Anerkennung und
Vollstreckung einer ausländischen Unterhaltsentscheidung im Verbundverfahren
ohne vorhergehende förmliche Anerkennung der Ehescheidung im Verfahren nach
Art. 7 § 1 FamRÄndG
BGH, Urteil vom 14. 2. 2007
- XII ZR 163/05
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Die Anerkennung und
Vollstreckbarerklärung einer ausländischen (hier: slowenischen) Entscheidung
über den Kindesunterhalt, die Bestandteil eines Scheidungsurteils ist, setzt
die vorherige Anerkennung der Scheidung durch die Landesjustizverwaltung
(Art. 7 § 1 FamRÄndG) nicht voraus.
Zentrale Probleme:
Beachte: Das Problem stellt sich nur ggü. Urteilen aus
Nicht-EG-Mitgliedstaaten, da insoweit nach der Brüssel IIa-VO (EheVO) kein
förmliches, konstitutives Anerkennungsverfahren für ein Scheidungsurteil
notwendig ist. Diese war aber hier intertemporal nicht anwendbar.
©sl 2007
Tatbestand:
Tatbestand:
1 Mit Urteil des Kreisgerichts (damalige Bezeichnung: „Grundgericht“ =
temeljno sodišče) Ljubljana vom 20. 6. 1990, rechtskräftig seit dem 9. 10.
1990, wurde die Ehe des Bekl. mit der Mutter der beiden damals noch
minderjährigen Kl. geschieden, das Sorgerecht für sie der Mutter
zugesprochen und der Bekl. verurteilt, zu Händen der Mutter für die beiden
Kl. monatlich je 2.000 Dinar Kindesunterhalt ab 1. 6. 1990 zu zahlen.
2 Auf Antrag der Kl. wurde dieses Urteil durch Urteil des AG ‑
Familiengericht ‑ auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit der
Maßgabe anerkannt und für vollstreckbar erklärt, dass der Bekl. zu gem. Art.
132 des slowenischen Gesetzes über die Ehe- und Familienbeziehungen
indexierten monatlichen Unterhaltszahlungen in Dinar bzw. ab 1. 2. 1992 in
slowenischen Tolar verpflichtet ist.
3 Das OLG wies die dagegen gerichtete Berufung des Bekl. zurück. Dagegen
richtet sich dessen zugelassene Revision.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
5
1. Zutreffend geht das BerGer. davon aus, dass über den Antrag der Kl. durch
Vollstreckungsurteil nach §§ 722, 723 ZPO zu entscheiden war. Nach diesen
Vorschriften ist ein Urteil eines ausländischen Gerichtes ohne Prüfung der
Gesetzmäßigkeit der Entscheidung für vollstreckbar zu erklären, wenn es nach
dem für das ausländische Gericht geltenden Recht Rechtskraft erlangt hat und
seine Anerkennung nicht nach § 328 ZPO ausgeschlossen ist.
6 a) Wie das BerGer. weiter zutreffend erkannt hat, ist die Anwendung der §§
722, 723 ZPO hier weder durch „Brüssel I“ (EuGVVO = Verordnung [EG] Nr.
44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen) noch durch „Brüssel IIa“ (EuEheVO = Verordnung [EG] Nr.
2201/2003 des Rates vom 27. 11. 2003 über die Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in
Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der
Verordnung [EG] Nr. 1347/2000 [= „Brüssel II“]) ausgeschlossen.
7 Zwar ist Slowenien seit 2004 Mitglied der europäischen Union, so dass
diese Verordnungen im Verhältnis zwischen Slowenien und der Bundesrepublik
Deutschland grundsätzlich vorrangig anzuwenden sind. Die EuGVVO = „Brüssel
I“ ist nach ihrem Art. 66 I und 2 aber nicht auf Titel anzuwenden, die wie
hier (1990) vor ihrem Inkrafttreten geschaffen wurden, und die EuEheVO =
„Brüssel IIa“ gilt ohnehin nicht für Unterhaltspflichten (Art. 1 III lit. e
EuEheVO). Auch deren Vorläuferregelung, das EuGVÜ, kommt hier nicht zur
Anwendung, da Slowenien ihm nicht beigetreten war.
8 b) Auch eine vorrangige Anwendung des Haager Übereinkommens vom 2. 10.
1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen
kommt nicht in Betracht, da Slowenien nicht Vertragsstaat ist (vgl. Wendl/Dose,
Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 7 Rdnr.
226; FA-FamR/Rausch 5. Aufl. Kap. 15 Rdnr. 95 Fn. 172; Luthin, Handbuch des
Unterhaltsrechts, 10. Aufl. Rdnr. 8061).
