Eigenhaftung des
angestellten Anlageberaters für Falschberatung; Begriff des "Schutzgesetzes"
i.S.v. § 823 II BGB; Eigenhaftung von Verhandlungsgehilfen aus culpa in
contrahendo bei Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten; Haftung
aus § 826 BGB bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung
BGH, Urteil vom 19. Februar
2008 - XI ZR 170/07
Fundstelle:
NJW 2008, 1734
für BGHZ vorgesehen
Amtl. Leitsatz:
a) § 32 Abs. 2 Nr. 1
WpHG ist kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
b) Der für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelnde Anlageberater,
der vorsätzlich eine anleger- und objektwidrige Empfehlung abgibt und die
Schädigung des Anlegers zumindest billigend in Kauf nimmt, ist diesem nach §
826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
Zentrale Probleme:
Die für BGHZ vorgesehene Entscheidung befaßt sich zentral
mit dem Schutzgesetzcharakter von § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG im Zusammenhang mit
der Eigenhaftung eines Angestellten für Falschberatung. Sie ist aber darüber
hinaus sehr lehrreich, weil sie sich mit Grundsatzfragen der Eigenhaftung
von Verhandlungsgehilfen auseinandersetzt. Der Senat führt dabei aus, daß
ein solcher Schutzgesetzcharakter nach § 823 II BGB zu einer die strengen
Voraussetzungen der §§ 311 III, II, 241 II BGB für die Eigenhaftung von
Verhandlungsgehilfen aufweichen würde. Er bejaht aber die Möglichkeit einer
Eigenhaftung aus § 826 BGB.
©sl 2008
Tatbestand:
1 Der Kläger begehrt vom Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter
Anlageberatung.
2 Im Jahr 2004 ließ sich der Kläger von der A. mbH (nachfolgend: A. ) über
eine Kapitalanlage beraten. Das Beratungsgespräch führte der Beklagte, der
damalige Geschäftsführer der A. Am 17. Mai 2004 unterzeichnete der Kläger
einen Vordruck, in dem er seine zukünftige Anlagestrategie sowie das
Anlageziel wie folgt angab:
"Moderate Risikobereitschaft: Ertragserwartung klar über
Kapitalmarktzinsniveau, Erträge bestehend aus Gewinn, stillen Reserven und
Kursgewinnen, mäßige Kursschwankungen, Anlage in ausgewogener Mischung aus
Produkten der Gruppen ... bis ..." Das heißt, erstklassige Euro-Anleihen bis
Wertpapiere und Tafelgeschäfte außerhalb der Börse.
3 Auf Empfehlung des Beklagten unterzeichnete der Kläger sodann u.a. eine
Wertpapierbestellung über 8183 Aktien der nicht börsennotierten V. AG zu
einem Gesamtbetrag zuzüglich Agio in Höhe von 51.552,90 €.
4 Zwecks Bezahlung der Wertpapiere kündigte der Kläger seine beiden zur
Altersvorsorge dienenden Lebensversicherungsverträge und ließ die
Rückkaufswerte von über 50.000 € direkt auf ein Konto der A. überweisen.
Bereits im November 2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
V. AG eröffnet; deren Aktien sind wertlos. Im Januar 2005 hat auch die A.
Insolvenz angemeldet.
5 Der Kläger behauptet eine Falschberatung, weil die Empfehlung des
Beklagten nicht seinen Anlagezielen entsprochen habe. Außerdem sei er von
dem Beklagten über die sichere Anlage des Kapitals in vorsätzlich
sittenwidriger Weise getäuscht worden.
6 Das Landgericht hat den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises von
51.552,90 € zuzüglich einer vom Kläger entrichteten Gebühr von 272,60 €
Zug-um-Zug gegen Übertragung der erworbenen Aktien verurteilt. Das
Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der -
vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seinen
Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
7 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
8 Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BKR 2007, 299 ff. veröffentlicht
ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9 Der Kläger habe gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG
(Vorschriften des WpHG nachfolgend in der Fassung vom 9. September 1998,
soweit nichts Abweichendes angegeben) einen Schadensersatzanspruch gegen den
Beklagten in der zuerkannten Höhe. Der Beklagte habe gegen § 32 Abs. 2 Nr. 1
WpHG verstoßen, indem er dem Kläger den Erwerb der V. -Aktien empfohlen
habe. Nach § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG sei es den Geschäftsführern von
Wertpapierdienstleistungsunternehmen verboten, Kunden des Unternehmens den
Ankauf von Finanzinstrumenten zu empfehlen, wenn und soweit die Empfehlung
nicht mit den Interessen des Kunden übereinstimme. § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG
sei ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB. Die Vorschrift diene nicht
nur dem Schutz der Allgemeinheit, sondern auch und gerade dem Schutz des
Kunden gegen eine Verletzung seines Rechts auf anleger- und objektgerechte
Beratung.
