Pflicht zum Abschluss eines
Überweisungsvertrags (§ 676a BGB); gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern,
Voraussetzungen des Missbrauchs der Vertretungsmacht
BGH, Urteil vom 15. Juni 2004 - XI ZR 220/03
Fundstelle:
NJW 2004, 2517
Amtl. Leitsatz:
a) § 676 a BGB hindert
Kreditinstitute nicht daran, sich rechtsgeschäftlich zum Abschluss von
Überweisungsverträgen und zur Durchführung von Überweisungen zu
verpflichten.
b) Zum Rückzahlungsanspruch von Eltern, die Geld auf Konten ihrer Kinder
überwiesen haben, um die Besteuerung der Kapitalerträge zu vermeiden.
Zentrale
Probleme:
Im Mittelpunkt der sehr lehrreichen
Entscheidung steht die Frage der Reichweite der gesetzlichen
Vertretungsmacht von Eltern, insbesondere die Voraussetzungen des gegenüber
Dritten maßgebenden Missbrauchs der Vertretungsmacht. S. dazu insbes. die
fett markierten Passagen.
"Aufhänger" ist dabei der Abschluss eines Überweisungsvertrags nach § 676a
BGB. Dabei läßt der BGH die str. Frage offen, ob sich aus einem Girovertrag
ein Kontrahierungszwang für Überweisungsverträge ergibt, weil die
Überweisung nach neuem Recht nicht mehr eine bloße Weisung innerhalb eines
Girovertrages (§ 676 f BGB), sondern ein davon zu unterscheidender Vertrag
ist. Im vorliegenden Fall ergab sich eine Verpflichtung zum Abschluss eines
Überweisungsvertrags direkt aus dem Sparvertrag.
©sl 2004
Tatbestand:
Die 1997 bzw. 1999
geborenen Kläger nehmen, vertreten durch ihre Eltern, die beklagte Bank auf
Überweisung gekündigter Spareinlagen auf ein Konto ihrer Eltern in Anspruch.
Jeder Kläger ist
Inhaber eines von seinen Eltern bei der Beklagten für ihn eingerichteten
Sparkontos, das für seine Rechnung geführt wird und über das jeder
Elternteil allein verfügungsberechtigt ist. Im September 1999 überwiesen die
Eltern von eigenen Konten auf das Konto des Klägers zu 1) 60.886,72 DM und
auf das des Klägers zu 2) 96.833,81 DM. In Sparurkunden vereinbarten die
Parteien einen Festzinssatz bis zum 31. März 2000 und die anschließende
Verfügbarkeit der Kontoguthaben nach fristgerechter Kündigung.
Nach ordnungsgemäßer Kündigung wiesen die Kläger, vertreten durch ihre
Eltern, die Beklagte vergeblich an, die Guthaben auf ein Konto ihrer Eltern
zu überweisen. Sie machen geltend, ihre Eltern hätten das Geld in der
irrigen Annahme, die Kapitalertragsteuer sparen zu können, auf ihre - der
Kläger - Konten überwiesen. Sie hätten ihnen das Geld nicht schenken wollen,
sondern sich vorbehalten, jederzeit darüber verfügen zu können. Gemäß § 812
BGB seien sie - die Kläger - zur Rücküberweisung des von ihren Eltern ohne
Rechtsgrund geleisteten Geldes verpflichtet. Die Beklagte trägt demgegenüber
vor, die Eltern hätten den Klägern die überwiesenen Beträge unentgeltlich
und endgültig überlassen. Die Rückübertragung erfordere die Mitwirkung eines
Ergänzungspflegers.
Das Landgericht hat die Klage auf Überweisung der Guthaben der Sparkonten
der Kläger in Höhe von 59.530,88 DM und 99.782,25 DM auf ein Konto der
Eltern abgewiesen (WM 2002, 1604 f.). Das Berufungsgericht hat ihr
stattgegeben (WM 2003, 2092 f. = ZIP 2003, 1390 ff. = BKR 2003, 999 f.). Mit
der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die
Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht
begründet.
