Kein Formerfordernis
nach § 566 BGB a.F. (= § 550 BGB n.F.) für einen Vorvertrag; Haftung wegen
Pflichtverletzung aus dem Vorvertrag
BGH, Urteil vom 7. März
2007 - XII ZR 40/05
Fundstelle:
NJW 2007, 1817
Amtl. Leitsatz:
Die Vereinbarung in
einem Vorvertrag, dass ein langfristiges Mietverhältnis begründet werden
soll, unterliegt nicht dem Formerfordernis des § 566 BGB a.F. Sie
verpflichtet die Parteien aber zur Mitwirkung am Zustandekommen des
schriftlichen und damit der Form des § 566 BGB a.F. genügenden
Hauptvertrages.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ist über die Formfrage hinaus lehrreich
für die Folgen eines Vorvertrages: Dieser verpflichtet nicht nur zum
Abschluß des Hauptvertrages, sondern auch dazu, alles zu unterlassen, was
dem Abschluss des Hauptvertrages entgegenstehen könnte. Werden diese
Verpflichtungen verletzt, so kann der jeweils andere Vertragsteil
Schadensersatz (aus § 280 I, III iVm § 281 bzw. 283 BGB) verlangen.
©sl 2007
Tatbestand:
1 Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen vergeblicher Planungsaufwendungen
aus einer vertraglichen Absprache in Anspruch.
2 Die Parteien trafen am 7. Oktober 1999 eine als "Mietvertrag" bezeichnete
Vereinbarung, mit der sich die Klägerin verpflichtete, der Beklagten gegen
Entgelt ein noch zu errichtendes Altenpflegeheim zur Nutzung zu überlassen.
Im Vertrag heißt es u.a.:
"§ 1 Mietobjekt
1. Der Vermieter wird Eigentümer der Immobilie - A. D. -in S. . Auf dem
Grundstück wird ein Senioren-Pflegeheim (Mietobjekt) errichtet.
2. Der Vermieter vermietet an den Mieter ein fertig gestelltes,
betriebs- und benutzungsfähiges Seniorenpflegeheim mit insgesamt ca. 180
Betten gemäß folgenden Anlagen, die Bestandteil dieses Vertrages sind:
Anlage 1: Lageplan
Anlage 2: Baubeschreibung
Anlage 3: Baugenehmigung
Anlage 4: Ausführungszeichnungen (soweit vorhanden)
...
6. Der Mieter ist verpflichtet, das Mietobjekt mit Fertigstellung zu
übernehmen. Als Fertigstellungstermin gilt der Zeitpunkt gemäß § 5 Abs.
2, spätestens jedoch der Zeitpunkt der behördlichen Gebrauchsabnahme.
...
§ 2 Vertragsdauer
1. Das Mietverhältnis wird auf die Dauer von 20 Jahren fest vereinbart.
Es beginnt mit dem in § 1 Abs. 6 genannten Termin.
§ 5 Übergabe des Mietgegenstandes
2. Den verbindlichen Übergabetermin wird der Vermieter spätestens vier
Monate vorher dem Mieter schriftlich mitteilen.
§ 16 Sonstiges
...
2. Vermieter und Mieter sind berechtigt, vom Mietvertrag zurückzutreten,
wenn die Baugenehmigung, bezogen auf die geplante, in diesem Mietvertrag
vorgesehene Nutzung, versagt wird und wenn die geplante Finanzierung,
bezogen auf die Gesamtkonzeption und die Bonität des Hauptmieters, nicht
zustande kommt.
3. Dieser Mietvertrag gilt weiterhin vorbehaltlich der Beibringung aller
behördlichen Genehmigungen."
3 Die Klägerin begann mit Planungen für
das Objekt. Mit Schreiben vom 23. Juli 2001 kündigte die Beklagte die
Vereinbarung unter Berufung auf § 16 des Vertrages. Die Klägerin nahm den
von ihr gestellten Baugenehmigungsantrag zurück. Zwischen den Parteien
besteht Streit, ob es sich bei der getroffenen Vereinbarung bereits um einen
bindenden Mietvertrag oder lediglich um einen Vorvertrag handelt. Die
Gründe, die dazu geführt haben, dass der Vertrag nicht durchgeführt wurde,
sind zwischen den Parteien ebenfalls streitig.
4 Die Klägerin verlangt Ersatz der ihr mit dem Abschluss des Vertrages
erwachsenen Aufwendungen. Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach
stattgegeben. Es ist von einem rechtswirksamen Mietvertrag ausgegangen, den
die Beklagte durch ihre unberechtigte Kündigung verletzt habe. Das
Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage
abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat
zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
5 Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
6 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch
auf Schadensersatz zu. Dabei könne dahinstehen, ob es sich bei der zwischen
den Parteien getroffenen Vereinbarung um einen Mietvertrag oder lediglich
einen Vorvertrag dazu handele.
