Keine Mietminderung beim Anspruch auf Fortzahlung
der Miete nach Beendigung des Mietverhältnisses gem. § 546a BGB
BGH, Urteil vom 27. Mai 2015 - XII ZR
66/13 - OLG Köln
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Eine erstmals nach Vertragsbeendigung
eingetretene Verschlechterung der Mietsache, die beim Fortbestehen des
Mietverhältnisses eine Minderung der Miete zur Folge gehabt hätte, führt
grundsätzlich nicht dazu, den Anspruch des Vermieters auf Zahlung einer
Nutzungsentschädigung in entsprechender Anwendung von § 536 BGB
herabzusetzen (Fortführung von BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR
16/60 - NJW 1961, 916).
b) Etwas anderes gilt nur dann, wenn den Vermieter nach Treu und Glauben im
Rahmen des Abwicklungsverhältnisses ausnahmsweise eine nachvertragliche
Pflicht zur Beseitigung von Mängeln der vorenthaltenen Mietsache
Zentrale Probleme:
Gibt ein Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverh ältnisses
nicht zurück, so kann der Vermieter nach § 546a Abs. 1 BGB als Entschädigung
mindestens die vereinbarte Miete verlangen. Hier stellte sich nun die Frage,
ob sich der Mieter auch in diesem Fall gem. § 536 BGB auf eine Minderung der
Miete wegen eines Mangels berufen kann, wenn dieser Mangel erst nach Ablauf
des Mietverhältnisses aufgetreten ist. In Rechtsprechung und Literatur ist
das bislang streitig. Der BGH verneint dies mit folgender Begründung: § 546a
BGB sei kein vertraglicher Anspruch, vielmehr verwandele sich das
Mietverhältnis nach seinem Ablauf in ein gesetzliches
Schuldverhältnis, in dem Rechte und Pflichten bestehen, die sich inhaltlich
aus dem bisherigen Mietverhältnis ergeben. Dieses Schuldverhältnis ist aber
auf Abwicklung angelegt und damit vorübergehender Natur, so dass sich in der
Vorenthaltungszeit beträchtliche Einschränkungen gegenüber den früheren
mietvertraglichen Rechtsbeziehungen ergeben. Mit Beendigung des
Mietverhältnisses erlischt insbesondere die Pflicht des Vermieters, die
Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB in einem vertragsgemäßen Zustand zu
erhalten. Es besteht daher kein Anspruch auf Mängelbeseitigung, d.h. das
Mietverhältnis wird in dem Zustand, in dem es sich bei Beendigung befand,
gleichsam "eingefroren". § 546a BGB soll nämlich Druck auf den Mieter
ausüben. Das aber wäre nicht der Fall, wenn er dann auch noch wegen eines
Mangels, der nach Beendigung auftritt, in den Genuss einer Minderung käme.
Eine Minderung kommt dann nur noch nach § 242 BGB aufgrund einer
nachvertraglichen Pflichtverletzung (culpa post contractum finitum)
in Betracht, etwa wenn eine Gesundheitsgefährdung besteht oder die
Beendigung des Mietverhältnisses streitig ist (s. dazu bei Rn.
23 ff sowie
BGHZ 180, 300).
©sl 2015
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um
Nutzungsentschädigung nach der Beendigung eines Mietverhältnisses über
Geschäftsräume.
2 Im Mai 2004 vermietete der Kläger dem Beklagten ein Ladenlokal zum Betrieb
eines Lebensmittelgeschäfts. Zuletzt war eine monatliche Miete in Höhe von
3.436 € (2.940 € Kaltmiete zuzüglich 496 € Nebenkostenvorauszahlung)
vereinbart.