9 2. Soweit das BerGer. das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 328 I Nr.
1 bis 5 ZPO verneint hat, lässt dies Rechtsfehler nicht erkennen; auch die
Revision erinnert insoweit nichts.
10 3. Die erforderliche Prozessführungsbefugnis der Kl. für das vorliegende
Verfahren nach §§ 722, 723 ZPO (vgl. Göppinger/Wax/Linke Unterhaltsrecht 8.
Aufl. Rdnr. 3287) ist hier unabhängig von der Frage gegeben, ob die Mutter
der Kl. den ursprünglichen Titel nach slowenischem Recht als deren
Vertreterin oder im Wege der Prozessstandschaft erstritten hat (vgl. OLG
Frankfurt FamRZ 1983, 1268; AG Lahnstein FamRZ 1986, 289, 290 zum
jugoslawischen Recht; a.A. wohl OLG Stuttgart FamRZ 1999, 312 ff.). Beide
Kl. waren nämlich im Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung volljährig,
Art. 117 I des slowenischen Gesetzes über Ehe- und Familienbeziehungen vom
26. 5. 1976 (EheFamG; deutsche Übersetzung in Bergmann/Ferid,
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Slowenien S. 58 ff.),
und schon deshalb befugt, das vorliegende Verfahren im eigenen Namen zu
betreiben (vgl. Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 722 Rdnr. 64; Senatsurteil vom
1. 6. 1983 IVb ZR 386/81 FamRZ 1983, 806 zur Prozessführungsbefugnis des
Kindes für eine Abänderungsklage).
11 Die Kl. waren zwar nicht Partei des Scheidungsverfahrens, in dem das
Ausgangsurteil ergangen ist. Dennoch ist ihr Unterhaltsanspruch ‑ wie es in
Art. 78 I des slowenischen EheFamG und in Art. 421 II des slowenischen
Gesetzes über das Streitverfahren vom 15. 4. 1999 (deutsche Übersetzung in
Bergmann/Ferid aaO S. 80) vorgesehen ist ‑ in diesem Urteil geregelt worden,
und zwar nicht nur im Innenverhältnis der Ehegatten untereinander (vgl.
Zöller/Geimer aaO § 722 Rdnr. 64; vgl. auch OLG Hamburg FamRZ 1983, 1157,
1158 zum finnischen Ehegesetz). Dies folgt nicht nur aus Artt. 103 I und 123
EheFamG, die bestimmen, dass Eltern ihren Kindern unterhaltspflichtig sind,
sondern auch aus der Überschrift zu Artt. 78 ff. EheFamG („Beziehungen der
Eltern zu den Kindern nach der Ehescheidung“) und insbesondere aus Art. 79
Satz 2 EheFamG, demzufolge auch das Kind eine Anpassung des im
Scheidungsurteil festgelegten Unterhaltsbeitrages an veränderte Verhältnisse
verlangen kann (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1982, 631, 632 zum
bosnisch-herzegowinischen Recht). An der Art des Unterhaltsanspruchs des
Kindes ändert sich durch die Trennung oder Scheidung der Eltern nichts (vgl.
Povh FamRZ 1991, 132, 136 zur Rechtslage vor der Unabhängigkeit Sloweniens).
12 Die Kl. sind daher, auch ohne Titelgläubiger zu sein, für das Verfahren
nach § 722 ZPO prozessführungsbefugt (vgl. Stein/Jonas/Münzberg ZPO § 722
Rdnr. 16; MünchKomm-ZPO/Gottwald 2. Aufl. § 722 Rdnr. 27; Baumbach/Hartmann
ZPO 65. Aufl. § 722 Rdnr. 7).
13 4. Allerdings ist Vollstreckungstitel nicht das Urteil des Grundgerichts
Ljubljana allein. Wie das BerGer. zutreffend ausführt, handelt es sich um
einen dynamischen Unterhaltstitel. Die darin festgelegten Unterhaltsbeträge
werden nach Art. 132 I EheFamG der Wandlung der Lebenshaltungskosten und der
persönlichen Einkommen in Slowenien angepasst (vgl. Novak FamRZ 2005, 1637,
1640). Das zuständige Zentrum für Sozialarbeit benachrichtigt schriftlich
den Verpflichteten und den Berechtigten über die jeweilige Anpassung und den
neuen Unterhaltsbetrag, Art. 132 IV Satz 1 EheFamG. Diese Benachrichtigung
bildet gem. Art. 132 IV Satz 2 EheFamG zusammen mit der Gerichtsentscheidung
den Vollstreckungstitel (vgl. auch OGH Wien vom 26. 3. 2003 ‑ 3 Ob 71/03t ‑
ZfRV 2003, 189 ‑ Leitsatz ‑). Das AG hätte daher das Ausgangsurteil in
Verbindung mit den im Tenor aufgeführten Benachrichtigungen des Zentrums für
die Sozialarbeit Kranj für vollstreckbar erklären müssen.
