iranischem Eheschließungssachrecht wirksam ist oder ob ihr das
Ehehindernis nach Art. 1050 f. iranZGB entgegensteht, hängt - wie das
Beschwerdegericht richtig erkannt hat und die Rechtsbeschwerde nicht in
Zweifel zieht - von der Beantwortung der „Vorfrage in der Vorfrage“ ab, ob
die im März 2006 in Iran erfolgte Privatscheidung der ersten Ehe der
Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 2 beachtlich ist.
26 (a)
Stellt sich im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von Ehehindernissen die
Vorfrage nach dem Fortbestand einer früheren Ehe, wird diese grundsätzlich
unselbständig angeknüpft, d.h. aus der Sicht der Rechtsordnung
(einschließlich ihres Kollisionsrechts) beantwortet, deren Sachrecht über
die materiellen Voraussetzungen für die wirksame Eingehung der neuen Ehe
entscheidet (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1996 - XII ZR
126/95 - FamRZ 1997, 542, 543 und BGH Urteil vom 7. April 1976 - IV ZR 70/74
- NJW 1976, 1590). Diese Beurteilung wird schon durch den Umkehrschluss zu
Art. 13 Abs. 2 EGBGB vorgezeichnet: Der Gesetzgeber ist ersichtlich davon
ausgegangen, dass die Frage nach der wirksamen Auflösung einer Vorehe durch
einen deutschen Scheidungsbeschluss im ersten Schritt aus der Sicht der
Heimatrechtsordnung des ausländischen Verlobten beantwortet - also
unselbständig angeknüpft - werden muss. Denn Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB
erlegt den Verlobten vor dem Rückgriff auf deutsches Recht zur Beseitigung
einzelner Eheschließungshindernisse die grundsätzliche Obliegenheit auf, ein
nach dem Recht ihres Heimatstaates vorgesehenes Anerkennungsverfahren für
eine Auslandsscheidung zu durchlaufen (vgl. dazu BT-Drucks. 10/504 S. 53);
zudem hätte die spezielle Vorbehaltsklausel in Art. 13 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz
2 EGBGB ansonsten keinen Regelungsbereich (vgl. MünchKommBGB/Coester 8.
Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 77; Münch-KommBGB/von Hein 8. Aufl. Einl. IPR Rn.
214; Staudinger/Mankowski BGB [2010] Art. 13 EGBGB Rn. 121, 261;
BeckOGK/Rentsch [Stand: 1. August 2022] Art. 13 EGBGB Rn. 135.1;
Hepting/Dutta Familie und Personenstand 4. Aufl. Rn. III-312; Wall
[Fachausschuss Nr. 4137] StAZ 2018, 256, 260). Eine unselbständige
Anknüpfung ist auch sachlich gerechtfertigt, denn sie trägt dem Umstand
Rechnung, dass die Vorfrage nach der Auflösung der früheren Ehe
eines Partners in solchen Rechtsordnungen, die - wie hier das iranische
Recht - das Ehehindernis der Doppelehe kennen, zum Tatbestandsmerkmal einer
Sachnorm des materiellen Eheschließungsrechts gehört und es deshalb
konsequent ist, dieser Rechtsordnung auch die grundsätzliche Entscheidung
darüber zu überlassen, wann dieser Tatbestand erfüllt ist (vgl. Andrae
Internationales Familienrecht 4. Aufl. § 1 Rn. 47).
27 Im
vorliegenden Fall unterlag die Auflösung der Ehe zwischen der Kindesmutter
und dem Beteiligten zu 2 aus Sicht der iranischen Rechtsordnung dem
iranischen Scheidungsstatut. Das iranische Kollisionsrecht der
Scheidungsvoraussetzungen knüpft das anwendbare Sachrecht entsprechend Art.
963 iranZGB an die Staatsangehörigkeit des Mannes und somit an die
Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 2 an (vgl. Enayat in
Bergmann/Ferid/Henrich Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1.