7 Bejahe man mit dem Landgericht einen Mietvertrag, so habe dieser mangels
Einhaltung der Schriftform gemäß § 566 BGB a.F. ordentlich gekündigt werden
können. Dabei könne offen bleiben, ob die Schriftform schon deshalb nicht
gewahrt sei, weil die in § 1 Abs. 2 genannten Anlagen der Vereinbarung nicht
beigefügt gewesen seien. Zu den wesentlichen Punkten, die dem
Schriftformerfordernis unterlägen, gehöre die Dauer des Vertrages. Werde der
Vertrag mit einer Festlaufzeit (hier: 20 Jahre) geschlossen, unterlägen
Anfangs- und Enddatum der Beurkundungspflicht. Nur wenn sich beide Daten aus
der Urkunde ergäben, könne ein Erwerber verlässlich erkennen, für welchen
Zeitraum der Mietvertrag - noch - bestehe. Das gelte insbesondere für die
Fälle, in denen das Mietobjekt bei Vertragsschluss noch nicht existiere,
sondern erst errichtet werden solle. In einem solchen Fall könnten der
Zeitpunkt des Vertragsschlusses und derjenige des Vertragsbeginnes um Jahre
auseinander liegen. Im vorliegenden Fall datiere der Vertrag vom Oktober
1999, während das Vertragsverhältnis erst mit dem Zeitpunkt der
Fertigstellung habe beginnen sollen. Dieser Zeitpunkt sei bei
Vertragsschluss weder bestimmt noch bestimmbar gewesen.
8 Folge man der Ansicht, dass es sich bei der Vereinbarung noch nicht um den
Mietvertrag selbst, sondern nur um einen Vorvertrag handele, ergebe sich
kein anderes Ergebnis. Zwar unterliege der Vorvertrag nicht dem
Formerfordernis. Formbedürftig sei erst die Abrede, durch die der Vorvertrag
zum endgültigen Vertrag werde. Im vorliegenden Fall sei bereits nicht
ersichtlich, dass es dann überhaupt einen Mietvertrag gäbe, jedenfalls gäbe
es keinen, der der Schriftform des § 566 BGB a.F. entspreche. Die Beklagte
wäre im Ergebnis auch bei Annahme eines Mietvertrages, der ohne Beachtung
der Form zustande gekommen wäre, nicht gehindert gewesen, den Vertrag zu
kündigen.
9 2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
10 a) Der Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung steht nicht entgegen,
dass dem Vertrag die in § 1 Abs. 2 genannten Anlagen nicht beigefügt waren.
Zwar gehört die Einigung über den Vertragsgegenstand zum wesentlichen
Vertragsinhalt. Dieser muss zumindest bestimmbar sein (Schmidt-Futterer/Blank
Mietrecht 9. Aufl. vor § 535 Rdn. 11). Das ist hier der Fall. Nach § 1 Abs.
2 der Vereinbarung sollte der Vermieter auf dem Grundstück "A. D. " ein
Senioren-Pflegeheim mit insgesamt 180 Betten errichten und dem Mieter zur
Nutzung überlassen. Die Überlassungsverpflichtung bezog sich auf das gesamte
Gebäude. Damit war der Vertragsgegenstand hinreichend individualisiert.
11 b) Die Schriftform scheitert nicht daran, dass die Parteien die in § 1
Abs. 2 genannten Anlagen der Vereinbarung nicht beigefügt haben. Zwar gehört
auch der Mietgegenstand zu den wesentlichen und damit formbedürftigen
Elementen eines langfristigen Mietvertrages (vgl. BGH, Senatsurteil vom 2.
November 2005 - XII ZR 233/03 - NJW 2006, 140). Danach muss der
Mietgegenstand im Vertrag so ausreichend individualisiert sein, dass er für
einen Rechtsnachfolger (§ 571 BGB a.F. = § 566 BGB), den § 566 BGB a.F. (= §
550 BGB) in erster Linie schützen will, ausreichend bestimmbar ist. Das ist
hier der Fall. Mietgegenstand sollte nach seiner Fertigstellung ein
"betriebs- und benutzungsfähiges Seniorenpflegeheim mit insgesamt 180
Betten" auf dem Grundstück " A. D. " sein. Damit war das gesamte Gebäude
vermietet, das der Vermieter auf dem Grundstück errichten würde, unabhängig
davon, welche Größe und Ausstattung es im Einzelnen aufweisen und wo genau
es auf dem Grundstück entstehen würde. Den Anlagen, die bei Vertragsschluss
erst zu einem geringen Teil vorhanden waren, kam insoweit kein eigener
Erklärungswert zu; sie dienten lediglich der Verdeutlichung des im
formgültig abgeschlossenen Vertrag enthaltenen Mietgegenstandes
(Orientierungshilfe). Der Streitfall unterscheidet sich wesentlich von den
Fällen, in denen nur Teile eines Gebäudes vermietet werden und für einen
Rechtsnachfolger aus dem Mietvertrag nicht ersichtlich ist, um welche Teile
es sich dabei handelt (vgl. dazu Senatsurteil vom 2. November 2005 - XII ZR
233/03 - NJW 2006, 140).