10 Da sich eine Haftung des Beklagten bereits aus § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG
i.V. mit § 823 Abs. 2 BGB ergebe, könne offen bleiben, ob dem Kläger darüber
hinaus auch unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen
Schädigung (§ 826 BGB) ein Anspruch auf Rückzahlung der mit der Klage
geltend gemachten Beträge gegenüber dem Beklagten zustehe.
II.
11 Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht hat
zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus
§ 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG bejaht. Es hat bereits im
Ausgangspunkt rechtsfehlerhaft ausgeführt, dass es sich bei § 32 Abs. 2 Nr.
1 WpHG um ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB handelt.
12 1. Die Frage, ob die Regelungen der §§ 31, 32 WpHG Schutzgesetz i.S. von
§ 823 Abs. 2 BGB sind, ist streitig.
13 a) Von der überwiegenden Meinung wird die Schutzgesetzeigenschaft der
§§ 31, 32 WpHG generell oder für einzelne Pflichten - wie die aus § 32 Abs.
2 Nr. 1 WpHG - bejaht (Assmann/Schneider/Koller, WpHG 4. Aufl. vor § 31
Rdn. 17, § 32 Rdn. 22; Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar 3. Aufl. vor §
31 WpHG Rdn. 9, § 32 WpHG Rdn. 2; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 3.
Aufl. Rdn. 16.11; Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB BankR VI § 31
WpHG Rdn. 229; Frisch, in: Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch des deutschen
und europäischen Bankrechts § 46 Rdn. 103; Volker Lang,
Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen § 16 Rdn. 20 ff., § 18
Rdn. 6; KK-WpHG/Möllers, § 32 Rdn. 98; Hopt ZHR 159 (1995), 135, 160;
Köndgen ZBB 1996, 361; Drygala JZ 1997, 95, 98; Schwintowski VuR 1997, 83,
86; Balzer ZBB 1997, 260, 263; Steuer, in: Festschrift Schimansky S. 793,
799; Zimmer JZ 2003, 22, 24). Die Gegenmeinung lehnt die
Schutzgesetzeigenschaft der §§ 31, 32 WpHG insgesamt ab (Vortmann,
Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken 8. Aufl. Rdn. 285; Waldeck,
in: Cramer/ Rudolph, Handbuch für Anlageberatung und Vermögensverwaltung S.
647, 652; Markus Lange, Informationspflichten von Finanzdienstleistern S.
307 f.; Schwennicke WM 1998, 1101, 1102; Norbert Lang ZBB 2004, 289, 295;
nunmehr wohl auch Frank Schäfer WM 2007, 1872, 1874 f.; zweifelnd Horn, in:
Hellner/Steuer, BuB Rdn. 7/1304).
14 Der erkennende Senat hat diese Frage in ihrer Allgemeinheit bisher
offen gelassen und sie lediglich hinsichtlich organisatorischer Pflichten
verneint (Senatsurteile BGHZ 142, 345, 356; 147, 343, 353; 163, 311,
321; 170, 226, 232, Tz. 17; vom 24. Juli 2001 - XI ZR 329/00, WM 2001, 1718,
1719 und vom 11. November 2003 - XI ZR 21/03, WM 2004, 24, 26), aber
zusammenfassend ausgeführt: Schutzgesetzcharakter i.S. des § 823 Abs. 2 BGB
können die §§ 31 ff. WpHG nur haben, soweit sie nicht lediglich
aufsichtsrechtlicher Natur sind, sondern ihnen auch anlegerschützende
Funktion zukommt. Ist dies der Fall, so können sie zwar für Inhalt und
Reichweite (vor-)vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten von
Bedeutung sein. Ihr zivilrechtlicher Schutzbereich geht aber nicht über
diese (vor-)vertraglichen Pflichten hinaus. Daraus folgt, dass ihnen keine
eigenständige, über die zivilrechtlichen Aufklärungs- und Beratungspflichten
hinausgehende schadensersatzrechtliche Bedeutung zukommt (BGHZ 170, 226,
232, Tz. 18 m.w.Nachw.).
15 b) Die Übertragung dieser Grundsätze auf § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG führt
dazu, dass dessen Schutzgesetzeigenschaft zu verneinen ist.