Oktober 2002] Länderteil Iran S. 25). Der Umstand, dass der Beteiligte zu 2
im Zeitpunkt der im Jahr 2006 durchgeführten Privatscheidung
deutsch-iranischer Doppelstaater war, ist dabei unerheblich, weil davon
ausgegangen werden kann, dass das iranische Recht Unsicherheiten bei der
Rechtsanwendung mit internationalen Bezügen grundsätzlich zulasten des
ausländischen Rechts löst (vgl. Enayat in Bergmann/ Ferid/Henrich
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Oktober 2002]
Länderteil Iran S. 23) und deshalb bei iranisch-ausländischen Doppelstaatern
stets der iranischen Staatsangehörigkeit den Vorzug gibt (vgl. Wall
[Fachausschuss Nr. 4137] StAZ 2018, 256, 261). Die in Iran durchgeführte und
vom Scheidungsnotariat registrierte Privatscheidung der Ehe zwischen der
Kindesmutter und dem Beteiligten zu 2 im März 2006 entsprach offensichtlich
den Anforderungen des iranischen Scheidungsrechts, so dass bei
unselbständiger Anknüpfung der Vorfrage nach dem Fortbestand der Vorehe die
im Mai 2009 geschlossene Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 3 nicht
gegen das Bigamieverbot für Frauen nach Art. 1050 f. iranZGB verstoßen
würde.
28 (b) Indessen ist das Beschwerdegericht ebenfalls
zutreffend davon ausgegangen, dass es seiner Rechtsanwendung das bei
unselbständiger Anknüpfung der Vorfrage gefundene Ergebnis - nämlich die
wirksame Auflösung der Vorehe durch die iranische Privatscheidung - nicht
zugrunde legen kann. Durch die rechtskräftige Entscheidung der
Landesjustizverwaltung im Verfahren nach § 107 FamFG steht im vorliegenden
Fall mit bindender Wirkung (§ 107 Abs. 9 FamFG) für alle deutschen Gerichte
und Behörden fest, dass die in Iran registrierte Privatscheidung aus dem
Jahr 2006 nicht anerkannt werden und deshalb in Deutschland keine
Rechtswirkungen entfalten kann. Das Feststellungsmonopol der
Landesjustizverwaltung greift auch dann, wenn es auf die Beacht-lichkeit
einer ausländischen Scheidung - wie hier - nur als Vorfrage ankommt.
Insoweit wird das kollisionsrechtliche Verweisungsergebnis vom
verfahrensrechtlichen Anerkennungserfordernis überlagert (vgl.
Senatsbeschluss vom 10. Januar 2001 - XII ZR 41/00 - FamRZ 2001, 991 zu Art.
7 § 1 FamRÄndG; Staudin-ger/Mankowski BGB [2010] Art. 13 EGBGB Rn. 310;
MünchKommBGB/Coester 8. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 78; BeckOGK/Rentsch [Stand:
1. August 2022] Art. 13 EGBGB Rn. 155; Grüneberg/Thorn BGB 82. Aufl. Art. 13
EGBGB Rn. 9; Prütting/Helms/Hau FamFG 6. Aufl. § 107 Rn. 65;
jurisPK-BGB/Mäsch [Stand: 5. Oktober 2020] Art. 13 EGBGB Rn. 14;
jurisPK-BGB/Duden [Stand: 1. März 2020] Art. 19 EGBGB Rn. 83; Erman/Stürner
BGB 16./17. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 31; Hepting/Dutta Familie und
Personenstand 4. Aufl. Rn. III-316 ff.; Hausmann Internationales und
Europäisches Familienrecht 2. Aufl. A Rn. 595; Wall [Fachausschuss Nr. 4137]
StAZ 2018, 256, 261 f.).
