IPR: Internationales Ehegüterrecht; Form von
Eheverträgen (Art. 11 EGBGB)
BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 48/09
Fundstelle:
NJW-RR 2011, 1225
Amtl. Leitsatz:
Zur Vereinbarung der Gütertrennung bei Geltung des
deutschen Güterrechtsstatuts durch eine bei Eheschließung auf Mauritius
gegenüber dem Standesbeamten abgegebene Erklärung zur Wahl des Güterstandes.
Zentrale Probleme:
Eine schöne Entscheidung zum Internationalen
Ehegüterrecht. Es geht um die Vereinbarung von Gütertrennung bei
Anwendbarkeit deutschen Ehegüterrechts nach Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14
Abs, 1 Nr. 2 EGBGB. Der BGH prüft den nach deutschen Sachrecht notwendigen
Konsens der Parteien über die Geltung von Gütertrennung, lässt aber nach Art.
11 EGBGB für die Form die Einhaltung der Ortsform (hier: des mauritianischen
Rechts) genügen. Dabei qualifiziert er funktional die nach mauritianischem
Recht dafür vorgesehene Erklärung gegenüber dem Standesbeamten als
Ehevertrag und lässt diese Form dann ausreichen, obwohl die nach deutschem
Recht vorgesehene notarielle Beurkundung nicht erfolgt war. Das ist
vollkommen richtig und hervorragend begründet. Ein Musterfall für die
entsprechenden Schwerpunktbereiche der universitären Ausbildung. S. dazu
auch die Anm. von Mörsdorf-Schulte in LMK 2011, 322656.
©sl 2011
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Antragstellers zur
Auskunftserteilung im Zugewinnausgleichsverfahren nach deutschem Güterrecht.
2 Die in Deutschland lebenden Parteien schlossen am 26. Dezember 2002 vor
dem Standesbeamten in Port Louis / Mauritius die Ehe. Der Antragsteller war
zur Zeit der Eheschließung deutscher Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin
mauritische Staatsangehörige. Schon zu diesem Zeitpunkt hatten die
Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. In der in
französischer und englischer Sprache abgefassten Heiratsurkunde ist im
Abschnitt "Matrimonial Regime / Régime Matrimonial" vermerkt, dass die
Parteien anlässlich ihrer Eheschließung vor dem Standesbeamten
übereinstimmend erklärt haben, im Güterstand des "Legal system of separation
of goods / Régime légal de séparation de biens", der dem Güterstand der
Gütertrennung nach deutschem Recht entspricht, leben zu wollen.
3 Das Amtsgericht hat durch Teilurteil entschieden und der Auskunftsklage
der Antragsgegnerin stattgegeben. Die Berufung des Antragstellers blieb ohne
Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der
Antragsteller die Abweisung der Auskunftsklage erreichen.
Entscheidungsgründe:
4 Die Revision ist begründet.
I.
5 Das Berufungsgericht hat einen Auskunftsanspruch der Antragsgegnerin nach
§ 1379 BGB bejaht und zur Begründung ausgeführt, der materiellrechtlichen
Wirkung der Ehe nach deutschem Recht mit dem gesetzlichen Güterstand der
Zugewinngemeinschaft sei der Vorrang vor der Wahl eines Güterstandes vor dem
Standesbeamten auf Mauritius einzuräumen. Nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB iVm Art.