II.
14 Die Revision greift allein die
Auffassung des BerGer. an, die Vollstreckbarkeitserklärung habe nicht der
vorherigen Anerkennung des Scheidungssausspruchs nach Art. 7 § 1 FamRÄndG
bedurft. Dem hält die Revision entgegen, bei dem slowenischen Urteil habe es
sich ‑ nach dem als lex fori maßgeblichen deutschen Verfahrensrecht ‑ um ein
Verbundurteil i.S. des § 623 ZPO gehandelt. Wie sich aus der Begründung des
Ausgangsurteils ergebe, habe die Verurteilung des Bekl. zur
Unterhaltszahlung auch in engem sachlichem Zusammenhang mit der Entscheidung
über das Sorgerecht für die Kinder und folglich auch mit der Ehescheidung
selbst gestanden, so dass die Unterhaltspflicht nicht von der Wirksamkeit
der Scheidung losgelöst werden könne. Deshalb hätte die Entscheidung zum
Unterhalt erst nach Anerkennung des Scheidungsurteils für vollstreckbar
erklärt werden können.
15 Das verhilft der Revision indes nicht zum Erfolg.
16 Eine Anerkennung des Scheidungsausspruchs war zwar nicht schon nach
Art. 7 § 1 I Satz 3 FamRÄndG entbehrlich, da die Ehegatten nicht beide dem
Staat angehörten, dessen Gerichte die Scheidung ausgesprochen haben. Nach
den Feststellungen des BerGer. war der Bekl. im Zeitpunkt der Scheidung
deutscher Staatsangehöriger.
17 Für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer in einem
ausländischen Scheidungsurteil getroffenen weiteren Nebenentscheidung, z.B.
einer Verurteilung zu Unterhaltszahlungen, ist das Verfahren vor der
Landesjustizverwaltung nach Art. 7 § 1 FamRÄndG aber nicht erforderlich
(vgl. Geimer NJW 1967, 1398, 1402; zum Gesetzeszweck vgl. auch
Senatsbeschluss BGHZ 112, 127, 134). Nur wenn die weitere Entscheidung auf
dem Eheurteil beruht, ohne dieses also keinen Bestand haben kann, darf sie
erst nach Anerkennung des Scheidungsausspruchs für vollstreckbar erklärt
werden (BGHZ 64, 19, 22 = FamRZ 1975, 273, 274). Das ist hier nicht der
Fall.
18 Der ausgeurteilte Unterhaltsanspruch der Kinder beruht nicht auf dem
Scheidungsausspruch, sondern besteht ‑ wie oben unter I 3 dargelegt ‑
unabhängig hiervon.
19 Der Senat schließt sich daher der in Rechtsprechung und Literatur
herrschenden Meinung an, dass die Vollstreckbarerklärung des
Kindesunterhaltstitels nicht der vorherigen Anerkennung der Scheidung nach
Art. 7 § 1 FamRÄndG bedarf (vgl. OLG Karlsruhe DAVorm 1981, 166 f.; OLG
München DAVorm 1982, 490 f.; OLG Köln FamRZ 1979, 718, 719; LG Frankenthal
DAVorm 1977, 62, 64; Wieczorek/Schütze ZPO 3. Aufl. § 722 Rdnr. 46;
Soergel/Kegel BGB 12. Aufl. Art. 19 EGBGB Rdnr. 115; Breuer in Rahm/Künkel,
Handbuch des Familiengerichtsverfahrens VIII Rdnr. 180.7; Beitzke ZfJ 1986,
477, 481; Göppinger/Wax/Linke aaO 3285; a.A. OLG Hamm FamRZ 1989, 785 m. abl.
Anm. Henrich IPrax 1990, 59 f.). Denn das Anliegen des Art. 7 § 1 FamRÄndG,
einander widersprechende Entscheidungen über die Wirksamkeit einer
ausländischen Ehescheidung im Inland zu vermeiden (vgl. Senatsurteil BGHZ
112, 127, 134), wird durch den Ausspruch der Vollstreckbarkeit des Titels
über den Kindesunterhalt nicht tangiert.
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