29 Auch wenn das Postulat des
verfahrensrechtlichen Vorrangs faktisch zu einer (zusätzlichen)
selbständigen Anknüpfung der Vorfrage nach der Auflösung der früheren Ehe
eines Verlobten aus Sicht des deutschen Rechts führt, die sich gegenüber der
sich aus Art. 13 Abs. 2 EGBGB ergebenden Grundsatzentscheidung des
Gesetzgebers für eine unselbständige Anknüpfung der Vorfrage im Konfliktfall
stets durchsetzt, lassen sich dagegen gleichwohl keine grundlegenden
dogmatischen Bedenken erheben (zweifelnd von Hein FamRZ 2021,
961, 962). Zum einen wird die Fallkonstellation einer im Ausland
durchgeführten, aber in Deutschland nicht anerkannten Scheidung von Art. 13
Abs. 2 EGBGB nicht unmittelbar erfasst. Zum anderen handelt es sich bei der
Frage nach dem Fortbestand einer früheren Ehe des Verlobten um eine
Statusfrage, die sich im öffentlichen Recht, im Erbrecht und im gesamten
Bereich des Familienrechts stellt. Der Fortbestand der Vorehe kann von
deutschen Behörden und Gerichten nicht begrenzt auf den Teilaspekt der
Wiederverheiratungsfähigkeit des Verlobten verneint und in allen anderen
rechtlichen Zusammenhängen bejaht werden, denn dieser Widerspruch würde die
Einheit der inländischen Rechtsordnung in Frage stellen, die § 107 Abs. 9
FamFG unbedingt wahren soll (vgl. Staudinger/Mankowski BGB [2010]
Art. 13 EGBGB Rn. 310; Andrae Internationales Familienrecht 4. Aufl. § 1 Rn.
51). Wie Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB verdeutlicht, respektiert der deutsche
Gesetzgeber auch das entsprechende Bestreben ausländischer Rechtsordnungen,
indem er den Verlobten die Obliegenheit auferlegt, wegen einer in
Deutschland ausgesprochenen Vorehen-Scheidung ein in ihrem ausländischen
Heimatstaat möglicherweise vorgesehenes Anerkennungsverfahren anzustreben,
bevor zur Beseitigung des Ehehindernisses der Doppelehe subsidiär auf
deutsches Recht zurückgegriffen werden kann. Der Wahrung des inneren
Entscheidungseinklangs ist jedenfalls dann der Vorzug einzuräumen, wenn der
Sachverhalt einen starken Inlandsbezug aufweist. Davon kann vorliegend schon
deshalb ausgegangen werden, weil die Kindesmutter und der Beteiligte zu 2
jeweils auch deutsche Staatsangehörige sind und ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Ob anders zu entscheiden wäre,
wenn es an einem ausreichenden Inlandsbezug des Sachverhalts fehlt, der den
Zwang zur Anerkennung einer ausländischen Vorehen-Scheidung in Deutschland
rechtfertigen könnte (vgl. dazu Staudinger/Mankowski BGB [2010] Art. 13
EGBGB Rn. 311 ff.; MünchKommBGB/Coester 8. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn.
79; BeckOGK/Rentsch [Stand: 1. August 2022] Art. 13 EGBGB Rn. 156 f.;
Andrae Internationales Familienrecht 4. Aufl. § 1 Rn. 50), bedarf daher hier
keiner weiteren Erörterung.
30 (c) Das Beschwerdegericht ist
somit zu Recht davon ausgegangen, dass die in Iran erfolgte Privatscheidung
der Ehe zwischen der Kindesmutter und dem Beteiligten zu 2 unbeachtet
bleiben muss und die zweite Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 3
deshalb nach iranischem Eheschließungsrecht gegen das Bigamieverbot nach
Art. 1050 f. iranZGB verstößt. Dies hält auch die Rechtsbeschwerde für
richtig.
31 dd) Ohne Erfolg wendet sich die
Rechtsbeschwerde indessen dagegen, dass das Beschwerdegericht die nach den
Heimatrechten beider Partner unzulässige bigamische Ehe der Kindesmutter mit
dem Beteiligten zu 3 lediglich als (nach deutschem Recht) aufhebbar und
nicht als (nach iranischem Recht) nichtig behandelt hat.