14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB sei hinsichtlich der güterrechtlichen Wirkungen der
Ehe deutsches Recht anzuwenden, weil die Parteien zum Zeitpunkt der
Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt und noch
immer hätten. Nach deutschem Recht könne der gesetzliche Güterstand der
Zugewinngemeinschaft nur durch den Abschluss eines formgültigen Ehevertrags
ausgeschlossen werden. Diese Voraussetzung liege hier nicht vor. Einen
notariellen Ehevertrag hätten die Parteien nicht abgeschlossen. Die bei der
Eheschließung gegenüber dem Standesbeamten zwingend vorgeschriebene Wahl
eines nach der dortigen Rechtsordnung gesetzlich vorgesehenen Güterstandes
stelle ebenfalls keinen formgültigen Ehevertrag dar. Auch nach mauritischem
Recht müsse ein Ehevertrag vor einem Notar beurkundet werden. Die Einhaltung
des Ortsrechts von Mauritius sei zudem nur für die Frage der Wirksamkeit der
Eheschließung als solche von Bedeutung, könne aber keine Änderung der
Wirkungen der Ehe zur Folge haben, wenn diese nach deutschem Recht zu
beurteilen wären. Nach dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 EGBGB unterlägen die
güterrechtlichen Wirkungen der Ehe nicht dem "für" die Eheschließung,
sondern dem "bei" der Eheschließung für die Wirkungen der Ehe maßgebenden
Recht. Dieses Merkmal sei daher nicht konstitutiv, sondern beinhalte nur ein
rein zeitliches Element, das zur Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts
führe.
II.
6 Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in
allen Punkten stand. Der Antragsgegnerin steht gegen den Antragsteller kein
Auskunftsanspruch gemäß § 1379 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, weil die Parteien für
ihre Ehe den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wirksam
ausgeschlossen und Gütertrennung vereinbart haben.
7 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die güterrechtlichen
Wirkungen der von den Parteien auf Mauritius geschlossenen Ehe nach
deutschem Recht beurteilt. Denn nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB bestimmt
sich das Güterrechtsstatut nach dem Recht, das im Zeitpunkt der
Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist, sofern
die Eheleute keine Rechtswahl nach Art. 15 Abs. 2 EGBGB getroffen haben.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts hatten die Parteien, die bei ihrer Heirat unterschiedliche
Staatsbürgerschaften hatten, im Zeitpunkt der Eheschließung ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so dass für die allgemeinen
Ehewirkungen gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB deutsches Recht gilt.
Eine Rechtswahl nach Art. 15 Abs. 2 EGBGB haben die Parteien nicht
getroffen. Die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe der Parteien unterliegen
daher dem deutschen Sachrecht.
8 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts haben die
Parteien jedoch durch ihre gemeinsame Erklärung zur Wahl des Güterstandes
gegenüber dem Standesbeamten bei der Eheschließung auf Mauritius wirksam den
gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft ausgeschlossen und
Gütertrennung vereinbart.
9 a) Nach deutschem Güterrecht können die Ehegatten gemäß § 1408
Abs. 1 BGB ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch einen Vertrag regeln,
der bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines
Notars geschlossen werden muss (§ 1410 BGB). Wird eine
güterrechtliche Vereinbarung - wie im hier zu entscheidenden Fall - von
Eheleuten unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten geschlossen, entscheidet
das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Güterrechtstatut nach Art.
15 Abs. 1 EGBGB über Zulässigkeit, materiellrechtliche Wirksamkeit und
möglichen Inhalt des Ehevertrags (Staudinger/Mankowski [2010] § 15
EGBGB Rn. 304 ff.; Palandt/Thorn BGB 70. Aufl. § 15 EGBGB Rn. 30).
Ob der Ehevertrag formwirksam zustande gekommen ist, bestimmt sich dagegen
nach der Anknüpfungsregelung des Art. 11 EGBGB (Staudinger/Mankowski
[2010] § 15 EGBGB Rn. 315).
10 b) Ein Ehevertrag iSv § 1408 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft zwischen
Verlobten oder Eheleuten zur Regelung ihrer güterrechtlichen Verhältnisse,
dessen Zustandekommen sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff.
BGB richtet (Mayer in BeckOK BGB § 1408 Rn. 2; MünchKommBGB/ Kanzleiter 5.
Aufl. § 1408 Rn. 4). Daher bedarf es zum Abschluss eines Ehevertrags
zweier übereinstimmender Willenserklärungen der Ehewilligen, die darauf
gerichtet sind, rechtsverbindlich die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe
zu gestalten (vgl. Palandt/Ellenberger BGB 70. Aufl. Einf. v. § 145
BGB Rn. 2). Da das eheliche Güterrecht von dem Grundsatz der
Vertragsfreiheit beherrscht wird, können die Ehewilligen ihre auf die Ehe
bezogenen Vermögensbeziehungen weitgehend frei regeln (zu den Schranken vgl.