I. Das Berufungsgericht
hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Der Anspruch der Kläger
auf Ausführung der Überweisungen ergebe sich aus der in den Sparurkunden
getroffenen Vereinbarung, daß zum Ende der Festzinsvereinbarung nach
fristgerechter Kündigung über die Guthaben verfügt werden könne. Die Pflicht
der kontoführenden Bank, Verfügungen des Kontoinhabers auszuführen, werde
durch § 676 a BGB, der den Überweisungsauftrag nicht mehr als Weisung,
sondern als Vertrag ausgestalte, nicht berührt. Allerdings sei die Beklagte
zur Eingehung eines Überweisungsvertrages nur in den Grenzen des
gewöhnlichen Zahlungsverkehrs verpflichtet. Diese Grenzen seien nicht wegen
des Verdachts, die Eltern mißbrauchten ihre Vertretungsmacht zum Nachteil
der Kläger, überschritten. Dieser Verdacht sei nicht begründet, weil das für
die Kläger angelegte Geld aus dem Vermögen ihrer Eltern stamme und ihnen
nicht etwa von dritter Seite geschenkt worden sei. Die Einzahlung des Geldes
auf Konten, die auf die Namen der Kläger eingerichtet worden seien, sei aus
praktischer Sicht bedeutungslos, da die Vermögensinteressen von Kindern
zwangsläufig durch ihre Eltern wahrzunehmen und in aller Regel mit deren
Vermögensinteressen identisch seien. Die Überweisungsaufträge seien auch
nicht gemäß § 181, § 1797 (richtig: § 1795) Abs. 2 BGB unwirksam. Der
Auftrag, einen Geldbetrag zu überweisen, führe im Fall seiner Annahme nicht
zu einem Rechtsgeschäft zwischen den Eltern als Vertretern und den Klägern
als Vertretenen, sondern zu einem Vertrag zwischen den Klägern und der
Beklagten.
II. Diese Ausführungen
halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Kläger haben
gegen die Beklagte aufgrund der in den Sparurkunden getroffenen Vereinbarung
in Verbindung mit § 676 a Abs. 1 Satz 1 BGB Anspruch auf Abschluß von
Überweisungsverträgen und Ausführung der begehrten Überweisungen. Die
Auslegung der Sparurkunden durch das Berufungsgericht, daß sich die Beklagte
zur Eingehung von Überweisungsverträgen und zur Ausführung der Überweisungen
verpflichtet hat, ist rechtsfehlerfrei und wird von der Revision nicht
angegriffen. Sie führt nicht dazu, daß Sparkonten zu Zwecken des
Zahlungsverkehrs genutzt werden können, sondern betrifft nur die Art und
Weise, in der die Kontoinhaber nach Beendigung der Sparverträge über ihre
Guthaben verfügen können.
Der Auslegung durch das Berufungsgericht steht § 676 a BGB nicht entgegen,
der gemäß Art. 228 Abs. 2 EGBGB anwendbar ist, weil mit der Abwicklung der
begehrten Überweisungen vor dem 1. Januar 2002 nicht begonnen worden ist
(vgl. Gößmann/van Look WM 2000 Sonderbeilage 1, S. 13 f.; Palandt/Sprau, BGB
63. Aufl. Art. 228 EGBGB Rdn. 2 f.). Nach § 676 a Abs. 1 BGB erfolgen
Banküberweisungen aufgrund von Überweisungsverträgen, zu deren Abschluß
Kreditinstitute nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht verpflichtet
sind (Begr.RegE ÜG, BT-Drucks. 14/745, S. 19; vgl. zu der hier unerheblichen
Streitfrage eines Kontrahierungszwangs: Langenbucher, in: Langenbucher/Gößmann/Werner,
Zahlungsverkehr § 1 Rdn. 28 ff. m.w.Nachw.), und die sie bis zum Beginn der
Ausführungsfrist ohne Angabe von Gründen kündigen können (§ 676 a Abs. 3
Satz 1 BGB). Diese Regelungen hindern Kreditinstitute indes nicht daran,
sich rechtsgeschäftlich zum Abschluß von Überweisungsverträgen und zur
Durchführung von Überweisungen zu verpflichten (vgl. Feldhahn, Die
Bankenhaftung des neuen Überweisungsrechts S. 39 f.; Langenbucher, in:
Langenbucher/Gößmann/ Werner, Zahlungsverkehr § 1 Rdn. 31).