32
(1) Allerdings trägt die dafür gegebene Begründung des Beschwerdegerichts
nicht. Die Frage, welche Rechtsfolgen sich an den Fehler einer bigamischen
Ehe knüpfen, beurteilt sich gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB für jeden der
Ehegatten nach seinem Heimatrecht (vgl. Senatsurteil BGHZ 149, 357 =
FamRZ 2002, 604). Dies gilt entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch
dann, wenn sich - wie hier - die Mangelhaftigkeit der Ehe gerade daraus
ergibt, dass eine ausländische Scheidung in Deutschland nicht anerkannt
worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2001 - XII ZR 41/00 - FamRZ
2001, 991 zu Art. 7 § 1 FamRÄndG; vgl. auch von Hein FamRZ 2021, 961 f.).
Hier ist für die Bestimmung der Fehlerfolge einer Doppelehe hinsichtlich des
Beteiligten zu 3 dessen iranisches und hinsichtlich der Kindesmutter wegen
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB deren deutsches Heimatrecht maßgeblich.
33
(2) Die Beurteilung des Beschwerdegerichts erweist sich im Ergebnis
gleichwohl als richtig.
34 (a) Dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 EGBGB
lässt sich keine verbindliche Vorgabe dazu entnehmen, welche der beteiligten
Rechtsordnungen in einem Fall, in dem - wie hier - die Ehe von beiden
Heimatrechten der Partner als mangelhaft angesehen wird, den Ausschlag für
die Bestimmung der Fehlerfolge gibt. Stimmen diese Mangelfolgen
nicht überein, so können sie nicht zugleich eingreifen. Es ist in diesem
Fall zu entscheiden, ob diejenige Mangelfolge Anwendung findet, die der Ehe
am stärksten entgegensteht (Anwendung des ärgeren Rechts) oder die der Ehe
am wenigsten schadet (Anwendung des milderen Rechts). Da die kumulative
Anknüpfung der Eheschließungsvoraussetzungen an die Heimatrechte beider
Partner in Art. 13 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich die Wirksamkeit der Ehe in
allen beteiligten Rechtsordnungen anstrebt (vgl. auch BT-Drucks. 10/504 S.
52) und die Wirksamkeit versagt, wenn auch nur eine der Rechtsordnungen dies
anordnet (vgl. bereits RGZ 136, 142, 143), kommt es regelmäßig zur Anwendung
des ärgeren Rechts (vgl. Rauscher Internationales Privatrecht 5.
Aufl. Rn. 332 f.). Diesem Grundsatz folgend entspricht es allgemeiner
Ansicht, dass die Fehlerfolge beim Ehehindernis der Doppelehe regelmäßig dem
Recht zu entnehmen ist, welches die schärferen Rechtsfolgen an die
Mangelhaftigkeit der Ehe knüpft (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Oktober 1990 -
XII ZB 200/87 - FamRZ 1991, 300, 303; vgl. auch Staudinger/Mankowski BGB
[2010] Art. 13 EGBGB Rn. 443 mwN). Dies wäre nach den vom
Beschwerdegericht zum ausländischen Recht getroffenen Feststellungen das
iranische Heimatrecht des Beteiligten zu 3, denn danach wäre die bigamische
Ehe gemäß Art. 1050 iranZGB nichtig und nicht lediglich aufhebbar, wie es
nach dem deutschen Heimatrecht der Kindesmutter gemäß § 1314 Abs. 1 Nr. 2
BGB der Fall wäre.
35 (b) Bei der Anwendung des ärgeren
Rechts würde im vorliegenden Fall mit der Annahme der Nichtigkeit der Ehe
freilich ein Ergebnis erzielt werden, welches bei isolierter Betrachtung
keiner der beiden beteiligten Rechtsordnungen entspricht und deshalb
„paradox“ (vgl. Wall [Fachausschuss Nr. 4137] StAZ 2018, 256, 262)
erscheinen muss: Aus Sicht der als Heimatrecht der Kindesmutter berufenen
deutschen Rechtsordnung wäre ihre bigamische Zweitehe mit dem Beteiligten zu
3 zwar aufhebbar, bis zu ihrer Aufhebung aber wirksam und daher geeignet,
eine abstammungsrechtliche Zuordnung der betroffenen Kinder zum Beteiligten
zu 3 nach Maßgabe von § 1592 Nr. 1 BGB zu begründen (vgl. OLG Brandenburg
FamRZ 2007, 2003; Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1592 Rn. 28). Aus der
isolierten Sicht der als Heimatrecht des Beteiligten zu 3 berufenen
iranischen Rechtsordnung wäre diese Ehe schon deshalb wirksam, weil
die Vorehe der Kindesmutter aufgrund der nach iranischem Recht wirksamen
Privatscheidung als aufgelöst anzusehen ist, so dass die betroffenen Kinder
gemäß Art. 1158 iranZGB als eheliche Kinder des Beteiligten zu 3 gelten
würden. Dieser teleologische Widerspruch legt - vergleichbar den
Fällen, in denen das international-privatrechtliche Institut der Anpassung
zur Anwendung gelangt (vgl. dazu MünchKommBGB/von Hein 8. Aufl.