3 Nachdem der Kläger das Mietverhältnis zum 31. Mai 2010 ordentlich
gekündigt hatte, wurde der Beklagte in einem anschließenden
Räumungsrechtsstreit im April 2011 rechtskräftig zur Räumung des Mietobjekts
verurteilt. Der Beklagte räumte das Ladenlokal zunächst nicht, zahlte jedoch
bis Dezember 2011 einen monatlichen Betrag in Höhe der vereinbarten Miete an
den Kläger weiter. Danach leistete er keine Zahlungen mehr. Der Beklagte
räumte das Mietobjekt Ende April 2012.
4 Mit seiner Klage macht der Kläger eine nach der vollen vertraglich
vereinbarten Miete bemessene Nutzungsentschädigung für die Monate Januar bis
März 2012 in einer Gesamthöhe von 10.308 € geltend. Der Beklagte ist der
Klage entgegentreten und hat behauptet, dass es zwischen September 2011 und
April 2012 in den gemieteten Räumen insgesamt fünf - auf mangelhafte
Dachentwässerung infolge verstopfter Fallrohre und Dachtraufen
zurückzuführende - Wasserschäden gegeben habe, welche die
Gebrauchstauglichkeit der Mietsache im streitgegenständlichen Zeitraum
erheblich gemindert hätten. Zudem seien durch die Wasserschäden Waren im
Wert von rund 62.000 € vernichtet worden; mit entsprechenden
Schadenersatzansprüchen erkläre er hilfsweise die Aufrechnung.
5 Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die
dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht
zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der
Beklagte sein Begehren nach Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
6 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
7 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet:
8 Nach § 546 a Abs. 1 BGB könne der Vermieter, dem das Mietobjekt in der
Zeit nach Ende des Mietvertrages vorenthalten wird, als Mindestentschädigung
den Betrag verlangen, der zur Zeit der Beendigung des Mietverhältnisses als
vereinbarte Miete zu entrichten war. Zwar regele § 546 a BGB keinen
Schadensersatzanspruch, sondern einen vertraglichen Anspruch eigener Art.
Dieser sei aber nicht von einer Gegenleistung abhängig, denn der frühere
Vermieter schulde nach Beendigung des Mietverhältnisses keine
Gebrauchsüberlassung mehr. Vielmehr schulde der frühere Mieter die
Herausgabe des Mietobjekts. Es sei daher nicht widersprüchlich, wenn der
frühere Vermieter auf Fortzahlung der ungekürzten Nutzungsentschädigung
bestehe, auch wenn sich nach Ende des Mietverhältnisses am Mietobjekt Mängel
gezeigt haben sollten. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen,
dass ein "Minderungsfall" bereits bei Beendigung des Mietverhältnisses
vorgelegen habe. Er ziehe als Schadensursache eine Verstopfung von Traufen
und Fallrohren in Betracht. Es sei aber nicht ersichtlich und nicht mit
Substanz behauptet, dass dieser schadensträchtige Zustand bereits bei Ende
des Mietverhältnisses, also ein Jahr und vier Monate vor dem ersten
angeblichen Schadensfall vorhanden gewesen sei.
9 Auch der zur Hilfsaufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch stehe dem
Beklagten nicht zu, weil der Kläger nach Beendigung des Mietverhältnisses
nicht mehr zur Instandhaltung der Dachentwässerung verpflichtet gewesen sei.
Es sei auch nicht ersichtlich, dass er während der Dauer des
Mietverhältnisses gegen eine bis dahin möglicherweise bestehende Pflicht
verstoßen habe.
II.
10 Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
11 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst angenommen, dass der
Kläger, dem das Mietobjekt im Zeitraum nach der Beendigung des
Mietverhältnisses (Juni 2010) bis zur Räumung durch den Beklagten (April
2012) vorenthalten worden ist, im hier streitgegenständlichen Zeitraum von
Januar bis März 2012 dem Grunde nach eine Nutzungsentschädigung
gemäß § 546 a Abs. 1 BGB in Höhe der zuletzt vereinbarten Miete verlangen
kann. Nach den - insoweit von der Revision nicht angegriffenen -
Feststellungen des Berufungsgerichts lagen die von dem Beklagten
behaupteten Mängel bei der Dachentwässerung jedenfalls im Zeitpunkt der
Beendigung des Mietverhältnisses am 31. Mai 2010 noch nicht vor.