MünchKommBGB/Kanzleiter 5. Aufl. § 1408 Rn. 9 ff.). Sie können einen
Güterstand insgesamt wählen, einen anderen Güterstand ersetzen oder einen
Güterstand modifizieren (Palandt/ Brudermüller BGB 70. Aufl. § 1408 BGB Rn.
15).
11 c) Gemessen an diesen Wesensmerkmalen einer güterrechtlichen Vereinbarung
iSv § 1408 Abs. 1 BGB haben die Parteien bei der Eheschließung durch ihre
gemeinsame Erklärung vor dem mauritischen Standesbeamten wirksam
Gütertrennung vereinbart.
12 (1) Nach mauritischem Güterrecht können Ehegatten die güterrechtlichen
Wirkungen ihrer Ehe entweder den gesetzlichen Güterständen der
Gütergemeinschaft ("community of goods", vgl. Art. 1401 ff. Code Civil
Mauricien) oder der Gütertrennung ("separation of goods", vgl. Art. 1475 ff.
Code Civil Mauricien) unterstellen oder einen anderen Güterstand wählen
(Art. 1479 Code Civil Mauricien). Andere als die beiden gesetzlichen
Güterstände können die Ehegatten nur durch den Abschluss eines notariell
beurkundeten Ehevertrags wählen (Art. 1393 Abs. 2, 1479 Code Civil Mauricien).
Geben die Ehegatten bei der Eheschließung keine Erklärung ab und haben sie
auch keinen Ehevertrag geschlossen, wird die Ehe im Güterstand der
Gütergemeinschaft geführt (Art. 1400 Code Civil Mauricien). Entscheiden sich
die Heiratswilligen für den gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung,
genügt für die Wahl die gemeinsame Erklärung der Ehegatten gegenüber dem
Standesbeamten bei der Eheschließung, dass die Ehe unter dem gesetzlichen
Güterstand der Gütertrennung geschlossen werden soll (Art. 1475 Code Civil
Mauricien).
13 Über diese Möglichkeiten werden die Heiratswilligen bereits bei der
Aufgebotsbestellung durch den Standesbeamten informiert (§ 20 Abs. 1 (b) (ii)
Civil Status Act 1981). Zusätzlich erhalten sie ein gedrucktes
Erläuterungsblatt ausgehändigt (§ 20 Abs. 1 (b) (i) Civil Status Act 1981).
Bei der Eheschließung befragt der Standesbeamte die Eheleute dann, welchen
der beiden gesetzlich vorgesehenen Güterstände sie wählen wollen oder ob sie
einen Ehevertrag abgeschlossen haben (vgl. § 24 Abs. 2 (b) Mauritius Civil
Status Act 1981).
14 (2) Nach der Systematik des mauritischen Ehegüterrechts handelt es sich
bei der Gütertrennung nach Art. 1475 Code Civil Mauricien zwar um einen
gesetzlich geregelten Güterstand. Dieser tritt jedoch nicht - vergleichbar
dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht
(vgl. § 1363 Abs. 1 BGB) - zwingend als gesetzliche Folge der Eheschließung
ein. Nach mauritischem Recht müssen sich die Ehewilligen vielmehr bewusst
und einverständlich für den Güterstand der Gütertrennung entscheiden und
eine entsprechende gemeinsame Erklärung vor dem Standesbeamten bei der
Eheschließung abgeben. Aus der Sicht des deutschen Rechts kann diese
gemeinsame Erklärung der Ehewilligen als Abgabe zweier übereinstimmender
Willenserklärungen verstanden werden, die darauf gerichtet sind,
rechtsverbindlich die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe zu gestalten.
Durch die Abgabe der gemeinsamen Erklärung bei der Eheschließung bekunden
die Ehewilligen ihren übereinstimmenden Willen, ihre Vermögensbeziehungen
dem Güterstand der Gütertrennung zu unterstellen. Dies entspricht den
materiellen Anforderungen an den Abschluss eines Ehevertrags nach § 1408
Abs. 1 BGB.