Einl. IPR Rn. 266 und Art. 6 EGBGB Rn. 97; Junker Internationales
Privatrecht 4. Aufl. § 11 Rn. 29) - eine wertende
Korrektur dergestalt nahe, dass ausnahmsweise nicht das ärgere, sondern das
mildere Recht über die Fehlerfolge entscheidet (im Ergebnis ebenso
von Hein FamRZ 2021, 961, 963).
36 Entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde ist darin kein Verstoß gegen das Feststellungsmonopol der
Landesjustizverwaltung (§ 107 Abs. 9 FamFG) zu sehen. Denn es wird nicht in
Zweifel gezogen, dass die in Iran ausgesprochene Privatscheidung der Vorehe
der Kindesmutter mangels Anerkennung in Deutschland keine Rechtswirkungen
entfalten kann und ihre zweite Ehe mit dem Beteiligten zu 3 deshalb nach den
Heimatrechten beider Partner als bigamisch zu behandeln ist. Lediglich auf
der Fehlerfolgenebene wird zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs
ausnahmsweise nicht das der bigamischen Ehe am stärksten entgegenstehende,
sondern das dieser Ehe am wenigsten schädliche Recht herangezogen, um damit
eine abstammungsrechtliche Zuordnung der betroffenen Kinder zum Beteiligten
zu 3 zu ermöglichen, die bei isolierter Betrachtung von keiner der beiden
beteiligten Rechtsordnungen in Frage gestellt worden wäre.
37 ee)
Zutreffend ist das Beschwerdegericht auch davon ausgegangen, dass die Vorehe
der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 2 nicht zu dessen
rechtlicher Vaterschaft führt.
38 (1) Zwar galt diese Ehe zum
Zeitpunkt der Geburt der betroffenen Kinder als fortbestehend, weil die in
Iran durchgeführte Privatscheidung der Ehe in Deutschland nicht nach § 107
FamFG anerkannt worden ist. Die Vorehe führt somit nach § 1592 Nr. 1 BGB
ebenfalls zu einer Vaterschaftsvermutung, worauf die in Deutschland nach der
Geburt der Kinder durchgeführte Scheidung dieser Ehe keinen Einfluss hat
(vgl. Senatsbeschluss BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rn. 46). Mithin führt
die bigamische Ehe der Kindesmutter im vorliegenden Fall zu einer doppelten
Vaterschaftsvermutung für die Beteiligten zu 2 und 3. Das Beschwerdegericht
hat indessen richtig erkannt, dass diese doppelte Vaterschaftsvermutung in
analoger Anwendung von § 1593 Satz 3 BGB aufzulösen ist, indem als Vater der
beteiligten Kinder lediglich der Beteiligte zu 3 als Ehemann der späteren
Ehe angesehen wird.
39 (2) Die Vorschrift des § 1593 Satz 3 BGB
bestimmt, dass ein Kind nur als Kind des neuen Ehemanns anzusehen ist, wenn
von einer Frau, die nach dem Tod ihres ersten Ehemanns eine weitere Ehe
geschlossen hat, ein Kind geboren wird, das sowohl nach § 1593 Satz 1 und 2
BGB ein Kind des ersten Ehemanns (aufgrund Überschneidung der Ehezeit mit
der gesetzlichen Empfängniszeit) als auch nach § 1592 Nr. 1 BGB ein Kind des
neuen Ehemanns (aufgrund Geburt während bestehender Ehe) wäre. Es entspricht
allgemeiner Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur,
dass diese Vorschrift auf bigamische Ehen entsprechend anwendbar ist (vgl.