12 2. Ohne Rechtsirrtum geht das Berufungsgericht davon aus, dass
eine erstmals nach Beendigung des Mietverhältnisses eingetretene
Verschlechterung der Mietsache, die beim Fortbestehen des Mietverhältnisses
eine Minderung der Miete (§ 536 Abs. 1 BGB) zur Folge gehabt hätte,
jedenfalls unter den hier obwaltenden Umständen nicht zu einer Herabsetzung
des Anspruchs auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung führt.
13 a) Die maßgebliche Rechtsfrage hat der Bundesgerichtshof im Jahr 1960
entschieden (BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR 16/60 - NJW 1961, 916
f.) und ausgesprochen, dass es für den Anspruch des Vermieters auf Zahlung
einer Nutzungsentschädigung unerheblich sei, ob sich der Mietwert der
vorenthaltenen Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses (weiter)
verringert habe. Aus § 536 Abs. 1 BGB (früher § 537 BGB a.F.) ergebe sich
nichts anderes. Die Mietminderung sei eine kraft Gesetzes
eintretende Änderung der Vertragspflicht. Daraus folge zugleich,
dass bei Vorenthaltung einer Mietsache, deren Mietwert im Augenblick der
Beendigung des Mietverhältnisses gemindert gewesen sei, sich auch der
Mindestbetrag des Schadens, den der Vermieter als Nutzungsentschädigung
verlangen könne, nach diesem geminderten Mietzins richte, weil der
kraft Gesetzes geminderte Betrag der im Augenblick der Beendigung des
Mietverhältnisses vereinbarte Mietzins sei (vgl. dazu auch
Senatsurteile BGHZ 179, 361 = NJW 2009, 1488 Rn. 25 und vom 21. März 2001
- XII ZR 241/98 - NJOZ 2001, 1084, 1086 f.; BGH Urteil vom 21. Februar 1990
- VIII ZR 116/89 - NJW-RR 1990, 884, 885). Demgegenüber könne sich
der frühere Mieter nicht darauf berufen, dass während der Vorenthaltung der
Mietsache eine weitere Verschlechterung der Mietsache eingetreten und die
Nutzungsentschädigung daher (weiter) zu mindern sei. Denn die bei einem
bestehenden Mietverhältnis kraft Gesetzes eintretende Abänderung der
Vertragspflicht des Mieters zur Zahlung der Miete folge aus der besonderen
Verpflichtung des Vermieters, seinem Mieter den vertragsmäßigen Gebrauch der
Sache fortgesetzt zu gewähren; diese Verpflichtung entfalle mit Beendigung
des Mietverhältnisses. Der Vermieter könne daher trotz weiterer
Verschlechterung der ihm vorenthaltenen Mietsache den letzten Mietzins als
"Mindestschaden" weiter fordern (BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR
16/60 - NJW 1961, 916).
14 Dieser Entscheidung haben sich in der Folgezeit die
obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Düsseldorf DWW 1992, 52, 53;
ZMR 2001, 447 und Grundeigentum 2007, 514, 515; OLG München Urteil vom 29.
Januar 2015 - 23 U 3353/14 - juris Rn. 17 und ZMR 1993, 466, 468; KG ZMR
2013, 26, 27; OLG Brandenburg Urteil vom 1. Oktober 2007 - 3 U 10/07 - juris
Rn. 20; ebenso LG Rostock Urteil vom 3. Mai 2012 - 3 O 447/10 - juris Rn.