16 Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ist die Eigenhaftung des
Vertreters im Rahmen vertraglicher Sonderverbindungen auf Ausnahmefälle
beschränkt und an sehr hohe Voraussetzungen geknüpft. § 311 Abs. 3 BGB und §
826 BGB machen dies deutlich. Die strikte Beschränkung der Eigenhaftung des
Vertreters im Bürgerlichen Recht würde im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 2
Nr. 1 WpHG ausgehebelt, wenn jede fahrlässige Verletzung einer
Beratungspflicht über § 823 Abs. 2 BGB zu einer Haftung des Organs oder des
Angestellten eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens führen würde. Die
Haftungsvoraussetzungen für den Vertreter und den Vertragspartner als
Vertretenen wären anders als bei allen Beratungspflichtverletzungen
außerhalb des Anwendungsbereichs des WpHG identisch. Auch der nur leicht
fahrlässig handelnde Angestellte eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens
würde bei einer Pflichtverletzung gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG ohne weiteres
stets neben dem Unternehmen als Gesamtschuldner haften. Es würde also
eine eigene, über die vorhandenen zivilrechtlichen Haftungstatbestände
hinausgehende schadensersatzrechtliche Anspruchsgrundlage geschaffen.
Nichts spricht dafür, dass der Gesetzgeber dies zu Lasten von einfachen
Angestellten gewollt hat. Bereits in seinem Urteil vom 19. Dezember 2006 hat
der Senat dementsprechend ausgeführt, den in erster Linie
aufsichtsrechtlichen Regeln des WpHG komme keine eigenständige
schadensersatzrechtliche Bedeutung zu (BGHZ 170, 226, 232, Tz. 18 m.w.Nachw.).
17 c) Dem kann nicht etwa unter Hinweis auf den Wortlaut des § 32 Abs. 2
Nr. 1 WpHG entgegengehalten werden, §§ 31 ff. WpHG hätten auch
anlegerschützende Funktion. Letzteres trifft zwar zu (Senatsurteil BGHZ 142,
345, 356), besagt aber nicht, dass § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG ein Schutzgesetz
i.S. des § 823 Abs. 2 BGB ist.
18 aa) Weitere Voraussetzung für die Annahme eines Schutzgesetzes ist
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Schaffung eines
individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Lichte des
haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint (BGHZ 66, 388, 390).
Dabei muss in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs,
in den die Norm gestellt ist, geprüft werden, ob es in der Tendenz des
Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die
deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit
zugunsten des Geschädigten gegebenen Beweiserleichterungen zu knüpfen
(BGHZ 84, 312, 314; BGH, Urteile vom 14. Juni 2005 - VI ZR 185/04, NJW 2005,
2923, 2924 und vom 28. März 2006 - VI ZR 50/05, NJW 2006, 2110, 2112, Tz. 17
m.w.Nachw.).
19 bb) Hierbei ist zunächst - wie oben bereits dargelegt - zu
berücksichtigen, dass das Zivilrecht eine Vertreterhaftung wegen der
Verletzung vertraglicher Pflichten des Vertretenen grundsätzlich nicht
kennt. Ebenso wenig gibt es wegen vertraglicher Ansprüche gegen eine
juristische Person eine allgemeine Durchgriffshaftung ihrer Organe (vgl.
nur Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB 67. Aufl. vor § 21 Rdn. 12 m.w.Nachw.).
20 Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber sich gegen eine allgemeine
deliktische Haftung für primäre Vermögensschäden entschieden hat. Der
Vermögensschutz wird im deliktischen Haftungssystem grundsätzlich nur durch
§ 826 BGB gewährleistet. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers darf nicht
durch eine ausufernde Annahme von Schutzgesetzen und die Vorverlagerung des
Schutzes, den § 823 Abs. 1 BGB für bestimmte Rechtsgüter gewährt,
unterlaufen werden. Die Schutzvoraussetzungen müssen bei hypothetischer
Annahme eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB vielmehr mit denen des § 823
Abs. 1 BGB bzw. des § 826 BGB vergleichbar sein (PWW/Schaub, BGB 2.
Aufl. § 823 Rdn. 220; s. auch Frank Schäfer WM 2007, 1872, 1873). Ohne
Berücksichtigung dessen würden die speziellen Verhaltensanforderungen bei
vertraglichen Sonderbeziehungen zu Jedermannspflichten umqualifiziert (Leisch,
Informationspflichten nach § 31 WpHG S. 87).