OLG Zweibrücken FamRZ 2009, 1923, 1924; Staudinger/Rauscher BGB [2011] §
1592 Rn. 28 und § 1593 Rn. 36; MünchKommBGB/Wellenhofer 8. Aufl. § 1593 Rn.
16; BeckOGK/Balzer [Stand: 1. Februar 2023] BGB § 1593 Rn. 53;
Grüneberg/Siede BGB 82. Aufl. § 1593 Rn. 4; jurisPK-BGB/Di Cato [Stand: 15.
Oktober 2022] § 1593 Rn. 15; Erman/ Hammermann BGB 16. Aufl. § 1593 Rn. 9;
Zöller/Geimer ZPO 34. Aufl. § 107 FamFG Rn. 18).
40 Diese Auffassung
trifft zu. Die analoge Anwendung einer Gesetzesvorschrift erfordert zum
einen eine planwidrige Regelungslücke. Zum anderen muss die Vergleichbarkeit
der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte gegeben, also der zu beurteilende
Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem gesetzlich geregelten
Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber
wäre bei einer Interessenabwägung - bei der er sich von den gleichen
Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der
herangezogenen Gesetzesvorschrift - zu dem gleichen Abwägungsergebnis
gekommen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - XII ZR 28/20 - FamRZ
2021, 584 Rn. 27 mwN). Beide Voraussetzungen sind erfüllt. 41 (a) Das
Gesetz enthält für den Fall einer Doppelehe mit Blick auf das
Abstammungsrecht eine planwidrige Regelungslücke. Bis zur Reform des
Abstammungsrechts durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.
Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942) war die Konkurrenz mehrerer
Vaterschaftsvermutungen infolge einer bigamischen Ehe von der Regelung des §
1600 Abs. 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und
Änderung familienrechtlicher Vorschriften vom 11. August 1961 (BGBl. I S.
1221) umfasst. Nach § 1600 Abs. 1 BGB aF galt ein Kind nur als eheliches
Kind des zweiten Mannes, wenn von einer Frau, die eine zweite Ehe
geschlossen hatte, ein Kind geboren worden ist, das nach den §§ 1591, 1592
BGB aF als eheliches Kind sowohl des ersten als auch des zweiten Mannes
gegolten hätte. Diese Regelung war auf bigamische Ehen anwendbar (vgl.
Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1593 Rn. 36) mit der Folge, dass nur der
zweite Ehemann als rechtlicher Vater des Kindes anzusehen war.
42 Der
Gesetzgeber hat im Zuge der 1997 erfolgten Kindschaftsrechtsreform auf eine
§ 1600 Abs. 1 BGB aF entsprechende Regelung verzichtet, weil er ersichtlich
davon ausgegangen ist, dass infolge der Neuregelung der §§ 1591, 1592 BGB
eine mehrfache rechtliche Vaterschaft kraft Ehe nur noch im Fall
der Eheauflösung durch Tod in Betracht kommen würde. Aus den
Gesetzesmaterialien ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der
Gesetzgeber den Fall einer bigamischen Ehe in den Blick genommen hätte.
Dementsprechend hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung, mit der eine
doppelte rechtliche Vaterschaft kraft Ehe ausgeschlossen wird, in § 1593
Satz 3 BGB nur noch für den Fall einer Eheauflösung durch Tod vorgesehen,
welche mit der Zuweisung der Vaterschaft an den Ehemann der zweiten Ehe an
den Regelungsgehalt von § 1600 Abs. 1 BGB aF anknüpfen sollte (vgl.
BT-Drucks. 13/4899 S. 84). Es spricht nichts für die Annahme, dass darüber
hinaus mit der Streichung des § 1600 Abs. 1 BGB aF bewusst eine Änderung der
Rechtslage dahingehend beabsichtigt gewesen ist, im Fall einer Doppelehe
zukünftig eine doppelte rechtliche Vaterschaft für ein Kind begründen zu
wollen (vgl. BeckOGK/Balzer [Stand: 1. Februar 2023] BGB § 1593 Rn. 53.1).