25) und weite Teile der Literatur angeschlossen
(Staudinger/Rolfs BGB [Stand: 2014] § 546 a Rn. 42; Erman/Lützenkirchen BGB
13. Aufl. § 546 a Rn. 8; Palandt/Weidenkaff BGB 74. Aufl. § 546 a Rn. 11;
Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts
10. Aufl. Rn. 1131; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 546 a Rn. 27;
Scheuer/Emmerich in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4.
Aufl. Kap. V.A Rn. 132; Pietz/Opree in Lindner-Figura/Opree/Stellmann
Geschäftsraummiete 3. Aufl. Kap. 16 Rn. 69; Sternel Mietrecht aktuell 4.
Aufl. Rn. XIII 114; Lammel Wohnraummietrecht 3. Aufl. § 546 a Rn. 25;
Gerber/Eckert/Günter Gewerbliches Miet- und Pachtrecht 8. Aufl. Rn. 651;
Stangl in Harz/Riecke/Schmid Handbuch des Fachanwalts Miet- und
Wohnungseigentumsrecht 4. Aufl. Kap. 14 Rn. 612; BeckOK BGB/ Ehlert [Stand:
Oktober 2012] § 546 a Rn. 13; Kinne Grundeigentum 2007, 825, 826; noch
weitergehend Lehmann-Richter PiG 90 [2011], 199, 204, der dem Vermieter die
ungekürzte Nutzungsentschädigung in der Vorenthaltungszeit auch dann
zuerkennen will, wenn der Mieter bei Vertragsende nur eine geminderte Miete
schuldete).
15 b) Die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat in
jüngerer Zeit allerdings auch Kritik aus dem Schrifttum erfahren
(vgl. MünchKommBGB/Bieber 6. Aufl. § 546 a Rn. 10; Soergel/Heintzmann BGB
13. Aufl. § 546 a Rn. 13; Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 11. Aufl. § 546
a Rn. 69; Kandelhard in Herrlein/Kandelhard Mietrecht 3. Aufl. § 546 a Rn.
21; Kossmann/Mayer-Abich Handbuch der Wohnraummiete 7. Aufl. § 96 Rn. 14;
BeckOGK-BGB/Zehelein [Stand: Oktober 2014] § 546 a Rn. 66; Derleder WuM
2011, 551, 555). Diese knüpft im rechtlichen Ausgangspunkt vor allem daran
an, dass der Bundesgerichtshof den Nutzungsentschädigungsanspruch gemäß §
546 a BGB (früher § 557 BGB a.F.) in den Gründen seiner Entscheidung aus dem
Jahr 1960 noch ausdrücklich als "reinen Schadensersatzanspruch" angesehen
habe, während er in späterer Zeit von dieser Sichtweise abgerückt sei und
den Anspruch auf Nutzungsentschädigung in seiner nunmehr ständigen
Rechtsprechung als einen vertraglichen Anspruch eigener Art
behandele, der an die Stelle des weggefallenen Anspruches auf Miete
getreten sei (vgl. BGHZ 68, 307, 310 = NJW 1977, 1335, 1336; BGHZ
90, 145, 151 = NJW 1984, 1527, 1528; BGHZ 104, 285, 290 = NJW 1988, 2665,
2666; BGH Beschluss vom 20. November 2002 - VIII ZB 66/02 - NJW 2003, 1365).
16 Wenn aber der Anspruch auf Nutzungsentschädigung vertraglicher
oder vertragsähnlicher Natur sei, müsse nach Ansicht der Gegenmeinung auch
das Prinzip der Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung im Grundsatz
erhalten bleiben (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 11. Aufl.
§ 546 a Rn. 69). Zwar sei es zutreffend, dass es nach Ende des
Mietverhältnisses keine erzwingbare Rechtspflicht des Vermieters zur
Beseitigung von nachträglichen Mängeln der vorenthaltenen Mietsache mehr
gebe. Für den Vermieter bestehe allerdings eine Obliegenheit, auch
nachträglich entstandene Mängel der Mietsache zu beseitigen; dies sei das
notwendige Äquivalent zur weiterhin als Entschädigung erhaltenen Miete
(Kandelhard in Herrlein/Kandelhard Mietrecht 3. Aufl. § 546 a Rn. 21).