Daß die Kläger die Beklagte konkludent nicht nur auf Abschluß von
Überweisungsverträgen, sondern zugleich auf Ausführung der Überweisungen als
der aufgrund der Überweisungsverträge geschuldeten Leistungen in Anspruch
nehmen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
2. Die Kläger sind bei
der Abgabe der Anträge auf Abschluß der Überweisungsverträge wirksam durch
ihre Eltern vertreten worden (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB).
a) Die Vertretungsmacht
der Eltern war nicht gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 2, § 181 BGB
ausgeschlossen. Da der Überweisungsvertrag mit der Beklagten als
Überweisungsbank, nicht aber mit den Eltern als Überweisungsempfängern zu
schließen ist, fällt er nicht in den Anwendungsbereich des § 181 BGB.
Diese Vorschrift gilt für Überweisungen des Vertreters des Kontoinhabers auf
ein Konto des Vertreters weder unmittelbar noch analog (BGH, Urteil vom
27. März 1958 - II ZR 31/57, WM 1958, 552, 553 und Beschluß vom 25. Februar
1982 - III ZR 188/81, WM 1982, 549).
b) Die Eltern sind auch
nicht durch § 1641 Satz 1 BGB gehindert, namens ihrer Kinder
Überweisungsaufträge zu erteilen. § 1641 Satz 1 BGB erfaßt nur
Rechtsgeschäfte zwischen Kindern als Schenkern und den Beschenkten (vgl.
MünchKomm/Huber, BGB 4. Aufl. § 1641 Rdn. 7 m.w.Nachw.; Erman/Michalski, BGB
11. Aufl. § 1641 Rdn. 1; Bamberger/Roth/Veit, BGB § 1641 Rdn. 3 m.w.Nachw.),
schränkt aber, anders als etwa § 1643 Abs. 1 BGB, § 1822 Nr. 8 BGB
(vgl. hierzu Canaris, Bankvertragsrecht 2. Aufl. Rdn. 168; Schramm, in:
Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 32 Rdn. 17), im
Außenverhältnis zur Bank die Vertretungsmacht der Eltern zum Abschluß eines
Überweisungsvertrages nicht ein.
c) Es liegt auch kein
objektiv evidenter Mißbrauch der elterlichen Vertretungsmacht vor, der zur
Folge hätte, daß die Kläger die Überweisungsaufträge nicht gegen sich gelten
lassen müssen und nach Eintritt der Volljährigkeit erneut die Auszahlung der
Sparguthaben an sich verlangen können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat grundsätzlich der
Vertretene das Risiko eines Vollmachtsmißbrauchs zu tragen;
den Vertragspartner trifft keine Prüfungspflicht, ob und inwieweit der
Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von seiner nach außen
unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen. Der
Vertretene ist gegen einen erkennbaren Mißbrauch der Vertretungsmacht im
Verhältnis zum Vertragspartner nur dann geschützt, wenn der Vertreter von
seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht
hat, so daß beim Vertragspartner begründete Zweifel bestehen müssen, ob
nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege.
Notwendig ist dabei eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive
Evidenz des Mißbrauchs (Senat, BGHZ 127, 239, 241 und Urteile vom 28. April
1992 - XI ZR 164/91, WM 1992, 1362, 1363, vom 19. April 1994 - XI ZR 18/93,
WM 1994, 1204, 1206 und vom 29. Juni 1999 - XI ZR 277/98, WM 1999, 1617,
1618).
Diese Voraussetzungen, deren Feststellung als tatrichterliche Würdigung im
Revisionsverfahren nur beschränkt überprüfbar ist (Senat, Urteil vom 29.