Deshalb scheidet auch im Fall einer Doppelehe nach dem im deutschen
Abstammungsrecht geltenden Ein-Vater-Prinzip (vgl. BeckOGK/ Balzer [Stand:
1. Februar 2023] BGB § 1593 Rn. 53.2; MünchKommBGB/ Wellenhofer 8. Aufl.
Vorbem. § 1591 Rn. 15; vgl. dazu auch Senatsbeschluss BGHZ 220, 58 = FamRZ
2018, 1919 Rn. 13) eine rechtliche Zuordnung eines Kindes zu zwei Vätern
aus.
43 (b) Auch eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen ist
gegeben.
44 Sowohl im Fall der Auflösung der ersten Ehe durch den Tod
des Ehemannes als auch in den Fällen der bigamischen Ehe führt eine zweite
Ehe der Mutter zu einer gesetzlichen Vaterschaftsvermutung zweier Ehemänner.
In dem gesetzlich geregelten Fall des § 1593 Satz 3 BGB erscheint die
Zuordnung der Vaterschaft an den zweiten Ehemann sachgerecht und der
Lebenserfahrung entsprechend, weil die schnelle Wiederverheiratung der
Mutter gegen den Bestand einer intakten Ehe mit dem verstorbenen ersten
Ehemann und zugleich für die Zeugung des Kindes mit dem jetzigen Ehemann
spricht (vgl. MünchKommBGB/ Wellenhofer 8. Aufl. § 1593 Rn. 14). Diese
Erwägungen treffen in vergleichbarer Weise auch auf Fälle der bigamischen
Ehe zu, in denen - wie hier - davon ausgegangen werden kann, dass die
Partner der zweiten Ehe von der lebzeitigen Auflösung der ersten Ehe der
Mutter überzeugt gewesen sind und im gesetzlichen Empfängniszeitraum eine
Lebensgemeinschaft nur noch zwischen ihnen bestand. Auf solche
Sachverhaltskonstellationen ist die Analogie allerdings nicht zu
beschränken, obwohl in anderen Fällen der Doppelehe nicht ohne Weiteres
in jedem Einzelfall eine höhere Wahrscheinlichkeit für den einen oder den
anderen Ehemann als Vater sprechen muss. Denn auch in diesen Fällen bietet
die Zuweisung der Vaterschaft an den zweiten Ehemann eine gleichermaßen
sachgerechte wie rechtssichere Konkurrenzregel, zumal sie zumindest in der
Tendenz den tatsächlichen Abstammungsverhältnissen eher entsprechen dürfte
(vgl. Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1593 Rn. 38; BeckOGK/Balzer
[Stand: 1. Februar 2023] BGB § 1593 Rn. 53.2). Deshalb kann angenommen
werden, dass der Gesetzgeber hier zu dem gleichen Abwägungsergebnis -
nämlich der Zuordnung der Vaterschaft an den Ehemann der späteren Ehe -
gekommen wäre, hätte er die Möglichkeit konkurrierender Vaterschaften
aufgrund bigamischer Ehe in den Blick genommen.
45 b) Zu Recht ist
das Beschwerdegericht ferner davon ausgegangen, dass eine alternative
Anknüpfung der Vaterschaft an das Personalstatut der beiden
Vaterschaftsprätendenten nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ebenfalls nur zu
einer rechtlichen Vaterschaft des Beteiligten zu 3 führt.
46 aa)
Allerdings hat das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang übersehen, dass
in Bezug auf den auch deutschen Beteiligten zu 2 kein iranisches, sondern
gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB deutsches Sachrecht Anwendung findet.
Dieser Rechtsfehler wirkt sich aber nicht aus, denn ausgehend von deutschem
Abstammungssachrecht besteht, wie im Einzelnen dargelegt, bei doppelter
Vaterschaftsvermutung entsprechend § 1593 Satz 3 BGB lediglich eine
rechtliche Vaterschaft des Beteiligten zu 3.