Entscheide sich der Vermieter dafür, die Mängel nicht zu beseitigen
und sein Leistungsniveau entsprechend bewusst zu verringern, müsse er
konsequenterweise auch die daraus resultierenden Folgen für die Höhe seines
Nutzungsentschädigungsanspruches hinnehmen. Alles andere liefe auf
eine Bestrafung des Mieters und damit auf eine unzulässige Druckausübung
hinaus (Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 11. Aufl. § 546 a Rn. 69).
17 c) Der letztgenannten Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.
18 aa) Das Mietverhältnis hat sich nach seiner Beendigung in ein
gesetzliches Schuldverhältnis verwandelt, in dem Rechte und Pflichten
bestehen, die sich inhaltlich aus dem bisherigen Mietverhältnis ergeben.
Da dieses Schuldverhältnis aber vorübergehender Natur und
gerade auf Abwicklung angelegt ist, ergeben sich in der Vorenthaltungszeit
beträchtliche Einschränkungen gegenüber den früheren mietvertraglichen
Rechtsbeziehungen (Scheuer/Emmerich in Bub/Treier Handbuch der
Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. V.A Rn. 115; Staudinger/Rolfs BGB
[Stand: 2014] § 546 a Rn. 6). Mit Beendigung des Mietverhältnisses
erlischt insbesondere die Pflicht des Vermieters, die Mietsache gemäß § 535
Abs. 1 Satz 2 BGB in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten (Senatsurteil
BGHZ 180, 300 = NJW 2009, 1947 Rn. 16). Der frühere Mieter hat
daher im Rahmen des Abwicklungsverhältnisses nach allgemeiner Ansicht
grundsätzlich keinen Anspruch auf Mangelbeseitigung gegen den Vermieter
mehr.
19 bb) Die Auffassung, dass den Vermieter im Falle einer (weiteren)
Verschlechterung der Mietsache während der Vorenthaltungszeit eine
Obliegenheit zur Mangelbeseitigung treffe, deren Verletzung eine Minderung
der Nutzungsentschädigung entsprechend § 536 Abs. 1 BGB nach sich ziehen
müsse, lässt sich mit dem Zweck des § 546 a Abs. 1 BGB nicht vereinbaren.
20 (1) Bereits in den Motiven zum Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches ist
die besondere Bedeutung der Vorschrift darin gesehen worden, den Anspruch
des Vermieters auf Nutzungsentschädigung in der Vorenthaltungszeit "ein für
alle Mal" auf einen Mindestbetrag zu bestimmen und Streitigkeiten zwischen
den früheren Vertragsparteien über die Höhe dieses Anspruchs "in ebenso
einfacher wie angemessener Weise abzuschneiden" (Motive II, S. 415, zitiert
bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. II S.
231 f.). § 546 a Abs. 1 BGB soll dem Vermieter einen leicht
durchsetzbaren Ersatzanspruch gewähren, der in seiner Höhe weder davon
abhängig ist, ob und inwieweit dem Vermieter aus der Vorenthaltung der
Mietsache ein wirtschaftlicher Schaden erwachsen ist, noch davon, ob der
Mieter aus der vorenthaltenen Mietsache einen dem Wert der von ihm zu
entrichtenden Nutzungsentschädigung entsprechenden Nutzen hat ziehen können
(BGH
Urteil vom 5. Oktober 2005 - VIII ZR 57/05 - NZM 2006, 52 zur
Wohnraummiete; BGHZ 107, 123, 128 = NJW 1989, 1730, 1732 und BGH Urteil vom
13. April 2005 - VIII ZR 377/03 - NJW-RR 2005, 1081 zum
Finanzierungsleasing). Damit stünde es nicht in Einklang, wenn sich
der Vermieter in der Vorenthaltungszeit generell mit der Einwendung
auseinandersetzen müsste, dass der frühere Mieter wegen einer nachträglichen
mangelbedingten Verschlechterung der Mietsache keinen ausreichenden
Gegenwert für die von ihm verlangte Nutzungsentschädigung mehr erhalte.