Juni 1999 - XI ZR 277/98, WM 1999, 1617, 1618), hat das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei verneint. Die begehrten Überweisungen verstoßen nicht
evident gegen Bindungen, denen die Eltern im Innenverhältnis zu den Klägern
unterliegen (vgl. für Überweisungen des Vertreters des Kontoinhabers auf ein
eigenes Konto des Vertreters: BGH, Beschluß vom 25. Februar 1982 - III ZR
188/81, WM 1982, 549). Nach dem Vortrag der Kläger dienen die Überweisungen
der Erfüllung eines Anspruches ihrer Eltern gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818
Abs. 1 BGB. Unter dieser Voraussetzung wäre sogar eine unmittelbare
Übereignung des Geldes von den Klägern an ihre Eltern von deren
Vertretungsmacht gedeckt, da § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 2, § 181 BGB
Rechtsgeschäfte, die ausschließlich der Erfüllung einer Verbindlichkeit
dienen, zuläßt. Ein Mißbrauch der Vertretungsmacht läge nur vor, wenn
der Vortrag der Kläger unrichtig wäre, weil die Überweisungen der Eltern auf
die Konten der Kläger Schenkungen waren und deshalb mit Rechtsgrund
erfolgten. Dies war aber nicht objektiv evident. Das Berufungsgericht hat,
anders als die Revision meint, eine Schenkung der Eltern nicht festgestellt.
Es geht lediglich davon aus, daß das eingezahlte Geld aus dem Vermögen der
Eltern stammt, trifft aber keine Feststellungen zu einem den Einzahlungen
zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und den Klägern.
Eine Schenkung kann entgegen Klein/Meinhardt BKR 2004, 180, 182 auch nicht
deshalb mit Evidenz angenommen werden, weil die Eltern durch die Einzahlung
des Geldes auf Konten ihrer Kinder ihre Einkommensteuer vermindern wollten.
Diese Zielsetzung spricht zwar dafür, daß die Kläger - wie zwischen den
Parteien ohnehin unstreitig ist – materiellrechtlich Inhaber der Sparkonten
und der Einlagenforderungen gegen die Beklagte werden sollten. Sie
rechtfertigt aber auch unter Berücksichtigung des § 39 AO sowie der Angaben
der Eltern zu § 8 GwG nicht mit Evidenz die Annahme, daß die Kläger und ihre
Eltern sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig waren (§ 516 Abs.
1 BGB). Die steuer- und strafrechtlichen Folgen einer ohne zugrunde liegende
Schenkung erfolgten Einzahlung der Eltern auf die Konten der Kläger bedürfen
in diesem Zusammenhang keiner näheren Beurteilung, weil sie am
Rückzahlungsanspruch der Eltern nichts ändern.
3. Die Beklagte kann den Abschluß der Überweisungsverträge und die
Ausführung der Überweisungen auch unter keinem anderen rechtlichen
Gesichtspunkt verweigern. Nach dem Prinzip der formalen Auftragsstrenge
(vgl. zum alten Überweisungsrecht: BGHZ 98, 24, 31; BGH, Urteile vom 31.
Januar 1972 - II ZR 145/69, WM 1972, 308, 309 und vom 11. März 1976 - II ZR
116/74, WM 1976, 904, 905; zum neuen Überweisungsrecht: Grundmann WM 2000,
2269, 2277 f.; Langenbucher, in: Langenbucher/Gößmann/Werner,
Zahlungsverkehr § 1 Rdn. 43; Nobbe WM 2001 Sonderbeilage 4, S. 8, 10)
darf sie die den Überweisungen zugrunde liegenden Valutaverhältnisse, d.h.
die Rechtsverhältnisse zwischen den Klägern und ihren Eltern, nicht
beachten. Die Minderjährigkeit der Kläger führt entgegen der Auffassung
der Revision zu keiner anderen Beurteilung. Minderjährige sind dadurch
geschützt, daß sie im Rechtsverkehr nicht selbst, sondern nur durch ihre
gesetzlichen Vertreter handeln können. Die gesetzliche Vertretungsmacht
unterliegt beim Abschluß von Überweisungsverträgen, anders als bei anderen
Rechtsgeschäften (vgl. § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB,
§ 1643 Abs. 1 i.V. mit § 1821, § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8-11 BGB, § 1643 Abs. 2
BGB) keinen Beschränkungen. Ein evidenter Mißbrauch der Vertretungsmacht
liegt - wie dargelegt - nicht vor. Die weitergehende Überprüfung des
Handelns eines gesetzlichen Vertreters eines Minderjährigen durch
Kreditinstitute entbehrt einer rechtlichen Grundlage.
III. Die Revision war
demnach als unbegründet zurückzuweisen. |