15 (3) Es bestehen auch keine inhaltlichen Bedenken, die Vorgänge bei der
Eheschließung der Parteien auf Mauritius als wirksame güterrechtliche
Vereinbarung nach deutschem Recht anzusehen. Die Parteien haben sich mit der
Wahl der Gütertrennung nach Art. 1475 ff. Code Civil Mauricien für einen
Güterstand entschieden, den auch das deutsche Güterrecht kennt. Nach Art.
1476 Abs. 1 Code Civil Mauricien behält jeder Ehegatte in der Weise die
Verwaltung, Nutzung und freie Verfügungsbefugnis über seine persönlichen
Güter, als ob er nicht verheiratet wäre (Bergmann/Ferid/Henrich
Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [2009] Mauritius Art. 1476 Code
Civil Mauricien). Jeder Ehegatte haftet für Schulden, die er vor oder
während der Ehe eingegangen ist, allein (Art. 1476 Abs. 2 Code Civil
Mauricien). Diese klare Trennung der Vermögensmassen der Eheleute und die
nach der Eheschließung fortdauernde alleinige Verwaltung des Vermögens sind
auch prägende Merkmale des Güterstandes der Gütertrennung nach deutschem
Recht (Palandt/Brudermüller BGB 70. Aufl. v. § 1414 Rn. 1). Die
Gütertrennung nach mauritischem Recht ist daher der Gütertrennung nach
deutschem Recht in wesentlichen Punkten vergleichbar.
16 d) Schließlich ist die güterrechtliche Vereinbarung der Parteien auch
formwirksam zustande gekommen.
17 (1) Die Formerfordernisse für ein im Ausland abgeschlossenes
Rechtsgeschäft richten sich nach der Kollisionsnorm des Art. 11 Abs. 1 EGBGB
(Staudinger/Winkler von Mohrenfels BGB [2007] Art. 11 EGBGB Rn. 82;
MünchKommBGB/Spellenberg 5. Aufl. Art. 11 EGBGB Rn. 22). Nach dieser
Vorschrift ist ein im Ausland abgeschlossenes Rechtsgeschäft formgültig,
wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand
bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Geschäftsrechtsform), oder des
Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (Ortsrechtsform).
Damit stellt Art. 11 Abs. 1 EGBGB zur Erleichterung des
internationalen Rechtsverkehrs die Formvorschriften des Ortsrechts
gleichwertig neben die nach dem inhaltlich maßgebenden Geschäftsrechts (MünchKommBGB/Spellenberg
5. Aufl. Art. 11 EGBGB Rn. 36; Palandt/Thorn BGB 70. Aufl. Art. 11 EGBGB Rn.
6).
18 (2) Da nach mauritischem Recht für die Wahl der Gütertrennung die
gemeinsame Erklärung der Ehegatten gegenüber dem Standesbeamten bei der
Eheschließung ausreicht und diese Form nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts eingehalten wurde, genügt die güterrechtliche Vereinbarung
der Parteien der maßgeblichen Ortsrechtsform (Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB).
Dadurch wird die nach deutschem Recht erforderliche notarielle
Beurkundung nach § 1410 BGB des Ehevertrags ersetzt.
19 3. Das Berufungsurteil kann danach nicht bestehen bleiben. Der
Senat kann - mit Ausnahme der Kosten - in der Sache abschließend
entscheiden. Da die Antragsgegnerin aufgrund der wirksamen Vereinbarung des
Güterstandes der Gütertrennung vom Antragsteller keinen Zugewinnausgleich
verlangen kann, kann die Antragsgegnerin auch den Auskunftsanspruch nach §
1379 Abs. 1 BGB nicht geltend machen (vgl. MünchKommBGB/Koch 5. Aufl. § 1379
Rn. 5 mwN).
20 Auf die Berufung des Antragstellers ist ihre Klage daher unter Abänderung
des amtsgerichtlichen Urteils insoweit abzuweisen. |