12 c) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass
die Dauer des Mietvertrages zu den wesentlichen Vertragsbedingungen gehört
und deshalb formbedürftig ist. Der Senat hat - nach Verkündung des
Berufungsurteils - entschieden, dass die Vertragsdauer nicht bestimmt
angegeben werden muss, sondern die Form gewahrt ist, wenn die Einigung über
die Dauer beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt (Senatsurteil vom
2. November 2005 - XII ZR 212/03 - NJW 2006, 139). Dafür genügt es, dass der
Sachverhalt so genau bestimmt ist, dass bei seiner Verwirklichung kein
Zweifel am Vertragsbeginn verbleibt. Der Senat hat deshalb in der
Vereinbarung, dass das Mietverhältnis "mit der Übergabe der Mieträume"
beginnen solle, einen ausreichend bestimmbaren Beginn des Mietverhältnisses
gesehen (Senatsurteil aaO).
13 Nichts anderes gilt im Streitfall. Gemäß § 2 Abs. 1 der vertraglichen
Vereinbarung sollte das Mietverhältnis mit dem in § 1 Abs. 6 genannten
Fertigstellungstermin beginnen. Als Fertigstellungstermin bestimmt § 1 Abs.
6 Satz 2 den Zeitpunkt, den der Vermieter als Übergabetermin verbindlich
festlegt. Aufgrund dieser Beschreibung lässt sich der Beginn des
Mietverhältnisses - nach Mitteilung des verbindlichen Übergabetermins -
eindeutig bestimmen. Mit der Mitteilung des - zunächst unbestimmten -
Übergabetermins steht der Beginn des Mietverhältnisses fest, wird aus dem
bestimmbaren ein bestimmter Termin.
14 d) Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Auffassung des
Berufungsgerichts, bei Annahme eines Vorvertrages wäre die Beklagte nicht
gehindert, diesen zu kündigen. Im Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht
allerdings zutreffend davon aus, dass ein Vorvertrag nicht den
Formerfordernissen des § 566 BGB a.F. unterliegen würde (BGH, Urteile vom 7.
Oktober 1953 - VI ZR 20/53 - BB 1953, 958 und vom 4. Juni 1961 - VIII ZR
132/60 - BB 1961, 1027). Dem schließt sich der Senat an.
15 Die Ausführungen des Berufungsgerichts legen demgegenüber aber den
Schluss nahe, dass es entgegen der von ihm gewählten Formulierung der
Meinung war, aus einem formlosen Vorvertrag könne kein Anspruch auf
Abschluss eines - formgerechten - Hauptvertrages bestehen. Diese Auffassung
ist unzutreffend. Ist im Vorvertrag vereinbart, dass ein langfristiges
Mietverhältnis begründet werden soll, so sind beide Parteien zur Mitwirkung
am Zustandekommen des schriftlichen und damit der Form des § 566 BGB a.F.
genügenden Hauptvertrages verpflichtet (Lindner-Figura/Oprée/Stellmann
Geschäftsraummiete Kap. 3 Rdn. 20; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht 9.
Aufl. Vor § 535 Rdn. 107). Daneben bestehen vertragliche Nebenpflichten,
insbesondere dahin, alles zu unterlassen, was dem Abschluss des
Hauptvertrages entgegenstehen könnte. Werden diese Verpflichtungen verletzt,
so kann der jeweils andere Vertragsteil Schadensersatz verlangen (Lindner-Figura/Oprée/Stellmann
aaO Rdn. 25; Schmidt-Futterer/Blank aaO Rdn. 106). Die unberechtigte
Kündigung des Vorvertrages bzw. die Weigerung, einen formgerechten
Hauptvertrag abzuschließen, wären solche zum Schadensersatz führenden
Verletzungen des Vorvertrages.
16 3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Beklagte hat
sich darauf berufen, dass sie - unabhängig von der Einhaltung der
Schriftform - nach § 16 des Vertrages zur Kündigung berechtigt gewesen sei,
weil die Klägerin ihrerseits ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.
Das Landgericht hat dazu Beweis erhoben. Da das Berufungsgericht keine
Feststellungen hierzu getroffen hat, ist eine Entscheidung darüber, ob der
Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, dem Senat derzeit nicht
möglich.
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