21 Die Verhaltenspflicht des § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG hat keines der in §
823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter im Auge, sondern schützt nur reine
Vermögensinteressen des Kunden. Eine Verletzung solcher Interessen löst
einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB nur bei sittenwidrigem Verhalten
und vorsätzlicher Schadenszufügung aus. Gemessen daran können grundsätzlich
nur solche Normen des WpHG als Schutzgesetze qualifiziert werden, die
entweder nur vorsätzlich verletzt werden können oder im Falle fahrlässiger
Begehung ein sittenwidriges Verhalten sanktionieren (Leisch aaO S. 88).
Davon kann bei einer nur (leicht) fahrlässigen Verletzung der Pflicht, keine
den Kundeninteressen nicht entsprechende Finanzinstrumente zu empfehlen,
keine Rede sein. Eine solche Pflichtverletzung darf deshalb nicht zu einer
Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB führen.
22 cc) Die Inanspruchnahme des Vertreters statt des Vertragspartners macht
wirtschaftlich betrachtet überdies nur bei Zahlungsunfähigkeit bzw.
Insolvenz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens Sinn. Allein das
(Vermögens-)Interesse des Anlegers nach einem weiteren Haftenden beim
Ausfall des Unternehmens kann jedoch keine Grundlage für die Schaffung einer
neuen deliktischen Anspruchsgrundlage sein, die es rechtfertigen könnte, das
Organ oder den Angestellten des Vertragspartners bei einer auch bloß leicht
fahrlässigen Verletzung der Vermögensinteressen des Anlegers als
Ersatzschuldner einspringen zu lassen. Nichts spricht dafür, Organe und
Angestellte von Wertpapierdienstleistungsunternehmen insoweit schlechter zu
stellen als Organe und Angestellte von Unternehmen, die keine Wertpapiere
oder andere Finanzmarkttitel empfehlen.
23 dd) Gegen eine eigene Schadensersatzpflicht von Organen und Angestellten
eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens bei einer fahrlässigen
Beratungspflichtverletzung spricht weiter die getroffene
Verjährungsregelung. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 37a WpHG verjähren
nur Ansprüche aus einer Beratungspflichtverletzung gegen das
Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst in drei Jahren von dem Zeitpunkt
an, in dem der Anspruch entstanden ist. Auf fahrlässigem Verhalten beruhende
Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 32 Abs. 2 Nr. 1 WpHG gegen Organe
und Angestellte des Unternehmens würden von § 37a WpHG nicht erfasst. Für
sie würde nach §§ 195, 199 BGB die dreijährige relative Verjährungsfrist
gelten, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch
entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und
der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe
Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (Frank Schäfer WM 2007, 1872, 1874).
Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, die Haftung von Anlageberatern durch
die kurze Verjährung zu begrenzen, um so ihre Bereitschaft zu stärken, den
Anlegern vermehrt risikoreiche Kapitalanlagen zu empfehlen (vgl. BT-Drucks.
13/8933 S. 59, 96; BGHZ 162, 306, 312), spricht dagegen, Organe und
Angestellte eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens verjährungsrechtlich
schlechter zu stellen als das Unternehmen selbst und eine
Schadensersatzklage gegen sie selbst dann noch durchgreifen zu lassen, wenn
der Schadensersatzanspruch gegen das Unternehmen selbst verjährt und nicht
mehr durchsetzbar ist. Hinzu kommt, dass das
Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei einer fahrlässigen Falschberatung
von Angestellten und Organen im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nach §
426 Abs. 2 BGB im Ergebnis auch dann noch haften würde, wenn der
Direktanspruch gegen das Unternehmen nach § 37a WpHG verjährt ist, weil dem
Ausgleichsanspruch die Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den
Ausgleichspflichtigen nicht entgegensteht (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 67.
Aufl. § 426 Rdn. 3 m.w.Nachw.). Das würde dazu führen, dass die
Verjährungsregelung des § 37a WpHG im Ergebnis obsolet wäre. Dem steht der
Wille des Gesetzgebers entgegen, im Wertpapierhandel bei fahrlässiger
Falschberatung durch eine kurze Verjährungsfrist schnell Rechtssicherheit
herzustellen.
24 ee) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Kläger auch nicht
mit Erfolg darauf verweisen, dass ein Emittent von Wertpapieren, der gegen
seine Verpflichtung aus § 15 Abs. 1 bis 4 WpHG (in der Fassung vom 21. Juni
2002) verstößt, nur unter den Voraussetzungen der §§ 37b und 37c WpHG (in
der Fassung vom 21. Juni 2002) schadensersatzpflichtig ist und §§ 31 ff.