47 bb) Hinsichtlich des
Beteiligten zu 3 ist das Beschwerdegericht zutreffend von einer Verweisung
in das iranische Recht ausgegangen, weil er nach den getroffenen
Feststellungen ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit
besitzt. Insoweit handelt es sich gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB um eine
GesamtVerweisung (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2022 - XII ZB 562/20 -
FamRZ 2022, 624 Rn. 27). Das iranische Kollisionsrecht nimmt diese
Verweisung nach Art. 964 iranZGB an (vgl. Enayat in Bergmann/Ferid/Henrich
Internationales Ehe-und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Oktober 2002] Länderteil
Iran S. 25) und bestimmt als Vater des Kindes nach Art. 1158 iranZGB den
Mann, der mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet gewesen ist.
Bei selbständiger Anknüpfung der sich hier ergebenden Vorfrage nach der
Wirksamkeit der Ehe bestimmen sich die materiellen
Eheschließungsvoraussetzungen für den Beteiligten zu 3 gemäß Art. 13 Abs. 1
EGBGB nach iranischem Sachrecht. Im Zusammenhang mit der dann gebotenen
Prüfung des Ehehindernisses des Bigamieverbots für Frauen gemäß Art. 1050 f.
iranZGB stellt sich wiederum die weitere Vorfrage nach der Beachtlichkeit
der im Jahr 2006 durchgeführten, in Deutschland aber nicht anerkannten
Privatscheidung der ersten Ehe der Kindesmutter, die mit Blick auf die
Überlagerung des kollisionsrechtlichen Verweisungsergebnisses durch das
verfahrensrechtliche Anerkennungserfordernis zu verneinen ist. Der Vorrang
des Verfahrensrechts wäre im Übrigen auch dann zu beachten gewesen, wenn man
die Vorfrage nach der Wirksamkeit der Ehe - wie von einem Teil der
Literatur vertreten - unselbständig, d.h. ausgehend von dem vom
Internationalen Privatrecht Irans berufenen Sachrecht angeknüpft hätte und
auf diese Weise zum iranischen Eheschließungssachrecht gelangt wäre (vgl.
MünchKommBGB/Helms 8. Aufl. Art. 19 EGBGB Rn. 56; vgl. auch Wall
[Fachausschuss Nr. 4137] StAZ 2018, 256, 263).
48 Somit wäre auch
hier von konkurrierenden Vaterschaftsvermutungen zugunsten der Beteiligten
zu 2 und 3 auszugehen, die beide als Ehemänner der Kindesmutter gelten. Das
iranische Abstammungssachrecht sieht nach den vom Beschwerdegericht
getroffenen Feststellungen für diesen Fall vor, dass das Kind gemäß Art.
1160 iranZGB nur dem zweiten Ehemann - hier also dem Beteiligten zu 3 -
rechtlich zugeordnet wird (vgl. auch NK-BGB/Yassari 4. Aufl. Länderbericht
Iran Rn. 55). Gegen diese Feststellungen erinnert die
Rechtsbeschwerde nichts.
49 c) Schließlich hat das Beschwerdegericht
auch zu Recht angenommen, dass eine alternative Anknüpfung der Abstammung an
das Ehewirkungsstatut nach Art. 19 Abs. 1 Satz 3 EGBGB in der bis zum 28.
Januar 2019 geltenden Fassung (vgl. Art. 229 § 47 Abs. 4 EGBGB) ebenfalls zu
keinem für die Rechtsbeschwerde günstigeren Ergebnis führt. Denn eine
Bestimmung der Abstammung nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen der
Ehe der Kindesmutter bei der Geburt ihrer Kinder gemäß Art. 14 Abs. 1 EGBGB
in der bis zum 28. Januar 2019 geltenden Fassung unterlegen haben, führt im
vorliegenden Fall ebenfalls nur zu einer Anwendbarkeit des deutschen oder
iranischen Sachrechts. Mithin eröffnet dieses Statut hier keine inhaltlich
weitergehende Alternative gegenüber einer Anknüpfung der Abstammung an das
Aufenthalts- oder Personalstatut.
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