21 (2) Der Bundesgerichtshof hat vor diesem Hintergrund auch in
späteren Entscheidungen ausdrücklich betont, dass durch die Regelung des §
546 a Abs. 1 BGB (§ 557 BGB a.F.) durchaus zusätzlicher Druck auf den
früheren Mieter ausgeübt werden soll, die vertraglich geschuldete Rückgabe
der Mietsache zu vollziehen (BGHZ 107, 123, 128 = NJW 1989, 1730,
1732; BGH Urteil vom 5. Oktober 2005 - VIII ZR 57/05 - NZM 2006, 52).
Insoweit würden gegenläufige Anreize gesetzt werden, wenn es dem
Mieter in jedem Fall der (weiteren) Verschlechterung der Mietsache gestattet
wäre, sich auf die Minderung der Nutzungsentschädigung in entsprechender
Anwendung mietrechtlicher Gewährleistungsvorschriften berufen zu können.
Durch den Ausschluss der Minderung wird dem Anspruch auf
Nutzungsentschädigung kein Sanktionierungsoder Bestrafungscharakter
beigelegt, der mit seiner vertraglichen oder vertragsähnlichen Natur nicht
in Einklang zu bringen wäre. Vielmehr ist das schuldrechtliche
Verhältnis der Vertragsparteien in der Vorenthaltungszeit nur noch auf
Abwicklung und damit auf Rückgabe der Mietsache angelegt, die vom Willen des
Mieters abhängig ist. Könnte sich der Mieter in der Vorenthaltungszeit auf
jede weitere Verschlechterung der Mietsache berufen, um eine Kürzung des
Anspruchs auf Nutzungsentschädigung zu erreichen, würde ihn dies in seinem
Willen zur weiteren - widerrechtlichen - Vorenthaltung der Mietsache nur
bestärken (vgl. bereits BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR
16/60 - NJW 1961, 916, 917) und damit gerade den Zweck des schuldrechtlichen
Abwicklungsverhältnisses gefährden.
22 d) Dies bedeutet allerdings nicht, dass im Fall einer
nachträglichen Verschlechterung der Mietsache in der Vorenthaltungszeit eine
Herabsetzung des Nutzungsentschädigungsanspruchs unter entsprechender
Anwendung des mietvertraglichen Gewährleistungsrechts schlechthin
ausgeschlossen wäre.
23 aa) Auch innerhalb des bestehenden
Abwicklungsverhältnisses können nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB
einzelne Verpflichtungen des Vermieters aus dem beendeten Mietvertrag noch
nach der Vertragsbeendigung fortbestehen. Solche Pflichten können sich im
Einzelfall aus der Eigenart des beendeten Mietvertrags oder den besonderen
Belangen des Mieters ergeben; zu diesen Pflichten kann im Einzelfall auch
die Erhaltung des - nach den Bestimmungen des beendeten Mietvertrags -
vertragsgemäßen Zustands gehören. Insoweit bestehen
nachvertragliche Verpflichtungen des Vermieters allerdings nur, als sie
seinen berechtigten Interessen im Abwicklungsverhältnis nicht in einer Weise
zuwiderlaufen, die ihm die Übernahme dieser Pflichten unzumutbar macht
(Senatsurteil BGHZ 180, 300 = NJW 2009, 1947 Rn. 16).