WpHG keine entsprechende Regelung enthalten. § 15 WpHG und §§ 31 ff. WpHG
stehen in keinem die Vergleichbarkeit der Haftungssituation rechtfertigenden
thematischen Zusammenhang. Die Person und Funktion des Pflichtigen sind
ebenso unterschiedlich wie der Kreis der Geschützten, der Pflichtengrund,
der Pflichteninhalt und der Schutzzweck. Für den auch von einem Teil der
Literatur (Assmann/Schneider/Koller, WpHG 4. Aufl. vor § 31 Rdn. 17; Volker
Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen § 6 Rdn. 22 ff.)
gezogenen Umkehrschluss fehlt danach jede Grundlage (Leisch aaO S. 92;
Wienecke Discount-Broking und Anlegerschutz S. 97).
25 2. Das Berufungsurteil lässt sich daher mit der gegebenen Begründung
nicht halten.
III.
26 Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig dar (§ 561 ZPO). Auf der Grundlage des streitigen Parteivortrages
des Klägers kommt zwar ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Betracht.
Das Berufungsgericht hat eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des
Klägers durch den Beklagten aber offen gelassen.
27 1. Das Berufungsgericht ist zu Recht von einer fehlerhaften
Anlageberatung durch den Beklagten ausgegangen. Die vom Beklagten
empfohlenen Produkte waren weder anleger- noch objektgerecht. Das
Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Empfehlung des
Erwerbs ausschließlich von V. -Aktien nicht der dokumentierten
Anlagestrategie und dem Anlageziel des Klägers entsprach. Der Kläger hatte
lediglich eine moderate Risikobereitschaft angegeben und sich damit für eine
ausgewogene Mischung aus sicheren und spekulativen Anlageprodukten
entschieden. Dem widersprach die ausschließliche Empfehlung von Aktien eines
einzigen Emittenten, die nicht börsennotiert und damit besonders riskant
waren. Das Berufungsgericht hat ebenfalls rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass
die Empfehlung auch deswegen falsch war, weil der Kläger an Stelle der
gekündigten Lebensversicherungen eine adäquate zusätzliche Altersvorsorge
erwerben wollte. Ausschließlich spekulative Produkte sind dafür ungeeignet.
28 2. Die der A. gemäß § 278 BGB zuzurechnende Falschberatung kann
zugleich einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten persönlich aus § 826
BGB begründen.
29 a) Ein Anlageberater, der vorsätzlich eine anleger- und objektwidrige
Empfehlung abgibt und die Schädigung des um Rat fragenden Anlegers zumindest
billigend in Kauf nimmt, ist dem Anleger wegen vorsätzlicher sittenwidriger
Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. BGH, Urteile vom 22.
Juni 1992 - II ZR 178/90, WM 1992, 1812, 1823 und vom 13. Juli 2004 - VI ZR
136/03, WM 2004, 1768, 1769; KK-WpHG/ Möllers § 32 Rdn. 100 m.w.Nachw.).
Wird die Empfehlung aufgrund grob fahrlässigen Verhaltens leichtfertig in
unrichtiger Weise abgegeben, ist sie dann als sittenwidrig zu werten, wenn
sie erkennbar für die Entschließung des Anlegers von Bedeutung ist und in
Verfolgung eigener Interessen in dem Bewusstsein einer möglichen Schädigung
des Anlegers abgegeben wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 - II ZR
178/90, WM 1992, 1812, 1823 m.w.Nachw.).
30 b) Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers hat der Beklagte
ihm gesagt, die A. werde das Kapital in gemischten Aktienfonds anlegen. Bei
der V. AG handele es sich um einen solchen gemischten Aktienfonds.
Hinsichtlich der voll bezahlten Aktien bestehe kein Totalausfallrisiko. Wenn
dieser Vortrag zutrifft, hat der Beklagte den Kläger vorsätzlich über die
Art und das Risiko der empfohlenen Aktien getäuscht und damit eine
vorsätzlich sittenwidrige Schädigung begangen. Ebenfalls eine vorsätzliche
sittenwidrige Schädigung kann die vom Kläger vorgetragene und unter Beweis
gestellte Behauptung begründen, der Beklagte habe ihm einen Wertzuwachs von
50.000 € auf 75.000 € binnen zehn Jahren garantiert. In diesem Zusammenhang
kann auch von Bedeutung sein, dass der Beklagte nach seinem Vortrag dem
Kläger eine Wertsteigerung von 14% auf den Kaufpreis innerhalb von zwölf
Monaten ab dem auf den Spätherbst 2004 geplanten Börsengang der V. AG
zugesichert hat, die durch ein Sicherungskonzept garantiert sei.
IV.
31 Das Berufungsurteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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