24 bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat für die
Geschäftsraummiete bereits entschieden, dass der Vermieter zur Abwendung
eines bei seinem früheren Mieter durch eine Versorgungssperre drohenden
hohen Schadens zur Fortsetzung der Versorgung der vorenthaltenen Mieträume
mit Wasser, Strom und Heizenergie verpflichtet sein kann, wenn dem Mieter
eine Räumungsfrist gewährt worden ist und dem Vermieter wegen der
regelmäßigen Entrichtung der Nutzungsentschädigung kein wirtschaftlicher
Schaden entsteht (Senatsurteil
BGHZ 180, 300 = NJW 2009, 1947 Rn. 16).
25 cc) Nach diesen Maßstäben ist auch die Frage zu beurteilen, ob den
Vermieter im Abwicklungsverhältnis eine Verpflichtung zur Beseitigung von
Mängeln der vorenthaltenen Mietsache trifft, die - wie hier - über die
Erfüllung allgemeiner und jedem Dritten gegenüber zu erfüllenden
Verkehrssicherungspflichten hinausgeht.
26 Dies wird schon im Ausgangspunkt nur der Fall sein, wenn durch
das Unterlassen von Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung der
Mietsache akute und schwerwiegende Gefahren für Leben, Gesundheit oder hohe
Eigentumswerte des Mieters drohen (vgl. auch LG Berlin MDR 1992,
478, 479; Pietz/Opree in Lindner-Figura/Opree/Stellmann Geschäftsraummiete
3. Aufl. Kap. 16 Rn. 98; Scheuer/Emmerich in Bub/Treier, Handbuch der
Geschäftsund Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. V.A Rn. 115).
27 Aber auch eine besonders hohe Gefahr für Rechtsgüter des früheren
Mieters vermag für sich genommen noch keine nachvertragliche
Mangelbeseitigungspflicht des Vermieters zu begründen. Denn der frühere
Mieter hat es grundsätzlich selbst zu verantworten, dass er widerrechtlich
noch im Besitz der Mietsache ist, und es liegt in seiner Hand, sich den
durch den Zustand der Mietsache drohenden Gefahren für seine Rechtsgüter
dadurch zu entziehen, dass er die geschuldete Rückgabe der Mietsache an den
Vermieter vollzieht. Eine Mangelbeseitigungspflicht des Vermieters kann
daher als Ausfluss nachvertraglicher Pflichten nach Treu und Glauben nur in
solchen Konstellationen angenommen werden, in denen die fortgesetzte
Vorenthaltung der Mietsache durch den früheren Mieter in einem milderen
Licht erscheint. Davon wird jedenfalls dann auszugehen sein, wenn
und soweit gesetzliche Regeln - insbesondere die
Vollstreckungsschutzvorschriften (§§ 721, 765 a ZPO) - dem Mieter eine
Weiterbenutzung der Mietsache gestatten (vgl. auch Lehmann-Richter PiG 90
[2011], 199, 206). Es ist aber auch an solche Fälle zu denken, in
denen der Mieter - etwa während eines Streits um die Wirksamkeit einer von
dem Vermieter ausgesprochenen Kündigung - mit nachvollziehbaren Erwägungen
davon ausgehen durfte, weiterhin zum Besitz der Mietsache berechtigt zu
sein. So liegt der Fall hier aber offensichtlich nicht, zumal der
Beklagte bereits vor dem Auftreten der von ihm behaupteten Mängel der
Dachentwässerung rechtskräftig zur Räumung des Mietobjekts verurteilt worden
ist.
28 dd) Da den Kläger in Bezug auf die hier streitgegenständlichen
Mängel keine nachvertragliche Verpflichtung zur Erhaltung des
vertragsgemäßen Gebrauchs trifft, kommt eine Kürzung der
Nutzungsentschädigung in entsprechender Anwendung von § 536 BGB nicht in
Betracht.
29 e) Auch im Übrigen stehen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB der
Geltendmachung des ungekürzten Anspruchs auf Nutzungsentschädigung nicht
entgegen.
30 Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1960
die Frage aufgeworfen, ob dem Mieter in Ansehung der von ihm geschuldeten
Nutzungsentschädigung bei nachträglicher Verschlechterung der vorenthaltenen
Mietsache ausnahmsweise über § 242 BGB "geholfen" werden kann; er hat von
einer weiteren Erörterung dieses Problems mit der Begründung abgesehen, dass
die im damaligen Streitfall in Rede stehende Minderungsquote von lediglich
10 % die Annahme eines solchen Ausnahmefalls ohnehin nicht rechtfertigen
würde (BGH Urteil vom 7. Dezember 1960 - VIII ZR 16/60 - NJW 1961, 916).
Diese Ausführungen lassen entgegen der Auffassung der Revision aber nicht
den Umkehrschluss darauf zu, dass das Verlangen des Vermieters auf Zahlung
der ungekürzten Nutzungsentschädigung bei einer deutlich höheren
mangelbedingten Minderungsquote gegen Treu und Glauben verstoßen müsste.
Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es der Mieter selbst in
der Hand hat, sich durch die vertraglich geschuldete Herausgabe der
Mietsache seiner Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentschädigung zu
entledigen, wenn ihm die als Nutzungsentschädigung zu zahlende vereinbarte
Miete angesichts des Zustands der Mietsache zu hoch ist.
31 3. Weil der Kläger nach Maßgabe der vorstehenden Darlegungen
seine nachvertraglichen Verpflichtungen aus dem Abwicklungsverhältnis nicht
verletzt hat, hat das Berufungsgericht zu Recht erkannt, dass dem Beklagten
die zur Hilfsaufrechnung gestellten Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB
nicht zustehen.
32 4. Mit Recht hat das Berufungsgericht den Beklagten auch zur Zahlung von
Nebenkostenvorauszahlungen verpflichtet. Zur vereinbarten Miete, die gemäß §
546 a BGB als Nutzungsentschädigung zu zahlen ist, gehört neben der
Nettokaltmiete auch die Nebenkostenvorauszahlung oder die
Nebenkostenpauschale. Über Nebenkostenvorauszahlungen ist entsprechend den
Bestimmungen des beendeten Mietvertrags abzurechnen, so dass nach Ablauf der
Abrechnungsperiode kein Vorauszahlungsanspruch mehr besteht (OLG Dresden NZM
2012, 84, 88; Scheuer/Emmerich in Bub/Treier, Handbuch der Geschäftsund
Wohnraummiete 4. Aufl. Kap. V.A Rn. 130; Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht
11. Aufl. § 546 a Rn. 69); die Abrechnungsperiode für die von dem Beklagten
zwischen Januar und März 2012 geschuldeten Nebenkostenvorauszahlungen war
bei Erlass des die Berufung zurückweisenden Beschlusses noch nicht
abgelaufen (vgl. Senatsurteil BGHZ 184, 117 = NJW 2010, 1065 Rn. 33 ff.).
33 Zwar ist mittlerweile die Abrechnungsreife eingetreten, und die während
des Revisionsverfahrens durch bloßen Zeitablauf eingetretenen unstreitigen
bzw. offenkundigen Veränderungen der materiellen Rechtslage sind nach
allgemeinen Grundsätzen durch das Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn
schützenswerte Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen (vgl. BGH Urteil
vom 12. März 2008 - VIII ZR 71/07 - NJW 2008, 1661 Rn. 25; Musielak/Ball ZPO
12. Aufl. § 559 Rn. 10). Solcherart schützenswerte Belange des Klägers sind
im vorliegenden Fall aber darin zu erblicken, dass der Vermieter im
Revisionsverfahren mit neuem Sachvortrag zur Nebenkostenabrechnung
ausgeschlossen wäre und ihm deshalb in diesem Verfahrensstadium die
Möglichkeit genommen ist, seinen Antrag wegen der Nebenkosten auf einen
Abrechnungssaldo umzustellen.
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